Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer, Kfz-Steuer, sonstige Verkehrsteuern Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Abschluß eines Kaufvertrags zwischen dem bisherigen und dem neuen Heimstätter schließt die Annahme eines grunderwerbsteuerfreien Heimfalls der Heimstätte an den Ausgeber und ihre grunderwerbsteuerfreie Neuausgabe an den neuen Heimstätter nicht aus.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1; RHeimstG § 34 Abs. 1; RHeimstVO 49/1

 

Tatbestand

Die Ehegatten B. waren im Grundbuch als Eigentümer einer Heimstätte eingetragen. Der Ehemann verstarb 1944, die Ehefrau 1947. Danach befand sich die Heimstätte im ungeteilten Eigentum der Erben.

Am 25. Februar 1954 wurde zwischen dem Ausgeber, den Erben und dem Beschwerdeführer (Bf.) über die Heimstätte ein "übernahmevertrag" geschlossen. In dem Abschnitt A "Heimstättenvertrag mit Kauf" wird zunächst erklärt, daß ein Heimfallanspruch des Ausgebers gemäß § 12 des Reichsheimstättengesetzes (RHeimstG) besteht, weil keiner der Miterben die Heimstätte selbst bewohnt und eine übertragung auf einen einzelnen Miterben von den Beteiligten nicht gewünscht wird. Sodann macht die Stadtgemeinde als Ausgeberin diesen Heimfallanspruch geltend. Die Erben geben dem Anspruch statt und verpflichten sich zur Rückübertragung der Heimstätte auf die Stadtgemeinde. Die Stadt gibt die Heimstätte sofort neu aus an den Bf. und seine Ehefrau. Es heißt dann weiter:

"3. Für das Rechtsverhältnis zwischen der Stadtgemeinde als Ausgeberin und den neuen Heimstättern sind die Bestimmungen des Reichsheimstättengesetzes vom 25. November 1937 und der Ausführungsverordnung vom 19. Juli 1940 maßgebend.

Die im seitherigen Heimstättenvertrag vom 6. August 1923 Zfr. 8, 9, 10 und II enthaltenen besonderen Verpflichtungen werden von den ... neuen Heimstättern ... übernommen.

Die Stadtgemeinde ist mit den bisherigen und den neuen Heimstättern darüber einig, daß

die Gesamtvergütung, welche nach § 15 RHG den bisherigen Eigentümern zu leisten ist - : 24.000 DM. - Vierundzwanzigtausend Deutsche Mark beträgt, und daß

die neuen Heimstätter ... zu dem gleichen Kaufpreis das Anwesen übernehmen.

Die Stadtgemeinde überläßt es den bisherigen Eigentümern und den neuen Heimstättern unter Zugrundelegung des genannten Kaufpreises unmittelbar miteinander die Bedingungen des Kaufvertrags zu vereinbaren mit der Wirkung, daß sie hierauf unmittelbar gegenseitig berechtigt und verpflichtet werden. Die Stadtgemeinde wird aus jeder Haftung für den übernahmepreis entlassen.

Die Stadtgemeinde bestimmt als Ausgeberin gemäß § 16 RHG ... die neuen Heimstätter ... als diejenigen, an welche die bisherigen Eigentümer die Heimstätte aufzulassen haben."

Der Gemeinderat der Stadt hat laut Sitzungsprotokoll vom 23. März 1954 der Ausübung des Heimfallanspruchs und der Neuausgabe der Heimstätte zugestimmt.

Das Finanzgericht hat es ebenso wie das Finanzamt abgelehnt, auf diesen Vertrag die Befreiung von der Grunderwerbsteuer gemäß § 34 Abs. I RHeimstG in der Fassung vom 25. November 1937 (Reichsgesetzblatt - RGBl - I S. 1291), § 49 Abs. 1 der Ausführungs-Verordnung vom 19. Juli 1940 (RGBl I S. 1027) zu gewähren.

