Leitsatz (amtlich)
1. Der Senat bleibt dabei, daß in einer Gaststätte zum Tanz spielende Musiker regelmäßig auch dann Arbeitnehmer des Gastwirts sind, wenn sie nicht dauernd für ihn tätig sind.
2. Zwischen dem Kapellenleiter und den nebenberuflich tätigen Angehörigen einer solchen Musikergruppe kann ein gesellschaftlicher Zusammenschluß oder ein Arbeitsverhältnis mit der Folge, daß Vertragspartner des Gastwirts nicht der einzelne Musiker, sondern die Gemeinschaft als solche bzw. der Kapellenleiter ist, nur angenommen werden, wenn entsprechende eindeutige Abreden unter den Musikern feststellbar sind und hieraus die steuerlichen Konsequenzen gezogen worden sind.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1
Tatbestand
Der Revisionskläger ist Inhaber eines Tanzcafes. In dem Streitjahr 1962 sind an fast allen Samstagen und Sonntagen und auch an manchen Feiertagen Tanzveranstaltungen abgehalten worden. Soweit an einzelnen Wochenenden Tanzerlaubnis nicht erteilt wurde, machten die Musikkapellen Unterhaltungsmusik. Am häufigsten spielte die B-Kapelle. Diese Kapelle bestand aus vier Stamm-Musikern. Gelegentlich spielten andere Musiker aushilfsweise in der Kapelle mit. Alle Kapellenmitglieder standen anderweits in einem Arbeitsverhältnis; kein Mitglied war hauptberuflich Musiker. Die B-Kapelle spielte an mindestens 32 Wochenenden. Sie erhielt nach den Feststellungen des FG Entgelte von insgesamt 8 733 DM. Die Ersatzkräfte für an einzelnen Wochenenden ausfallende Kapellenmitglieder besorgte der Sprecher der Kapelle, der beigeladene W. Auf die Auswahl der gespielten Musikstücke nahm der Revisionskläger keinen Einfluß. Die Musikinstrumente gehörten den einzelnen Musikern. Daneben erwarben die vier Stamm-Mitglieder eine aus drei Mikrofonen, einem Verstärker, einer Echolette und zwei Lautsprechern bestehende elektrische Anlage im Gesamtwert von rd. 3 300 DM, die von ihnen gemeinsam abgezahlt wurden. Die Kosten für die jährlich anfallenden Reparaturen trugen die Stamm-Mitglieder der Kapelle gemeinsam. Außer der B-Kapelle spielten im Lokal des Revisionsklägers auch noch andere Kapellen aushilfsweise.
Das FA zog den Revisionskläger gemäß § 38 Abs. 3 EStG, § 46 LStDV zur Lohnsteuerhaftung heran. Es ging dabei von einem Gesamtarbeitslohn von 13 250 DM, dem in der Verlust- und Gewinnrechnung ausgewiesenen Musikeraufwand aus. Die Steuer errechnete das FA mit einem Steuersatz von 12 v. H. Werbungskosten wurden nicht abgesetzt. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klage hatte zum Teil Erfolg. Das FG nahm an, daß nur hinsichtlich der Stamm-Mitglieder der B-Kapelle ein Dienstverhältnis zum Revisionskläger gegeben sei. Bei ihnen lägen zwar gewisse für Selbständigkeit sprechende Umstände vor; nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei aber ein Dienstverhältnis anzunehmen. Es sei entscheidend auf die Dauer der Beschäftigung der einzelnen Kapellen abzustellen. Je länger die Beschäftigungsdauer sei, um so mehr könne eine Eingliederung angenommen werden (Urteil des BFH IV 106/54 U vom 3. November 1955, BFH 62, 296, BStBl III 1956, 110). Im Streitfall seien die zeitlichen Mindestvoraussetzungen für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses bei den ständigen Mitgliedern der B-Kapelle, nicht aber bei den anderen Musikern gegeben.
Das FG setzte die auf die ständigen Mitglieder der bezeichneten Kapelle entfallende Lohnsteuer auf 927 DM fest. Dabei ging es, abweichend vom FA, mit der Begründung, alle Musiker ständen in einem anderen Dienstverhältnis, von einem Steuersatz von 20 v. H. aus und setzte die angefallenen Werbungskosten ab.
