Leitsatz (amtlich)

Bei der Schadensfeststellung für ein zurückgegebenes Rückerstattungsgrundstück kann der Rückerstattungspflichtige einen von ihm entrichteten Abgeltungsbetrag zur Abgeltung der Hauszinssteuer dann nicht geltend machen, wenn der Rückerstattungsberechtigte durch die Rückerstattungsentscheidung verpflichtet wurde, dem Rückerstattungspflichtigen den Abgeltungsbetrag zurückzugewähren. Auf das Umstellungsverhältnis des Rückgewährentgelts kommt es nicht an.

 

Normenkette

FeststG § 13 Abs. 1; 20-AbgabenDV-LA 3/1; 20-AbgabenDV-LA 3/2; 20-AbgabenDV-LA 3/5; REAO Art. 37/1

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin begehrt, ihr bei der Ermittlung des Schadensbetrages im Sinne von § 13 Abs. 1 des Gesetzes über die Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegssachschäden in der Fassung vom 14. August 1952 (Feststellungsgesetz) die zur Ablösung der Hauszinssteuer entrichteten Abgeltungsbeträge in Anrechnung zu bringen.

Die Revisionsklägerin erwarb im Jahre 1939 zwei Berliner Grundstücke im Wege des Zwangskaufs von einer Erbengemeinschaft. Die Grundstücke erlitten während des Krieges Teilschäden. Auf Grund des Beschlusses der Wiedergutmachungskammer des Landgerichts (LG) Berlin vom 3. August 1951 hatte die Revisionsklägerin die Grundstücke an die Erbengemeinschaft zurückzuerstatten. Die Erbengemeinschaft wurde verpflichtet, der Revisionsklägerin u. a. die von dieser zur Ablösung der Hauszinssteuer in bar entrichteten Abgeltungsbeträge im Verhältnis 10 RM zu 1 DM zurückzugewähren.

Das Finanzamt (FA) berichtigte durch Bescheide vom 16. November 1959 gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 3 und 4 AO die Zurechnung der für die bezeichneten Grundstücke nach § 46 der 10.AbgabenDV-LA einheitlich und gesondert festgestellten Kriegssachschäden mit der Maßgabe, daß es entsprechend den Grundstücksteilschäden die anzusetzenden Hauszinssteuer-Abgeltungsbeträge der Erbengemeinschaft zurechnete. Dadurch ergab sich für die Revisionsklägerin kein nach § 13 Abs. 1 des Feststellungsgesetzes berücksichtigungsfähiger Kriegssachschaden. Das FA vertrat die Auffassung, wenngleich nach § 3 Abs. 5 der 20.AbgabenDV-LA bei der Ermittlung der Kriegssachschäden die von einem Rückerstattungspflichtigen entrichteten Hauszinssteuer- Abgeltungsbeträge grundsätzlich diesem zuzurechnen seien, so ergäbe sich doch eine andere rechtliche Beurteilung, wenn - wie hier - die Rückerstattungsberechtigte der Rückerstattungspflichtigen auf Grund des Rückerstattungsbeschlusses die Abgeltungsbeträge zu erstatten habe.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Die Vorinstanz führte aus: Wohl gelte ein Rückerstattungspflichtiger nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 5 der 20.AbgabenDV-LA hinsichtlich des nach § 13 Abs. 1 Satz 2 des Feststellungsgesetzes zu berücksichtigenden Hauszinssteuer-Abgeltungsbetrages als unmittelbar Geschädigter, wenn er die Hauszinssteuer nach dem Entziehungszeitpunkt abgelöst habe. Voraussetzung sei indessen, daß er den Abgeltungsbetrag im wirtschaftlichen Ergebnis endgültig getragen habe. Dies treffe im Streitfall jedoch nicht zu, weil die Erbengemeinschaft auf Grund der Rückerstattungsentscheidung die Aufwendungen der Revisionsklägerin habe ersetzen müssen und auch tatsächlich ersetzt habe. Daß die Abgeltungsbeträge nur im Verhältnis 10 RM zu 1 DM hätten zurückgewährt werden müssen, ändere an der rechtlichen Beurteilung nichts. Maßgebend sei die Rückerstattungsentscheidung. Diese habe die Erbengemeinschaft zur Rückgewähr der gesamten von der Revisionsklägerin zur Abgeltung der Hauszinssteuer gemachten Aufwendungen verpflichtet. Die durch die Umstellung von RM-Beträgen entstandenen Einbußen hätten allgemein in Kauf genommen werden müssen. Für die Streitentscheidung sei auch die Frage unerheblich, ob der für die Revisionsklägerin eingetretene Verlust eines berücksichtigungsfähigen Schadensbetrages durch das von der Erbengemeinschaft geleistete umgestellte Rückgewährentgelt aufgewogen werde.

