Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung zur Steuerberaterprüfung
Leitsatz (NV)
1. Zur berufspraktischen Voraussetzung für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung nach § 36 StBerG i. d. F. vor und nach dem Inkrafttreten des 5. StBerÄndG.
2. Tätigkeiten auf dem Gebiet des betrieb lichen Rechnungswesens bzw. als Buchhalter erfüllen i. d. R. nicht die berufspraktische Voraussetzung für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung nach § 36 StBerG i. d. F. des 5. StBerÄndG.
3. Auch die 10jährige Tätigkeit in dem erlernten Beruf als Bürokauffrau erfüllt für sich allein nicht die berufspraktische Zulassungsvoraussetzung.
4. Die Ablehnung der Zulassung zur Steuerberaterprüfung begründet stets ein berechtigtes Interesse an einer Rehabilitierung durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit des ablehnenden Bescheids.
Normenkette
StBerG § 36 Abs. 2 Nr. 1; FGO § 100 Abs. 1 S. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war nach ihrer Ausbildung und Abschlußprüfung als Bürokauffrau vom 1. Juli 1977 bis 30. April 1978 bei dem Laborarzt X tätig, bei dem sie Befundberichte schrieb, organisatorische Arbeiten erledigte und Rechnungen erstellte. Vom 1. Juni 1978 bis 31. März 1980 arbeitete die Klägerin als Kontoristin bei der Y-GmbH. Zu ihrem Auf gabengebiet gehörten die Ausfertigung von Reparatur- und Ersatzteilrechnungen, Gutschriften, die Bearbeitung von Gewährleistungsaufträgen, Angeboten, Auftragsbestätigungen, Kostenvoranschlägen und Schreib arbeiten. Als Sachbearbeiterin bei der Z-GmbH war die Klägerin vom 1. Januar 1983 bis 15. Januar 1984 mit der Auftrags annahme, Rechnungserstellung, Fertigung von Wochen- und Monatsabschlüssen (Lager- und Umsatzlisten, Rechnungsausgangsbuch), Mahnwesen, Schriftverkehr und der Überprüfung der Debitorenkonten beschäftigt. Seit 1. Juni 1984 ist die Klägerin Sach bearbeiterin im Bereich Buchhaltung und Steuerwesen bei dem Steuerberater A bzw. der B-Steuerberatungsgesellschaft.
Am 30. April 1992 beantragte die Klägerin die Zulassung zur Steuerberaterprüfung 1992. Mit Beschluß vom 20. Juli 1992 lehnte der Zulassungsausschuß für Steuerberater bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzministerium -- FinMin --) den Antrag ab, weil die Klägerin nach Abschluß ihrer Ausbildung nicht zehn Jahre hauptberuflich auf dem Gebiet des Steuerwesens bzw. auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern praktisch tätig gewesen sei.
Die Klage der Klägerin blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, nachdem die begehrte Zulassung zur Steuerberaterprüfung 1992 wegen Zeitablaufs nicht mehr möglich sei. Sie sei jedoch unbegründet.
Die Klägerin sei zur Steuerberaterprüfung 1992 zu Recht nicht zugelassen worden, weil sie nicht i. S. von § 36 Abs. 2 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) zehn Jahre hauptberuflich auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern praktisch tätig gewesen sei. Diese durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (5. StBerÄndG) vom 13. Dezember 1990 (BGBl I, 2756) eingeführte Gesetzesfassung sei maßgeblich, weil sie am 1. Januar 1991 in Kraft getreten sei und die Klägerin die Zulassung zur Steuerberaterprüfung am 30. April 1992 beantragt habe. Die Klägerin habe bis zum 1. Juni 1984 mit ihren Arbeiten im Schreib- und Rechnungswesen Tätigkeiten ausgeübt, bei denen steuerliche Fragen nur eine mittelbare Rolle spielten. Eine solche Tätigkeit reiche für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung nicht aus. Die gesetzlich vorgeschriebene Tätigkeit müsse sich vielmehr auf den Kern bereich der Berufstätigkeit des späteren Steuerberaters beziehen.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, die Vorentscheidung beruhe auf der fehlerhaften Anwendung des § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG n. F. auch auf die vor 1991 ausgeübte praktische Tätigkeit sowie auf fehlerhafter Aus legung des dort verwendeten Begriffs "auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern".