Mit der Revision wird von dem Revisionskläger die Aufhebung des angefochtenen Urteils und ersatzlose Aufhebung des Haftungsbescheides beantragt. Da die einzelnen Musikkapellen jeweils nur für die Wochenenden von Fall zu Fall verpflichtet worden seien, fehle es an einer Beschäftigung über eine feste Mindestdauer oder nach einem festen Dauerplan. Er habe nur die Kapelle als solche bestellt; wer bei der Kapelle gespielt habe, sei ihm nicht bekannt gewesen. Notwendige Ersatzkräfte seien durch den Kapellenleiter besorgt worden. Die Musikkapelle sei im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) aufgetreten. Die Musiker hätten auch ein eigenes unternehmerisches Risiko getragen, das durch die Anschaffung der Geräte von nicht unerheblichem Wert gegeben sei.
Der Revisionsbeklagte (FA) beantragte Zurückweisung der Revision. Die Tatsache, daß dieselbe Kapelle im Streitjahr insgesamt mindestens 32mal zu Tanzveranstaltungen gespielt habe, spreche für einen festen Dauerspielplan. Die Kapellenmitglieder seien offenbar selbst nicht der Auffassung gewesen, Gesellschafter einer GbR zu sein; denn sie hätten weder die Gesellschaft beim Gewerbeamt angemeldet noch Steuererklärungen abgegeben.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß Musiker, die in einer Gaststätte zum Tanz aufspielen, in aller Regel auch dann Arbeitnehmer des Gastwirts sind, wenn sie nicht dauernd für diesen tätig sind. In drei neueren Urteilen hat er sich mit dem Problem nochmals eingehend auseinandergesetzt und an seiner bisherigen Auffassung festgehalten (Urteile VI R 102/67 vom 11. Juni 1968, BFH 93, 135, BStBl II 1968, 726; VI R 233/67 vom 2. Oktober 1968, BFH 94, 215, BStBl II 1969, 142, und VI R 323/67 vom 2. Oktober 1968, BFH 94, 222, BStBl II 1969, 143). Er hält auch nach nochmaliger Überprüfung an dieser Auffassung fest.
Für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ist nach § 19 EStG, § 1 Abs. 3 LStDV entscheidend, ob der Beschäftigte seine Arbeitskraft schuldet, d. h. ob die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Diese Feststellung ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu treffen. Es handelt sich um eine Würdigung tatsächlicher Verhältnisse, die dem FG als Tatsacheninstanz obliegt. Der BFH ist an diese Feststellung nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden, wenn sie möglich ist und nicht gegen die Denkgesetze oder die Lebenserfahrung verstößt.
Wenn das FG bei den ständigen Mitgliedern der B-Kapelle Dienstverhältnisse angenommen hat, so befindet es sich in Übereinstimmung mit der angeführten Rechtsprechung des erkennenden Senats. Der Senat vermag jedoch die Auffassung des FG nicht zu billigen, daß nur die ständigen Mitglieder der B-Kapelle Arbeitnehmer seien. Es spricht vieles dafür, daß auch die in dieser Kapelle aushilfsweise aufgetretenen Musiker ebenso wie die Mitglieder der anderen beschäftigten Kapellen Arbeitnehmer waren; nach den Grundsätzen des Urteils des erkennenden Senats VI 183/59 S vom 24. November 1961 (BFH 74, 97, BStBl III 1962, 37) dürfte es sich auch bei ihnen um in einem Dienstverhältnis stehende Aushilfskräfte gehandelt haben. Der Senat sieht sich aber nicht in der Lage, dieser Frage weiter nachzugehen, da das zu einer nach § 96 FGO unzulässigen Verböserung führen würde. Die Verhältnisse im Streitfall stimmen in den maßgeblichen Punkten mit den Fällen überein, die den angeführten Urteilen zugrunde liegen. Entscheidend ist, daß der Revisionskläger der Veranstalter war und daß die Musiker von ihm im Rahmen seiner Veranstaltungen zur Befriedigung des Bedürfnisses der Gäste ebenso eingesetzt waren wie die Einrichtung und das übrige Personal. Mögen die Musiker auch hinsichtlich der Ausführung der Einzelheiten ihrer Darbietungen selbständig gewesen sein, so waren sie doch im Rahmen der Veranstaltungen des Revisionsklägers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet. Für den Revisionskläger waren die Tanzveranstaltungen ein Teil seines Angebots an die Öffentlichkeit, mit der er das interessierte Publikum anziehen und das Verzehrbedürfnis anregen wollte. Auch die Gäste sahen in der Tanzgelegenheit eine wichtige Leistung des Wirts, die sie für ihre Verzehrausgaben mit verlangen konnten.
