Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine erneute Anteilsvereinigung bei Auswechslung eines Treuhänders
Leitsatz (NV)
1. Sind alle Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft bereits dadurch i. S. §1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG 1983 in der Hand einer Person vereinigt, daß diese die Anteile an der Gesellschaft teils unmittelbar, teils über einen Treuhänder hält, so führt die bloße Auswechslung des Treuhänders zu keinem Erwerbsvorgang i. S. §1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG 1983.
2. Sind die Anteile an einer Gesellschaft bereits dadurch in einer Hand vereinigt, daß alle Anteile an der Gesellschaft von Treuhändern für einen Treugeber gehalten werden, so wird der Tatbestand des §1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG 1983 nicht dadurch (erneut) verwirklicht, daß unter Auflösung eines der Treuhandverhältnisse ein Teil der Anteile unmittelbar auf den bisherigen Treugeber übertragen wird. Das gilt nicht nur hinsichtlich derjenigen Grundstücke, die der Gesellschaft bereits in dem Zeitpunkt der erstmaligen Anteilsvereinigung zuzurechnen waren, sondern auch bezüglich weiterer in der Zwischenzeit erworbener Grundstücke.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 3 Nrn. 1-2
Tatbestand
Die A-GmbH hatte ein Stammkapital in Höhe von nominal 500 000 DM. Die Beteiligungsgesellschaft C-GmbH hielt Geschäftsanteile in Höhe von nominal 499 000 DM an der A- GmbH. Der restliche Geschäftsanteil in Höhe von 1000 DM an der A-GmbH wurde von der Beteiligungsgesellschaft B-GmbH gehalten. Die C-GmbH und die B-GmbH hielten die Beteiligungen an der A-GmbH als Treuhänder für die Klägerin als Treugeberin. Die A-GmbH hatte ein Grundstück gepachtet. Auf diesem Grundstück errichtete sie eine Lagerhalle. Mit dem Bau der Halle wurde im Oktober 1985 begonnen. Nach dem Schlußabnahmeschein des zuständigen Bauamts vom 10. September 1986 war die Halle am 27. August 1986 bezugs- bzw. betriebsfertig geworden.
Am 22. August 1986 wurden das Treuhandverhältnis zwischen der Klägerin und der C- GmbH durch notariell beurkundete Erklärungen aufgelöst und die von der C-GmbH bisher für die Klägerin treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteile an der A-GmbH auf die Klägerin übertragen.
Durch notariell beurkundete Erklärungen vom 31. März 1987 übertrug die B-GmbH den von ihr für die Klägerin treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteil an der A-GmbH auf die C-GmbH. Gleichzeitig wurden die Rechte und Pflichten aus dem Treuhandvertrag an die C-GmbH übertragen.
Am 25. April 1990 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Das FA sah die am 31. März 1987 erfolgte Übertragung des treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteils in Höhe von 1000 DM von der B-GmbH auf die C-GmbH als Vereinigung aller Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft (A-GmbH) in der Hand der Klägerin an. Das von der A-GmbH auf dem gemieteten Grundstück errichtete Gebäude betrachtete das FA als Gebäude auf fremdem Boden i. S. von §2 Abs. 2 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983). Als Bemessungsgrundlage zog es den indizierten Einheitswert für das Gebäude heran. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein.
Durch Bescheid vom 14. Februar 1991 setzte das FA daraufhin gegen die Klägerin erneut Grunderwerbsteuer fest. Die Besteuerung wurde wiederum auf §1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG 1983 gestützt. Als die Besteuerung auslösender Rechtsvorgang wurde jedoch nunmehr die am 22. August 1986 erfolgte Auflösung des Treuhandverhältnisses zwischen der Klägerin und der C-GmbH und die Übertragung der Anteile an der A-GmbH von der C-GmbH auf die Klägerin angesehen. Die Bauabnahme für das von der Klägerin auf dem gemieteten Grundstück errichteten Gebäude habe zwar erst am 27. August 1986 stattgefunden, dennoch habe dieses Gebäude die für die Annahme eines Gebäudes wesentlichen Mindestbestandteile bereits zum Stichtag (22. August 1986) aufgewiesen. Auch gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein.
Durch Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 1992 wies das FA beide Einsprüche als unbegründet zurück.