Sie habe seit 1977 bis Ende 1990 die bis zu diesem Zeitpunkt vorgeschriebene zehnjährige praktische Berufstätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens schon deshalb ausgeübt, weil sie in ihrem erlernten Beruf als Bürokauffrau gearbeitet habe, der als Vorbildungsvoraussetzung gesetzlich anerkannt sei. Die bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des 5. StBerÄndG ausgeübten praktischen Tätigkeiten seien aufgrund von Verwaltungsanweisungen nach der bis dahin geltenden Fassung der Zulassungsvorschrift ("Steuerwesen") zu beurteilen. Die Auffassung des FG, daß auch insoweit § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG n. F. anzuwenden sei, begründe eine verfassungsrechtlich unerlaubte Rückwirkung der Neufassung des Gesetzes.
Im übrigen habe sie ihre Berufstätigkeit, die sich seit 1978 auf dem Gebiet der (steuer lichen) Buchhaltung bewege, auch auf dem nunmehr vorgeschriebenen "Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern" ausgeübt. Denn die Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungspflichten, die aufgrund von Steuergesetzen bestehe, gehöre zum Kernbereich der Berufsausübung eines Steuerberaters und sie beziehe sich regelmäßig -- wie auch im Streitfall -- auf die Umsatzsteuern und die Ertragsteuern. Die Zulassungsvorschrift weise somit in praktischer Hinsicht nach ihrer alten und neuen Fassung keine wesentlichen Unterschiede auf.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung festzustellen, daß der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig sei.
Das FinMin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es trägt vor, das FG sei an die Spruchpraxis der Verwaltung, die für die bis zum 31. Dezember 1990 ausgeübten Tätigkeiten ent gegen dem Gesetzeswortlaut auf die alte Rechtslage ("Steuerwesen") abstelle, nicht gebunden. Es habe daher zu Recht entschieden, daß § 36 StBerG in der jetzt gültigen Fassung auf alle Zulassungsanträge anzuwenden sei, über die nach Inkrafttreten des 5. StBerÄndG zu entscheiden sei. Eine gesetzliche Übergangsregelung bestehe nicht, und es sei auch insoweit keine unzulässige Rückwirkung gegeben. Die Klägerin sei im übrigen nach den von ihr vorgelegten Zeugnissen jedenfalls bis zum 15. Januar 1984 nicht überwiegend im Bereich der steuerlichen Buchhaltung tätig gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Das FG hat zu Recht die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage bejaht.
Nach § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanz gerichtsordnung (FGO) spricht das Gericht, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Erledigen kann sich auch ein Verpflichtungsbegehren, wenn z. B. der begehrte Verwaltungsakt -- im Streitfall die Zulassung zur Steuerberaterprüfung 1992 -- aus tatsächlichen Gründen (hier: Zeitablauf) nicht mehr erteilt werden kann. Die Vorschrift über die Fortsetzungsfeststellungsklage findet deshalb auf Verpflichtungsklagen entsprechende Anwendung (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 23. März 1976 VII R 106/73, BFHE 118, 503, BStBl II 1976, 459, und vom 4. März 1986 VII R 78/84, BFH/NV 1986, 622). Die Klägerin konnte deshalb im Klageverfahren von ihrem ursprünglichen Antrag, das FinMin zu verpflichten, sie zur Steuerberaterprüfung 1992 zuzulassen, nachdem der Prüfungstermin verstrichen war, zu dem Feststellungsbegehren nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO übergehen.