Daß der Revisionskläger nur mit dem Kapellenleiter verhandelt hat und diesem auch die Zusammenstellung der Kapelle für die einzelnen Veranstaltungen, insbesondere auch die etwaige Beschaffung von Ersatzkräften oblag, ist ebensowenig von Bedeutung wie der Umstand, daß er auf die Verteilung der Gesamtvergütungen keinen Einfluß genommen hat. Diese Art der Abwicklung geschah offenbar aus Vereinfachungsgründen und kann an der Natur des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses nichts ändern.
Es ist nicht zu beanstanden wenn das FG den Sachverhalt dahin gewürdigt hat, daß es die Annahme einer selbständigen GbR abgelehnt hat. Der Name, den sich die Kapelle gab und ihre einheitliche Kleidung reichen für die Annahme eines solchen Gesellschaftsverhältnisses ebensowenig aus wie der bereits erwähnte Umstand, daß der Revisionskläger allein mit dem Kapellenleiter verhandelt hat. Ebensowenig fällt das Unternehmerrisiko ins Gewicht, das in der Beschaffung der elektrischen Verstärkeranlage lag. Dieses Risiko ist schon deswegen gering zu veranschlagen, weil die Kapellenmitglieder, wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, mit einer laufenden Beschäftigung beim Revisionskläger rechnen konnten.
Eine Ausnahme von den dargelegten Grundsätzen mit der Folge einer einheitlichen Feststellung der gemeinsam erzielten Einkünfte nach § 215 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 AO oder der Annahme, daß der Kapellenleiter der Arbeitgeber der Musiker ist, kann u. U. bei Kapellen angezeigt sein, die unter einem bestimmten, weithin bekannten Namen ständig auftreten. Wirkt eine solche Kapelle bei einer Tanzveranstaltung mit, so tritt sie gewissermaßen neben den Veranstalter. Von einer solchen Kapelle kann im Streitfall aber nicht die Rede sein. In jedem Fall wäre Voraussetzung für die Annahme, daß Vertragspartner nicht der einzelne Musiker, sondern der gesellschaftliche Zusammenschluß der Musiker wäre, das Vorliegen eindeutiger Abreden unter den Musikern und ein entsprechendes Auftreten nach außen. Außerdem müßten die steuerlichen Konsequenzen gezogen werden, d. h. es müssen Erklärungen zur einheitlichen Gewinnfeststellung abgegeben werden oder der Kapellenleiter muß die Kapellenmitglieder eindeutig als seine Arbeitnehmer behandelt haben (vgl. BFH-Urteil VI R 323/67, a. a. O.). Das trifft nach den Feststellungen des FG für den Streitfall nicht zu. Den Revisionskläger trifft das Risiko, als Arbeitgeber der Musiker behandelt und als solcher im Haftungswege in Anspruch genommen zu werden, wenn er nicht durch Verhandlungen mit dem Kapellenleiter klarstellte, daß ein Arbeitsverhältnis zu den Musikern nicht vorliegen sollte, weil klare Vereinbarungen zwischen dem Kapellenleiter und den Musikern bestanden, nach denen entweder eine GbR oder ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kapellenleiter und den Musikern anzunehmen war und hieraus auch die steuerlichen Konsequenzen gezogen waren.
Nach dem eigenen Vorbringen des Revisionsklägers waren ihm die Namen der einzelnen Kapellenmitglieder ebensowenig bekannt wie die Verteilung der Gesamtvergütung auf die einzelnen Musiker. Unter diesen Umständen war es keine Ermessensverletzung des FA, wenn es nicht die einzelnen Musiker zur Lohnsteuer und Kirchensteuer heranzog, sondern den Revisionskläger als Haftungsschuldner in Anspruch nahm. Eine Veranlagung der einzelnen Musiker zur Einkommensteuer kam nach der Sachlage offenbar nicht in Betracht.
Fundstellen
Haufe-Index 69530 |
BStBl II 1971, 656 |
BFHE 1971, 370 |