Das Finanzgericht ist der Auffassung, durch die Vertragsbestimmung in der zweiten Hälfte des Abschnitts 4 (vgl. oben) sei eindeutig festgestellt, daß im Grunderwerbsteuerrechtssinn nicht ein Heimfall an die Stadtgemeinde eingetreten und eine Neuausgabe erfolgt ist, sondern daß mit Zustimmung der Ausgeberin die Heimstätte unmittelbar von den bisherigen Heimstättern durch den Bf. und seine Ehefrau erworben wurde. Die im Betrag von 24.000 DM berechnete Gesamtvergütung sei also kein Erwerbspreis im Sinne von § 15 Abs. I RHeimstG. Der Heimfallanspruch sei nicht - nur scheinbar - von der Stadtgemeinde geltend gemacht worden. Die Stadtgemeinde habe in Wirklichkeit nach dem eindeutigen Wortlaut des Vertrags sich nicht "zwischengeschaltet", sondern es den alten und den neuen Heimstättern überlassen, in unmittelbaren Rechtsbeziehungen die Heimstätte zu übertragen bzw. zu erwerben. Eine Geltendmachung des Heimfallrechts liege - auch in Beachtung der Grundsätze der Entscheidung des Reichsfinanzhofs Slg. Bd. 26 S. 301 - nicht vor, wenn die Ausgeberin jede Zahlungspflicht für den durch den Heimfall entstehenden (Rück-) Erwerbspreis im Sinne von § 15 Abs. 1 RHeimstG ausschließt. Sie betätige sich dann aber nicht als Ausgeberin, sondern nur in der Weise, wie sie es auch in anderen Fällen gehandhabt habe, in denen sie ohne Geltendmachung des Heimfallanspruchs es den Heimstättern überlassen habe, ihre Heimstätte zu veräußern.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

§ 34 Abs. 1 RHeimstG befreit alle zur Begründung und Vergrößerung von Heimstätten erforderlichen Geschäfte und Verhandlungen von Steuern, darunter der Grunderwerbsteuer. Nach § 49 Abs. 1 der Ausführungs-Verordnung gehören zu den Geschäften und Verhandlungen im Sinne des § 34 des Gesetzes auch die zur Ausübung des Vorkaufsrechts und Heimfallanspruchs und zur Neuausgabe einer an den Ausgeber zurückgefallenen Heimstätte erforderlichen Rechtshandlungen.

Dem Bf. ist allerdings nicht darin zu folgen, daß die Steuerbefreiung im Streitfall schon deshalb ausgesprochen werden müsse, weil die Ausgeberin die in § 34 Abs. 2 RHeimstG vorgesehene Bescheinigung abgegeben hat. Derartige Bescheinigungen binden nach der ständigen Rechtsprechung der höchsten Steuergerichte (vgl. z. B. Entscheidungen des Reichsfinanzhofs II 418/37 vom 6. Mai 1938, Reichssteuerblatt 1938 S. 829, des Obersten Finanzgerichtshofs II 30/49 vom 24. Februar 1950, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Grunderwerbsteuergesetz § 1 Rechtsspruch 2; des Bundesfinanzhofs II 201/51 S vom 2. November 1951, Slg. Bd. 55 S. 578, Bundessteuerblatt 1951 III S. 234 und II 143/51 S vom 2. April 1952, Slg. Bd. 56 S. 344, Bundessteuerblatt 1952 III S. 134) die Finanzbehörden nur in tatsächlicher, nicht auch in rechtlicher Hinsicht. Die Frage aber, ob der strittige Vertrag die Neuausgabe einer an den Ausgeber zurückgefallenen Heimstätte enthält oder nicht, ist eine reine Rechtsfrage.