Das FG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß im Streitfall das für die Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse der Klägerin an der Feststellung, daß die Ablehnung der Zulassung zur Steuerberaterprüfung 1992 rechtswidrig war, vorliegt. Wie der Senat wiederholt entschieden hat, muß eine ungerechtfertigte Nichtzulassung zur Steuerberaterprüfung als ein so erheblicher Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Bewerbers angesehen werden, daß stets ein berechtigtes Interesse an einer Rehabilitierung durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit des ablehnenden Bescheids besteht (vgl. Urteile in BFHE 118, 503, BStBl II 1976, 459, in BFH/NV 1986, 622, 624, und vom 27. Mai 1975 VII R 80/74, BFHE 116, 315, BStBl II 1975, 860).
2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage kann aber -- wie das FG im Ergebnis zutreffend entschieden hat -- keinen Erfolg haben. Die Klägerin ist zur Steuerberaterprüfung 1992 zu Recht nicht zugelassen worden, weil sie die Zulassungsvoraussetzung der vorgeschriebenen berufspraktischen Tätigkeit nicht erfüllt.
a) Die Zulassung zur Steuerberaterprüfung setzt nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG voraus, daß der Bewerber nach der dort vorgeschriebenen Berufsausbildung (Abschlußprüfung im steuer- und wirtschaftsberatenden oder einem kaufmännischen Ausbildungsberuf oder eine andere gleichwertige Vorbildung) hauptberuflich zehn Jahre auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern praktisch tätig gewesen ist. Vor der Neufassung des Gesetzes aufgrund des 5. StBerÄndG war eine praktische Tätigkeit des Bewerbers auf dem Gebiet des "Steuerwesens" ausreichend (vgl. § 36 Abs. 1 Nr. 2 StBerG a. F.). Das FG hat seiner Entscheidung zu Recht die neuere Fassung des Gesetzes zugrunde gelegt, da die Neuregelung der praktischen Zulassungsvoraussetzung am 1. Januar 1991 in Kraft getreten (Art. 2 Abs. 2 i. V. m. Art. 1 Nr. 11 5. StBerÄndG), der Zulassungsantrag der Klägerin aber erst am 30. April 1992 gestellt worden ist (vgl. auch Senatsurteil vom 21. Juli 1992 VII R 28/91, BFH/NV 1993, 440, 442).
b) Die Neuregelung der praktischen Zulassungsvoraussetzung in § 36 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 StBerG durch das 5. StBerÄndG beinhaltet keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung des Gesetzes. Eine "unechte" Rückwirkung, die hier allenfalls in Betracht kommt, liegt vor, wenn ein Gesetz auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit die betroffene Rechtsposition nachträglich im ganzen entwertet (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 23. März 1971 2 BvL 17/69, BVerfGE 30, 392, 402, BStBl II 1971, 439). Derartige Gesetze sind grundsätzlich zulässig. Hier kann lediglich der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes je nach Lage der Verhältnisse im einzelnen Fall der Regelungs befugnis Schranken setzen (vgl. BVerfG- Beschluß, a. a. O., m. w. N.).
Soweit die bis zum 31. Dezember 1990 geltende praktische Zulassungsvoraussetzung (Tätigkeit auf dem Gebiet des "Steuer wesens") für die Zulassung der Klägerin zur Steuerberaterprüfung günstiger gewesen sein sollte, kann die Klägerin daraus keinen Vertrauensschutz herleiten, da sie einen Zulassungsantrag innerhalb der Geltungsdauer der früheren Regelung nicht gestellt hat. Für den Fortbestand einer dem Bewerber günstigen Rechtsposition besteht angesichts der Dispositionsfreiheit des Gesetzgebers für noch nicht abgewikelte Sachverhalte kein schützenswertes Vertrauen, zumal die Neuregelung der Zulassungsvoraussetzung nicht willkürlich erfolgt ist, sondern nach den gesetzgeberischen Erwägungen die berufliche Qualifikation der Steuerberater fördern und damit dem Interesse der Allgemeinheit dienen sollte (vgl. nachfolgend 2. c).
c) Da die Neufassung der praktischen Zulassungsvoraussetzung durch das 5. StBer ÄndG eine Reaktion des Gesetzgebers auf die Auslegung des bisherigen Rechtsbegriffs "Steuerwesen" durch den erkennenden Senat darstellt, kann die bisherige Rechtsprechung zu § 36 StBerG a. F. bei der Auslegung der neuen Gesetzesfassung nicht unberücksichtigt bleiben.
