Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmtheitsanforderungen an einen Feststellungsbescheid gegen Rechtsnachfolger
Leitsatz (NV)
Zur Bestimmtheit eines Feststellungsbescheides über den Einheitswert des Betriebsvermögens, der sich an einen Gesamtrechtsnachfolger als Feststellungsbeteiligten richtet, gehört, daß sich dem Bescheid entnehmen läßt, wem das Betriebsvermögen zuzurechnen ist.
Normenkette
AO 1977 § 119 Abs. 1, § 125 Abs. 1, § 126 Abs. 1 Nr. 2, § 157 Abs. 1 S. 2, § 181 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) firmiert als Raiffeisenbank A e. G. und hat ihren Sitz in A. Zum Stichtag 31. Dezember 1989 war die Raiffeisenbank B e. G. (künftig Bank genannt) durch Verschmelzung auf die Klägerin übergegangen. Sowohl die Klägerin als auch die übergegangene und im Genossenschaftsregister gelöschte Bank waren vor der Verschmelzung an derselben Kapitalgesellschaft in C beteiligt. Über den gemeinen Wert der Anteile an dieser Gesellschaft erging im Januar 1993 ein Feststellungsbescheid, aufgrund dessen der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) zunächst am 22. Juni 1994 gegen die Klägerin einen nach §175 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheid über den Einheitswert ihres Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1986 erließ. Dem folgte am 4. Juli 1994 unter der alten Steuernummer der übergegangenen Bank ein geänderter Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1986 über deren Betriebsvermögen, den das FA dem steuerlichen Berater der Klägerin mit nachstehendem Zusatz übersandte:
"für
RAIFFEISENBANK A EG A/ S RECHTSNACHF: RAIFFEISENBANK,
Postleitzahl A".
Auf den Einspruch der Klägerin gegen den Änderungsbescheid vom 4. Juli 1994, der damit begründet war, die festgestellten Besteuerungsgrundlagen sowie die Steuernummer träfen auf sie, die Klägerin, nicht zu, erklärte das FA mit Schreiben vom 1. August 1994, der Bescheid betreffe sie als Rechtsnachfolgerin der übergegangenen Bank. Der Nachfolgezusatz sei wegen der Wortbegrenzung im Datenbestand unvollständig. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit der Begründung zurück, der Einheitswertbescheid sei zutreffend adressiert und der verstümmelte Nachfolgezusatz nachträglich geheilt worden.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung der §§118 Abs. 1, 119 Abs. 1, 125 Abs. 1, 124 Abs. 3, 157 Abs. 1 AO 1977. Der angefochtene Bescheid sei nichtig. Er lasse nicht erkennen, wer als Steuerschuldner gemeint sei, und führe zu Verwechslungen. Solle sich ein Bescheid gegen einen Steuerschuldner in seiner Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolger richten, sei die vollständige Bezeichnung des Rechtsvorgängers wesentlicher Bestandteil der Adressierung. Der angefochtene Bescheid erwecke den Eindruck, er richte sich gegen sie, die Klägerin, als Steuerschuldnerin. Nach dem Inhalt des Bescheides aber habe sie nicht gemeint sein können. Außerdem habe bereits ein geänderter Bescheid wegen ihrer eigenen Beteiligung an der Kapitalgesellschaft vorgelegen. Könne ein Steuerschuldner mehrfach in Anspruch genommen werden, müsse der jeweilige Grund seiner Inanspruchnahme eindeutig aus dem Bescheid hervorgehen.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung vom 8. November 1994 und den Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1986 vom 4. Juli 1994 aufzuheben.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Sie war daher gemäß §126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Der angefochtene Bescheid ist wirksam. Der Umstand, daß weder die übergegangene Bank als Zurechnungssubjekt benannt noch das Gesamtrechtsnachfolgeverhältnis angegeben worden ist, führt nicht zu seiner Rechtswidrigkeit.
1. Entgegen der Ansicht der Klägerin fehlt es im Streitfall nicht an der zutreffenden Bezeichnung des Feststellungsbeteiligten als des Inhaltsadressaten, der im Feststellungsverfahren die Stellung des Steuerschuldners gemäß §157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 einnimmt. Dieser ist mit der Klägerin richtig angegeben. Die Frage nach den Rechtsfolgen einer fehlerhaften Angabe des Steuerschuldners stellt sich daher nicht.
Der Streitfall betrifft einen Feststellungsbescheid. Auf derartige Bescheide findet nach §181 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 die Vorschrift des §157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 sinngemäß Anwendung, wonach u. a. angegeben sein muß, wer die Steuer schuldet. Damit konkretisiert §157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 das Gebot hinreichender Bestimmtheit in §119 Abs. 1 AO 1977 (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 30. Januar 1980 II R 90/75, BFHE 130, 74, BStBl II 1980, 316). Fehler bei der Bezeichnung des Steuerschuldners im Bescheid können nicht durch Richtigstellung im weiteren Verfahren geheilt werden (so Beschluß des Großen Senats des BFH vom 21. Oktober 1985 GrS 4/84, BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230). Bei Feststellungsbescheiden entspricht dem Steuerschuldner des §157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 der Feststellungsbeteiligte als der Inhaltsadressat, gegen den der Bescheid zu richten ist. Dieser ist regelmäßig identisch mit demjenigen, dem der Gegenstand der Feststellung bei der Besteuerung zuzurechnen ist (§179 Abs. 2 Satz 1 AO 1977). Erfolgt die Feststellung aber erst zu einem Zeitpunkt, an dem derjenige, dem der Gegenstand der Feststellung zuzurechnen ist, bereits verstorben oder erloschen ist, bleibt dieser zwar Zurechnungssubjekt; der Bescheid ist aber -- so vorhanden -- gegen den Gesamtrechtsnachfolger zu richten (so BFH-Urteil vom 25. März 1987 II R 227/84, BFHE 152, 10, BStBl II 1988, 410).
