Leitsatz (amtlich)
Es verstößt weder gegen Art. 2 noch gegen Art. 3 GG, daß der Gesetzgeber im § 26 Abs. 1 EStG das Recht, die Zusammenveranlagung zu wählen und dadurch die Vorteile des im § 32a Abs. 2 EStG geregelten Splittingverfahrens zu erlangen, nur den nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten eingeräumt hat.
Normenkette
EStG § 26 Abs. 1, § 32a Abs. 2; GG Art. 2-3
Tatbestand
Der Kläger lebte in den Jahren 1958 bis 1960 infolge der Zerrüttung seiner Ehe von seiner Frau dauernd getrennt. Er hatte dieser die eheliche Wohnung überlassen und leistete ihr Unterhaltsbeiträge von monatlich 150 DM; sie bezog daneben eine Rente.
Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1958 bis 1960 beantragte der Kläger, nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung einen Betrag von jeweils 3 400 DM zu berücksichtigen, den er infolge des Getrenntlebens für doppelte Haushaltsführung als Verpflegungsmehraufwand und als Zimmermiete habe ausgeben müssen. Das FA lehnte den Antrag ab: Nach der Rechtsprechung des BFH könne hier nur § 33a EStG in Betracht kommen; dieser fordere jedoch, daß dem Kläger die Einkünfte seiner Ehefrau, soweit sie 480 DM überstiegen, auf den Höchstbetrag angerechnet würden; das habe zur Folge, daß seine Aufwendungen nicht abgezogen werden könnten.
Im Einspruchs- und im Berufungsverfahren machte der Kläger geltend, es verstoße gegen Art. 2 und 3 GG, daß das Recht, die Zusammenveranlagung zu wählen und dadurch die Vorteile des im § 32a Abs. 2 EStG geregelten Splittingverfahrens zu erlangen, im § 26 Abs. 1 EStG nur den nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten eingeräumt worden sei. Dauernd getrennt lebende Ehegatten würden durch diese steuerliche Sonderbehandlung in einer die persönliche Entscheidungsfreiheit und die Gleichheit vor dem Gesetz verletzenden Weise diskriminiert. Das gelte auch für die steuerliche Behandlung der Aufwendungen des Ehemannes für seine dauernd getrennt lebende Ehefrau, da Unterhaltszahlungen im Hinblick auf die Ehe nicht nach § 33 EStG, sondern nur im eingeschränkten Umfang nach § 33a EStG als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt würden.
Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg.
Mit der als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde macht der Kläger noch geltend: Das dauernde Getrenntleben sei für die Ehegatten eine Möglichkeit der freien Gestaltung ihrer privatesten Sphäre, die völlig legal sei und weder das Sittengesetz noch die verfassungsmäßige Ordnung verletze. Gleichwohl aber werde es den getrennt lebenden Ehegatten nicht gestattet, sich im Rahmen einer freien Entscheidung steuerlich wie zusammen lebende behandeln zu lassen. Die Bevorzugung der zusammen lebenden Ehegatten gegenüber den dauernd getrennt lebenden könne nicht durch Art. 6 GG gerechtfertigt werden, weil auch die Ehe der getrennt lebenden eine Ehe sei. Ehen von Zusammen- und Getrenntlebenden seien für den Staat gleiche Tatbestände, die auch gleichzubehandeln seien. Die Behandlung der zusammen und der getrennt lebenden Ehegatten durch den Gesetzgeber im § 26 Abs. 1 EStG und durch die Finanzgerichtsbarkeit bei der Auslegung des § 33a EStG sei nicht eine von verschiedenen gerechten Lösungsmöglichkeiten, sondern Ausdruck der Willkür und eines auf religiöser Grundlage entstandenen Vorurteils. Hinter ihr stehe der dem Gesetzgeber und der Rechtsprechung nicht zustehende Wille, wirtschaftliche Sanktionen gegen diejenigen zu verhängen, die eine bestimmten Vorstellungen zuwiderlaufende Wahl getroffen hätten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Es verstößt weder gegen Art. 2 noch gegen Art. 3 GG, daß der Gesetzgeber im § 26 Abs. 1 EStG das Recht, die Zusammenveranlagung zu wählen und dadurch die Vorteile des im § 32a Abs. 2 EStG geregelten Splittingverfahrens zu erlangen, nur den nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten eingeräumt hat.
Der Gesetzgeber hat im EStG die einzelnen natürlichen Personen der Steuerpflicht unterworfen (vgl. § 1). Die Steuer bemißt sich bei der einzelnen steuerpflichtigen Person nach dem Einkommen, das sie innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat (vgl. § 2 Abs. 1). Deshalb kommt für jeden einzelnen Steuerpflichtigen zunächst die Grundsatzregelung des § 25 Abs. 1 EStG in Betracht, wonach er als Einzelperson mit dem von ihm selbst bezogenen Einkommen veranlagt wird. Für alle Ehegatten ergibt sich somit schon aus der Anknüpfung der Steuerpflicht an die Einzelperson, daß sie gemäß der Grundsatzregelung des § 25 Abs. 1 EStG auch bei der Veranlagung wie die Nichtverehelichten als Einzelpersonen behandelt werden. Ihre getrennte Veranlagung entspricht auch dem durch die Art. 2 und 3 GG zum Ausdruck gekommenen Willen des Verfassungsgesetzgebers, jeden einzelnen und damit auch jeden Ehegatten als grundsätzlich freie, selbständige und gleichberechtigte Person zu behandeln.