Hiergegen richtete sich die Klage, mit der geltend gemacht wurde, daß in beiden Fällen kein grunderwerbsteuerlicher Tatbestand gegeben sei, da jeweils nicht sämtliche Tat bestandsvoraussetzungen des §1 Abs. 3 GrEStG 1983 erfüllt seien. Am 22. August 1986 habe sich noch kein Grundstück i. S. des GrEStG im Vermögen der Klägeirn befunden. Eine Anteilsvereinigung habe nur bei der erstmaligen Begründung des Treuhandverhältnisses stattgefunden. Seit diesem Zeitpunkt sei die Klägerin ununterbrochen zu 100 % mittelbar über Treuhandverhältnisse bzw. unmittelbar und mittelbar an der A- GmbH beteiligt gewesen. Eine erneute Anteilsvereinigung i. S. des §1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG 1983 löse nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) keine Grunderwerbsteuer aus, sofern der Anteilsinhaber bereits vorher teils mittelbar, teils unmittelbar alle Anteile in seiner Person vereinigt habe. Auch der Treuhandwechsel am 31. März 1987 verwirkliche nicht den Tatbestand des §1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG 1983, da ein Treuhandwechsel keine weitere Anteilsvereinigung beim Treugeber auslöse.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und die beiden angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide und die sie bestätigende Einspruchsentscheidung aufgehoben. Eine Vereinigung aller Anteile bei der Klägerin habe bereits bei der Begründung des Treuhandverhältnisses im September 1985 stattgefunden. Weder der Vertrag vom 22. August 1986 noch der Vertrag vom 31. März 1987 verwirkliche für das nach dem 22. August 1986 auf fremdem Boden errichtete Gebäude eine der Grunderwerbsteuer unterliegende Vereinigung aller Anteile der A-GmbH bei der Klägerin.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts. Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
Zutreffend hat das FG die angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide und die sie bestätigende Einspruchsentscheidung aufgehoben. Weder durch die Vereinbarung vom 22. August 1986 noch durch die vom 31. März 1987 wurde ein nach §1 Abs. 3 Nrn. 1 oder 2 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer unterliegender Tatbestand verwirklicht.
1. Durch die Vereinbarung vom 31. März 1987 wurde im Rahmen eines bestehenden Treuhandverhältnisses hinsichtlich des Anteils an der A-GmbH lediglich der Treuhänder ausgetauscht. Dadurch wurde in der Person der Klägerin nicht der Tatbestand des §1 Abs. 3 Nrn. 1 oder 2 GrEStG 1983 erfüllt. In der Hand der Klägerin waren bereits zuvor alle Anteile an der A-GmbH vereinigt i. S. des §1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG 1983. Die Klägerin hielt alle Anteile an der A-GmbH bis dahin entweder selbst unmittelbar oder über einen Treuhänder (B- GmbH). Bei Beantwortung der Frage, ob alle Anteile i. S. §1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG 1983 in einer Hand vereinigt werden, sind die von einem Treuhänder gehaltenen Anteile grundsätzlich mit zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. Senatsurteil vom 28. Juni 1972 II 77/64, BFHE 106, 138, BStBl II 1972, 719). Bereits vor der Vereinbarung vom 31. März 1987 waren daher der A-GmbH -- möglicherweise -- zuzurechnende Grundstücke grunderwerbsteuerrechtlich der Klägerin zugeordnet. Durch die bloße Auswechslung des Treuhänders hat sich die Stellung der Klägerin hinsichtlich der A-GmbH ggf. zuzurechnender Grundstücke nicht verändert. Die bereits zuvor bestehende (gedachte) Anteilsvereinigung in der Person der Klägerin besteht weiterhin unverändert fort. Ihre Rechtsposition hinsichtlich der A- GmbH zuzurechnender Grundstücke hat sich nicht verstärkt. Sind alle Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft bereits dadurch i. S. §1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG 1983 in der Hand einer Person vereinigt, daß diese Anteile an der Gesellschaft teils unmittelbar, teils über einen Treuhänder hält, so führt die bloße Auswechslung des Treuhänders zu keinem Erwerbsvorgang i. S. §1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG 1983 (vgl. Fischer in Boruttau/Egly/Sig loch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, §1 Rdnr. 765).
2. Auch die in Auflösung des zwischen der Klägerin und der C-GmbH bestandenen Treuhandverhältnisses erfolgte Übertragung der von dieser treuhänderisch gehaltenen Anteile an der A-GmbH auf die Klägerin kann zu keinem der Steuer nach §1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG 1983 unterliegenden Rechtsvorgang führen. Zwar werden infolge der Vereinbarung vom 22. August 1986 alle Anteile an der A-GmbH teils unmittelbar, teils mittelbar über den von der B-GmbH treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteil in der Hand der Klägerin vereinigt. Der Tatbestand des §1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG 1983 wird gleichwohl deswegen nicht erfüllt, daß die Anteile an der A-GmbH bereits zuvor i. S. des §1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG 1983 in der Hand der Klägerin vereinigt waren.
