Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs fest, daß die Gewährung von Freianteilen an die Gesellschafter durch die Kapitalgesellschaft die Ausschüttung von Gewinnen darstellt, die dem Steuerabzug vom Kapitalertrag unterliegen. 2. Die Höhe des ausgeschütteten Gewinnes wird durch den Nennbetrag der Freianteile bestimmt. 3. Die Voraussetzungen der Gewinnausschüttung sind bei der Einmanngesellschaft auch dann gegeben, wenn die Freianteile bei der Kapitalgesellschaft verbleiben.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 2 Ziff. 1, § 43/2, § 11
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin (Bgin.) - eine GmbH - ist im Jahr 1933 infolge von Maßnahmen der Regierung zum Erliegen gekommen und im Handelsregister gelöscht worden; am 23. Januar 1946 wurde sie wieder errichtet. In der DM-Eröffnungsbilanz wies sie ein Stammkapital von 1 000 DM und offene Rücklagen im Betrage von 200,-- DM aus. Im Laufe des Jahres 1951 ist das Kapital durch Neufestsetzung um 4 000 DM auf 5 000 DM erhöht worden. Im Rückerstattungsverfahren hat die Bgin. 1952 auf Grund eines Vergleichs ein erhebliches Vermögen erhalten. In der Bilanz zum 31. Dezember 1951 erschien zum Ausgleich einer Forderung aus dem Rückerstattungsverfahren eine offene Rücklage von 300 000 DM.
In der Gesellschafterversammlung vom 18. Oktober 1952 wurde beschlossen, aus dieser Rücklage einen Betrag von 50 000 DM als stammkapitalersetzende Rücklage abzuzweigen, deren Verwendung erheblichen Beschränkungen unterworfen wurde. Die Rücklage dürfe für Stammeinlagen, die die GmbH selbst übernehme, verwendet werden. Weiter wurde beschlossen, das Stammkapital um 500 DM zu erhöhen und nur die GmbH zur übernahme dieses Anteils zuzulassen. Die Geschäftsführer übernahmen die neue Stammeinlage von 500 DM mit Zustimmung aller Gesellschafter für die Bgin. "Wegen der Widersprüche der Rechtsprechung" hat nach dem Protokoll der Gesellschafterversammlung ein von allen Gesellschaftern ermächtigter Dritter - Nichtgesellschafter - im Namen der Bgin. die übernahmeerklärung der Geschäftsführer angenommen. Die Geschäftsführer der Bgin. erklärten, daß diese (die Bgin.) außer dem bisherigen Stammkapital von 5 000 DM über ein Vermögen von 300 000 DM verfüge und daß die Einzahlung auf die übernommene Stammeinlage aus diesem Vermögen erfolge. Nach den nicht widersprochenen Ausführungen des Finanzamts im Schriftsatz vom 24. April 1954 sind die Gesellschafter der GmbH lediglich als Treuhänder des X. tätig geworden (vgl. hierzu auch die Bestimmungen in § 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags, welche die Verfügungsmöglichkeit über Geschäftsanteile einschränken).
Das Amtsgericht (Registergericht) und auf die Beschwerde das Landgericht lehnten die Eintragung der Kapitalerhöhung und der übernahme des neuen Stammanteils durch die Bgin. ab. Das Oberlandesgericht hob durch Beschluß vom ... die Beschlüsse des Landgerichts und des Registergerichts auf und wies das Amtsgericht an, von seinen Bedenken gegen die Eintragung der übernahme der Stammeinlage durch die Bgin. selbst Abstand zu nehmen. Dementsprechend hat das Registergericht die Eintragung am 14. Dezember 1953 vorgenommen. In der der Eintragung folgenden Schlußbilanz auf den 31. Dezember 1953 erscheint das Stammkapital mit 5 500 DM, die "stammkapitalersetzende Rücklage" mit 49 500 DM und die Sonderrücklage mit 250 000 DM. Unter den Besitzposten sind eigene Anteile mit 1 DM aufgeführt.
Das Finanzamt forderte durch Bescheid vom 3. Februar 1954 von der GmbH Kapitalertragsteuer an. Es erblickt in der Erhöhung des Stammkapitals um 500 DM unter Bezug auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs in Slg. Bd. 28 S. 326 und Bd. 38 S. 154 eine verdeckte Gewinnausschüttung an die Gesellschafter, die dem Steuerabzug vom Kapitalertrag unterliege.
Auf die Sprungberufung hat das Finanzgericht freigestellt. Es hat seine Entscheidung etwa wie folgt begründet. Die an sich zweifelhafte Rechtswirksamkeit des Beschlusses über die Umwandlung der offenen Rücklage in Höhe von 500 DM in Stammkapital sei durch die Eintragung in das Handelsregister rechtswirksam geworden. Im Anschluß an den Beschluß des Oberlandesgerichts trete das Finanzgericht der Auffassung des Reichsfinanzhofs nicht bei, nach der in der Gewährung von Freianteilen aus Rücklagen eine Gewinnausschüttung an die Gesellschafter auch dann zu erblicken sei, wenn die Kapitalgesellschaft selbst den neuen Anteil erhalten habe (Slg. Bd. 38 S. 154).
Es könne nicht festgestellt werden, daß etwas aus dem Vermögen der Gesellschaft infolge des Beschlusses und der übernahme des neuen Anteils durch sie herausgegangen sei, ebensowenig, daß etwas den Gesellschaftern durch die Kapitalerhöhung zugeflossen sei, und zwar weder unmittelbar noch mittelbar. Anlaß und Zweck der Maßnahme sei nicht eine Zuwendung an die Gesellschafter, sondern nach außen das Stammkapital höher erscheinen zu lassen und dadurch die Kreditunterlage der Gesellschaft zu verbreitern. Die Gesellschafter hätten durch die Maßnahme nichts erhalten, vielmehr etwas verloren, weil ein Geschäftsanteil von 500 DM vor der Kapitalerhöhung 1/10 und nachher nur 1/11 am Stammkapital betragen habe. Durch die Kapitalerhöhung werde das Betriebsvermögen in seinem Bestand nicht berührt, geändert werde nur das optische Bild. Auch der innere Wert im Sinne einer anteiligen Berechtigung auf den Ertrag und die Vermögensmasse der Gesellschaft werde nicht erhöht, solange die Anteile im Besitz der Gesellschaft blieben. Die Rechtsprechung nehme an, daß das Stammkapital nur durch Zuführung neuen Vermögens erhöht werden könne. Sie unterstelle, daß die Gesellschaft zunächst Beträge an die Gesellschafter ausgeschüttet und hernach sie zur Zeichnung und Zahlung auf die neuen Anteile verwendet habe und damit eine Zuführung von Vermögen an die Gesellschaft erfolgt sei. Im vorliegenden Fall müßte noch unterstellt werden, daß die Gesellschafter den gemeinschaftlich erworbenen neuen Anteil unentgeltlich auf die Gesellschaft übertragen hätten. Diese Konstruktion halte das Finanzgericht für gekünstelt. Sie entspreche nicht dem Willen der Beteiligten. Das Finanzgericht schloß sich den Ausführungen des Oberlandesgerichts in dem Beschluß vom .... über das wirtschaftliche Bedürfnis nach der Umwandlung von Rücklagen in Stammkapital an. Dieser Beschluß berufe sich für seine Meinung auf die zahlreichen gesetzlichen Vorschriften, die eine nominelle Kapitalerhöhung und Gewährung von neuen Geschäftsanteilen bei Kapitalgesellschaften ohne Zuführung von neuen Mitteln zuließen: §§ 5, 9, 19 der Verordnung über Goldbilanzen vom 28. Dezember 1923 (Reichsgesetzblatt - RGBl - I S. 1253), § 8 der Dividendenabgabeverordnung vom 12. Juni 1941 (RGBl I S. 323), § 13 des D-Markbilanzergänzungsgesetzes (DMBErgG) und andere Bestimmungen. Die Vorschriften des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) stünden der Erhöhung des Stammkapitals ohne Zuführung von neuen Mitteln nicht entgegen, und zwar weder ausdrückliche Gesetzesbestimmungen noch der Sinn und Zweck des Gesetzes, weder das Interesse der Gläubiger noch ihrer Gesellschafter. Ausdrückliche gesetzliche Bestimmungen (§ 33 GmbHG, § 65 des Aktiengesetzes) zeigten, daß eine Kapitalgesellschaft eigene Anteile besitzen könne. Die Vorschrift des § 33 GmbHG sehe vor, daß eigene Geschäftsanteile nur nach vollständiger Bezahlung der Stammeinlage erworben werden könnten und nur aus dem Vermögen, das über den Betrag des Stammkapitals hinaus vorhanden sei. Dieser Vorschrift sei hier genügt. Wenn auch die vorgenannten Vorschriften durch besondere Verhältnisse veranlaßt seien, so zeigten sie doch, daß die Erhöhung des Grund- oder Stammkapitals von Kapitalgesellschaften ohne Zuführung von neuem Vermögen nichts Ungewöhnliches sei und daß sie die Richtung der Rechtsentwicklung andeuteten.