Der Senat hat die Zulassungsvoraussetzung einer hauptberuflichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens stets weit ausgelegt (Urteile vom 17. Oktober 1978 VII R 30/78, BFHE 126, 107, BStBl II 1979, 27, 29, und vom 16. Dezember 1980 VII R 52/80, BFHE 132, 177, BStBl II 1981, 226, 227, m. w. N.). Der Begriff "Steuerwesen" war danach nicht beschränkt auf das Steuerrecht und auf die Steuersachen i. S. der §§ 1 ff. StBerG, d. h. die steuerlichen Angelegenheiten des Steuerpflichtigen. Er umfaßte vielmehr alles, was mit Steuern zusammenhängt, insbesondere auch die Randgebiete des Steuerrechts, die für die Steuerberaterprüfung in Betracht kommen (z. B. Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft, Wirtschaftsrecht, Berufsrecht), also auch Tätigkeiten, die nur mittelbar das Steuerrecht betreffen. Eine hauptberufliche praktische Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens i. S. des § 36 StBerG a. F. ist mithin auch dann anerkannt worden, wenn das hauptberufliche Aufgabengebiet des Bewerbers zwar außerhalb des Steuerrechts lag, jedoch mit diesem zusammenhing und daher regelmäßig auch die Befassung mit Steuerfragen erforderte (BFHE 126, 107, BStBl II 1979, 27; Senatsurteile vom 24. Januar 1989 VII R 79/88, BFHE 156, 328, BStBl II 1989, 337; vom 28. November 1989 VII R 48/89, BFHE 159, 386, BStBl II 1990, 399, und in BFH/NV 1993, 440). In Anwendung der vorstehenden Rechtsgrundsätze hat der Senat u. a. die Berufstätigkeiten von Buchhaltern in der Finanzkasse und in einer Bank als hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens anerkannt (Urteile vom 9. Februar 1965 VII 184/64, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1966, 89, und vom 27. Juli 1966 VII R 48/64, BFHE 86, 460, BStBl III 1966, 569).
Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum 5. StBerÄndG (BTDrucks 11/7665, S. 9) ist bei der weiten Auslegung der praktischen Zulassungsvoraussetzung durch den erkennenden Senat nicht gewährleistet, daß der Berufsbewerber während der praktischen Vorbildungszeit überhaupt mit Tätigkeiten befaßt wird, die zu seinem späteren Auf gabenbereich gehören, der durch § 1 des Gesetzes beschrieben wird. Mit der Neufassung -- Ersetzen der Worte "auf dem Gebiet des Steuerwesens" durch die Worte "auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern" -- sollte sichergestellt werden, daß die praktische Vorbildung sich tatsächlich auf den Kernbereich der Berufstätigkeit des späteren Steuerberaters bezieht. Die neue Formulierung entspricht danach der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 StBerG enthaltenen Begriffsbestimmung.
Nach der vorstehenden Gesetzesbegründung und dem neuen Wortlaut des § 36 StBerG, nach dem die berufspraktische Tätigkeit "auf dem Gebiet ... der Steuern" ausgeübt sein muß, ist davon auszugehen, daß Tätigkeiten auf den Randgebieten des Steuerrechts, die dieses nur mittelbar berühren, für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung nicht mehr ausreichen. Die praktische Tätigkeit auf dem Gebiet der Steuern, d. h. die Befassung mit dem Steuerrecht, muß vielmehr den Hauptinhalt (Schwerpunkt) der Berufstätigkeit des Bewerbers ausmachen (vgl. Charlier/Peter, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, § 36 Rdnr. 27). Das folgt aus der gesetzgeberischen Zielsetzung sicherzustellen, daß die praktische Vorbildung sich tatsächlich auf den Kernbereich der Berufstätigkeit des späteren Steuerberaters, d. h. auf die Hilfeleistung in den Steuerangelegenheiten i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 StBerG bezieht.
