Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Behindertentransporter umgebautes Fahrzeug als PKW i.S. des Zulagenrechts
Leitsatz (amtlich)
Ein zum Behindertentransporter umgebautes Fahrzeug vom Typ "Ford Transit" ist jedenfalls dann ein PKW im zulagenrechtlichen Sinne, wenn der Ausbau der zur Beförderung Behinderter dienenden Einrichtungen (hier: ein Lift und Vorrichtungen zur Beförderung von Rollstühlen) und die Zurückversetzung in den ursprünglichen Zustand (hier: Einbau der üblichen Sitzbänke) ohne beträchtlichen Arbeits- und Kostenaufwand möglich ist.
Normenkette
InvZulG 1996 § 2 S. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Zur Erweiterung seines bisherigen Tätigkeitsbereichs u.a. als Taxiunternehmer erwarb der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) im Juli des Streitjahrs 1996 ein Kfz "Ford Transit" zum Transport von Behinderten zum Gesamtpreis von 55 718,50 DM. Das Fahrzeug ist im Kfz-Brief als Pkw Kombi ausgewiesen. Die Aufwendungen für das Basisfahrzeug einschließlich zweier Sitzbänke betrugen 39 034,50 DM. Für die Umrüstung zum Behindertenfahrzeug, insbesondere durch den Einbau eines Linearlifts hinten und von Vorrichtungen für den Transport von Rollstühlen, fielen 16 684 DM an. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) berücksichtigte bei der Festsetzung der Investitionszulage für das Streitjahr das Fahrzeug mit der Begründung nicht, es handele sich um einen von der Investitionszulage ausgeschlossenen PKW (§ 2 Satz 2 Nr. 3 des Investitionszulagengesetzes ―InvZulG― 1996). Der hiergegen erhobene Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 579 veröffentlichtem Urteil statt. Es stützte sich im Wesentlichen darauf, dass das Fahrzeug aufgrund der erheblichen, auf Dauer angelegten Veränderungen mit Kranken- oder Rettungswagen vergleichbar sei, die auch die Finanzverwaltung nicht als PKW im Sinne des Zulagenrechts ansehe.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es trägt vor: Trotz der Umrüstung des Fahrzeugs für den Transport von Behinderten sei es gleichwohl zum Transport von (nicht behinderten) Personen geeignet und bestimmt. Mit Kranken- oder Rettungswagen, die nach dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 28. August 1991 (BStBl I 1991, 768, Amtliches Einkommensteuer-Handbuch ―EStH― 2000, Anhang 18 II, Tz. 36) nicht zu den Pkw gehörten, könne er nicht gleichgestellt werden. Denn für den Transport von Behinderten seien lediglich besondere Vorrichtungen an dem Fahrzeug erforderlich. Im Grunde handele es sich um ein für die Bedürfnisse Behinderter (z.B. Rollstuhlfahrer) ausgestattetes Taxi. Außerdem stehe bei Kranken- und Rettungswagen die ambulante notärztliche Versorgung der Patienten auf dem Weg zum Krankenhaus im Vordergrund. Ein Behindertentransporter verfüge dagegen über keine medizinische Ausrüstung, da eine ärztliche Versorgung der transportierten Behinderten nicht erforderlich sei. Auch der Zielort des Transports liege nicht fest.
Ebenso wenig lasse sich die Investitionszulagenbegünstigung aus der Umrüstung des Fahrzeugs herleiten. Denn die vorgenommenen Veränderungen seien nicht von Dauer, sondern könnten ohne weiteres wieder rückgängig gemacht werden. Dazu seien lediglich einige Schrauben zu lösen und die ursprünglichen Sitzbänke wieder einzubauen. Der Kläger habe im Klageverfahren den Zeitaufwand für den Ein- und Ausbau der Sitzbänke mit je 30 Minuten für zwei Personen veranschlagt.
Im Übrigen diene das Fahrzeug nach dem Umbau ebenfalls ausschließlich der Beförderung von Personen, auch wenn es sich dabei vorwiegend um behinderte Personen handle.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Der vom Kläger angeschaffte Behindertentransporter ist als PKW i.S. von § 2 Satz 2 Nr. 3 InvZulG 1996 nicht investitionszulagenbegünstigt.
1. Ein Kfz ist ein PKW im investitionszulagenrechtlichen Sinne, wenn es objektiv nach Bauart und Einrichtung dazu geeignet und bestimmt ist, Personen zu befördern (vgl. auch § 4 Abs. 4 Nr. 1 des Personenbeförderungsgesetzes ―PBefG―). Fahrzeuge, die von ihrer ursprünglichen Konzeption her zur Personenbeförderung geeignet und bestimmt sind, verlieren durch eine Umgestaltung z.B. zu einem LKW nur dann ihre Eigenschaft als PKW, wenn die Umgestaltung auf Dauer angelegt ist, d.h. wenn sie nur unter erschwerten Bedingungen wieder rückgängig gemacht werden kann. Nur wenn die Wiederherstellung des früheren Zustandes mit einem nicht unbeträchtlichen Aufwand an Arbeit und Kosten verbunden ist, kann die Möglichkeit der Beförderung von Personen und damit auch einer privaten Nutzung, die vom Zweck der Zulagenbegünstigung nicht erfasst wird (Senatsurteil vom 17. Dezember 1997 III R 12/97, BFHE 185, 335, BStBl II 1999, 498), praktisch ausgeschlossen werden. Ob ein Fahrzeug den Zweck der Personenbeförderung erfüllen kann, ist allerdings nicht nach der theoretischen Möglichkeit dieser Nutzungsart zu entscheiden, vielmehr ist in diesem Zusammenhang auch die Lebenserfahrung in Betracht zu ziehen (Senatsurteil vom 11. November 1999 III R 22/98, BFHE 190, 547, BStBl II 2000, 501, m.w.N.).
