Leitsatz (amtlich)
Spieleinsätze sind keine Betriebsausgaben, Spielgewinne keine Betriebseinnahmen. Sie beeinflussen den Gewinn aus Gewerbebetrieb nicht.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4
Tatbestand
Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) behandelte in den Streitjahren 1958 bis 1960 Lottoeinsätze in Höhe von 102 622 DM und Gewinne daraus in Höhe von 11 817 DM als betriebliche Vorgänge. Er beruft sich dabei auf eine erst im Jahre 1967 wieder aufgehobene Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen (FME) S. 2118 - 44 - 19 218 vom 17. April 1952, nach der Vollkaufleute unter bestimmten Voraussetzungen Lose der Klassenlotterie ins gewillkürte Betriebsvermögen aufnehmen konnten. Nach einer Betriebsprüfung berichtigte der Revisionsbeklagte (das FA) die Einkommensteuer- und Gewerbesteuer-Meßbetragsbescheide für die Streitjahre, wobei er die Privatentnahmen um 90 805 DM erhöhte.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß Aufwendungen für die Teilnahme an der Lotterie nicht als betrieblich veranlaßt angesehen werden könnten und daß die aus den Spieleinsätzen entstehenden Berechtigungen notwendiges Privatvermögen seien. Dies ergebe sich aus dem besonderen Vertragszweck und dem zufallsbedingten Erfolg von Spielverträgen. Diesen Verträgen fehle ein ernsthafter sittlicher und wirtschaftlicher Geschäftszweck. Sie dienten vielmehr allein der Befriedigung des privaten Spieltriebs und würden zur Unterhaltung und/oder zur Erreichung eines Spielgewinns abgeschlossen. Da kein ordentlicher Kaufmann Betriebsmittel bei geringen Gewinnaussichten und vom Zufall eines Glücksspiels abhängigem Erfolg einsetze, fehle die Möglichkeit eines irgendwie gearteten Zusammenhangs mit einem nach kaufmännischen Gesichtspunkten geführten Betrieb. Die in der FME vom 17. April 1952 vertretene Rechtsauffassung, welche im übrigen nur Lose der Klassenlotterie betreffe, binde den Senat nicht und rechtfertige auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben keine falsche Sachbehandlung.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten Revision rügt der Steuerpflichtige die Verletzung materiellen Rechts und läßt vortragen:
Die Meinung des FG, daß im vorliegenden Fall ein Zusammenhang zwischen Betrieb und Spieleinsatz fehle, sei nicht richtig. Ähnlich wie beim Abschluß von Warentermingeschäften werde auch beim Abschluß eines Spielvertrags (mit einer staatlichen Stelle) Geld angelegt, um Gewinne zu erzielen. In beiden Fällen handele es sich um die Anschaffung eines Wirtschaftsguts, das buchmäßig als gewillkürtes Betriebsvermögen ausgewiesen werde. Anläßlich einer drei Jahre hindurch andauernden Übung scheide auch Fehlen der Nachhaltigkeit aus.
Bei Beurteilung der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Steuerpflichtige in den Jahren 1958 bis 1960 gewillkürtes Betriebsvermögen hätte bilden können, sei das FG zu Unrecht von der neueren, strengeren Rechtsprechung des BFH, die einen objektiven Zusammenhang zwischen Betrieb und Spieleinsatz fordere, ausgegangen. Es hätte zugunsten des Steuerpflichtigen die Rechtsprechung, welche im Zeitpunkt der Verwirklichung des Sachverhalts maßgeblich war, zugrunde legen müssen. Jede andere Lösung sei unbillig.
Schließlich sei die FME vom 17. April 1952, deren Grundsätze für die Entschließung des Steuerpflichtigen bestimmend gewesen seien, für FA und FG "schlechthin" (ipso jure) oder zumindest unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verbindlich; denn bei Fehlen einschlägiger Rechtsprechung könne ein Steuerpflichtiger seine Dispositionen nur entsprechend den vorhandenen ministeriellen Entschließungen treffen. Die Übernahme des Risikos, daß sich der Inhalt einer solchen Entschließung später als falsch erweise, könne den Steuerpflichtigen nicht zugemutet werden. Andernfalls bestünde für den Steuerpflichtigen eine so große Rechtsunsicherheit, daß er gar nicht in der Lage wäre, für die Zukunft zu disponieren.
Der Steuerpflichtige beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Bescheide die ausgewiesenen Spielverluste als Betriebsausgaben anzuerkennen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Das FG hat zu Recht angenommen, daß die Aufwendungen für die Teilnahme am Lottospiel nicht betrieblich veranlaßt waren und deshalb keine Betriebsausgaben im Sinne von § 4 Abs. 4 EStG darstellen. Die Spieleinsätze können nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden, weil sie - als Aufwendungen - weder durch den Betrieb veranlaßt wurden noch sonst in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb standen, noch zur Förderung des Unternehmens des Steuerpflichtigen gemacht worden sind. Eine Verlagerung der Spielverluste in die betriebliche Sphäre war auch nicht dadurch möglich, daß der Steuerpflichtige die aus dem Abschluß der Spielverträge entstandenen Vertragsrechte vor der Ausspielung als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelte und buchmäßig auswies.
Soweit der Steuerpflichtige auf die Grundsätze über das gewillkürte Betriebsvermögen abstellt, übersieht er, daß nicht § 5 EStG, sondern § 4 Abs. 4 EStG die hier einschlägige Vorschrift ist und daß nicht jede Aufwendung, auch wenn sie im Rahmen eines Gewerbebetriebs erfolgt, eine Betriebsausgabe ist und den Erwerb eines Wirtschaftsguts bewirkt, das dem Betriebsvermögen zugeordnet werden kann.