Die Tatbestände des §1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG 1983 knüpfen zwar an den Anspruch auf Übertragung bzw. die Vereinigung von Gesellschaftsanteilen an, erfassen aber die infolge der Vereinigung der Anteile der Gesellschaft mit Grundbesitz in einer Hand spezifisch grunderwerbsteuerrechtlich veränderte Zuordnung von Grundstüken (vgl. dazu Senatsurteil vom 31. März 1982 II R 92/81, BFHE 135, 556, BStBl II 1982, 424). §1 Abs. 3 GrEStG 1983 behandelt den Inhaber aller Anteile so, als gehörten ihm zufolge der Vereinigung dieser Anteile in seiner Hand die Grundstücke, die dieser Gesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen sind. Die Vorschrift will die Sachherrschaft erfassen, welche jemand an dem Gesellschaftsgrundstück über die rechtliche Verfügungsmacht an den Gesellschaftsanteilen erlangt. Aus dieser Sicht kommt es nicht darauf an, ob diese Sachherrschaft direkt oder indirekt ausgeübt wird. Die so verstandene Sachherrschaft über das Gesellschaftsgrundstück besitzt auch derjenige, für den ein anderer als Treuhänder Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft hält, der hinsichtlich der Ausübung der dadurch vermittelten Gesellschaftsrechte gegenüber dem Treugeber weisungsgebunden ist und ggf. den Anteil jederzeit an diesen herausgeben muß (vgl. z. B. Senatsurteil vom 5. November 1986 II R 237/85, BFHE 148, 340, BStBl II 1987, 225). Bei der Frage, ob alle Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in einer Hand vereinigt werden, sind daher von Treuhändern gehaltene Anteile beim Treugeber zu berücksichtigen. Der Tatbestand des §1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG 1983 ist bereits mit dem Entstehen des Herausgabeanspruchs bei Begründung des Treuhandverhältnisses bzw. dem Erwerb durch den Treuhänder erfüllt und nicht vom Herausgabeverlangen des Auftraggebers abhängig (vgl. Senatsurteil vom 28. Juni 1972 II 77/64, BFHE 106, 138, BStBl II 1972, 719). Im Streitfall waren daher bereits mit Beginn der Treuhandverhältnisse zwischen der Klägerin und der C-GmbH sowie der B- GmbH alle Anteile an der A-GmbH bei der Klägerin i. S. §1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG 1983 vereinigt. Die dadurch begründete Verfügungsmacht der Klägerin über -- ggf. vorhandene -- Grundstücke der A-GmbH wurde durch die bei Auflösung des Treuhandverhältnisses mit der C- GmbH erfolgte Übertragung der Geschäftsanteile an der A-GmbH von der C-GmbH auf die Klägerin nicht qualitativ verändert. Die Position der Klägerin in bezug auf der A-GmbH zuzurechnende Grundstücke wurde dadurch nicht in grunderwerbsteuerrechtlich relevanter Weise "verstärkt". Der Senat hat bereits entschieden, daß die Veränderung einer bereits vorliegenden Anteilsvereinigung über eine 100 %ige Beteiligung an einer zwischengestalteten Gesellschaft in eine Anteilsvereinigung unmittelbar in der Hand einer Person selbst keine Grunderwerbsteuer mehr auslöst. Dabei hat er allerdings ausdrücklich offengelassen, wie die Anteilsvereinigung unmittelbar in der Hand einer Person selbst zu beurteilen ist, der diese Anteile aufgrund eines Treuhandverhältnisses bereits zuvor zuzurechnen waren (Senatsurteil vom 20. Oktober 1993 II R 116/90, BFHE 172, 538, 541, BStBl II 1994, 121). Eine derartige Anteilsvereinigung unmittelbar in der Hand einer Person selbst nach vorangegangener Anteilsvereinigung aufgrund von Treuhandverhältnissen liegt jedoch im Streitfall nicht vor. Ein Geschäftsanteil an der A-GmbH ist der Klägerin nach wie vor nur über ein Treuhandverhältnis zuzurechnen. Durch die Sachverhaltskonstellation im Streitfall kann jedenfalls ein Tatbestand des §1 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 GrEStG 1983 nicht verwirklicht worden sein. Sind die Anteile an einer Gesellschaft bereits dadurch in einer Hand vereinigt, daß alle Anteile an der Gesellschaft von Treuhändern für einen Treugeber gehalten werden, so wird der Tatbestand des §1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG 1983 nicht dadurch (erneut) verwirklicht, daß unter Auflösung eines der Treuhandverhältnisse ein Teil der Anteile unmittelbar auf den bisherigen Treugeber übertragen wird. Das gilt nicht nur hinsichtlich derjenigen Grundstücke, die der Gesellschaft bereits in dem Zeitpunkt der erstmaligen Anteilsvereinigung zuzurechnen waren, sondern auch bezüglich weiterer in der Zwischenzeit erworbener Grundstücke. Wenn sich alle Anteile einer Gesellschaft in der Hand eines Erwerbers vereinigt haben, so löst die nachfolgende Erfüllung der Tatbestände des §1 Abs. 1 bis 3 GrEStG 1983 durch die Gesellschaft, deren Anteile vereinigt wurden, als Erwerberin zwar bei dieser Grunderwerbsteuer aus, nicht aber bei demjenigen, in dessen Hand ihre Anteile vereinigt sind (Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, §1 Rdnr. 91).
3. Da weder durch die Vereinbarung vom 22. August 1986 noch durch die vom 31. März 1987 ein Tatbestand des §1 Abs. 3 GrEStG 1983 erfüllt worden sein kann, kommt es auf die weitere Frage nicht an, ob die Klägern durch die angefochtenen Bescheide auch aus anderen Gründen in ihren Rechten verletzt worden ist. Insbesondere kann daher offenbleiben, ob der A- GmbH überhaupt ein Grundstück (Gebäude auf fremdem Boden) zu den jeweils maßgeblichen Zeitpunkten zuzurechnen war.
Fundstellen
Haufe-Index 66560 |
BFH/NV 1998, 81 |
DStRE 1998, 22 |