Dies ist vorliegend geschehen. Der verstümmelte Nachfolgezusatz beeinträchtigt die Angabe der Klägerin als Feststellungsbeteiligte nicht, wie die Klägerin selbst einräumt, indem sie in ihrer Revisionsbegründung ausführt, der Bescheid erwecke den Eindruck, als richte er sich gegen sie. Die Nämlichkeit der Klägerin als Feststellungsbeteiligte wird nicht dadurch berührt, daß sie nicht als Zurechnungssubjekt, sondern als dessen Rechtsnachfolger in Anspruch genommen wird (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1987 II R 47/84, BFH/NV 1989, 350). Die Verwendung der Steuernummer der übergegangenen Bank stellt die hinreichende Bestimmtheit der Klägerin als Inhaltsadressatin nicht in Frage (vgl. dazu BFH-Urteil vom 5. Oktober 1994 I R 31/93, BFH/NV 1995, 576).
2. Auch der verstümmelte Hinweis auf die Gesamtrechtsnachfolge macht den angefochtenen Bescheid nicht rechtswidrig und schon gar nicht unwirksam gemäß §125 Abs. 1 AO 1977.
Die Angabe des Gesamtrechtsnachfolgeverhältnisses betrifft über die Begründung des Bescheides hinaus auch dessen Bestimmtheit i. S. des §119 Abs. 1 AO 1977. Zwar ist richtig, daß die Klägerin aus dem Grunde in Anspruch genommen wird, weil sich der Wert des Betriebsvermögens der übergegangenen Bank zum Stichtag 1. Januar 1986 erhöht hat und die Klägerin deren Gesamtrechtsnachfolgerin ist. Zugleich gehört aber zumindest die Angabe, wem das Betriebsvermögen zuzurechnen ist, zur inhaltlichen Bestimmtheit des Bescheides. Aus einem korrekt angegebenen Gesamtrechtsnachfolgeverhältnis wäre das Zurechnungssubjekt ohne weiteres hervorgegangen, so daß ein derartiger Nachfolgezusatz genügt hätte.
Da aber im Streitfall ein auch den Rechtsvorgänger wiedergebender Nachfolgezusatz fehlt, läßt sich der angefochtene Bescheid nicht mit der Erwägung aufrechterhalten, die erforderliche Begründung könne gemäß §126 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 nachgeholt werden und dies sei im Einspruchsverfahren durch das Anschreiben des FA vom 1. August 1994 geschehen. Vielmehr ergibt sich seine Rechtmäßigkeit aus der Tatsache, daß einzelne Hinweise im Bescheid sowie die besonderen Umstände, unter denen der Bescheid ergangen ist, bei verständiger Würdigung hinreichend deutlich erkennen ließen, daß Betriebsvermögen der auf die Klägerin übergegangenen Bank bewertet werde (vgl. dazu BFH-Urteil vom 25. September 1990 IX R 84/88, BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120, 121).
So war die Bezeichnung der Klägerin mit einem Zusatz versehen, der anzeigte, sie solle in ihrer Eigenschaft als irgendjemandes Rechtsnachfolger in Anspruch genommen werden. Dazu kam, daß der Bescheid einen Einheitswert des Betriebsvermögens auf den weit zurückliegenden Stichtag 1. Januar 1986 betraf, auf den die Klägerin wenige Tage zuvor bereits einen Einheitswertbescheid ohne jeglichen Zusatz erhalten hatte. Dies deutete in Verbindung mit der Verwendung der alten Steuernummer der übergegangenen Bank darauf hin, daß mit dem angefochtenen Bescheid nunmehr auch bezüglich der übergegangenen Bank die Folgerungen aus der Anteilsbewertung bei der Kapitalgesellschaft gezogen wurden, an der zum 1. Januar 1986 noch beide Banken getrennt beteiligt waren, wie der Klägerin bekannt war. Aus dem vorangegangenen Bescheid, der ihr eigenes Betriebsvermögen zum 1. Januar 1986 betraf, wußte sie, worauf das Aufgreifen der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf die zurückliegenden Stichtage beruhte und daß davon auch das Betriebsvermögen der übergegangenen Bank betroffen sein mußte. Bei diesen Hinweisen und unter den Begleitumständen des angefochtenen Bescheides konnte die Klägerin das Gewollte ohne weiteres durch Auslegung feststellen. Entscheidend ist nämlich nicht, wie außenstehende Dritte den Bescheid auffassen mußten, sondern, wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (so BFH-Urteil in BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120, 121).
Fundstellen
Haufe-Index 66415 |
BFH/NV 1998, 417 |