Leitsatz (amtlich)

1. Werden bei einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit die durch die Umlage für ein Geschäftsjahr nicht verbrauchten Vorschüsse mit dem Vorschuß für das folgende Geschäftsjahr verrechnet, so ist die auf den verrechneten Betrag entfallende Steuer auf die Vorschußzahlung zu erstatten.

2. Zahlungen an einen Garantiefonds (Reservefonds) unterliegen auch dann der Versicherungsteuer aus dem vollen Nennwert, wenn der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit beim Ausscheiden des Mitglieds zur Rückzahlung verpflichtet ist.

 

Normenkette

VersStG § 3; VersStG 1937 § 10 (VersStG 1959 § 9)

 

Tatbestand

Der Kläger ist ein kleinerer Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Er ersetzt aus gemeinschaftlich aufzubringenden Mitteln (Umlagen) seinen Mitgliedern Schäden aus Verlust oder Beschädigung ihrer Schiffe und aus näher bestimmten Haftpflichtansprüchen. Die Umlagen werden als Jahresbeiträge entsprechend der Jahresrechnung nach dem Schadensverlauf und dem Geldbedarf festgesetzt. Auf den voraussichtlichen Bedarf werden Vorschüsse erhoben. Für ungewöhnlich umfangreiche Schadensfälle ist ein Garantiefonds eingerichtet. Die Leistungen an diesen Fonds sind als unverzinsliche, für die Dauer der Mitgliedschaft unkündbare Darlehen der Mitglieder bezeichnet. Satzungsgemäß sind sie bei Ausscheiden eines Mitglieds in voller Höhe zurückzuzahlen.

Der Kläger hat im Jahre 1956 bewirkte Leistungen an den Garantiefonds als nicht der Versicherungsteuer unterliegend angesehen und bei Entrichtung der Steuer für 1956 und 1957 von den für diese Jahre fälligen Umlagevorschüssen die in den Vorjahren überbezahlten Teile der Vorschüsse abgezogen. In beiden Punkten hat das FA (Beklagter) Versicherungsteuer nachgefordert. Das FG hat der Berufung der Klägerin bezüglich der Verrechnung der Umlagevorschüsse stattgegeben, sie aber bezüglich der Zahlungen zum Garantiefonds zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revisionen beider Parteien sind unbegründet.

1. Der Versicherungsteuer unterliegt nach näherer Maßgabe des § 1 des Versicherungsteuergesetzes (VersStG) die Zahlung des Versicherungsentgelts auf Grund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses. Versicherungsentgelt, aus dem die Steuer regelmäßig zu berechnen ist (§ 5 VersStG), ist jede Leistung, die für die Begründung und zur Durchführung des Versicherungsverhältnisses an den Versicherer zu bewirken ist (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VersStG), mit Ausnahme dessen, was zur Abgeltung einer Sonderleistung des Versicherers oder aus einem sonstigen in der Person des einzelnen Versicherungsnehmers liegenden Grund gezahlt wird (§ 3 Abs. 1 Satz 2 VersStG).

Als Beispiele eines Versicherungsentgeltes sind in § 3 Abs. 1 Satz 1 VersStG außer den Beiträgen, Prämien und Umlagen ausdrücklich aufgezählt die Vorbeiträge, Vorschüsse und Nachschüsse (außerdem Gebühren für die Ausfertigung des Versicherungsscheins und sonstige Nebenkosten). Wird auf die Prämie ein Gewinnanteil verrechnet und nur der Unterschied zwischen Prämie und Gewinnanteil an den Versicherer gezahlt, so ist zufolge § 3 Abs. 2 VersStG 1937 - jetzt § 3 Abs. 2 Satz 1 VersStG - nur dieser Unterschiedsbetrag Versicherungsentgelt (vgl. nunmehr auch § 3 Abs. 2 Satz 2 VersStG 1959). Wird das Versicherungsentgelt ganz oder zum Teil zurückgezahlt, weil die Versicherung vorzeitig aufhört oder das Versicherungsentgelt oder die Versicherungssumme herabgesetzt worden ist, wird die Steuer auf Antrag insoweit erstattet, als sie bei Berücksichtigung dieser Umstände nicht zu erheben gewesen wäre (§ 10 Abs. 1 VersStG 1937 = § 9 Abs. 1 VersStG 1959). Die Steuer wird jedoch nicht erstattet bei Erstattung von Prämienreserven und wenn die Prämienrückgewähr ausdrücklich versichert war (§ 10 Abs. 2 VersStG 1937 = § 9 Abs. 2 VersStG 1959).