Wenn nun der Gesetzgeber im § 26 Abs. 1 EStG den Ehegatten, die nicht dauernd getrennt leben, das Recht eingeräumt hat, anstelle der grundsätzlich auch für sie wie für alle übrigen Steuerpflichtigen in Betracht kommenden getrennten Veranlagung die Zusammenveranlagung zu wählen und damit den im § 32a Abs. 2 EStG enthaltenen Vorteil des Splittingverfahrens zu erlangen, so handelt es sich um eine jener vielfältigen Maßnahmen, durch die der Gesetzgeber mit Steuervorteilen bestimmte sozialpolitische Ziele verfolgt. Die steuerliche Begünstigung von Ehegatten, die nicht dauernd getrennt leben, findet ihre besondere Rechtfertigung im Art. 6 Abs. 1 GG, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Denn unter "Ehe" im Sinne dieser Vorschrift ist die Vereinigung eines Mannes und einer Frau zur Lebensgemeinschaft zu verstehen (vgl. BVerfGE 10, 59 [66]). Aus Art. 6 Abs. 1 GG ergibt sich zwar ein Verbot, bei einer nicht mehr intakten Ehe den Auflösungsprozeß zu beschleunigen (BVerfGE 22, 93 [98]), nicht aber eine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Ehegatten auch dann noch steuerlich zu begünstigen, wenn sie selbst die das Wesen der Ehe darstellende Lebensgemeinschaft bereits freiwillig aufgegeben haben. Es gibt keinen sachlich vertretbaren Grund, den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung auch solchen Bürgern angedeihen zu lassen, die zwar an der äußeren juristischen Form der Ehe festhalten, jedoch das dem Wesen der Ehe entsprechende Zusammenleben ablehnen (vgl. BFH-Entscheidung VI 168/59 U vom 29. Januar 1960, BFH 70, 277, BStBl III 1960, 103). Denn diese Bürger verhalten sich durch das dauernde Getrenntleben wie die Nichtverehelichten, so daß es mit dem in Art. 3 GG verankerten Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar wäre, sie gegenüber diesen zu bevorzugen.
Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, daß Ehegatten völlig frei sind in ihrer Entscheidung, ob sie zusammen oder getrennt leben wollen. Er übersieht aber, daß der Gesetzgeber an die von ihnen frei getroffene Entscheidung bestimmte Folgen knüpfen kann, ohne den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG zu verletzen, weil eben zwischen dem Zusammenleben und dem Getrenntleben ein fundamentaler Unterschied besteht und es im Wesen des Gleichheitsgrundsatzes liegt, einen solchen Unterschied in den tatsächlichen Lebensverhältnissen auch rechtlich unterschiedlich zu regeln (vgl. BFH-Entscheidungen VI 168/59 U, a. a. O., und VI 154/64 U vom 23. Juli 1965 BFH 83, 320, BStBl III 1965, 616; BVerfGE 3, 60 [135], und 16, 6 [25]). Deshalb geht der vom Kläger gegenüber dem Gesetzgeber erhobene Vorwurf fehl, die unterschiedliche Behandlung der zusammen und der getrennt lebenden Ehegatten durch den § 26 Abs. 1 EStG sei Ausdruck der Willkür und eines auf religiöser Grundlage entstandenen Vorurteils.
Der § 33a EStG erfaßt im Abs. 1 alle Fälle, in denen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen für den Unterhalt von Personen erwachsen, für die er keinen Kinderfreibetrag erhält, und schließt für diese Fälle durch Abs. 5 die Inanspruchnahme einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG aus. Er beschränkt sich somit nicht auf die Unterhaltsleistungen, die ein Ehemann seiner von ihm dauernd getrennt lebenden Ehefrau erbringt. Das Finanzgericht weist zutreffend darauf hin, daß es im Bereich des gesetzgeberischen Ermessens gelegen hat, überhaupt zuzulassen, daß Unterhaltsleistungen vom Einkommen abgezogen werden können, und den Abzug außerhalb des § 33 EStG unter Festsetzung von Höchstgrenzen zu regeln. Die Finanzgerichtsbarkeit kann sich bei der Auslegung der §§ 33 und 33a EStG nicht darüber hinwegsetzen, daß für alle unter § 33a Abs. 1 fallenden Unterhaltsleistungen die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung des § 33 EStG ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Deshalb ist auch in bezug auf diese Rechtsprechung der Vorwurf des Klägers unberechtigt, sie sei Ausdruck der Willkür und eines auf religiöser Grundlage entstandenen Vorurteils.
Fundstellen
Haufe-Index 69115 |
BStBl II 1970, 739 |
BFHE 1970, 537 |