Dem Beschluß des Oberlandesgerichts könne das Finanzgericht insoweit nicht beitreten, als darin kein Unterschied gemacht werde, ob die Anteile den Gesellschaftern oder der GmbH selbst zustünden. Wenn die Anteile den Gesellschaftern zugeteilt würden, so liege eine Gewinnausschüttung seitens der Gesellschaft an die Gesellschafter vor. Jeder Gesellschaftseigner erhalte einen neuen Wert, den er durch Veräußerung an Fremde nutzbringend verwerten könne.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts rügt fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts.
Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) beigetreten. Er hat in ausführlichen Schriftsätzen zu dem Problem Stellung genommen. In eingehenden Darlegungen behandelte er die bürgerlich-rechtliche Rechtslage bei der Kapitalerhöhung mit eigenen Mitteln durch eine Kapitalgesellschaft, wobei an die Gesellschafter Freianteile ausgegeben werden oder die Freianteile bei der Körperschaft selbst verbleiben. Er war dabei der Ansicht, daß die steuerrechtliche Beurteilung sich nicht unbedingt von der bürgerlich-rechtlichen Beurteilung abhängig machen müsse. Während der Reichsfinanzhof in seiner älteren Rechtsprechung die Gewinnausschüttung auf die Doppelmaßnahme des bürgerlichen Rechts gestützt habe, erblicke er in der späteren Rechtsprechung in den Freianteilen selbst den ausgeschütteten Gewinn. Im einzelnen führte der Bundesminister der Finanzen folgendes aus: "Die Steuerpflicht der Gewährung von Freianteilen kann, wenn überhaupt, nur aus § 20 Abs. 2 EStG hergeleitet werden, wonach zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch besondere Entgelte oder Vorteile gehören, die neben oder an Stelle der in § 20 Abs. 1 EStG bezeichneten Einkünfte gewährt werden. Der Reichsfinanzhof hat in den Entscheidungen IV 324/39 vom 28. März 1940 (RStBl 1940 S. 570) und IV 136/42 vom 19. November 1942 (RStBl 1943 S. 226) solche Vorteile darin gesehen, daß der Aktionär durch die Gewährung eines Freianteils die Möglichkeit erhält, die neuen Aktien in Geld umzusetzen und daß ihm die Chance auf eine spätere höhere Dividende gegeben wird. Vorher schon hatte der Reichsfinanzhof in seiner Entscheidung VI 753/38 vom 1. Februar 1939 (RStBl 1939 S. 556) die Steuerpflicht in ähnlicher Weise damit begründet, daß die Freianteile neben den bisherigen Anteilen ein neues Wirtschaftsgut darstellten. Diese Argumentation räumt vielleicht die von den Gegnern der Steuerpflicht geltend gemachten Einwände nicht restlos aus. Am stärksten erscheint noch die Begründung, daß der Freianteil ein neues Wirtschaftsgut darstelle, das nun jederzeit vom Aktionär in Geld umgesetzt werden könne. Hiergegen könnte eingewandt werden, daß es dem Gesellschafter auch schon vor der Gewährung des Freianteils möglich war, durch Verwertung des bisherigen Anteils auch den jetzt verselbständigten Wert zu realisieren, und daß deshalb in der bloßen Teilung des bisherigen Rechts kaum ein geldwerter Vorteil gesehen werden kann. Insofern scheint der auch von Rauch erwähnte Hinweis schweizer Juristen verständlich, daß durch das Umfüllen des Inhalts einer 1-Liter Flasche in zwei 1/2-Liter Flaschen nicht mehr Flüssigkeit entsteht. Zu bedenken ist auch, daß die nominelle Kapitalerhöhung nicht immer mit der Gewährung von Freianteilen verbunden sein muß, sondern, was wirtschaftlich gesehen dasselbe ist, sich auch nur in einer bloßen Erhöhung (Umstempelung) der Nennbeträge der bisherigen Gesellschaftsanteile darstellen kann. Wird der letztere Weg gewählt, so könnte nicht unbedenklich davon gesprochen werden, daß ein neues selbständig verwertbares Wirtschaftsgut geschaffen worden sei. Was den Hinweis auf die Chance einer späteren höheren Dividende anbelangt, so könnte darauf hingewiesen werden, daß nicht der absolute Betrag der Ausschüttungen sich ausschließlich nach dem zu verteilenden Reingewinn und nicht nach der Höhe der Gesellschaftskapitalziffer bestimmt. Nur aus optischen Gründen oder in Zeiten, in denen die Gewinnausschüttung der Höhe nach gesetzlich beschränkt ist, könnte mit der Erhöhung des Gesellschaftskapitals eine Chance auf spätere höhere Dividende verbunden sein. Insbesondere an diese letztere Möglichkeit kann der Reichsfinanzhof aber kaum gedacht haben, weil es sich bei dem entschiedenen Fall um ausländische Freiaktien gehandelt hat, für die weder die damals bestehenden Beschränkungen des Anleihestockgesetzes noch die der Dividendenabgabeverordnung Bedeutung hatten. Was die optischen Gründe betrifft, ist es richtig, daß man eine Erhöhung der Gesellschaftskapitalziffern unter Umständen deshalb für notwendig hält, um bei verhältnismäßig niedrigen Dividendensätzen Dividenden ausschütten zu können, die den von den Gesellschaftern erwirtschafteten hohen Ergebnissen entsprechen. Es erscheint aber bedenklich, die etwa so geschaffene Möglichkeit als einen Vorteil im Sinn des § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG zu qualifizieren, weil dies zu einer wenigstens teilweisen doppelten Besteuerung desselben Ertrags führen würde: Einmal in Form der Anwartschaft auf den Ertrag und ein zweites Mal als Ertrag selbst. Wenn danach auch Zweifel bestehen könnten, ob die vom Reichsfinanzhof genannten Umstände ausreichen, die Steuerpflicht der Gewährung von Freianteilen zu begründen, so haben immerhin Autoren vom Range Schmalenbachs (Aktiengesellschaft 7. Auflage S. 117) und Bühlers (Steuerrecht der Gesellschaft und Konzerne 3. Auflage S. 128), letzterer unter starker Anlehnung an die Argumentation des Reichsfinanzhofs, die Steuerpflicht der Gewährung von Freianteilen bejaht".
