Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Wert der Schenkung eines GmbH-Anteils bei Aufteilung der Gewinnbezugsberechtigung für die Zeit bis zum Tag der Schenkung
Leitsatz (NV)
1. Mit der Zuwendung eines GmbH-Anteils geht das gegen die GmbH gerichtete Gewinnbezugsrecht auch bezüglich der vor der Übertragung erwirtschafteten, aber noch nicht ausgeschütteten Gewinne auf den Beschenkten über, ohne daß sich hierdurch der zum Bewertungsstichtag (Tag der Schenkung) ermittelte Wert des GmbH-Anteils betragsmäßig um den auf die Zeit bis zu diesem Stichtag entfallenden Gewinnanteil erhöht.
2. Soweit der Beschenkte mangels abweichender Vereinbarung nach § 101 Nr. 2 2. Halbsatz BGB verpflichtet ist, bei einer Gewinnausschüttung den auf die Zeit vor der Schenkung entfallenden Gewinnanteil an den Schenker abzuführen, mindert diese Verpflichtung den Wert der Zuwendung.
Normenkette
ErbStG § 10 Abs. 1, § 12 Abs. 1; BewG § 11 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist der Wert einer freigebigen Zuwendung. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhielt am 28. August 1978 auf Grund eines notariell beurkundeten Schenkungsvertrags von seinem Vater (V) im Wege der Abtretung dessen Geschäftsanteil an der V-GmbH (GmbH) in Höhe von . . . DM. Dabei wurde vereinbart, daß die Gewinnbezugsberechtigung hinsichtlich des abgetretenen Geschäftsanteils ab 1. Januar 1978 dem Kläger zustehen sollte.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) unterwarf diesen Erwerb der Schenkungsteuer. Er legte den Wert des geschenkten Geschäftsanteils nach Maßgabe der Schenkungsteuererklärung mit dem vom Betriebs-Finanzamt auf den 31. Dezember 1977 festgestellten gemeinen Wert, insgesamt also mit . . DM zugrunde.
Außerdem sah das FA in dem für die Zeit vom 1. Januar bis zum 28. August 1978 ermittelten zeitanteiligen - der Höhe nach unbestrittenen - Gewinn (zuzüglich anrechenbarer Körperschaftsteuer) vom 75 700 DM, der nach der Vereinbarung vom 28. August 1978 dem Kläger zustehen sollte, eine weitere Schenkung.
Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos. Mit der Klage wandte sich der Kläger gegen die gesonderte Zurechnung des Gewinnanteils für die Zeit vom 1. Januar bis zum 28. August 1978. Außerdem machte der Kläger geltend, daß die Gewinnausschüttung aus dem Bilanzgewinn vom 31. Dezember 1977 nach Maßgabe des Gesellschafterbeschlusses vom 20. Dezember 1978 in Höhe von 81 250,28 DM zuzüglich anrechenbarer Körperschaftsteuer in Höhe von 45 703,28 DM (insgesamt also 126 953,56 DM) noch von seinem Erwerb abzusetzen sei, weil V insoweit einen Anspruch gegen ihn, den Kläger, habe, der die durch die Übertragung des Geschäftsanteils eingetretene Bereicherung mindere.
Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verneinte zwar bezüglich des Gewinnanteils für die Zeit vom 1. Januar bis zum 28. August 1978 eine besondere Zuwendung. Es sah jedoch in der Überlassung des bis zum 28. August 1978 aufgelaufenen Gewinnanteils (zuzüglich anrechenbarer Körperschaftsteuer) von 75 700 DM einen bei der Bewertung des geschenkten Geschäftsanteils in dieser Höhe zu berücksichtigenden werterhöhenden Umstand. Entgegen der Auffassung des Klägers sei der Wert des geschenkten Geschäftsanteils auch nicht um die Gewinnausschüttung von 126 953,56 DM für das Jahr 1977 zu mindern. Denn die Verpflichtung des Klägers, V wegen dessen Gesellschafterstellung im Jahre 1977 auch den für diesen Zeitraum anfallenden Gewinnanteil zu überlassen, sei in ihrer Entstehung durch die von der Gesellschafterversammlung am 20. Dezember 1978 beschlossene Gewinnausschüttung aufschiebend bedingt.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 10 Abs. 1 und 12 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) i. V. m. § 11 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist der Wert der Schenkung nicht um den für die Zeit vom 1. Januar bis zum 28. August 1978 ermittelten Gewinnanteil (zuzüglich anrechenbarer Körperschaftsteuer) von insgesamt 75 700 DM zu erhöhen.
a) Die vertraglich vereinbarte Überlassung dieses Gewinnanteils führt nicht, wovon das FA jedoch ausgegangen ist, zu einer zusätzlichen freigebigen Zuwendung des V an den Kläger.
