Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur gewinnmindernden Berücksichtigung eines Aufwendungsersatzanspruchs des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft bei Bürgschaftsübernahme im Gesellschaftsinteresse
Leitsatz (NV)
1. Geht ein nicht beherrschender Gesellschafter eine Bürgschaftsverpflichtung ein, um die Realisierung einer Kundenforderung der Gesellschaft sicherzustellen, so ist ein Aufwendungsersatzanspruch des bürgenden Gesellschafters bei der Gesellschaft gewinnmindernd zu berücksichtigen.
2. Ist der Bürge beherrschender Gesellschafter, so kommt auch im Falle eines gesetzlichen Aufwendungsersatzanspruchs eine verdeckte Gewinnausschüttung in Betracht, falls eine Erstattung der Bürgschaftsaufwendungen durch die Gesellschaft nicht im voraus klar und eindeutig vereinbart worden ist.
Normenkette
EStG § 5 Abs. 1; KStG 1977 § 8 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, die ein Installationsgeschäft betreibt. Ihr stand im Streitjahr (1979) aus einem Bauvorhaben eine Forderung gegen den Kunden G zu, deren Realisierung wegen Zahlungsschwierigkeiten des Auftraggebers in Frage gestellt war. Die Kreissparkasse gewährte dem G zur Begleichung der fälligen Forderung ein Darlehen, das unmittelbar an die Klägerin ausgezahlt wurde. Da die Kreissparkasse die Gewährung des Darlehens von der Übernahme von Bürgschaften durch die Gesellschafter abhängig gemacht hatte, verbürgten sich die Gesellschafter-Geschäftsführer V und U im Darlehensvertrag vom 13. November 1979 für das Darlehen in Höhe von 41 356 DM nebst Zinsen und Kosten.
In ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1979 wies die Klägerin eine Rückstellung ,,Bürgschaft G." über 42 000 DM aus, die der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) bei der Veranlagung des Streitjahres nicht anerkannte.
Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA, mit der eine Verletzung des § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. V. m. § 8 Abs. 1 und Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 gerügt wird.
Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um abschließend beurteilen zu können, ob die Klägerin in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1979 wegen eines drohenden Aufwendungsersatzanspruches ihrer Gesellschafter für die von diesen übernommene Bürgschaftsverpflichtung eine ihr Einkommen mindernde Rückstellung bilden durfte.
1. Nach § 5 Abs. 1 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG 1977 haben Gewerbetreibende, die - wie die Klägerin - Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Die Vorschrift des § 152 Abs. 7 des Aktiengesetzes - AktG - (nunmehr § 249 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches - HGB - i. d. F. des Bilanzrichtliniengesetzes - BiRiLiG - vom 19. Dezember 1985) enthält insoweit einen Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung, als sie die Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten regelt. Voraussetzungen für die Bildung derartiger Rückstellungen sind die Wahrscheinlichkeit des Bestehens oder künftigen Entstehens der Verbindlichkeit dem Grunde und / oder der Höhe nach sowie der Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen und die wirtschaftliche Verursachung der ungewissen Verbindlichkeit im abgelaufenen Wirtschaftsjahr (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. August 1984 I R 88/80, BFHE 142, 226, BStBl II 1985, 44, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
2. Eine ungewisse Verbindlichkeit der Klägerin kann sich nicht aus einer von ihr selbst übernommenen Bürgschaftsverpflichtung ergeben. Das FG hat zu der zwischen der Kreissparkasse und den Gesellschaftern der Klägerin getroffenen Bürgschaftsvereinbarung festgestellt, daß die Darlehensgeberin ihr Ausfallrisiko im Hinblick auf die beschränkte Haftung der Klägerin unmittelbar durch die unbeschränkt haftenden Gesellschafter absichern wollte. Diese Feststellung des FG beinhaltet im wesentlichen eine Tatsachenwürdigung, an die der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO).