Zusammenfassend kam der Bundesminister der Finanzen zu folgendem Ergebnis: "Geht man von der zivilrechtlichen Fiktion der Doppelmaßnahme aus, so ist die Einkommensteuerpflicht der Gewährung von Freianteilen zu bejahen, weil der geschaffene Sachverhalt nur auf dem Wege über eine Ausschüttung denkbar ist. Hält man dagegen diese zivilrechtliche Auffassung für unzutreffend, so kann die Steuerpflicht damit begründet werden, daß für den Gesellschafter mit der Gewährung des Freianteils Vorteile im Sinn des § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG verbunden sind. Soweit man solche Vorteile aber nicht für gegeben hält, ergibt sich die Steuerpflicht aus der Ausübung des dem Gesellschafter zustehenden Wahlrechts, sich für den Freianteil oder die Barauszahlung zu entscheiden. Dies gilt unbestritten für den Fall der Kapitalerhöhung aus dem Reingewinn. Das gleiche muß aber auch dann gelten, wenn es sich um die Umwandlung freier Rücklagen in Gesellschaftskapital handelt. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird auch dadurch bestätigt, daß offenbar auch der Gesetzgeber die gegen die Besteuerung - insbesondere die gegen die zivilrechtliche Fiktion der Doppelmaßnahme - erhobenen Bedenken nicht für gerechtfertigt gehalten hat. Dies ergibt sich zum Beispiel klar aus der Begründung zum Kapitalverkehrsteuergesetz (RStBl 1934 S. 1463), wo es bezüglich des Erwerbs von Freiaktien u. a. heißt: Der Standpunkt des neuen Gesetzes steht auch im Einklang mit dem Handelsrecht. Nach handelsrechtlicher Auffassung ist die Bezeichnung Freiaktie irreführend. Freiaktien im Sinn von "Mitgliedschaften ohne Leistungspflicht" sind mit dem Wesen des Aktienrechts nicht vereinbar (RGZ 107 S. 186). Nach den Grundsätzen des deutschen Aktienrechts gibt es keine Aktien ohne eine an die Gesellschaft zu bewirkende Gegenleistung. Dieser Grundsatz ist niedergelegt in § 184 Abs. 1 HGB, wonach Aktien für einen geringeren als den Nennwert nicht ausgegeben werden dürfen. Im gleichen Sinne sind auch § 13 der Dividendenabgabeverordnung, § 1 Abs. 4 der Verordnung zur Durchführung des Steuerabzugs vom Kapitalertrag sowie § 73 Abs. 1 D-Markbilanzgesetz zu verstehen. Nach alledem ist m. E. die Gewährung von Freianteilen steuerrechtlich nach wie vor als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen und unterliegt somit dem Steuerabzug vom Kapitalertrag". "Die gleiche Beurteilung muß auch dann gelten, wenn die Gesellschaft die Freianteile nicht an ihre Gesellschafter ausgibt, sondern behält. In diesem Fall muß in Fortführung der Gedanken meiner Darlegung angenommen werden, daß die Gesellschafter die Freianteile an die Gesellschaft übertragen haben".
Zur Höhe der Gewinnausschüttung führt der Bundesminister der Finanzen folgendes aus: "Die Erhöhung des Nennkapitals wirkt sich bei den Gesellschaftern, falls sie sich für eine Zuteilung von Freianteilen entscheiden, in einer Erhöhung ihrer nominellen Beteiligung aus. Das bedeutet, daß die Höhe des den Gesellschaftern zustehenden Anspruchs sich lediglich im Nennwert der Freianteile äußern kann. Daraus muß nach der von mir vertretenen Auffassung (Zufließen eines Ertrages aus Beteiligung im Zeitpunkt des Entstehens des Verfügungsrechts über den Anspruch auf Zuteilung von Freianteilen oder Barbeträgen) gefolgert werden, daß eine verdeckte Gewinnausschüttung ausschließlich in Höhe des Nennbetrages der Freianteile gegeben ist. Der innere Wert der Freianteile, wie er sich in ihrem Kurs äußert, kann bei dieser Betrachtungsweise keine Rolle spielen".
In der mündlichen Verhandlung erklärte der Vertreter des Bundesministers der Finanzen, daß das Ministerium an der oben mitgeteilten Auffassung hinsichtlich des Wahlrechtes des Gesellschafters (Freianteil oder Barauszahlung) nicht festhalte.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung des Rechtsproblems ergibt folgendes:
Der Reichsfinanzhof hat in der Gewährung von Freianteilen an die Gesellschafter einen Vorteil im Sinne des § 20 Abs. 2 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erblickt. Erstmals wurde dies in dem Gutachten I D 4/20 vom 14. Dezember 1920 (Slg. Bd. 4 S. 222, 227) in Verbindung mit der Beurteilung des Bezugsrechts ausgesprochen. Ausdrücklich wurde die Kapitalertragsteuerpflicht der Freianteile in der Entscheidung I A 20, 21/22, 199/21 vom 14. Dezember 1922 (Slg. Bd. 11 S. 157) festgestellt. Der VI. Senat des Reichsfinanzhofs ist dieser Ansicht für Aktiengesellschaften in der Entscheidung VI A 547/29 vom 28. November 1929, 9. April 1930 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1930 S. 483, Mrozek-Kartei, Einkommensteuergesetz 1925, § 37 Rechtsspruch 12) und für Gesellschaften mit beschränkter Haftung in den Entscheidungen VI A 925/31 vom 13. Mai 1931 (Slg. Bd. 28 S. 326, Grundwerk zur Steuerrechtsprechung in Karteiform - GW-StRK - Bd. II S. 550) und VI A 1933/32 vom 29. November 1933 (RStBl 1934 S. 370) gefolgt. Für Genossenschaften hat den gleichen Grundsatz der I. Senat in der Entscheidung I A 349/32 vom 17. Oktober 1933 (RStBl 1934 S. 359) ausgesprochen. An dieser Rechtsprechung hat der Reichsfinanzhof auch für die folgende Zeit festgehalten.
Die oben mitgeteilte Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs knüpfte an die bürgerlich-rechtliche Betrachtungsweise des Vorgangs an, und zwar im wesentlichen an § 184 HGB, § 9 des Aktiengesetzes, § 3 Abs. 1 Ziff. 4, § 7, § 8 GmbHG. Im Anschluß an die Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 31. Oktober 1908 (Slg. der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts Bd. 19 S. 333) und des Reichsgerichts in Zivilsachen (II 36/22 vom 20. Februar 1923, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen - RGZ - Bd. 107 S. 161, 168 ff. und II 162/23 vom 4. Dezember 1923, RGZ, Bd. 108 S. 29, 31) vertrat der Reichsfinanzhof den Grundsatz der Doppelmaßnahme. Die AG und die GmbH können nach dieser Auffassung das Kapital nicht durch Umwandlung von Reserven in Stamm-, Grundkapital erhöhen. Es bedarf vielmehr der Ausschüttung der Reserven an die Gesellschafter und der Wiedereinzahlung des ausgeschütteten Betrags. Diese Rechtsauffassung wurde in der Hauptsache damit begründet, daß das geltende Recht die Haftung des einzahlenden Gesellschafters für die Ordnungsmäßigkeit der Einzahlung fordere. Die Gesellschaft könne nicht ihr eigener Gesellschafter sein. Diese Haftung falle weg, wenn man zulasse, daß das Stamm-, Grundkapital lediglich durch eine interne Umbuchung von Reserven in Stamm-, Grundkapital erhöht werden könne. Im einzelnen wird hierzu auf die Ausführungen von Döllerer in "Der Betrieb" 1957 S. 373 ff. verwiesen. Für die Kapitalverkehrsteuer nahm der Reichsfinanzhof in der Entscheidung II A 49/29 vom 24. April 1929 (RStBl 1929 S. 397) einen von der Auffassung des I. und VI. Senats abweichenden Standpunkt ein. Das führte zu den änderungen in § 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes - KapVStG - (siehe im einzelnen RStBl 1934 S. 1460, 1463 - Begründung zur KapVStG 1934 -).