Gegenstand der notariell beurkundeten Schenkung vom 28. August 1978 ist der Geschäftsanteil an der GmbH in Höhe von nominell . . . DM. Mit der Übertragung dieses Anteils ist - als (unselbständiger) Bestandteil des Mitgliedschaftsrechts - auch das gegen die GmbH gerichtete Gewinnbezugsrecht gemäß § 29 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) übergegangen, wenngleich der schuldrechtliche Anspruch auf den konkreten Anteil am ausgeschütteten Jahresgewinn nach Erfüllung aller anderen Voraussetzungen (Ablauf des Geschäftsjahres, Aufstellung einer ordnungsmäßigen Bilanz, Feststellung der Bilanz und Ausweis eines Reingewinns) endgültig erst mit dem Ausschüttungsbeschluß entsteht (vgl. Goerdeler / Müller in Hachenburg, Kommentar zum GmbHG, 7. Aufl., § 29 Rdnr. 8; Hueck in Baumbach / Hueck, Kommentar zum GmbHG, 15. Aufl., § 29 Rdnr. 48 ff.; Scholz / Emmerich, Kommentar zum GmbHG, 7. Aufl., § 29 Anm. 15 ff. und 24). Das bedeutet für den Streitfall, daß der Kläger mit der Zuwendung des Geschäftsanteils zugleich auch die Beteiligung an den schon vor der Abtretung am 28. August 1978 erwirtschafteten Gewinnen des Jahres 1978 sowie früherer Geschäftsjahre, für die noch kein Verwendungsbeschluß vorliegt, erworben hat, ohne daß es insoweit einer besonderen Abrede bedurfte.
Dem steht nicht entgegen, daß der Gewinnanteil bezüglich des Zeitraumes, für den noch kein Gewinnverwendungsbeschluß gefaßt wurde, zwischen dem Abtretenden und dem Erwerber des Geschäftsanteils gemäß § 101 Nr. 2 2. Halbsatz des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nach Maßgabe der Berechtigung, d. h. nach der Dauer der Gesellschaftereigenschaft aufgeteilt wird, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben; § 101 Nr. 2 2. Halbsatz BGB regelt jedoch ausschließlich das schuldrechtliche Verhältnis zwischen Abtretendem und Erwerber. Im Verhältnis zur Gesellschaft ist indessen (nur) derjenige gewinnbezugsberechtigt, der im Zeitpunkt der Entstehung des schuldrechtlichen Anspruchs auf den Reingewinn Gesellschafter ist (vgl. Goerdeler / Müller, a. a. O., § 29 Rdnr. 11). Wie das FG zutreffend entschieden hat, entfällt damit ein besonderer Ansatz der im Geschäftsanteil miterfaßten Gewinnbezugsberechtigung für das Jahr 1978, die sich erst nach der Zuwendung zu einem Anspruch auf den zeitanteiligen Gewinn in Höhe von 75 700 DM konkretisiert hat.
b) Die die Wirkungen des § 101 Nr. 2 2. Halbsatz BGB beschränkende Vereinbarung zwischen V und dem Kläger, wonach die Gewinnbezugsberechtigung hinsichtlich des abgetretenen Geschäftsanteils schon ab 1. Januar 1978 dem Kläger zustehen sollte, führt entgegen der Auffassung der Vorinstanz aber auch nicht zu einer Erhöhung des Werts des geschenkten Geschäftsanteils um den auf die Zeit vom 1. Januar 1978 bis zum Tag der Schenkung entfallenden Gewinnanteil (zuzüglich anrechenbarer Körperschaftsteuer) in Höhe von insgesamt 75 700 DM.