Besteuerungsgrund ist demnach "die Zahlung des Versicherungsentgelts" (§ 1 VersStG). Für dessen Begriff kommt es nach dem eindeutigen, durch die Beispiele verdeutlichten Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 VersStG nicht darauf an, ob die von den Versicherten "für die Begründung und zur Durchführung des Versicherungsverhältnisses" erbrachten Leistungen im bürgerlich-rechtlichen, insbesondere versicherungsvertragsrechtlichen Sinne Entgelte (Prämien) oder nur Vorschüsse auf diese sind. Die satzungsgemäßen Vorschüsse auf die von einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit zu erhebenden Umlagen stehen also - ebenso wie in anderen Fällen die vertragsgemäßen Vorschüsse auf Prämien - für die Entstehung der Steuerpflicht den Umlagen gleich.

Das schließt nicht aus, die Vorschüsse auf Prämien oder Umlagen hinsichtlich anderer Vorschriften des VersStG anders zu behandeln. Denn die Vorschüsse sind als solche kraft der bürgerlich-rechtlichen Bedeutung dieses Wortes eben gerade keine Prämien oder Umlagen.

2. Die tatsächlichen Feststellungen des FG lassen nicht ersehen, ob bei der Verrechnung der Vorschüsse mit den später fällig gewordenen Umlagen das in § 3 Abs. 2 VersStG vorgesehene Verfahren eingehalten worden ist. Das kann indessen dahingestellt bleiben. Denn die "überbezahlten" Vorschüsse sind jedenfalls auf Grund der Erstattungsvorschrift des § 10 Abs. 1 VersStG 1937 (§ 9 Abs. 1 VersStG 1959) anzurechnen.

§ 10 Abs. 1 VersStG 1937 (§ 9 Abs. 1 VersStG 1959) sieht die Erstattung u. a. dann vor, wenn "das Versicherungsentgelt herabgesetzt worden ist". Diese Vorschrift gilt gleichermaßen für das nur versicherungsteuerrechtliche Versicherungsentgelt eines Vorschusses (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VersStG) wie für das auch versicherungsvertragsrechtliche Versicherungsentgelt einer Prämie oder Umlage. Wenn in den letztgenannten beiden Fällen die Herabsetzung des Versicherungsentgelts zu einer Erstattung führt, kann sie in dem Falle nicht versagt werden, daß das endgültige Versicherungsentgelt - also die Umlage - niedriger ist als der auf dieses geleistete Vorschuß.

Der Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, die Vorschüsse seien ein von dem Kläger "verdientes Entgelt" (vgl. Urteil des BFH II 143/54 U vom 11. Januar 1956, BFH 62, 160, BStBl III 1956, 59); der Kläger habe nämlich "für die Umlagenvorschüsse in der in Betracht kommenden Zeit ein Wagnis getragen". Dieses Argument verkennt die besonderen Verhältnisse eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (§§ 24, 25 des Versicherungsaufsichtsgesetzes - VAG -) jedenfalls unter der hier gegebenen satzungsgemäßen Rechtslage. Denn die Vorschüsse auf die Umlagen sind nur dazu bestimmt, dem Kläger die Mittel zu verschaffen, künftig eintretende Schäden abzudecken. Sie selbst dienen aber nicht dem Ausgleich des Wagnisses. Das Wagnis wird vielmehr erst durch die Umlagen abgedeckt, wenn auch - zwangsläufig - auf diese die vorausbezahlten Vorschüsse anzurechnen sind.

Die Frage, welche Leistungen des Versicherungsnehmers das von dem Versicherer übernommene Risiko abgelten, ist versicherungsrechtlicher Natur. Für diese Frage ist daher die versicherungsteuerrechtliche Definition des Versicherungsentgeltes (§ 3 Abs. 1 VersStG) unerheblich.