Die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte in dieser Frage hat starken Widerspruch erfahren. Siehe hierzu den Aufsatz von Schilling in "Der Betriebs-Berater" 1957 S. 373 und die dort und bei Döllerer aufgeführte Literatur.
Der Vertreter des Bundesministers der Finanzen erklärte in der mündlichen Verhandlung, daß nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums und des Bundesjustizministeriums die Ansicht, das Gesetz fordere die Doppelmaßnahme, nicht zwingend sei.
Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ist nicht einheitlich. Das kommt bereits in der Auffassung über die Bedeutung der Umwandlung von Reserven in Stamm-, Grundkapital zum Ausdruck, die für die Streitfrage wesentlich ist. Nach der Entscheidung VI A 63-65/28 vom 7. März 1928 (RStBl 1928 S. 179, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1928 Nr. 189) kann Einkommen aus Kapitalvermögen bei Aktien und Anteilen an Gesellschaften mbH nur vorliegen, wenn das Vermögen der Gesellschaft zugunsten der Gesellschafter vermindert wird. Für die Annahme, daß jede Umwandlung von Reserven in Stamm-, Grundkapital für die Gesellschafter Einkommen darstelle, fehle es an zureichenden Gründen (gleichartig Urteil des Reichsfinanzhofs II A 49/29 vom 24. April 1929). Im Gegensatz dazu stellt nach der Entscheidung VI A 354/34 vom 28. August 1935, 11. Dezember 1935 (Slg. Bd. 39 S. 27, RStBl 1936 S. 266) die Umwandlung von offenen Reserven in Stammkapital nach ständiger Rechtsprechung die Ausschüttung von Gewinnen dar.
Der Gedanke der Doppelmaßnahme steht in enger Verbindung mit dem Grundgedanken der Entscheidung VI A 63-65/28. Da nach ihr die Umwandlung von Reserven in Stamm-, Grundkapital nicht ohne weiteres eine Gewinnausschüttung bildet, war der Reichsfinanzhof gezwungen, eine Vermögensleistung der Gesellschaft an den Gesellschafter festzustellen. Er sah sie in dem nach dem bürgerlichen Recht geforderten Verzicht der Gesellschaft auf die Einzahlung durch den Gesellschafter bei der Kapitalerhöhung und der darauf beruhenden Verrechnung des auszuschüttenden Betrags mit dem Einzahlungsbetrag. Von diesem Rechtsgrundsatz ausgehend, hat der Reichsfinanzhof in der Entscheidung VI A 179/30 vom 19. Februar 1930 (Mrozek-Kartei, Einkommensteuergesetz 1925, § 37 Rechtsspruch 10, StuW 1930 Nr. 613) bei ausländischen Freianteilen eine Gewinnausschüttung dann verneint, wenn das ausländische Recht die Doppelmaßnahme nicht gefordert hat. Gleichartige Grundsätze werden bereits in dem Gutachten des Reichsfinanzhofs I D 2/24 vom 20. Januar 1925 (Slg. Bd. 15 S. 226, 234, GW-StRK Bd. III S. 281) ausgesprochen.
Von dieser Rechtsauffassung hat sich der Reichsfinanzhof in seinen späteren Entscheidungen gelöst. In der Entscheidung IV 324/39 vom 28. März 1940 (RStBl 1940 S. 570) hat er ausländische Freiaktien ohne Prüfung der Frage, ob das ausländische Recht eine dem deutschen Recht entsprechende Bestimmung enthält, als Einkünfte aus Kapitalvermögen angesehen. In den Freiaktien würden zur Verfügung der Aktionäre zurückgestellte Werte den Aktionären freigegeben und es sei möglich, die neuen Aktien in Geld umzusetzen. In der Entscheidung IV 136/42 vom 19. November 1942 (RStBl 1943 S. 226) hat er diese Auffassung bestätigt. In beiden Entscheidungen sah er den Vorteil für den Gesellschafter in dem Freianteil. Ihnen fehlt jedoch die ausreichende Begründung für den Wandel der Rechtsprechung.
Der Senat nimmt zu dem Rechtsproblem wie folgt Stellung:
Er tritt der Ansicht des Bundesministers der Finanzen bei, daß die bürgerlich-rechtliche Konstruktion für die steuerliche Beurteilung nicht entscheidend ist. In übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs mißt er der Frage, ob im jeweiligen Handelsrecht, insbesondere bei ausländischen Freianteilen, die Einzahlung durch einen Gesellschafter (Doppelmaßnahme) gefordert wird, nicht die entscheidende Bedeutung zu. Er weicht insofern von der älteren Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ab und tritt der neueren Rechtsprechung bei.
Die Ausgabe von Freianteilen setzt die Umwandlung von Reserven (einschließlich Gewinnen) in Stamm-, Grundkapital voraus. Die Frage besteht somit darin, welche Bedeutung der Umwandlung steuerlich zukommt.
Der Reichsfinanzhof war teilweise der Ansicht, die Umwandlung erschöpfe ihre Bedeutung in der Verbesserung der Haftungsverhältnisse für die Gläubiger der Körperschaft. Sie sei aber keine Verbesserung der Lage der Gesellschafter, im Gegenteil sie erschwere die Ausschüttung (siehe auch Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 743/38 vom 1. Februar 1939 - Slg. Bd. 46 S. 227, RStBl 1939 S. 556 -, wo diese Erwägung wiederholt wird, ebenso Verwaltungsgerichtshof des Luxemburgischen Staatsrates vom 9. Juli 1955 - GmbH-Rundschau 1956 S. 28 -).
Diese Würdigung wird dem Vorgang in steuerlicher Beziehung nicht gerecht. Steuerlich berührt der Vorgang entscheidend die im Gesetz verankerte Doppelbesteuerung des Ergebnisses der Kapitalgesellschaft, einmal bei der Körperschaft selbst, des weiteren bei den Gesellschaftern.
Für die Besteuerung der Körperschaft selbst ist die Umwandlung ohne Bedeutung. Das Stamm-, Grundkapital und die offenen Reserven (die in der Steuerbilanz häufig von der Handelsbilanz abweichen werden) bilden hier für die Gewinnermittlung eine Einheit. Anders ist es bei der Besteuerung der Gesellschafter. Hier wird entscheidend die Abgrenzung der Einkommens- und der Vermögenssphäre der Gesellschafter berührt. Das Stamm-, Grundkapital wirkt bei einer Rückzahlung (Kapitalherabsetzung) sich nicht auf die Einkünfte der Gesellschafter aus. Die Rückzahlung fällt in die Vermögenssphäre. Im Gegensatz dazu gehören Zahlungen aus dem Reservekapital an die Gesellschafter zu den Kapitaleinkünften. Für die Gesellschafter bedeutet deshalb die Umwandlung von Reserven in Stamm-, Grundkapital die Umwandlung von steuerpflichtigen in steuerfreie Beträge. Deutlich kommt dies bei der Kapitalherabsetzung zur Geltung. Rückzahlungen der in Stamm-, Grundkapital umgewandelten Reserven sind steuerfrei.