Die Rb. wird darauf gestützt, daß die angefochtene Entscheidung auf Nichtanwendung des bestehenden Rechts beruhe. Die Revisionsklägerin erstrebt die Wiederherstellung der durch die Bescheide vom 16. November 1959 berichtigten Feststellungsbescheide vom 25. September 1958. Sie macht geltend: Eine Auslegung des § 3 Abs. 5 der 20.AbgabenDV-LA gegen den Wortlaut sei im Streitfall nicht gerechtfertigt. Die Vorentscheidung sei insoweit inkonsequent, als sie einerseits aus wirtschaftlichen Gründen die wörtliche Anwendung des § 3 Abs. 5 der 20.AbgabenDV-LA ablehne und andererseits den Ausspruch der Rückerstattungsentscheidung als allein maßgebend ansehe, ohne ihr wirtschaftliches Ergebnis, nämlich die Umstellung auf 1/10, zu berücksichtigen.

Die von der Vorinstanz zum Verfahren hinzugezogene Erbengemeinschaft hat in übereinstimmung mit dem FA die Zurückweisung der Rb. beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb., die nach der am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen FGO als Revision zu behandeln ist (vgl. § 184 FGO), ist unbegründet.

Für die Beurteilung der Frage, ob die Hauszinssteuer- Abgeltungsbeträge bei der Schadensberechnung der Erbengemeinschaft oder der Revisionsklägerin zuzurechnen sind, ist von § 13 Abs. 1 des Feststellungsgesetzes auszugehen. Hiernach sind Kriegssachschäden an land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und an Grundvermögen im Sinne des BewG grundsätzlich mit dem Betrag festzustellen, um den der Einheitswert, der für die beschädigte wirtschaftliche Einheit auf den letzten Feststellungszeitpunkt vor Eintritt des Schadens festgestellt ist, den für dieselbe wirtschaftliche Einheit für den Währungsstichtag geltenden Einheitswert übersteigt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 des Feststellungsgesetzes). Ist für ein von Kriegssachschäden betroffenes Grundstück ein Abgeltungsbetrag gemäß der Verordnung über die Aufhebung der Gebäudeentschuldungsteuer vom 31. Juli 1942 (RGBl I 1942 S. 501) entrichtet worden, so ist für die Schadensberechnung dem auf den letzten Feststellungszeitpunkt vor Eintritt des Schadens festgestellten Einheitswert der Abgeltungsbetrag hinzuzurechnen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 des Feststellungsgesetzes). Ist ein Kriegssachschaden an einem Wirtschaftsgut entstanden, das auf Grund der Rechtsvorschriften zur Rückerstattung feststellbarer Vermögenswerte rückerstattet worden ist, gilt als unmittelbar Geschädigter im Sinne der §§ 40, 229 LAG diejenige Person, an die rückerstattet worden ist (§ 3 Abs. 1 Satz 1 der 20.AbgabenDV-LA). In diesen Fällen gilt bei der Berechnung des Schadensbetrages im Sinne des § 13 Abs. 1 des Feststellungsgesetzes als Anfangsvergleichswert der Einheitswert der entzogenen wirtschaftlichen Einheit im Zeitpunkt der Entziehung (§ 3 Abs. 2 Satz 1 der 20.AbgabenDV-LA). Ergibt sich in den Fällen des § 3 Abs. 2 der 20.AbgabenDV-LA bei Zugrundelegung der Vorschriften des Feststellungsgesetzes gegenüber der Berechnung nach Abs. 2 ein höherer berücksichtigungsfähiger Schadensbetrag, gilt der Rückerstattungspflichtige hinsichtlich des Unterschiedsbetrags als unmittelbar Geschädigter (§ 3 Abs. 5 der 20.AbgabenDV-LA).

Es ist der Revisionsklägerin darin zuzustimmen, daß nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 5 der 20.AbgabenDV-LA die Abgeltungsbeträge ihr zuzurechnen sein würden. Denn bei Zugrundelegung des § 13 Abs. 1 des Feststellungsgesetzes würde sich gegenüber der Berechnung nach § 3 Abs. 2 der 20.AbgabenDV-LA in Höhe der Abgeltungsbeträge ein höherer berücksichtigungsfähiger Schadensbetrag ergeben. Hinsichtlich dieses Unterschiedsbetrages wäre die Revisionsklägerin gemäß § 3 Abs. 5 der 20.AbgabenDV-LA als unmittelbar Geschädigte anzusehen. In diesem Sinn hat auch der Senat bereits in dem Urteil III 298/63 U vom 31. Juli 1964 (BFH 80, 527, BStBl III 1964, 663) ausgesprochen, daß der rückerstattungspflichtige Erwerber eines Rückerstattungsgrundstücks bei der Schadensfeststellung einen von ihm nach der Entziehung entrichteten Abgeltungsbetrag zur Ablösung der Hauszinssteuer als unmittelbar Geschädigter geltend machen kann.