Mit diesem Zuschlag verkennt das FG, daß sich bei zutreffender Bewertung des geschenkten Anteils die mit diesem Geschäftsanteil verbundenen Gewinnbezugsrechte bereits im Anteilswert niedergeschlagen haben, ein Zuschlag damit in systemwidriger Weise zu einer dem Grunde nach doppelten Erfassung potentieller Gewinnansprüche führen würde. Dies verdeutlicht auch der Aktienmarkt, auf dem der Börsenkurs vor der Gewinnausschüttung in aller Regel den Kurs nach der Gewinnausschüttung übersteigt, die Erwartung der künftigen Dividende also ihren Ausdruck im Kurswert findet (vgl. Staudinger / Dilcher, Kommentar zum BGB, 12. Aufl., § 101 Anm. 4 b). Doch gilt dies in gleicher Weise auch für die Bewertung nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften.
Der Wert derartiger Anteile ist - auch für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer - unter Heranziehung des sog. Stuttgarter Verfahrens (Abschn. 76 ff. der Vermögensteuer-Richtlinien - VStR -, hier: VStR 1977) zu ermitteln. Dieses Verfahren entspricht den Anforderungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG, wonach der gemeine Wert von Anteilen, falls - wie im Streitfall - keine Ableitung aus Verkäufen möglich ist, unter Berücksichtigung der Vermögens- und Ertragsaussichten zu schätzen ist. Über die Verweisung des § 12 Abs. 1 ErbStG auf § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG gilt dies auch für die Erbschaft- und Schenkungsteuer (s. Senatsurteil vom 6. Februar 1991 II R 87/88, BFHE 163, 471, BStBl II 1991, 459, m. w. N.).
Das bedeutet, daß alle von der Gesellschaft bis zum maßgebenden Bewertungsstichtag erwirtschafteten Vermögensmehrungen, die (noch) nicht als Gewinn an die Gesellschafter ausgeschüttet sind, über das der Schätzung zugrunde gelegte Vermögen der Gesellschaft erfaßt werden und sich dementsprechend nach Maßgabe der im Stuttgarter Verfahren getroffenen Gewichtung zwischen Vermögens- und Ertragswert werterhöhend auf den Anteilswert auswirken. Dies gilt auch im Streitfall bezüglich der bis zum Tag der Schenkung (28. August 1978) als dem maßgebenden Bewertungsstichtag (§ 11 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) noch nicht ausgeschütteten Gewinne der GmbH. Voraussetzung ist allerdings, daß das Vermögen der Gesellschaft an diesem Stichtag zutreffend erfaßt wurde.
Insoweit hält jedoch der vom FA zugrunde gelegte und von der Vorinstanz bestätigte Wert des dem Kläger am 28. August 1978 geschenkten Geschäftsanteils einer Überprüfung nicht stand. Denn das FA hat abweichend vom Stichtagsprinzip den vom Betriebs-Finanzamt zum 31. Dezember 1977 ermittelten gemeinen Wert des übertragenen Geschäftsanteils als Wert vom Bewertungsstichtag (28. August 1978) zugrunde gelegt, auch wenn es anschließend den Wert der Zuwendung durch eine Zurechnung korrigiert hat. Statt dessen hätte das FA im Streitfall, um die zeitanteilige Gewinnbezugsberechtigung des Klägers für das Jahr 1978 zu erfassen, den maßgebenden Stichtagswert zum 28. August 1978 durch eine unmittelbare Anwendung der Abschn. 