Die Schaffung und Erhöhung von Kapital, das bei der Rückzahlung an die Gesellschafter steuerfrei ist, fordert eine Einlage, soweit nicht Sondervorschriften, wie das D-Markbilanzgesetz eine andersartige Regelung treffen. Steuerlich muß deshalb davon ausgegangen werden, daß die Reserven (die von den Gesellschaftern noch nicht versteuerten Gewinne) an die Gesellschafter ausgeschüttet und dann wieder in Form von Einlagen der Körperschaft zugeführt worden sind. Es müssen hier steuerlich gleichartige Grundsätze wie bei der bürgerlich-rechtlichen Betrachtung angewandt werden. Die Fiktion der Doppelmaßnahme gründet sich aber für die steuerliche Betrachtung nicht auf die Bestimmungen des Handelsrechts über die Haftung des Gesellschafters für die Ordnungsmäßigkeit der Kapitalerhöhung, sondern auf die Bestimmungen des Steuerrechts, nach denen Stamm-, Grundkapital nur durch Einlage geschaffen werden kann.
Gegen diese Würdigung könnten die Verhältnisse bei der Liquidation einer Körperschaft geltend gemacht werden. Hier war die Meinung des Reichsfinanzhofs nicht einheitlich. Während der VI. Senat in den Entscheidungen VI A 151/30 vom 17. Juni 1931 (StuW 1931 Nr. 796) und VI A 18/34 vom 19. Juni 1935 (RStBl 1935 S. 1335) den Standpunkt vertrat, daß die Liquidationsraten keine Einkünfte der Gesellschafter aus Kapitalvermögen enthielten, war der I. Senat ursprünglich der Ansicht, Kapitalerträge lägen insoweit vor, als die Raten die Einlagen der Gesellschafter überstiegen. Der I. Senat hat sich aber später mit Entscheidung IA 252/35 vom 14. Juli 1936 (Slg. Bd. 39 S. 354, RStBl 1936 S. 970) der Ansicht des VI. Senats angeschlossen, wobei er hervorgehoben hat, daß er auch weiterhin daran festhalte, daß sein bisheriger Standpunkt rechtlich vertretbar sei und auch nicht im Widerspruch zur Verkehrsauffassung stehe.
Im Ergebnis hat somit die Rechtsprechung bei der Liquidation die Aufteilung in Stamm-, Grundkapital und Reserven bei der Frage der Gewinnausschüttung aufgegeben.
Man wird aber aus dieser Rechtsprechung keine zwingenden Schlüsse gegen die oben vertretene Auffassung ziehen können. Das Rechtsproblem muß unter Würdigung der Tatsache entschieden werden, daß der Betrieb fortgeführt wird. Die Kapitalerhöhung und die Verteilung von Freianteilen ist ein Ausdruck dieses Merkmals. Das Rechtsproblem muß deshalb aus der steuerlichen Bedeutung der Reserven für den Gesellschafter beim fortbestehenden Betrieb, nicht beim Betrieb in der Liquidation, entschieden werden.
Der Senat verbleibt deshalb im Ergebnis bei der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, die in Freianteilen ausgeschüttete Gewinne sieht und gründet diese Ansicht ebenfalls auf eine Doppelmaßnahme, aber auf eine Doppelmaßnahme, die auf steuerlichen Erwägungen beruht. Eine andersartige Auffassung würde zu dem auch wirtschaftlich schwer vertretbaren Ergebnis führen, daß besonders gut rentierende Betriebe Teile ihrer Erträge in Form von Freianteilen an Stelle von Dividenden ihren Gesellschaftern zuführen könnten. Siehe auch Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 256/30 vom 4. Juni 1930 (StuW 1930 Nr. 1020), die die Bedeutung des Nominalbetrages des Geschäftsanteils für das deutsche Recht darstellt.
Die weitere Frage geht nun dahin, in welcher Höhe durch die Gewährung von Freianteilen Gewinn ausgeschüttet worden ist. Der Wert des Freianteils wird häufig wesentlich über seinem Nominalbetrag liegen. Nach der neueren Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs könnte man annehmen, daß der Wert des Freianteils den verdeckt ausgeschütteten Gewinn darstellt. Siehe insbesondere Entscheidung des Reichsfinanzhofs IV 324/39 vom 28. März 1940. Sie ist allerdings in dieser Frage nicht eindeutig. Geht man davon aus, daß IV 324/39 die bisherige Rechtsprechung in dieser Rechtsfrage nicht ändern wollte, so fehlt ihr die Begründung, warum bei Verneinung der Bedeutung der Doppelmaßnahme des bürgerlichen Rechts für die steuerliche Beurteilung nur der Nennbetrag und nicht der gemeine Wert des Freianteils die Gewinnausschüttung darstellt.
Der Senat nimmt zu dieser Frage wie folgt Stellung: Der über den Nominalbetrag hinausgehende Wert des Freianteils ergibt sich in der Hauptsache aus den bei der Gesellschaft neben dem Stamm-, Grundkapital noch vorhandenen offenen und stillen Reserven, an denen der Freianteil in der Zukunft beteiligt ist. Zu diesen stillen Reserven gehören auch die Ertragsaussichten (Geschäftswert). Der gegen den Nominalbetrag höhere Wert des Freianteils ist keine Auswirkung der Umwandlung von Reservekapital in Stammkapital, sondern eine Folge davon, daß bereits bisher mit den alten Geschäftsanteilen verbundene Anwartschaften auf Ausschüttung von Gewinn auf die neuen Freianteile übergehen. Es wird ein Teilbetrag der Anwartschaft auf die Reserven und auf die Teilnahme an künftigen Erträgen von den bereits bestehenden alten Anteilen auf die neu geschaffenen Anteile übertragen. Es werden insoweit, als der Nennbetrag überschritten wird, Werte innerhalb der vorhandenen (einschließlich der neu geschaffenen) Anteile verlagert.
Bei diesem Rechtsproblem muß zwischen Vorgängen unterschieden werden, die sich zwischen der Körperschaft und den Gesellschaftern abspielen und Vorgängen zwischen den Gesellschaftern. Gewinnausschüttung bedeutet die übertragung von Werten aus der Körperschaft an die Gesellschafter. Nur soweit der Wertzuwachs bei den Gesellschaftern auf den Vorgang bei der Körperschaft zurückgeht, können Gewinne an die Gesellschafter ausgeschüttet worden sein. Aus dem Vorgang müssen also alle Begleiterscheinungen ausgesondert werden, die im Ergebnis lediglich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschafter untereinander berühren. Daß die beiden Vorgänge zusammenlaufen, kann nicht dazu führen, die rechtliche Beurteilung zu verändern. Der Wertzuwachs der Freianteile über den Nominalbetrag hinaus muß deshalb bei der Beurteilung der Gewinnausschüttung ausgeschieden werden. Der Vorgang berührt das Verhältnis der Gesellschafter zueinander, nicht aber das Verhältnis der Körperschaft zu den Gesellschaftern, die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit betrachtet.
Nur der Nominalbetrag des Freianteils kann verdeckt ausgeschütteter Gewinn sein. Der Senat tritt somit im Ergebnis der Auffassung des Reichsfinanzhofs in dem Gutachten I D 4/20 vom 14. Dezember 1920 (Slg. Bd. 4 S. 222) bei, das die Bezugsrechte nicht den Kapitalerträgen zurechnet.
Der Reichsfinanzhof hat in seiner Entscheidung VI A 63-65/28 für die Annahme einer Gewinnausschüttung gefordert, daß die Werte von der Gesellschaft an den Gesellschafter fließen. Die Umwandlung von Reserven in Stamm-, Grundkapital mindert im Ergebnis das Vermögen der Körperschaft nicht. In übereinstimmung mit dem Reichsfinanzhof muß aber eine Vermögensminderung durch Ausschüttung von Reserven und Wiedereinzahlung von Kapital (Einlage auf das Stamm-, Grundkapital) angenommen werden, da sie Voraussetzung dafür ist, steuerpflichtige Beträge in steuerfreies Kapital der Gesellschafter zu verwandeln. Der Senat folgt insoweit nicht der Entscheidung VI A 63-65/28, sondern sieht in übereinstimmung mit der Entscheidung VI A 354/34 in der Umwandlung von Reserven in Stamm-, Grundkapital ausgeschüttete Gewinne.