Hinsichtlich der im Streitfall zu beurteilenden Tätigkeiten ergibt sich daraus, daß eine Berufstätigkeit, deren Schwerpunkt auf dem Gebiet der Buchführung oder des betrieblichen Rechnungswesens liegt, die praktische Zulassungsvoraussetzung des § 36 StBerG n. F. grundsätzlich nicht erfüllt, und zwar auch dann nicht, wenn sie auch die Befassung mit Steuerfragen erfordert. Diese Gesetzesauslegung ist deshalb geboten, weil der Gesetzgeber mit der Neufassung des Gesetzes von der großzügigen Zulassungspraxis nach der bisherigen Senatsrechtsprechung ausdrücklich abweichen wollte. Ihr steht nicht entgegen, daß nach § 33 Satz 2 StBerG auch die Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungspflichten, die aufgrund von Steuergesetzen bestehen, zu den Aufgaben der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten gehören. Die schlichte buchhalterische Tätigkeit allein gehört jedenfalls nicht zum Kernbereich der Berufstätigkeit eines Steuerberaters. Das ergibt sich auch daraus, daß in § 33 Satz 2 StBerG die dort genannte Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungspflichten mit dem Zusatz versehen ist: "insbesondere die Aufstellung von Steuerbilanzen und deren steuerliche Beurteilung". Ferner ist die Hilfeleistung bei der Buchführung in § 33 Satz 2 sowie in § 1 Abs. 2 Nr. 2 StBerG nur als Nebenleistung ("auch") der Aufgaben des Steuer beraters bzw. der in § 1 StBerG definierten Hilfeleistung in Steuersachen genannt.
Bei der Beurteilung, ob ein Buchhalter i. S. des § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landes finanzbehörden verwalteten Steuern praktisch tätig gewesen ist, wird danach zu unterscheiden sein, ob und in welchem Umfang er bei seiner Berufsausübung Auf gaben wahrgenommen hat, die den Angehörigen der steuerberatenden Berufe vor behalten sind. Das sind nach der Rechtsprechung des BVerfG und des erkennenden Senats die Einrichtung der Buchführung (Finanzbuchhaltung und Lohnbuchhaltung), die Erstellung von Abschlüssen (Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes -- EStG -- und Bilanzierung nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG) und das Erstellen der Umsatzsteuervoranmeldungen (vgl. Urteile des Senats vom 1. März 1983 VII R 27/82, BFHE 138, 129, BStBl II 1983, 319, und vom 12. Januar 1988 VII R 60/86, BFHE 152, 393, BStBl II 1988, 380, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG). Dagegen fallen die Durchführung mechanischer Arbeitsgänge bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen, das Buchen der laufenden Geschäftsvorfälle (einschließlich der Kontierung der Belege) sowie das Fertigen der Lohnsteueranmeldungen nicht unter das Buchführungsprivileg der steuer beratenden Berufe (§ 6 Nr. 3 und § 4 StBerG); soweit der Buchhalter nur die letztgenannten Tätigkeiten ausgeübt hat, ist er nicht i. S. des § 36 StBerG auf dem Gebiet der Steuern tätig gewesen (vgl. insoweit auch Senatsurteil in BFHE 132, 177, BStBl II 1981, 226, 228).
d) Die Klägerin hat nach den vorstehenden Ausführungen die berufspraktische Zulassungsvoraussetzung nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG n. F. nicht erfüllt.
Als Tätigkeit auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern kommt im Streitfall nur die seit dem 1. Juni 1984 ausgeübte Berufstätigkeit der Klägerin als Sachbearbeiterin für Buchhaltung und Steuerwesen bei dem Steuerberater A und bei der B-Steuerberatungsgesellschaft in Betracht. Diese berufspraktische Tätigkeit umfaßte jedoch bis zum Beginn der schriftlichen Steuerberaterprüfung 1992 im Oktober 1992 (vgl. § 6 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften) nur einen Zeitraum von acht Jahren und vier Monaten; sie erfüllte somit nicht die in § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG vorgeschriebene Mindestdauer von zehn Jahren. Die anderen (vor dem 1. Juni 1984) ausgeübten Berufstätigkeiten der Klägerin liegen nicht auf dem Gebiet der Steuer i. S. des § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG.