Demnach war die Revision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

3. Auch die Revision des Klägers ist unbegründet.

a) Die zum sogenannten Garantiefonds (Reservefonds im Sinne des § 37 VAG) erbrachten Leistungen müssen als Vorschüsse auf potentielle Umlagen behandelt werden; sie sind Versicherungsentgelt im Sinne des § 3 VersStG. Denn satzungsgemäß zu erhebende Vorschüsse aus Umlagen können keinen anderen Zweck haben als den, dem Versicherer vorweg die Mittel zur Verfügung zu stellen, die er für die Deckung voraussehbarer oder auch nur als möglich gedachter Schäden benötigt. Sie sollen also verhindern, daß der Versicherer einen Schaden nicht augenblicklich decken kann, weil er sich die dafür erforderlichen Mittel erst durch Umlagen beschaffen müßte. Das gilt gleichermaßen für die Vorschüsse zur Deckung von Schäden in einer im Geschäftsjahr üblichen Höhe wie von "Vorschüssen" - wie immer sie auch bezeichnet sein mögen -, welche die Abdeckung außergewöhnlicher Risiken gewährleisten sollen.

Daher kommt es nicht darauf an, daß der sogenannte Garantiefonds nach der Satzung des Klägers einen besonderen Posten ihrer Vermögensaufstellung darstellt. Denn im sogenannten "Katastrophenfall" müßte der Kläger auf den "Garantiefonds" zurückgreifen; dafür ist dieser Fonds bestimmt. Ob der Katastrophenfall eintritt oder nicht eintritt, ist für die Entstehung der Steuerschuld (§ 3 Abs. 1 StAnpG) unerheblich (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VersStG).

b) Demgegenüber beruft sich der Kläger für seine Auffassung, daß die Leistungen zum Garantiefonds nicht Versicherungsentgelte, sondern Mitgliederleistungen seien, auf das zur Körperschaftsteuer ergangene Urteil des BFH I 32/52 U vom 21. April 1953 (BFH 57, 540, BStBl III 1953, 175) und auf die Bemerkung des ebenfalls zur Körperschaftsteuer ergangenen Urteils des RFH I A 134/36 vom 6. April 1937 (RStBl 1937, 900), wonach der Begriff des Versicherungsentgelts auf dem Gebiete der Körperschaftsteuer kein anderer sein könne als auf dem Gebiete der Versicherungsteuer. Gerade diese Auffassung, auf Grund derer der RFH für seine körperschaftsteuerrechtliche Beurteilung auf sein zur Versicherungsteuer ergangenes Urteil II A 337/33 vom 16. Februar 1934 (RStBl 1934, 398) Bezug genommen hatte, hat aber der BFH in dem erstgenannten Urteil I 32/52 U aufgegeben; er hat dort vermerkt, daß die Rechtslage bei der Versicherungsteuer anders sein könne.

Die versicherungsteuerrechtlichen und die körperschaftsteuerrechtlichen Fragen hängen nicht unmittelbar voneinander ab. Weder nimmt das VersStG auf das KStG noch das KStG auf das VersStG Bezug. Gemeinsam sind ihnen nur gewisse bürgerlich-rechtliche Vorgegebenheiten, hier der Rechtsgrund der geleisteten Zahlungen. Für deren körperschaftsteuerrechtliche Würdigung sind aber §§ 5, 6, 8 Abs. 1 KStG maßgebend, während die versicherungsteuerrechtliche Definition des Versicherungsentgelts in § 3 VersStG enthalten ist.

Auf diesen Unterschied hat bereits das Urteil des BFH II 64/58 U vom 11. Oktober 1961 (BFH 73, 807, BStBl III 1961, 559) hingewiesen, das ebenfalls die Versicherungsteuer bei Zahlungen zur Auffüllung eines Reservefonds betraf. Auch das zur Einheitsbewertung ergangene Urteil des BFH III R 93/66 vom 2. Oktober 1970 (BFH 100, 129, BStBl II 1970, 800) betrachtet sich zwar an die bürgerlichrechtlichen Vorgegebenheiten, nicht aber an die körperschaftsteuerrechtliche, gewerbesteuerrechtliche (Urteil des BFH I 196/65 vom 3. Juli 1968, BFH 93, 159, BStBl II 1968, 717) oder versicherungsteuerrechtliche Beurteilung gebunden, und begründet das Ergebnis allein mit dem für diese Entscheidung maßgebenden Bewertungsgesetz.