Dies führt zu der weiteren Frage, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung dann gegeben ist, wenn die Freianteile nicht an die Gesellschafter ausgegeben werden, sondern bei der Körperschaft verbleiben.
Der Reichsfinanzhof hat diese Frage in den Entscheidungen VI A 434/34 vom 17. Juli 1935 (Slg. Bd. 38 S. 154, RStBl 1935 S. 1447) und I 86/38 vom 18. Oktober 1938 (RStBl 1939 S. 207) allgemein, jedoch ohne nähere Begründung bejaht. Die Senatspräsidenten beim Reichsfinanzhof D. Becker und Mirre haben in ihren Besprechungen in StuW (1935 Sp. 1208 und 1938 Sp. 1390 und 1415, im Gegensatz zu Zitzlaff in StuW 1938 Sp. 1366 ff.) den Auffassungen der beiden Entscheidungen zugestimmt. Beachtlich ist jedoch, daß der Reichsfinanzhof in der Entscheidung VI A 685/36 vom 26. Mai 1937 (Slg. Bd. 41 S. 319, RStBl 1937 S. 976), in der die Kapitalerhöhung mit übernahme der Freianteile von der Körperschaft wieder rückgängig gemacht worden ist, die Gewinnausschüttung verneint hat.
Nach der oben dargestellten Rechtsauffassung stellt die Umwandlung von Reserven in Stamm-, Grundkapital eine Vergünstigung für den Gesellschafter dar. Die entscheidende Frage besteht darin, wann die Vergünstigung den Gesellschaftern zufließt. Der Freianteil ist Träger des Rechts (Anteil am Stamm-, Grundkapital). Hat der Gesellschafter den Freianteil erhalten, ist er also Inhaber der Urkunde über das Recht geworden, so ist der Zufluß eindeutig erfolgt. Dies ist auch dann der Fall, wenn die alten Anteile durch Umstempelung in ihrem Nominalbetrag erhöht werden. Der Freianteil bzw. der umgestempelte alte Anteil als Träger des Rechts gibt die Möglichkeit, das Recht durch Veräußerung zu verwerten. Diese Verfügungsmöglichkeit ist ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Feststellung, daß ein Zufluß im Sinne des § 11 EStG gegeben ist. Es ist deshalb zu prüfen, welche Bedeutung es hat, wenn die Anteile bei der Körperschaft verbleiben und nicht an die Gesellschafter ausgehändigt werden. A) Es besteht die Möglichkeit, daß das Verbleiben der Freianteile bei der Körperschaft den Zweck hat, die Freianteile an dritte Personen, also nicht an die derzeitigen Gesellschafter zu veräußern. Dieser Vorgang der Zwischenfinanzierung der Kapitalerhöhung durch die Körperschaft selbst wird im Wirtschaftsleben nur selten auftreten. Die Veräußerung des Anteils an dritte Personen hat zur Folge, daß der durch den Freianteil verkörperte Betrag an Stamm-, Grundkapital nicht den alten Gesellschaftern zufließt, sondern den künftigen Erwerbern gegen Entrichtung ihres Kaufpreises an die Körperschaft. Ein für die Veräußerung bestimmter Freianteil gehört in gleicher Weise zum umlaufenden Betriebsvermögen wie Anteile, die eine Körperschaft in Form des derivativen Erwerbs mit der Absicht der Wiederveräußerung an der Börse kauft. Derartige Anteile gehören zum umlaufenden Betriebsvermögen DER Gesellschaft
Ist von Anfang an in Aussicht genommen, den Freianteil nicht den Gesellschaftern zukommen zu lassen, sondern ihn für Zwecke der Gesellschaft selbst zu nutzen, so ist ein Zufluß der mit dem Freianteil verknüpften Rechte an die bisherigen Gesellschafter nicht gegeben. Die Kapitalerhöhung geht dann wirtschaftlich betrachtet in der Weise vor sich, daß neue Gesellschafter das neue Stamm-, Grundkapital sowie in Verbindung mit dem über dem Nominalbetrag liegenden Börsenpreis des Freianteils anteilige Reserven in die Körperschaft einbringen. Man wird die Kapitalerhöhung einschließlich der Verwertung der Freianteile als einheitlichen Vorgang würdigen müssen. Dies führt zu der weiteren Frage, wie die Rechtslage dort ist, wo die Freianteile als dauernder Besitz bei der Körperschaft verbleiben sollen und damit den Charakter von Anlagevermögen haben. 1) Das Aktienrecht sieht den Besitz von eigenen Aktien bei einer Körperschaft nur als umlaufendes Betriebsvermögen vor (§ 131 Abs. 1 A III Ziff. 5 des Aktiengesetzes). Der Besitz eigener Anteile als Anlagevermögen ist mit dem Grundgedanken der Bildung einer juristischen Körperschaft schwer vereinbar. Die Körperschaft kann nicht ihr eigener Gesellschafter sein. Werden sämtliche Anteile in die Körperschaft eingebracht, so verwandelt sie sich nach der einen Auffassung in ein Zweckvermögen, nach der anderen Ansicht muß sie sich auflösen. Siehe im einzelnen Anm. 21 ff. zu § 33 des Erläuterungsbuchs zum GmbHG von Hachenburg (1957).
Nicht eindeutig ist auch die Frage zu beantworten, wie eigene Freianteile, die nicht veräußert werden sollen, zu bewerten sind. Nach § 131 Abs. 6 Satz 3 des Aktiengesetzes dürfen sie nicht im Rahmen der Beteiligungen angesetzt werden. In den Erläuterungsbüchern zu den Kapitalgesellschaften wird teilweise die Ansicht vertreten, daß auch Anteile, die zum Dauerbesitz einer Körperschaft gehören, nach den Markt- und Börsenpreisen angesetzt werden können. Es läßt sich aber nicht verkennen, daß der Ansatz von Freianteilen auf der Aktivseite mit dem Markt- und Börsenpreis, dem ein entsprechender Kapitalbetrag unter den offenen Reserven oder gar beim Stamm-, Grundkapital gegenübersteht im Ergebnis eine Buchung ohne Inhalt darstellt. Der Wert des Anteils ergibt sich aus den in die Körperschaft eingebrachten Wirtschaftsgütern. Die Aktie ist eine Urkunde über das Recht auf einen Teilbetrag an dem auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesenen Grundkapital. Nur als zum Umsatz bestimmtes Wertpapier hat die Aktie, der GmbH-Anteil in der Bilanz der Körperschaft einen realen Wert. Siehe hierzu auch die Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 602/37 vom 8. Dezember 1937 (StuW 1938 Nr. 18) sowie ihre Besprechung durch Becker (StuW 1938 Sp. 110 ff.), sowie Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 415/40 vom 8. April 1941 (RStBl S. 410). Im allgemeinen werden Freianteile, die aus einer Kapitalerhöhung mit eigenen Mitteln stammen, bei der Körperschaft nur mit einem Erinnerungsposten angesetzt (vgl. auch Schlegelberger-Quassowski, Aktiengesetz, 3. Aufl., § 133, Anm. 22, 32 und Groß-Kommentar Aktiengesetz von Gadow - Berlin 1939 - zu § 131 Anm. 5 A III 5, Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft - 3. Aufl. - § 131 Anm. 58, § 133 Anm. 151, 178 f., ferner Mittermüller in Zeitschrift für Handelswissenschaftliche Forschung Bd. VII S. 412 ff.). 2) Nach der allgemeinen Ansicht ist die Körperschaft in ihren Rechten für eigene Anteile, die bei ihr liegen, sehr beschränkt, vgl. Fischer in Groß-Kommentar Aktiengesetz, § 51 Anm. 8 und § 65 Anm. 31, 32. Sie kann insbesondere nicht das Stimmrecht ausüben (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen II 113/21 vom 21. Oktober 1921 - RGZ Bd. 103 S. 64, 66 -). Das Reichsgericht weist in dieser Entscheidung auch darauf hin, daß es unmöglich sei, die Kapitalgesellschaft als Gesellschafter an ihrer Auflösung zu beteiligen. Sie ist nicht ihr eigener Gesellschafter (Entscheidung des Reichsfinanzhofs II A 485/29 vom 23. Oktober 1929 - Slg. Bd. 26 S. 100, Juristische Wochenschrift 1930 S. 358, 359). Die GmbH schuldet sich selbst keine Leistungen. Wie in dem Klein-Kommentar zum GmbHG von Scholz, § 33 Anm. 4, ausgeführt wird, wächst das Stimmrecht und der Gewinnbezug der eigenen Anteile der Gesellschaft dem Rechte der übrigen Gesellschafter zu, als wäre kein Geschäftsanteil vorhanden. Das Recht der GmbH an dem Geschäftsanteil besteht in der Hauptsache darin, daß sie ihn verkaufen und auch das mit ihm verbundene Gewinnbezugsrecht abtreten kann. Hinsichtlich des Anspruchs auf Dividende der Form nach von Scholz abweichend Hachenburg a. a. O. § 33 Anm. 15 a. 3) Besonders schwierig wird die Rechtslage, wenn eine GmbH die bei ihr liegenden Freianteile nach § 34 GmbHG einzieht. In diesem Falle gehen die Anteile unter, ohne daß das Stammkapital der GmbH verändert wird. Wirtschaftlich betrachtet wird es kaum einen Unterschied darstellen, ob die Anteile eingezogen worden sind oder noch bei der Gesellschaft ruhen.
