Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Eine Vereinigung aller Anteile einer grundstücksbesitzenden GmbH (= GmbH C) in "einer Hand" ist nicht gegeben, wenn diese Anteile einer anderen GmbH (= GmbH B), deren Alleingesellschafter der Vater mehrerer Kinder ist, und den Kindern des Alleingesellschafters gehören.
Ebenso ist im Falle des Rechtssatzes 1 eine Anteilsvereinigung auch nicht darin zu erblicken, daß dem Vater und einem seiner Kinder alle Anteile der GmbH B gehören. Dieser Fall der Anteilsvereinigung würde nur dann vorliegen, wenn die Grundstücke der GmbH B mittelbar "gehören". Dazu würde erforderlich, daß der GmbH B alle Anteile der GmbH C gehören. Das trifft nicht zu, wenn die Anteile an der GmbH C zum Teil der GmbH B, zum Teil den Kindern des Alleingesellschafters der GmbH B zuzurechnen sind.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 3
Tatbestand
Zum 1. April 1946 wurde die B-GmbH mit einem Stammkapital von 220.000 RM gegründet. Die Stammeinlagen betrugen
1. Hermann W. - Vater des Bf. - (Einzelunternehmen) ------------------------- 110.000 RM. 2. Dr. Theodor W. (der Bf.) ------------------ 95.000 RM, 3. Wolfgang W (Sohn des Bf.) ----------------- 15.000 RM --------------------------------------------- 220.000 RM.Alleiniger Geschäftsführer der B-GmbH war der Bf. Das Stammkapital wurde nach der Währungsreform auf 220.000 DM umgestellt.
Zum 1. Oktober 1947 wurde die C-GmbH mit einem Stammkapital von 300.000 RM gegründet. Die Stammeinlagen betrugen
1. B-GmbH ---------------------------------- 220.000 RM, 2. acht Kinder des Bf. mit je 10.000 RM ------ 80.000 RM -------------------------------------------- 300.000 RM.Das Stammkapital wurde nach der Währungsreform auf 300.000 DM umgestellt.
Hermann W. verstarb am 17. März 1954, ohne daß sich bis dahin die Beteiligungsverhältnisse an beiden Gesellschaften geändert hatten. Erben des Hermann W. waren sechs Kinder - darunter der Bf. - und ein Enkelkind. Die Erben teilten durch notariellen Vertrag vom 29. Dezember 1954 den Nachlaß. Dabei übernahm der Bf. die Firma Hermann W. als Alleininhaber. Zum Betriebsvermögen dieses Unternehmens gehörte unter anderem auch der Geschäftsanteil von 110.000 DM an der B-GmbH. Durch den übergang dieses Geschäftsanteils auf den Bf. erhöhte sich sein Geschäftsanteil an der B-GmbH von 95.000 DM auf 205.000 DM. Der übrige Geschäftsanteil von rund 15.000 DM verblieb nach wie vor in der Hand seines Sohnes Wolfgang W. Am Beteiligungsverhältnis bei der C-GmbH änderte sich durch den übergang des 110.000 DM-Geschäftsanteils der B-GmbH auf den Bf. nichts. Die Geschäftsanteile der C-GmbH verblieben nach wie vor im Besitz der B-GmbH und der acht Kinder des Bf.
Die B-GmbH besaß zur Zeit des übergangs der Anteile an der B-GmbH auf den Bf. keine Grundstücke. - Dagegen gehörten zum Vermögen der C-GmbH zur Zeit dieses übergangs Grundstücke im Einheitswert von insgesamt 240.000 DM.
Das Finanzamt erblickte in dem Erwerb der Anteile der B-GmbH durch den Bf. die Vereinigung aller Anteile der C-GmbH in der Hand des Bf. und seiner Kinder. Durch Steuerbescheid vom 4. September 1959 wurde für die Anteilsvereinigung auf Grund des § 1 Abs. 3 Ziff. 2 GrEStG 10.634,40 DM Grunderwerbsteuer festgesetzt. Dabei wurden auf Grund der Befreiungsvorschrift des § 3 Ziff. 3 GrEStG (Erwerb von zum Nachlaß gehörenden Grundstücken durch Miterben zur Teilung des Nachlasses) ein dem Anteil von 110.000 DM entsprechender Grundstücksbruchteil von der Besteuerung ausgenommen.