Wie die Vorinstanz aber zutreffend ausgeführt hat, kommt im Streitfall die Anwendung des § 3 Abs. 5 der 20.AbgabenDV-LA nicht in Betracht, weil nach der Rückerstattungsentscheidung die Erbengemeinschaft zur Rückgewähr der Abgeltungsbeträge verpflichtet worden ist. Auf Grund dieser Entscheidung muß die Erbengemeinschaft hinsichtlich der Abgeltungsbeträge als unmittelbar Geschädigte angesehen werden. Denn die Revisionsklägerin kann nicht verlangen, daß ihr einerseits ein Anspruch auf Rückgewähr der Abgeltungsbeträge zuerkannt wird und ihr andererseits die Abgeltungsbeträge als Schadensbeträge zugerechnet werden.

Zu dieser Beurteilung steht die Wortfassung des § 3 Abs. 5 der 20. AbgabenDV-LA allerdings in gewissem Widerspruch. Dieser Widerspruch ist jedoch im Hinblick auf die Rückerstattungsregelung rechtlich unbeachtlich. Die Verpflichtung der Erbengemeinschaft zur Rückgewähr der Abgeltungsbeträge beruht auf Art. 37 der Rückerstattungsanordnung für das Land Berlin (REAO) vom 26. Juli 1949 (VOBl Berlin I 1949 S. 221). Nach Abs. 1 Satz 2 der genannten Vorschrift hat der Rückerstattungsberechtigte dem Rückerstattungspflichtigen gegen Rückerstattung des entzogenen Vermögensgegenstandes den Betrag der vor der Entziehung bestehenden und seither getilgten Belastungen des entzogenen Vermögensgegenstandes zurückzugewähren, soweit an deren Stelle nicht andere bestehenbleibende Belastungen getreten sind oder die getilgte Belastung nicht selbst auf Grund einer Entziehung im Sinne der REAO entstanden ist. Die Rückerstattungsregelung geht als gesetzliche Norm den Bestimmungen der 20. AbgabenDV-LA vor, soweit sich bei deren wörtlicher Anwendung ergeben würde, daß der Rückerstattungspflichtige nach den Vorschriften des LAG hinsichtlich eines Tatbestandes entschädigt werden müßte, für den er nach dem Rückerstattungsgesetz (REG) bereits als entschädigt anzusehen ist. Das gilt um so mehr als die Bestimmungen der 20. AbgabenDV-LA vorwiegend eine Abstimmung der Vorschriften des LAG mit denen der REGe bezwecken (vgl. Kühne-Wolff, Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich, Ausgabe A, Bd. IV, Vorbemerkung II 3 zur 20. AbgabenDV-LA). Sie beruhen u. a. auf der gesetzlichen Ermächtigung des § 359 Abs. 2 LAG, wonach die Gewährung von Ausgleichsleistungen und die Ermäßigung der Vermögensabgabe in denjenigen Fällen, in denen Wirtschaftsgüter in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 im Sinne der REGe entzogen worden sind, durch Rechtsverordnung entsprechend den Grundsätzen des LAG zu regeln ist. Dementsprechend wird auch in Tz. 22 Nr. 3b des Erlasses des Bundesministers der Finanzen IV C/4 - LA 2300 - 10/57 vom 4. Dezember 1957 (LA-Kartei, § 359 LAG, Karte 2) im Ergebnis zu Recht die Auffassung vertreten, daß in den Fällen der vorliegenden Art der Abgeltungsbetrag bei der Schadensberechnung dem Rückerstattungsberechtigten zuzurechnen sei.

Demgegenüber kann die Revisionsklägerin nicht mit Erfolg geltend machen, daß sie für die durch die Entrichtung der Hauszinssteuer- Abgeltungsbeträge eingetretene Werterhöhung der Rückerstattungsgrundstücke wirtschaftlich keinen vollen Ersatz erlangt habe, weil das Rückgewährentgelt im Verhältnis 10 RM zu 1 DM umgestellt worden sei. Denn auf das durch die Umstellung bewirkte wirtschaftliche Ergebnis kommt es nach den vorstehenden Ausführungen nicht an. Entscheidend ist allein, daß der Revisionsklägerin durch die Rückerstattungsentscheidung gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 REAO ein Anspruch auf vollen Ersatz der von ihr entrichteten RM-Abgeltungsbeträge zuerkannt worden ist. Dagegen ist das Verhältnis, zu dem der Anspruch in DM umgestellt worden ist oder hätte umgestellt werden müssen, für die Streitentscheidung unerheblich. Im übrigen hat die Vorinstanz mit Recht ausgeführt, daß die Streitentscheidung nicht darauf abgestellt werden kann, in welchem Verhältnis die Nachteile, welche sich für die Revisionsklägerin ergeben, wenn die Abgeltungsbeträge bei der Schadensberechnung der Erbengemeinschaft zugerechnet werden, zu dem in DM umgestellten Rückgewährentgelt stehen.

Der Streitwert ist entsprechend der ständigen übung des Senats in den Fällen vorliegender Art (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 81/60 vom 10. November 1961, HFR 1963, 94) auf 10 v. H. des streitigen Schadensbetrages festzusetzen. Die Streitwertfestsetzung der Vorinstanz wurde demgemäß geändert.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412532

BStBl III 1967, 455

BFHE 1967, 466

BFHE 88, 466

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