3. Ob eine ungewisse Verbindlichkeit der Klägerin in Gestalt eines Aufwendungsersatzanspruchs ihrer Gesellschafter nach § 670 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bestand, kann das Revisionsgericht nicht abschließend entscheiden.
a) Kommt den bürgenden Gesellschaftern nicht die Stellung von beherrschenden Gesellschaftern zu, so konnte das FG ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangen, daß die Klägerin ihren Gesellschaftern gegenüber ersatzpflichtig war, falls mit einer Erfüllung der gemäß § 774 BGB auf die Bürgen übergegangenen Darlehensforderung durch den Hauptschuldner G nicht gerechnet werden konnte. Das FG konnte hierbei zu Recht offenlassen, ob die bürgenden Gesellschafter im Rahmen eines mit der Klägerin bestehenden Auftragsverhältnisses tätig geworden sind, da diese auch ohne entsprechenden Auftrag Ersatz ihrer Aufwendungen wie Beauftragte verlangen konnten (vgl. § 683 BGB). Denn die Übernahme der Bürgschaft war Voraussetzung für die Realisierung der betrieblichen Forderung und entsprach damit dem nach objektiven Kriterien zu beurteilenden Interesse und Willen der Klägerin (vgl. Palandt / Thomas, Bürgerliches Gesetzbuch, 46. Aufl., § 683 Anm. 2 und 3). Die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag setzt lediglich ein Handeln des Geschäftsführers ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung gegenüber dem Geschäftsherrn voraus. Die Auffassung der Revision, die Annahme eines Ersatzanspruchs nach § 683 BGB scheide schon deshalb aus, weil die Begründung eines Auftragsverhältnisses möglich gewesen wäre, findet im Gesetz keine Stütze.
b) Waren die Bürgen beherrschende Gesellschafter, so kommt trotz des gesetzlichen Aufwendungsersatzanspruchs eine verdeckte Gewinnausschüttung in Betracht.
Bei Leistungen einer Kapitalgesellschaft an ihre beherrschenden Gesellschafter ist eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen, wenn nicht von vornherein klar und eindeutig bestimmt ist, ob und in welcher Höhe ein Entgelt für eine Leistung des Gesellschafters gezahlt wird (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juli 1975 I R 110/72, BFHE 117, 36, BStBl II 1976, 74). Das Nachzahlungsverbot gilt nicht nur für Grund und Höhe von Vergütungen für die Geschäftsführung durch einen beherrschenden Gesellschafter, sondern gleichermaßen auch für andere Rechtsverhältnisse zwischen der Gesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter. Es dient der Verhinderung von willkürlichen Beeinflussungen des Gewinns, da der beherrschende Gesellschafter die Möglichkeit hat, für seine Leistungen einen gesellschaftsrechtlichen oder einen schuldrechtlichen Ausgleich zu suchen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1985 I R 247/81, BFHE 145, 165, BStBl II 1986, 195).
Auf eine im voraus getroffene klare und eindeutige Vereinbarung kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn der Ersatzanspruch des beherrschenden Gesellschafters zivilrechtlich begründet ist, da der Anspruch nach § 670 BGB abdingbar ist (BFH-Urteil vom 3. November 1976 I R 98/75, BFHE 120, 388, BStBl II 1977, 172).
4. Die Sache wird zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen zurückverwiesen. Wurde die Klägerin durch die bürgenden Gesellschafter beherrscht, so wird das FG zu prüfen haben, ob eine ausdrückliche Vereinbarung bezüglich eines Aufwendungsersatzes der Gesellschafter für den Fall ihrer Inanspruchnahme getroffen worden ist. Das FG hat zwar ausgeführt, daß die Übernahme der Bürgschaft durch die Gesellschafter nicht auf gesellschaftsrechtlichen Erwägungen beruhte; es hat insoweit jedoch keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, aus denen auf eine entsprechende schuldrechtliche Vereinbarung geschlossen werden könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 415522 |
BFH/NV 1989, 103 |