Nicht jedes - auch nicht jedes auf Gewinnerzielung gerichtete - Handeln, gleichgültig ob innerhalb oder außerhalb des Rahmens eines Gewerbebetriebs gelegen, muß auch zugleich einkommen- und gewerbesteuerrechtlich relevant sein. Das zeigen einmal die Begrenzung der Einkommensteuer auf Einkünfte der in § 2 Abs. 3 EStG genannten Art (vgl. dazu das BFH-Urteil I R 123/68 vom 4. März 1970, BFH 98, 259, BStBl II 1970, 470, das das nicht nachhaltig mit Gewinn arbeitende Gestüt einer Kapitalgesellschaft betrifft), das Beispiel der steuerfreien Zinsen (§ 3a EStG) und der Schachteleinnahmen (§ 9 KStG), zum anderen das Abstellen der gewerblichen Betätigung auf das Moment der Nachhaltigkeit (§ 1 GewStDV), die nicht erwartet werden kann und in der Regel auch nicht gegeben ist, wo eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr auf die Dauer nur Verluste erbringt. Das zeigt aber auch die vom Steuerpflichtigen als Beispielfall angeführte Gewinnerzielung durch Prostitution (BFH-Urteil VI R 164/68 vom 17. April 1970, BFH 99, 200, BStBl II 1970, 620), die einkommensteuerrechtlich unter § 22 EStG fällt, ohne jedoch eine gewerbliche Tätigkeit zu sein. Dem Steuerpflichtigen kann deshalb auch nicht darin gefolgt werden, wenn er das handelsrechtliche Warentermingeschäft (§ 376 HGB, § 50 des Börsengesetzes) mit dem Spielvertrag gleichsetzt. Für eine solche Gleichsetzung fehlt es in Ansehung des Spielvertrags bereits an einer Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.
2. Ob die Entscheidung bei größerer Zeitnähe zur Verwirklichung des Sachverhalts durch den Steuerpflichtigen anders hätte ausfallen können, braucht der Senat nicht zu prüfen. Denn der Steuerpflichtige kann sich nicht darauf berufen, daß Fälle aus der Zeit vor Bekanntwerden einer neueren Rechtsprechung nach Maßgabe der bis dahin geltenden (milderen) Rechtsprechung entschieden werden müßten. Einen allgemeinen Rechtssatz dieses Inhalts gibt es nicht. Eine richterliche Entscheidung ergeht immer nur für den Einzelfall, dessen Beurteilung den Richter nicht hindert, einer späteren Entscheidung eine in der Zwischenzeit gewonnene geläuterte Rechtserkenntnis zugrunde zu legen (vgl. BFH-Urteile II 32/62, II R 49/66 vom 7. Mai 1968, BFH 92, 525, BStBl II 1968, 614 [617]; V 71/61 S vom 29. Juli 1965, BFH 83, 125, BStBl III 1965, 545 [547]). Dies ergibt sich aus der alleinigen und zwingenden Bindung des Richters an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG).
3. Auch die Tatsache, daß in den Streitjahren formell eine ministerielle Entschließung bestand, nach welcher Vollkaufleute Lose der Klassenlotterie als gewillkürtes Betriebsvermögen behandeln konnten, berechtigt den Senat nicht, eine andere als die auf dem geltenden EStG beruhende Entscheidung zu treffen.
Eine Verwaltungsanordnung - als Dienstanweisung an nachgeordnete Verwaltungsbehörden - bindet die Steuergerichte nicht. Auch in diesem Zusammenhang zwingt Art. 20 Abs. 3 GG den Richter, nur das Gesetz auszulegen und anzuwenden.
Auch die in einer Verwaltungsanordnung geäußerte Rechtsansicht entfaltet im Gegensatz zu einer in einem konkreten Einzelfall gegebenen verbindlichen Zusage keine aus den Grundsätzen von Treu und Glauben folgende Bindungswirkung für die FG. Würde man indes mit den Steuerpflichtigen der in einer ministeriellen Entschließung vorgenommenen Gesetzesauslegung bindende Kraft zuerkennen, so stünde dies in Widerspruch zu Vorschriften der Verfassung (Art. 3, Art. 20 Abs. 2 und Abs. 3 und Art. 80 GG; vgl. BFH-Urteil IV 133/63 S vom 5. März 1964, BFH 79, 218, BStBl III 1964, 311), die dem Vertrauensschutz in diesem Falle vorgehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß Verwaltungsanordnungen innerdienstliche Richtlinien zur Gesetzesanwendung für nachgeordnete Behörden sind und im Gegensatz stehen zu den Auskünften, die sich an die Steuerpflichtigen als Außenstehende richten.
Die Auslegung der FME vom 17. April 1952 verbietet es auch, sie als eine im Rahmen von § 131 Abs. 2 AO getroffene sog. Anpassungs- oder Übergangsregelung, die von den Steuergerichten im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu beachten ist (vgl. BFH-Urteil VI R 267/67 vom 23. Februar 1968, BFH 91, 538, BStBl II 1968, 409), zu behandeln. Die FME vom 17. April 1952 beschränkt sich auf die reine Gesetzesauslegung und hat keine Rechtsgrundlage in § 131 Abs. 2 AO.
Andere Gründe, die für eine Bindungswirkung der Verwaltungsanordnung sprechen könnten, sind nicht ersichtlich und vom Steuerpflichtigen auch nicht substantiiert vorgetragen worden. Die FME vom 17. April 1952 ist deshalb von den Steuergerichten nicht zu beachten, so daß es nicht mehr darauf ankommen kann, ob sie auch auf Lottospielverträge angewendet werden könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 69169 |
BStBl II 1970, 865 |
BFHE 1971, 199 |