Zu der verwickelten Rechtsfrage der Einziehung von GmbH-Anteilen siehe die sich widersprechenden Entscheidungen des Reichsfinanzhofs VI A 354/34 vom 28. August, 11. Dezember 1935 (Slg. Bd. 39 S. 27, RStBl 1936 S. 266) und VI 743/38 vom 1. Februar 1939 (Slg. Bd. 46 S. 227, 230, RStBl 1939 S. 556). In der letzteren Entscheidung hat der Reichsfinanzhof die Gewinnausschüttung verneint, weil bei der Einziehung von Anteilen die Doppelmaßnahme des bürgerlichen Rechts nach der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte, die die Rechtsgrundlage für die Annahme der Gewinnausschüttung bei den Freianteilen in der älteren Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs gegeben hat, vom Gesetz nicht gefordert wird. Die Rechtslage ist bei dem Rechtsproblem der Entscheidung VI 743/38, wie zur Vermeidung von Mißverständnissen ausdrücklich bemerkt sei, anders als bei der gegenwärtigen Streitfrage, wo Stammkapital neu geschaffen wird. In der Umwandlung von offenen Reserven in neu geschaffenes Stamm-, Grundkapital ist oben die Vergünstigung erblickt worden, die die Grundlage für die Gewinnausschüttung bildet. Man wird aber bei der Einziehung der Freianteile, die bei der GmbH liegen, die Einziehung in Verbindung mit der Kapitalerhöhung als einheitlichen Vorgang betrachten müssen und ihn wirtschaftlich kaum anders beurteilen können als den Fall, wo Freianteile an die Gesellschafter ausgegeben werden. 4) Auch die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte zur Zulässigkeit der übernahme von Freianteilen durch eine GmbH im Rahmen einer Kapitalerhöhung erscheint von Bedeutung. Während das Oberlandesgericht Celle in einem Beschluß 9 Wx 20/53 vom 10. Oktober 1953 (GmbH-Rundschau 1953 S. 205) die Zulässigkeit des Verfahrens bejaht hat, haben das Oberlandesgericht Hamm in einem Beschluß 15 W 411/54 vom 5. November 1954 (GmbH-Rundschau 1955 S. 12) und der Bundesgerichtshof in einem Beschluß II Z B 15/54 vom 9. Dezember 1954 (GmbH-Rundschau 1955 S. 28, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen - BGHZ - Bd. 15 S. 391) die Zulässigkeit der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln bei übernahme der Stammeinlagen durch die GmbH selbst (nominelle Kapitalerhöhung) verneint. Die Gründe hierfür bestehen bei den beiden letzteren Gerichten darin, daß nach ihrer Ansicht für das geltende Recht die Haftung des Gesellschafters hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Kapitalerhöhung gefordert wird. Das Oberlandesgericht Celle hat sich in einem neueren Beschluß vom 21. April 1956 (GmbH-Rundschau 1956 S. 187) der Auffassung des Bundesgerichtshofs angeschlossen. Man kann also davon ausgehen, daß die ordentlichen Gerichte in einheitlicher Rechtsprechung es für unzulässig erklärt haben, daß eine GmbH ihr Kapital in der Weise erhöht, daß sie die zu leistende Stammeinlage selbst übernimmt.
Auf die Bedeutung der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte für die Steuergerichte hat die Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 10/52 S vom 8. Februar 1952 (Slg. Bd. 56 S. 176, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1952 S. 71) nachdrücklich hingewiesen.
Es ist anzunehmen, daß die Registergerichte ganz überwiegend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgen werden. Die Kapitalerhöhungen müssen dann in der Weise erfolgen, daß Reserven gegen Kapital, das von den Gesellschaftern einzuzahlen ist, aufgerechnet werden. Formell betrachtet würde dieser Vorgang eine Gewinnausschüttung darstellen. Nach Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister werden die Freianteile der Kapitalgesellschaft unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Man wird den Vorgang jedoch einheitlich beurteilen müssen und ihn hinsichtlich des streitigen Rechtsproblems nicht anders behandeln können als den Fall, wo ein Registergericht ausnahmsweise nach den Grundsätzen der Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 10. Oktober 1953 verfährt (übernahme der Kapitalerhöhung durch die Körperschaft). 5) Die Kapitalerhöhung stellt eine Satzungsänderung dar. Der Beschluß bedarf deshalb einer satzungsändernden Mehrheit. Nach der überwiegenden Auffassung ist für diese Beschlüsse bei der AG teilweise sogar die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich. Ausgehend von den Grundsätzen der Entscheidung des Bundesgerichtshofs II Z R 208/55 vom 24. Januar 1957 (Neue Juristische Wochenschrift 1957 S. 588) wird angenommen, daß die Kapitalerhöhung unter Verwendung des laufenden Gewinns bei der AG der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf (siehe Kuhn, Wertpapiermitteilungen 1956 S. 1366, 1372). Schilling führt in seinem Aufsatz in "Der Betriebs-Berater" 1957 S. 375 aus, daß auch der Verzicht auf die Ausgabe der Gratisanteile an Gesellschafter und ihre Belassung bei der Kapitalgesellschaft der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfe. Auf diese Weise gebe der einzelne Gesellschafter etwas aus seinem Vermögen in das Vermögen der Gesellschaft.
