Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Der im § 3 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau vom 4. 3. 1952 vorgesehene Zuschlag von 5 vom Hundert ist für jedes angefangene oder volle Jahr zu entrichten.
Der unter 1) genannte Zuschlag ist nur von der Grunderwerbsteuer, nicht auch von dem Kreiszuschlag und dem Zuschlag zur Abgeltung der Wertzuwachssteuer zu entrichten.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1; GrEStWGNW 3
Tatbestand
Das Finanzamt hat anläßlich der Nacherhebung der Grunderwerbsteuer gemäß § 3 Abs. 2 des Gesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau vom 4. März 1952 (Gesetz- und Verordnungsblatt S. 33, Bundessteuerblatt 1952 II S. 46) einen Zuschlag von 5 v. H. der Steuer und der Zuschläge erhoben. Das Finanzgericht hat dies gebilligt.
Entscheidungsgründe
"(1) Die im § 1 Ziffern 1 bis 3 bezeichneten Erwerbsvorgänge unterliegen mit dem Ablauf von drei Jahren, vom Tage der Ausstellung der Unbedenklichkeitsbescheinigung (§ 2 Absatz 1) an gerechnet, der Steuer, wenn das Grundstück nicht innerhalb dieses Zeitraums zu dem steuerbegünstigten Zweck verwendet worden ist. Auf die nacherhobene Steuer ist ein Zuschlag von 20 vom Hundert zu entrichten.
Die Erwerbsvorgänge unterliegen schon vor Ablauf des im Absatz 1 Satz 1 bestimmten Zeitraums der Steuer, wenn der steuerbegünstigte Zweck aufgegeben wird. In diesem Fall ist auf die Steuer ein Zuschlag von 5 vom Hundert - auf den Zeitraum eines Jahres berechnet - zu entrichten."
I. Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ist der Auffassung, der Zuschlag dürfe im Streitfall nur für zwei Monate, d. h. mit 1/6 des Jahresbetrags, erhoben werden, weil der begünstigte Zweck zwei Monate nach der Ausstellung der Unbedenklichkeitsbescheinigung aufgegeben worden sei.
Die Gesetzesfassung "ein Zuschlag von 5 vom Hundert - auf den Zeitraum eines Jahres berechnet -" gibt zu Zweifeln Anlaß. Sollen die 5 vom Hundert, wie die Bfin. es will, pro rata temporis oder, wie die Vorinstanzen entschieden haben, für jedes angefangene oder volle Jahr berechnet werden? Der Senat gelangt zur Billigung der letzten Auffassung.
Schon dann, wenn statt eines Zuschlags Zinsen "von 5 vom Hundert - auf den Zeitraum eines Jahres berechnet -" zu entrichten wären, könnte man der Auffassung der Vorinstanzen zuneigen. Das Gesetz wendet nämlich nicht eine der für eine tageweise Verzinsung üblichen Ausdrücke an, nämlich 5 vom Hundert "Jahreszinsen" (vgl. Reichsbewertungsgesetz vom 16. Oktober 1934 § 14 Abs. 3) oder 5 vom Hundert "jährlich" (vgl. die Begründung zu § 20 des Steueranpassungsgesetzes, Reichssteuerblatt 1934 S. 1411) oder 5 vom Hundert ohne Zusatz (vgl. § 104 Abs. 1, § 119 Abs. 2, § 132 der Reichsabgabenordnung in der Fassung vor 1934) oder 5 vom Hundert "p. a." (vgl. z. B. die Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr vom 1. Juli 1954 über Änderung der Habenzinsen und Kreditkosten der Kreditinstitute, Bayer. Staatsanzeiger Nr. 28 vom 10. Juli 1954 S. 2); das Gesetz gebraucht vielmehr einen von alledem abweichenden Wortlaut. Im Hinblick darauf, daß nicht eine Verzinsung, sondern die Erhebung eines Zuschlags vorgeschrieben ist, tritt der Gedanke einer tageweisen Berechnung noch mehr zurück. Sofern aber noch Bedenken bestehen, werden diese durch die zur Behebung der Zweifel zulässige Heranziehung der Entstehungsgeschichte der Vorschrift beseitigt. Im Entwurf des Gesetzes hatte § 3 gelautet (vgl. Drucksachen des Landtags Nordrhein-Westfalen - 2. Wahlperiode - Bd. II Drucksache Nr. 512):
"(1) Die im § 1 bezeichneten Erwerbsvorgänge unterliegen mit dem Ablauf von drei Jahren, vom Tage der Ausstellung der Unbedenklichkeitsbescheinigung (§ 2 Absatz 1) an gerechnet, der Steuer, wenn das Grundstück nicht innerhalb dieses Zeitraums zu dem steuerbegünstigten Zweck verwendet worden ist. Die Erwerbsvorgänge unterliegen schon vor Ablauf dieses Zeitraums der Steuer, wenn der steuerbegünstigte Zweck aufgegeben wird.