c) Für die Entscheidung ist es unerheblich, daß die an den Garantiefonds zu leistenden Zahlungen als "Darlehen" bezeichnet sind. Selbst wenn diese Qualifikation (§ 607 BGB) zuträfe - oder man diesen Ausdruck jedenfalls deshalb gelten lassen müßte, weil die nicht verbrauchten Leistungen eines Mitglieds an den Garantiefonds diesem bei seinem Ausscheiden erstattet werden -, wären die erbrachten Leistungen - sei es auch als Darlehen - Versicherungsentgelt im Sinne des § 3 VersStG.

Mit Recht hat allerdings das Urteil des RFH II A 308/27 vom 12. Juli 1927 (RStBl 1927, 206) darauf hingewiesen, daß solche Leistungen - eben weil sie dem Mitglied bei seinem Ausscheiden wieder zu erstatten sind - wirtschaftlich einer Kaution gleichkommen. Das rechtfertigt aber nicht den dort gezogenen Schluß, daß die Steuerpflicht erst zu dem Zeitpunkt (und in dem Umfang) eintrete, zu dem der Versicherer auf den Garantiefonds zugreife (vgl. Urteil des BFH II 30/60 vom 28. November 1963, HFR 1964, 151). Denn die eingezahlten Beträge sind in das Eigentum des Versicherers übergegangen.

Wirtschaftlich mag man allerdings den Standpunkt vertreten, daß die von den Mitgliedern im Jahr 1956 in den Garantiefonds eingelegten Mittel - ebenso wie bei jedem Darlehen - noch den Mitgliedern zustünden, solange nicht der Versicherer befugtermaßen auf den Garantiefonds Zugriff nimmt. Diese Betrachtung gälte aber gleichermaßen für die in § 3 Abs. 1 Satz 1 VersStG ausdrücklich in den Begriff des Versicherungsentgeltes einbezogenen Vorschüsse. Denn auch diese stehen im wirtschaftlichen Ergebnis nur insoweit dem Versicherer zu, als die Prämien oder die später festgesetzten Umlagen die Höhe der Vorschüsse erreichen. Sie unterliegen aber - unbeschadet der Möglichkeit einer Erstattung gemäß § 10 Abs. 1 VersStG 1937, § 9 Abs. 1 VersStG 1959 - zunächst vorbehaltlos der Besteuerung. Das gleiche muß auch für die Leistungen zum Garantiefonds gelten.

d) Sind somit die Leistungen zum Garantiefonds Versicherungsentgelte im Sinne des § 3 VersStG, so ist damit allein noch nicht gesagt, daß die zum Garantiefonds erbrachten Zahlungen mit dem Nennwert der bezahlten Beträge anzusetzen sind. Denn der dem Versicherer geleisteten Zahlung steht eine beim Ausscheiden des Mitglieds fällige Rückgewährforderung gegenüber, so daß bei voller Rückzahlung der Versicherer letztlich nur um den Vorteil der Zinslosigkeit des sogenannten "Darlehens" bereichert ist. Diese Erwägung muß aber für die hier maßgebende Frage ohne Konsequenz bleiben. Denn indem § 3 Abs. 1 VersStG die Vorschüsse den Umlagen gleichstellt, gibt er zu erkennen, daß die von der Leistung erzeugten Gegenansprüche nicht nur für die Entstehung der Steuerpflicht (§§ 1, 3 VersStG, § 3 Abs. 1 StAnpG), sondern auch für deren Umfang unerheblich sind. Die Pflicht zur Rückgewähr bei Ausscheiden eines Mitglieds kann also allenfalls bedeuten, daß die Rückzahlung der zum Garantiefonds erbrachten Leistungen eine Herabsetzung des Versicherungsentgelts im Sinne des § 10 Abs. 1 VersStG 1937 (§ 9 Abs. 1 VersStG 1959) darstellt. Darüber ist aber in diesem Verfahren nicht zu befinden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69696

BStBl II 1972, 30

BFHE 1972, 365

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