In sachlicher Hinsicht ist Ausgangspunkt der Betrachtung, daß die Stadtgemeinde den Heimfallanspruch geltend macht, die Erben der früheren Heimstätter diesem Anspruch stattgeben und die Stadtgemeinde die Heimstätte an den Bf. und seine Ehefrau neu ausgibt. An der Ernstlichkeit dieser Erklärungen und Vereinbarungen ist nicht zu zweifeln. Von besonderer Bedeutung ist sodann die Vereinbarung, daß für das Rechtsverhältnis zwischen der Stadtgemeinde als Ausgeberin und den neuen Heimstättern die Bestimmungen des RHeimstG und seiner Ausführungs-Verordnung maßgebend sind und die in dem seitherigen Heimstättenvertrag enthaltenen besonderen Verpflichtungen von den neuen Heimstättern übernommen werden. Die neuen Heimstätter sind demnach den persönlich übernommenen Beschränkungen entsprechend den Besonderheiten des Heimstättenvertrags und gesetzlichen Beschränkungen nach Heimstättenrecht unterworfen, z. B. RHeimstG § 9 (Erfordernis der Zustimmung zur Teilung usw.), § 11 (Vorkaufsrecht des Ausgebers), § 12 (Heimfallanspruch des Ausgebers, weil der Heimstätter die Heimstätte nicht dauernd selbst bewohnt oder bewirtschaftet). Die Vereinbarungen sind zwischen der Stadtgemeinde als Ausgeberin und den neuen Heimstättern, nicht zwischen den alten und den neuen Heimstättern, getroffen worden. Diese Erklärungen und Vereinbarungen bestimmen die Natur des Vertrags vom 25. Februar 1954 als einer Neuausgabe auf Grund des Heimfalles. Diese Natur des Vertrags wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß für die weitere Abwicklung der unmittelbare Weg zwischen den alten und den neuen Heimstättern gewählt worden ist, zumal die Ausgeberin nur aus der Haftung für den übernahmepreis entlassen worden ist.

Der Streitfall stimmt zwar nicht mit dem Fall des Urteils des Reichsfinanzhofs II A 69/30 vom 29. April 1930, Slg. Bd. 26 S. 301, das auch das Finanzgericht anführt, überein; es heißt aber dort am Schluß, ein lediglich passives Verhalten des Ausgebers durch Nichtausübung seines Vorkaufsrecht oder Heimfallanspruchs würde zwar nicht die Neubegründung der Heimstätte durch ihn bedeuten, wohl aber könnte sie nach den Umständen des Falles dann angenommen werden, wenn der Ausgeber in Ausübung dieses Vorkaufsrechts oder Heimfallanspruchs gemäß § 16 des Gesetzes die Auflassung der Heimstätte an einen von ihm bezeichneten Dritten durch den früheren Heimstätter verlangt hatte, da dann, auch wenn nunmehr letzterer mit ersterem einen Kaufvertrag abschließt, in Wirklichkeit der Ausgeber die Heimstätte überträgt.

Das Finanzamt meint zwar, es habe ein Heimfallanspruch der Stadtgemeinde nicht mehr bestanden. Tatsächlich aber hat die Stadtgemeinde wegen der besonderen Umstände des Falles nur vorübergehend auf die Ausübung des Heimfallanspruchs verzichtet. Eine Frist für die Ausübung des Heimfallanspruchs, deren Innehaltung das Finanzamt außerdem vermißt, ist nicht vorgeschrieben.

Das Finanzgericht hat nicht eine Entscheidung getroffen, der der erforschte Wille der Beteiligten zugrunde lag und die deshalb gegebenenfalls für den Senat bindend gewesen wäre, sondern - unabhängig von dem Willen der Beteiligten - eine Rechtsfrage dahin entschieden, daß die Vereinbarung in Abschnitt 3 des Vertrags die Beurteilung der Vertragsbestimmungen als Neuausgabe der Heimstätte auf Grund Heimfallrechts rechtlich ausschließt. Es bestand für den Senat also keine Bindung.

Hiernach war der Bf. unter Aufhebung der Vorentscheidung und des Steuerbescheids von Steuer und Zuschlag freizustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408422

BStBl III 1956, 114

BFHE 1956, 308

BFHE 62, 308

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