(2) Auf die nacherhobene Steuer ist ein Zuschlag von 15 vom Hundert der nacherhobenen Beträge zu entrichten."
In der Begründung (ebenfalls Drucksache Nr. 512) hieß es dazu in Abs. 2 des Abschnitts "Zu § 3":
"Es muß verhindert werden, daß die Erklärung nach § 2 Absatz 1 des Gesetzentwurfs leichtfertig dem Finanzamt eingereicht wird. Aus diesem Grunde ist vorgesehen, daß auf die nacherhobene Steuer ein Zuschlag von 15 v. H. der nacherhobenen Beträge zu erheben ist. In den Fällen, in denen das Bauvorhaben ohne Verschulden des Erwerbers nicht zur Durchführung gelangt, kann im Erlaßweg aus Billigkeitsgründen geholfen werden."
Hiernach war also auch dann schon ein Zuschlag von vollen 15 vom Hundert der Steuer zu entrichten, wenn der begünstigte Zweck z. B. nur eine Woche nach der Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung aufgegeben wurde.
Der Haushalts- und Finanzausschuß schlug darauf (vgl. Drucksache Nr. 573) die nachher Gesetz gewordene Fassung vor.
1. Aus diesem Hergang ist ersichtlich, daß nichts an der Wirkung geringfügiger überschreitungen geändert werden sollte - denn die 20 vom Hundert werden zweifelsohne auch bei der überschreitung der drei Jahre um wenige Tage verwirkt -, vielmehr der ursprüngliche Zuschlag von sogleich vollen 15 vom Hundert dahin gemildert werden sollte, daß bei Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks im ersten Jahr 5 vom Hundert, im zweiten 10 vom Hundert und im dritten 15 vom Hundert entrichtet werden sollten.
Hiernach ist in diesem Streitpunkt die Auffassung der Vorinstanzen gerechtfertigt, daß die Bfin. einen Zuschlag von 5 vom Hundert verwirkt hat.
2. Die Bfin. meint, von dem Kreiszuschlag und dem Zuschlag zur Abgeltung der Wertzuwachssteuer dürfe der in§ 3 des Gesetzes vom 4. März 1952 vorgesehene Zuschlag nicht erhoben werden.
Hierin ist der Bfin. beizutreten. Das Gesetz vom 4. März 1952 ordnet nur die Erhebung des Zuschlags "auf die Steuer", nicht "auf die Steuer und die Zuschläge" an. Man sagt allerdings, der Kreiszuschlag und der Zuschlag zur Abgeltung der Wertzuwachssteuer teilten das Schicksal der Hauptsteuer; das bedeutet indessen, daß Herabsetzungen und Erhöhungen der Steuer die Herabsetzung und Erhöhung der Zuschläge nach sich ziehen, und dies wiederum beruht darauf, daß die Zuschläge von derselben Steuerbemessungsgrundlage zu erheben sind, von der die Steuer zu berechnen ist (vgl.§ 38 Abs. 3 Satz 1 des Finanzausgleichsgesetzes in der Fassung des§ 1 Ziff. 5 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichs vom 31. Juli 1938, Reichsgesetzblatt I S. 966 und§ 15 Abs. 1 Satz 2 der Steuervereinfachungs-Verordnung vom 14. September 1944, Reichsgesetzblatt I S. 202). Ebenso darf ein Erlaß der Steuer nur gleichmäßig, das heißt in demselben Verhältnis, für Steuer und Zuschläge ausgesprochen werden. Die in § 3 des Gesetzes vom 4. März 1952 vorgesehene Belastung des Steuerpflichtigen dürfte aber die Zuschläge nur dann umfassen, wenn dies besonders im Gesetz angeordnet wäre. So schreibt auch die Durchführungsverordnung zum Grunderwerbsteuergesetz in § 7 die für die Hauptsteuer vorgesehene Abrundung für den Zuschlag noch besonders vor und trifft die Vorschrift der Festsetzung durch schriftlichen Steuerbescheid in § 8 für "die Steuer" und in § 10 für den Zuschlag.
Daß der Begriff der Steuern im Sinne des § 2 des Steuersäumnisgesetzes ebenso wie im Sinne des § 1 der Reichsabgabenordnung auch den Kreiszuschlag und den Zuschlag zur Abgeltung der Wertzuwachssteuer umfaßt, steht der Entscheidung nicht entgegen. Denn jene Vorschriften betreffen die Gesamtheit der Steuern allgemein, während das Grunderwerbsteuerrecht für sich unter der Steuer die Landessteuer im Gegensatz zu den oben genannten Zuschlägen versteht und auf getrennte gesetzliche Grundlage stellt.
Fundstellen
Haufe-Index 408421 |
BStBl III 1956, 104 |
BFHE 1956, 281 |
BFHE 62, 281 |