Der Reichsfinanzhof muß bei seiner Rechtsprechung dem Gesichtspunkt der Mitwirkung des Gesellschafters bei dem Beschluß der Gesellschafterversammlung über die Belassung der Freianteile bei der Körperschaft wesentliche Bedeutung zugemessen haben. Er sah hierin wohl eine Verfügung des Gesellschafters über sein Gesellschaftsrecht. 6) Demgegenüber steht der beachtliche Gesichtspunkt, daß das Verfügungsrecht des Gesellschafters stark eingeschränkt ist, wenn die Anteile bei der Gesellschaft verbleiben. Es fehlt die Veräußerungsmöglichkeit. In vielen Fällen, insbesondere bei den Einmanngesellschaften und möglicherweise bei den Familiengesellschaften, ist allerdings die Verfügungsbeschränkung nur formeller Natur. Bereits das Zivilrecht stellt die Einmanngesellschaft nicht in vollem Umfang einer anderen GmbH gleich. In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs II Z R 156/55 vom 29. November 1956 (Der Betriebs-Berater 1957 S. 53) wird u. a. folgendes ausgeführt: "Die rechtliche Verschiedenheit der GmbH und ihres alleinigen Gesellschafters kann aber nicht ausnahmslos berücksichtigt werden. Das Reichsgericht hat schon in seinem Urteil vom 22. 6. 1920 (RGZ Bd. 99 S. 232, 234) ausgesprochen, daß die juristische Person und ihre Alleingesellschafter dann als Einheit behandelt werden müsse, wenn die Wirklichkeit des Lebens, die wirtschaftlichen Bedürfnisse und die Macht der Tatsachen es dem Richter gebieten, die personen- und vermögensrechtliche Selbständigkeit der GmbH und ihres alleinigen Gesellschafters hintanzusetzen (ebenso RGZ Bd. 129 S. 53 ff.; ähnlich RGZ Bd. 103 S. 64, 66). Der alleinige Gesellschafter ist der Gesellschaft da gleichgestellt worden, wo die Berufung auf die förmliche Verschiedenheit gegen Treu und Glauben verstößt (RGZ Bd. 169 S. 240, 248). Insbesondere ist die Haftung des Gesellschafters für Schulden der Einmanngesellschaft dann angenommen worden, wenn es sich als notwendig erwies, um einen mit der Gesellschaft in Rechtsbeziehungen getretenen Dritten zu der ihm nach Treu und Glauben zukommenden Leistung zu verhelfen (RGZ Bd. 156 S. 271, 277). Auch die Literatur steht auf dem Standpunkt, daß der alleinige Gesellschafter einer GmbH für deren Verbindlichkeiten ausnahmsweise dann mithaften muß, wenn der redliche Rechtsverkehr oder die Grundsätze von Treu und Glauben dies erfordern (statt vieler: Schilling in Hachenburg, GmbHG § 13 Anhang, Anm. 4, Siebert, BB 1954 S. 417 ff.)". "Der II. Senat des BGH hat in seinem Urteil vom 30. 11. 1956 (BGHZ Bd. 20 S. 4) den Standpunkt vertreten, daß die Rechtsfigur der juristischen Person in dem Umfang keine Beachtung finden kann, in dem ihre Verwendung dem Zweck der Rechtsordnung widerspricht". Gleichartige Grundsätze finden sich auch in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs II Z R 168/54 vom 30. Januar 1956 (BGHZ Bd. 20 S. 4, 13, 14).
Auch die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs hat der wirtschaftlichen Beherrschung einer Gesellschaft durch den Einmanngesellschafter oder die Familiengesellschafter wesentliche Bedeutung zugemessen. Siehe hierzu im einzelnen das Erläuterungsbuch zum Körperschaftsteuergesetz von Mirre-Dreutter (S. 496 und S. 525) sowie die Entscheidung des Bundesfinanzhofs VI 3/56 U vom 12. Juli 1957 (BStBl 1957 III S. 289).
Im Rahmen dieser Betrachtung kann auch eine Kapitalherabsetzung, die einige Jahre nach der Kapitalerhöhung vorgenommen wird, von Bedeutung sein. Es können auf diese Weise Beträge, die vor der Kapitalerhöhung Reserven und die wirtschaftliche Grundlage für die Freianteile gebildet haben, den Gesellschaftern als zurückgezahltes Kapital zugeführt werden.
Zusammenfassend kommt der Senat zu folgendem Ergebnis:
Die Frage der Gewinnausschüttung (d. h. des Zufließens der in der Umwandlung offener Reserven in Grund-, Stammkapital liegenden Vergünstigung für den Gesellschafter) kann in den Fällen, wo die Freianteile bei der Gesellschaft verbleiben, nicht zwingend beantwortet werden. Für die Gewinnausschüttung sprechen die Beschränkungen der Körperschaft hinsichtlich der Ausübung der Rechte für die bei ihr liegenden Freianteile, gegen die Gewinnausschüttung die Verfügungs- (Veräußerungs-) Beschränkung des Gesellschafters hinsichtlich des auf ihn entfallenden Teilbetrags der bei der Körperschaft befindlichen Freianteile. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, die ganz allgemein in derartigen Fällen Gewinnausschüttung angenommen hat, ist rechtlich möglich, aber nicht zwingend. Die Entscheidung des Rechtsproblems hängt von der Frage ab, welche Bedeutung den für und den gegen die Gewinnausschüttung sprechenden Gesichtspunkten zugemessen wird. Hierbei wird es vielfach auf die Verhältnisse des einzelnen Falles ankommen.
Der Senat kommt bei Würdigung der oben dargestellten Gesichtspunkte nach Fühlungnahme mit dem VI. Senat, der laut Geschäftsverteilung des Bundesfinanzhofs für die Einkünfte aus Kapitalvermögen zuständig ist, zu folgendem Ergebnis:
Er nimmt keine Gewinnausschüttung an, wenn die Verfügungsmöglichkeit des einzelnen Aktionärs im Rahmen einer Kapitalgesellschaft mit einer großen Anzahl von Gesellschaftern wirtschaftlich betrachtet erheblich eingeschränkt ist. In einem derartigen Falle überwiegen die gegen die Gewinnausschüttung sprechenden Gesichtspunkte. Anders ist die Lage beim Einmanngesellschafter. Hier ist, wie oben ausgeführt, die Verfügungsbeschränkung stark formeller Natur. Beim Einmanngesellschafter und bei wirtschaftlichen Verhältnissen, die dem Einmanngesellschafter gleichgestellt sind, muß hinsichtlich der bei der Gesellschaft liegenden Freianteile Gewinnausschüttung angenommen werden. Gleichartige Verhältnisse wie beim Einmanngesellschafter werden vielfach bei Familiengesellschaften vorliegen, insbesondere wenn neben dem Ehemann nur noch die Ehefrau und die zum Haushalt gehörenden Kinder an der Kapitalgesellschaft beteiligt sind. Im übrigen müssen, wie der Bundesfinanzhof wiederholt, so in der Entscheidung I 13/53 vom 16. Februar 1954 (Slg. Bd. 58 S. 759, BStBl III S. 201) ausgesprochen hat, bei der Frage, ob die Körperschaft dem Gesellschafter Vorteile im Sinne des § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG zugewendet hat, die Verhältnisse des einzelnen Falles gewürdigt werden. Nochmals sei betont, daß bei Freianteilen der Zufluß des Vorteils der Umwandlung von Reserven in Stamm-, Grundkapital (§ 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG) nur dann bejaht werden kann, wenn der Gesellschafter wirtschaftlich betrachtet in der Lage ist, über die Anteile zu verfügen.
Im Streitfall hat das Finanzamt in seinem Schriftsatz vom 24. April 1954, S. 4, unwidersprochen ausgeführt, daß alle Gesellschafter der GmbH als Treuhänder des im Hintergrund stehenden X. anzusehen seien. Die GmbH wird somit durch X. wirtschaftlich beherrscht. Sie muß einer Einmanngesellschaft gleichgestellt werden. Es sind auf den Streitfall die oben für die Einmanngesellschaft ausgesprochenen Grundsätze anzuwenden. Dies hat zur Folge, daß die Vorentscheidung aufgehoben und die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts als unbegründet zurückgewiesen werden muß.
Fundstellen
Haufe-Index 408873 |
BStBl III 1957, 401 |
BFHE 1958, 437 |
BFHE 65, 437 |
BB 1957, 1098 |
DB 1957, 1088 |