Entscheidungsstichwort (Thema)
Ende der Körperschaftsteuerbefreiung mit Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens
Leitsatz (amtlich)
Die Körperschaftsteuerbefreiung einer Körperschaft, die nach ihrer Satzung steuerbegünstigte Zwecke verfolgt, endet, wenn die eigentliche steuerbegünstigte Tätigkeit eingestellt und über das Vermögen der Körperschaft das Konkurs- oder Insolvenzverfahren eröffnet wird.
Normenkette
KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9; AO §§ 52-53, 60 Abs. 2, § 63 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der Stiftung X. Das Konkursverfahren war mit Beschluss vom 9. Dezember 1997 eröffnet worden und ist bislang nicht abgeschlossen. Die Beteiligten streiten darüber, ob X im Streitjahr 1998 noch nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) von der Körperschaftsteuer befreit war.
Nach ihrer Satzung betätigte sich X selbstlos im Sinne evangelischer Diakonie als Wesens- und Lebensäußerung der evangelischen Kirche und in praktischer Ausübung christlicher Nächstenliebe, vornehmlich in der Jugend- und Suchtkrankenhilfe sowie in der Arbeit für psychisch Kranke. Sie betrieb psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstellen, eine Fachklinik als Rehabilitationseinrichtung für Suchtkranke sowie ein Alten- und Pflegeheim. Ihr Stiftungsvermögen bestand unter anderem aus einem bebauten Grundstück. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) stellte X bis einschließlich 1997 nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer frei, weil sie ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken i.S. der §§ 51 ff. der Abgabenordnung (AO) diene.
Mit Wirkung vom 1. November 1996 gliederte X den Bereich der stationären und ambulanten Suchthilfebetreuung auf eine neu gegründete GmbH aus, deren Stammkapital sie zu 80 v.H. hielt. Ihr Grundstück vermietete sie an eine als gemeinnützig anerkannte Einrichtung. Den Pachtvertrag für das Alten- und Pflegeheim kündigte sie mit Wirkung vom 10. Dezember 1997. Das Haus wurde vom folgenden Tage an von einer anderen Gesellschaft gepachtet und unter anderem Namen als Alten- und Pflegeheim fortgeführt. Spätestens Ende 1997 stellte X sämtliche früheren Tätigkeiten ein. Seit 1998, dem Streitjahr, erwirtschaftete X neben den Mieteinnahmen aus ihrem Grundbesitz nur noch Zinseinnahmen aus bestehenden Bankguthaben (Gewinn 1998: 64 593,32 DM).
Das FA war der Auffassung, X sei ab 1998 nicht mehr steuerbefreit, und erließ einen entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid. Der hiergegen erhobenen Klage gab das Niedersächsische Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 15. September 2005 6 K 609/00 (abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1195) statt.
Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG ist eine Körperschaft von der Körperschaftsteuer befreit, wenn sie nach ihrer Satzung, ihrem Stiftungsgeschäft und der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dient. Welche Voraussetzungen die Körperschaft hinsichtlich ihrer Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung im Einzelnen erfüllen muss, um die Steuerbefreiung zu erlangen, ist in den §§ 51 ff. AO geregelt. Danach setzt die Steuerbefreiung u.a. voraus, dass die tatsächliche Geschäftsführung auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung steuerbegünstigter Zwecke gerichtet ist und den Bestimmungen entspricht, die die Satzung über die Voraussetzungen für Steuervergünstigungen enthält (§ 63 Abs. 1 AO). Diese Bedingungen müssen während des ganzen Veranlagungszeitraums, für den die Steuerbefreiung beansprucht wird, erfüllt sein (§ 63 Abs. 2 i.V.m. § 60 Abs. 2 AO).
2. X ist danach im Streitjahr 1998 nicht von der Körperschaftsteuer befreit, weil ihre tatsächliche Geschäftsführung nicht mehr auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet war.
a) X hatte in der Vergangenheit entsprechend ihrem Satzungszweck einen gemeinnützigen Zweckbetrieb mit Suchtkrankenhilfe sowie ein Alten- und Pflegeheim unterhalten. Nach den Feststellungen des FG hat sie ihre laufenden Geschäfte hieraus bereits 1997 vollständig eingestellt und endgültig aufgegeben. Aktivitäten zur Verwirklichung ihres Satzungszweckes entfaltete sie dementsprechend in der Folgezeit nicht mehr. Vielmehr beschränkte sich ihre Tätigkeit im Streitjahr und auch in der Zeit danach auf die Vermietung ihres Grundstückes und die Vereinnahmung von Zinsen aus Bankguthaben. Da die eigentliche steuerbegünstigte Tätigkeit endgültig eingestellt wurde und die Vermögensverwaltung kein steuerbegünstigter Zweck i.S. der §§ 52 bis 54 AO ist (Senatsurteil vom 11. Dezember 1974 I R 104/73, BFHE 114, 495, BStBl II 1975, 458; FG München, Urteil vom 10. Juni 2003 6 K 4856/02, juris), liegen die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG im Streitjahr nicht vor (Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 2. Aufl., § 8 Rz 31).
b) Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass X die Erträge aus der Vermögensverwaltung zur Begleichung von Schulden verwendet hat, die aus der steuerbegünstigten Tätigkeit herrühren. Diese Verbindlichkeiten wurden zwar durch die satzungsmäßigen Aktivitäten ausgelöst; deren Tilgung nach Einstellung der satzungsmäßigen Tätigkeit ist jedoch nicht steuerbegünstigt. Ob und ggf. für welche Zeitspanne einer nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG i.V.m. §§ 51 ff. AO steuerbefreiten Körperschaft ähnlich einer Anlaufphase (vgl. Senatsurteil vom 23. Juli 2003 I R 29/02, BFHE 203, 251, BStBl II 2003, 930) auch eine Abwicklungsphase zuzubilligen ist, innerhalb derer trotz Beendigung der eigentlichen steuerbegünstigten Tätigkeit ihre Geschäftsführung noch als auf die Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet angesehen werden kann und die Körperschaftsteuerbefreiung daher fortbesteht (vgl. Becker/ Meining, Finanz-Rundschau --FR-- 2006, 686), kann im Streitfall offenbleiben. Die Geschäftsführung entspricht jedenfalls dann nicht mehr den Bestimmungen der Satzung hinsichtlich der Voraussetzungen der Steuervergünstigung, wenn --wie hier-- die eigentliche steuerbegünstigte Tätigkeit eingestellt und über das Vermögen der Körperschaft das Konkurs- oder Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.
Denn hierdurch ändert sich der Zweck der Körperschaft. Statt den in § 53 AO genannten Personenkreis selbstlos zu unterstützen oder die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 AO), zielt sie nur noch darauf ab, alle Gläubiger durch Verwertung ihres Vermögens zu befriedigen (§ 3 der Konkursordnung --KO--; § 1 der Insolvenzordnung). Zwar gehört zur steuerbegünstigten Tätigkeit auch die Begleichung von Schulden aus laufenden Geschäften der ideellen Tätigkeit (Becker/Meining, FR 2006, 686); wie aus § 63 AO ersichtlich, gilt dies jedoch nur, wenn die Tätigkeit daneben noch auf die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke gerichtet ist und die Befriedigung der Gläubiger nicht ausschließlicher Zweck der Körperschaft wird.
Mit Eröffnung des Konkursverfahrens verlor X gemäß § 86 i.V.m. § 42 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der bis 31. Dezember 1998 geltenden Fassung ihre Rechtsfähigkeit (zur Rechtslage seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung s. Gotthardt in Schauhoff, a.a.O., § 21 Rz 41, 76). Ihre Organe waren nach § 6 KO i.V.m. Art. 103 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl I 1994, 2911) nicht mehr befugt, das zur Konkursmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen. Das alleinige Verwaltungs- und Verfügungsrecht übt seither allein der Kläger als Konkursverwalter aus, der das zur Konkursmasse gehörende Vermögen zu verwerten und zur gemeinschaftlichen Befriedigung aller persönlichen Gläubiger zu verwenden hat (§ 117 Abs. 1 i.V.m. § 3 KO). Da X im Streitjahr nur noch Interessen ihrer Gläubiger, nicht aber die der Allgemeinheit gefördert hat, ist sie nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit. Ob sie nach Beendigung des Konkursverfahrens möglicherweise wieder ihre satzungsmäßigen Zwecke verfolgen kann, ist unerheblich. Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung sind für jeden Veranlagungszeitraum gesondert zu prüfen und müssen jeweils während des gesamten Veranlagungszeitraums vorliegen.
Fundstellen
Haufe-Index 1777085 |
BFH/NV 2007, 1793 |
BStBl II 2007, 808 |
BFHE 2008, 381 |
BFHE 217, 381 |
BB 2007, 1774 |
DB 2007, 1734 |
DStR 2007, 1438 |
DStRE 2007, 1141 |
DStZ 2007, 612 |
HFR 2007, 1012 |