76 ff. VStR 1977 unter Zugrundelegung einer besonderen Vermögensaufstellung zu diesem Stichtag und der Ertragsaussichten nach Maßgabe des im Jahre 1978 bis zum 28. August erzielten Betriebsergebnisses sowie der Betriebsergebnisse der Jahre 1977 und 1976 schätzen müssen. Es hätte aber auch - mangels entsprechender Angaben über das Vermögen der GmbH und der Ertragsaussichten nach den Verhältnissen vom 28. August 1978 - unter der Voraussetzung einer kontinuierlichen Entwicklung der Ertrags- und Vermögensverhältnisse der Gesellschaft den Anteilswert durch eine (zeitanteilige) Interpolation der bereits für Zwecke der Vermögensteuer ermittelten Anteilswerte zum 31. Dezember 1977 und zum 31. Dezember 1978 schätzen können (s. Senatsurteil in BFHE 163, 471, 476, BStBl II 1991, 459, 461). Eine Übernahme des Anteilswerts zum 31. Dezember 1977 als gemeiner Wert vom 28. August 1978 wäre nur dann zulässig, wenn sowohl das Vermögen der Gesellschaft als auch deren Ertragsaussichten an beiden Stichtagen (im wesentlichen) jeweils übereinstimmten und folglich die Werte identisch wären. Davon ist aber erkennbar weder das FA noch die Vorinstanz ausgegangen, auch wenn zunächst in Übereinstimmung mit dem Kläger aus Vereinfachungsgründen der Anteilswert vom 31. Dezember 1977 als gemeiner Wert vom Stichtag 28. August 1978 zugrunde gelegt wurde. Denn nach Auffassung des FA und des FG ist der Wert der Zuwendung bzw. des geschenkten Anteils um den im Jahre 1978 bis zum Stichtag erwirtschafteten Gewinnanteil zu erhöhen. Diese Wertermittlung widerspricht jedoch, wie oben dargelegt, einer stichtagsbezogenen Anteilsbewertung.
2. Die Vorinstanz hat ferner bei der Ermittlung der schenkungsteuerpflichtigen Zuwendung im Hinblick auf die Gewinnausschüttung für 1977 zu Unrecht einen Schuldabzug versagt.
Wie das FG zunächst zutreffend dargelegt hat, ist mit der Abtretung des Geschäftsanteils auch das mit diesem Anteil verbundene Bezugsrecht für den zum Zeitpunkt der Abtretung noch nicht ausgeschütteten Anteil am Gewinn des Jahres 1977 auf den Kläger übergegangen. Dieser auf einen konkreten Anteil am Jahresgewinn gerichtete Anspruch, der - wie oben unter 1. a) dargelegt wurde - erst mit dem Gewinnausschüttungsbeschluß endgültig entsteht, steht deshalb dem Kläger im Verhältnis zur Gesellschaft als Rechtsnachfolger des V in voller Höhe zu; doch hat der Kläger nach § 101 Nr. 2 2. Halbsatz BGB an seinen Rechtsvorgänger V den vollen Gewinnanteil für das Geschäftsjahr 1977 abzuführen, da insoweit im Schenkungsvertrag vom 28. August 1978 nichts Abweichendes vereinbart wurde. Denn die Abrede, wonach die Gewinnbezugsberechtigung hinsichtlich des abgetretenen Geschäftsanteils ab 1. Januar 1978 dem Erwerber zustehen solle, bezog sich ausdrücklich nur auf das Wirtschaftsjahr 1978.
Die sich aus § 101 Nr. 2 2. Halbsatz BGB ergebende gesetzliche Verpflichtung des Klägers gegenüber V zur Abführung des Gewinnanteils für das Geschäftsjahr 1977 bestand bereits am Stichtag 28. August 1978; sie ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht dem Grunde nach aufschiebend bedingt, auch wenn sie sich der Höhe nach am Tage der Schenkung mangels Vorliegens eines Gewinnausschüttungsbeschlusses noch nicht bestimmen läßt. Diesem Umstand kann bis zur genauen Festlegung der Höhe des Gewinnanteils verfahrensmäßig durch eine Schätzung sowie eine vorläufige Veranlagung (§ 165 der Abgabenordnung - AO 1977 -) Rechnung getragen werden. Da im Streitfall zum Zeitpunkt der Schenkungsteuerfestsetzung die Höhe des Gewinnanteils für 1977 feststand, kann die entsprechende Verpflichtung bei der Wertermittlung der schenkungsteuerpflichtigen Zuwendung bereits berücksichtigt werden.
3. Die Entscheidung des FG geht von anderen Grundsätzen aus. Sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen der Vorinstanz erlauben keine Entscheidung darüber, welcher Anteilswert sich zum 28. August 1978 ergibt. Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 418068 |
BFH/NV 1992, 250 |