Der hauptberufliche Aufgabenbereich als Bürokauffrau bei dem Laborarzt X und als Kontoristin bei der Y-GmbH erstreckte sich weder nach den vorgelegten Zeugnissen noch nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin auf die Steuern als dem Schwerpunkt und Kernbereich der Berufstätigkeit des späteren Steuerberaters, selbst wenn bei ihrer Erledigung -- etwa bei der Ausstellung von Rechnungen -- steuerliche Fragen mit zu berücksichtigen gewesen sein sollten. Dasselbe gilt für die Tätigkeit als Sachbearbeiterin bei der Z-GmbH. Soweit die Klägerin dort auch Buchhaltungsarbeiten ausgeführt hat (Wochen- und Monatsabschlüsse, Überprüfung der Debitorenkonten) ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß es sich um qualifizierte Buchführungsarbeiten gehandelt hat, die nach den vorstehenden Ausführungen den Angehörigen der steuerberatenden Berufe vorbehalten sind und deshalb die praktische Zulassungsvoraussetzung erfüllen könnten. Im übrigen umfaßte die Tätigkeit der Klägerin bei der Z-GmbH nur einen Zeitraum von etwa einem Jahr (1. Januar 1983 bis 15. Januar 1984), so daß sie auch zusammen mit der seit dem 1. Juni 1984 (acht Jahre und vier Monate) ausgeübten Tätigkeit als Sach bearbeiterin bei einem Steuerberater bzw. einer Steuerberatungsgesellschaft die für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung vorgeschriebene Mindestdauer der berufspraktischen Tätigkeit nicht erfüllen würde.
3. Wie die Beteiligten vortragen und dem Senat aus anderen Revisionsverfahren bekannt ist, entspricht es der Spruchpraxis der Zulassungsausschüsse, bei der Zulassung zur Steuerberaterprüfung die bis zum 31. Dezember 1990 ausgeübten Tätigkeiten auch dann zu berücksichtigen, wenn es sich nicht um hauptberufliche praktische Tätigkeiten auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern, sondern lediglich um solche auf dem Gebiet des Steuerwesens handelt. Diese Handhabung beruht auf einer Empfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (BTDrucks 11/8343 vom 29. Oktober 1990) und des daraufhin erfolgten Beschlusses der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder, wonach die bis zum 31. Dezember 1990 zurückgelegte Berufspraxis nach den damals geltenden Vorschriften berücksichtigt werden soll. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob diese Verwaltungspraxis -- etwa im Wege der Selbstbindung der Verwaltung -- auch der hier streitigen Entscheidung über die Zulassung der Klägerin zur Steuerberaterprüfung 1992 hätte zugrunde gelegt werden müssen. Die mit der Fortsetzungsfeststellungsklage beantragte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Zulassungsausschusses kann auch dann nicht ausgesprochen werden, wenn die bis zum 31. Dezember 1990 ausgeübte berufspraktische Tätigkeit der Klägerin nach der Zulassungsvoraussetzung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 2 StBerG a. F. ("Steuerwesen") beurteilt wird.
Auf dem Gebiet des Steuerwesens liegt zweifelsfrei die Tätigkeit der Klägerin als Sachbearbeiterin bei dem Steuerberater A und bei der B-Steuerberatungsgesellschaft. Ob das im Hinblick auf die dort ausgeführten Buchführungsarbeiten auch für die Sachbearbeitertätigkeit bei der Z-GmbH zutrifft, braucht nicht entschieden zu werden, weil die genannten Beschäftigungszeiten -- wie oben ausgeführt -- auch zusammengerechnet bis zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt (Beginn der schriftlichen Steuerberaterprüfung 1992) die für die Berufspraxis gesetzlich vorgeschriebene Mindestdauer von zehn Jahren nicht erreichte. Die anderen Berufstätigkeiten der Klägerin -- Bürokauffrau bei dem Laborarzt X und Kontoristin bei der Y-GmbH -- können auch unter Berücksichtigung der oben (vgl. 2. c) dargestellten weiten Auslegung dieses Rechtsbegriffs nicht als Tätigkeiten auf dem Gebiet des Steuerwesens angesehen werden.