2. Hiervon ausgehend ist das Kfz "Ford Transit" des Klägers ein PKW i.S. von § 2 Satz 2 Nr. 3 InvZulG 1996.
a) Im Streitfall kann offen bleiben, ob Kranken- und Rettungswagen wegen des besonderen Verwendungszwecks dieser Fahrzeuge entsprechend dem BMF-Schreiben in BStBl I 1991, 768, EStH 2000, Anhang 18 II, Tz. 36, nicht als PKW im zulagenrechtlichen Sinne einzuordnen sind. Der Senat braucht ferner nicht zu entscheiden, ob ―wie das FA meint― Fahrzeuge zur Beförderung von Behinderten zulagenrechtlich generell als PKW einzuordnen sind bzw. unter welchen Voraussetzungen solche Fahrzeuge möglicherweise mit der Folge, sie nicht zu den von der Zulage ausgenommenen PKW zu rechnen, Kranken- und Rettungswagen gleichgestellt werden können. Im Streitfall fehlt es jedenfalls an einer auf Dauer angelegten Umgestaltung des Fahrzeugs in der Weise, dass eine Nutzung zur Beförderung von Personen allgemein, d.h. auch von nicht behinderten Personen, ausgeschlossen ist.
Der Kläger hat das Fahrzeug in der Grundausstattung mit zwei Sitzbänken für je drei Personen zusätzlich zum Fahrer- und Beifahrer-Doppelsitz erworben (Basisfahrzeug). Die Sitzbänke wurden sodann von der Lieferfirma ausgebaut und das Fahrzeug behindertengerecht umgerüstet. Ähnlich wie im Fall des Senatsurteils in BFHE 190, 547, BStBl II 2000, 501, dem ein zum Werkstattwagen umgebauter VW-Bus zu Grunde lag, handelt es sich im Streitfall um ein Fahrzeug, das nach seiner Bauart und Einrichtung dem Nutzer für verschiedene Zwecke zur Verfügung steht. Die Herstellung der Eignung des Fahrzeugs zur üblichen Personenbeförderung erfordert lediglich den Einbau der vom Kläger miterworbenen Sitzbänke. Nach deren Ausbau steht es wieder für Behindertentransporte zur Verfügung. Das FA macht zutreffend geltend, dass die Einschränkung der Gepäckbeförderung durch den (einklappbaren) Lift an der Fahrzeugrückwand und die eingeschränkte Sicht aus den Hintertüren und den hinteren Seitentüren nichts daran ändert, dass das Fahrzeug nach Einbau der Sitzbänke objektiv für den Transport nicht behinderter Personen geeignet ist.
b) Anders als im Fall des Senatsurteils in BFHE 190, 547, BStBl II 2000, 501 hat das Fahrzeug des Klägers durch die Umrüstung zum Behindertentransporter die Eignung als PKW für den üblichen Personentransport nicht verloren. Nach den vom FG übernommenen Angaben des Klägers benötigen für den Ein- und Ausbau der vorhandenen Sitzbänke zwei Personen (mindestens) 30 Minuten. Bei diesem Aufwand ist die Grenze des "nicht unbeträchtlichen Aufwands an Arbeit und Kosten" i.S. der bisherigen Rechtsprechung des Senats nicht erreicht. Nach der Lebenserfahrung erscheint es unter diesen Umständen nicht ausgeschlossen, dass ein solches Fahrzeug ―wenn auch nur gelegentlich― zur Beförderung nicht behinderter Personen umgerüstet und anschließend rückgerüstet wird.
c) Der Hinweis des Klägers, das Fahrzeug werde in seinem Betrieb ausschließlich zur Beförderung Behinderter eingesetzt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Entscheidend ist nicht der konkrete Einsatz eines Kfz im Betrieb des Investors, sondern ob ein Fahrzeug objektiv nach Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt ist, (laufend) Personen zu befördern (Senatsurteile in BFHE 185, 335, BStBl II 1999, 498, und in BFHE 190, 547, BStBl II 2000, 501). Das ist hier der Fall. Der Kläger nutzt lediglich die bei dem Fahrzeug von Anfang an gegebene unterschiedliche Verwendungsmöglichkeit. Subjektive Elemente sind allenfalls ergänzend heranzuziehen und können nur in Grenzfällen ausschlaggebend sein. Es ist daher auch unerheblich, ob dem Kläger im Rahmen seines Taxiunternehmens andere und möglicherweise bequemere Fahrzeuge zur Personenbeförderung zur Verfügung stehen.
Fundstellen
Haufe-Index 781168 |
BFH/NV 2002, 1399 |
BStBl II 2002, 667 |
BFHE 198, 280 |
BFHE 2003, 280 |
DB 2002, 1978 |
DStRE 2002, 1192 |
HFR 2002, 1110 |
FR 2002, 1192 |
SteuerBriefe 2002, 1223 |
KFR 2002, 389 |
NWB 2002, 2775 |
BuW 2003, 150 |
BBK 2002, 917 |
EStB 2002, 386 |
KÖSDI 2002, 13412 |
br 2002, 194 |
stak 2002, 0 |