Die in den beiden Zeugnissen bescheinigten Schreibarbeiten, die Büroorganisation, das Erstellen von Rechnungen aller Art, die Abrechnung mit der Kassenärztlichen Vereinigung, die Bearbeitung von Gutschriften, Gewährleistungsaufträgen, Angeboten, Auftragsbestätigungen und Kostenvoranschlägen sind keine Tätigkeiten auf den Randgebieten des Steuerrechts, die für die Steuerberaterprüfung in Betracht kommen. Auch die Notwendigkeit einer regelmäßigen Befassung mit Steuerfragen ist bei diesen Tätigkeiten nicht ersichtlich. Hierzu reicht der schlichte Ausweis von Umsatzsteuer auf den von der Klägerin erstellen Rechnungen jedenfalls nicht aus.
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt eine Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens nicht bereits deshalb vor, weil sie in dem erlernten Beruf als Bürokauffrau gearbeitet hat. Wenn auch die Lehrzeit und die Ablegung der Prüfung als Bürokauffrau jedenfalls als "andere gleichwertige Vorbildung" i. S. von § 36 Abs. 1 Nr. 2 b StBerG a. F., § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG n. F. angesehen werden kann, so erfüllt doch eine zehnjährige Berufspraxis in diesem Beruf nicht ohne weiteres die Voraussetzung für die Zulassung zur Steuer beraterprüfung. Denn die berufspraktische Tätigkeit als zusätzliche Zulassungsvoraussetzung neben der vorgeschriebenen Berufsausbildung muß nach dem Wortlaut des Gesetzes auf dem Gebiet des Steuer wesens (jetzt auf dem Gebiet der ... Steuern) ausgeübt werden. Die Erfüllung dieser berufspraktischen Zulassungsvoraussetzung ergibt sich -- wie das Beispiel der Klägerin zeigt -- bei ausgebildeten und geprüften Kaufleuten und Bürokaufleuten -- anders in der Regel bei den Gehilfen im steuer- und wirtschaftsberatenden Beruf -- nicht allein aus der vorgeschriebenen Dauer einer Tätigkeit in dem erlernten Beruf. Der erkennende Senat hat zwar wiederholt ausgeführt, daß zwischen den in § 36 StBerG genannten Zulassungsvoraussetzungen ein sachlicher Zusammenhang derart besteht, daß die von dem Bewerber während der vorgeschriebenen Ausbildung (insbesondere im Hochschulstudium) erworbenen theoretischen Kenntnisse mit dem Steuerwesen zusammenhängen und auf dessen Gebiet praktisch verwertbar sind (vgl. Urteile vom 22. Februar 1978 VII R 86/77, BFHE 124, 474, BStBl II 1978, 393, 394; in BFHE 126, 107, BStBl II 1979, 27, 29, und in BFH/NV 1993, 440, 442). Er hat daraus hergeleitet, daß die berufspraktische Tätigkeit nicht nur auf dem engen Gebiet des Steuerrechts und der Steuerberatung ausgeübt werden kann, sondern auch auf anderen Sachgebieten, soweit diese mit dem Steuerrecht zusammenhängen. Der Senat hat aber in diesen Fällen -- wie oben ausgeführt -- stets verlangt, daß der Bewerber in seiner Berufspraxis mit Steuerfragen befaßt war. Dies ist bei einer Berufstätigkeit im Ausbildungsberuf der Klägerin -- Bürokauffrau -- nicht selbstverständlich, sondern bedarf in jedem Einzelfall der besonderen Prüfung. Wie oben ausgeführt ist für die Dauer der Beschäftigung der Klägerin bei X und bei der Y-GmbH eine regelmäßige Beschäftigung mit Steuerfragen weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden, so daß die erforderliche Mindestdauer von zehn Jahren für die Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens nicht erfüllt sind.
Fundstellen
Haufe-Index 420511 |
BFH/NV 1995, 737 |