Der Bf. machte geltend: Er sei alleiniger Geschäftsführer der B-GmbH; sein Sohn Wolfgang habe auf die Geschäftsführung keinen Einfluß gehabt. Dessen kleiner Anteil an der B-GmbH sei wirtschaftlich bedeutungslos. Die Anteile an der B-GmbH seien somit seit dem Jahre 1946 in seiner und seines Vaters Hand vereinigt gewesen. Beim übergang der Anteile seines Vaters nach dessen Tod auf ihn habe deshalb keine Anteilsvereinigung im Sinn des § 1 Abs. 3 GrEStG mehr eintreten können. Selbst wenn man aber eine Anteilsvereinigung zwischen ihm und seinen Kindern nach dem Tod des Hermann W. auf Grund der Erbauseinandersetzung annehmen würde, wäre der gesamte Vorgang nach § 3 Ziff. 3 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen. Die Anteilsvereinigung könne nicht in einen steuerfreien und in einen steuerpflichtigen Anteil aufgeteilt werden.
Einspruch und Berufung wurden als unbegründet zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist von Erfolg.
Nach durchgeführter Erbauseinandersetzung waren Gesellschafter der C-GmbH unverändert
1. die B-GmbH mit -------------------- 220.000 DM, 2. die acht Kinder des Bf. mit je 10.000 DM --- 80.000 DM -------------------------------------- 300.000 DM.Die Veränderung bestand lediglich darin, daß der Bf. an der B-GmbH statt mit 110.000 DM mit 205.000 DM beteiligt war.
Ob grunderwerbsteuerlich die Anteile der B-GmbH in einer Hand vereinigt wurden oder nicht, kann im Streitfall dahingestellt bleiben, da dieser GmbH Grundstücke nicht gehörten. (Wäre der letztgenannte Fall gegeben, so müßte allerdings im grunderwerbsteuerlichen Sinn eine Anteilsvereinigung bejaht werden.)
Nach § 1 Abs. 3 Ziff. 1 und 2 GrEStG ist eine Anteilsvereinigung unter anderem auch darin zu erblicken, daß durch die übertragung aller Anteile an der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers und seiner Kinder vereinigt werden. Im Streitfall gehörten die Anteile an der C-GmbH, wirtschaftlich gesehen, der Familie W. Daß damit eine Anteilsvereinigung in der Hand des Bf. und seiner Kinder eingetreten ist, folgt daraus aber nicht. Die B-GmbH ist nicht dem Vater gleichzustellen. Sie ist vielmehr eine vom Vater unabhängige Rechtsperson.
Der Senat hatte - soweit ersichtlich ist - bisher keine Gelegenheit, über einen Fall der vorliegenden Art zu entscheiden. Jedoch hat der Senat durch Urteil II 102/56 U vom 15. Mai 1957 (BStBl 1957 III S. 238, Slg. Bd. 65 S. 14) ausgesprochen, daß eine Vereinigung in einer Hand nicht gegeben ist, wenn die Anteile in die Hand des Vaters und in die Hand der aus den Kindern bestehenden Erbengemeinschaft fallen. Der Senat hat dazu ausgeführt, daß dies aus der Natur der Erbengemeinschaft als steuerlichem Rechtsträger folge, der mit niemandem verwandt sei. Dies entspreche der Behandlung der OHG, die grunderwerbsteuerlich ebenso wie die Erbengemeinschaft als selbständiger Rechtsträger gelte. Siehe dazu das Urteil des Senats II 68/51 S vom 4. Mai 1951 (BStBl 1951 III S. 116, Slg. Bd. 55 S. 299). Was für eine OHG zutreffe, müsse entsprechend für die Erbengemeinschaft gelten. Es liege im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Senats, im Falle der Erbengemeinschaft eine Anteilsvereingung durch den Vater und die Miterben, obwohl sie offenbar seine Kinder seien, gleichfalls zu verneinen. - Was aber für die Erbengemeinschaft gilt, muß entsprechend für eine GmbH gelten. Das Gesellschafter der GmbH der Vater und seine Kinder sind, ändert hieran nichts.
Wird aber verneint, daß die Anteile in der Hand von Eltern und Kindern vereinigt wurden, so entsteht die andere Frage, ob zum Vermögen der B-GmbH, deren Anteile sich in der Hand des Vaters und des Sohnes Wolfgang befanden, "Grundstücke" "gehörten". Dazu bringen Boruttau-Klein (Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 6. Aufl., 1960, § 1 Tz. 221, S. 111) unter "3." folgende Beispiele:
Die Gesellschaft besitzt sämtliche Anteile einer anderen Gesellschaft, in deren Eigentum ein Grundstück steht, z. B. die AG A alle Geschäftssanteile der grundstücksbesitzenden GmbH C. Die Gesellschaft D (oder der Privatmann E) erwirbt nun nicht die Geschäftsanteile der GmbH C (hier ist die Steuerpflicht selbstverständlich), sondern die sämtlichen Anteile der Muttergesellschaft A, die selbst kein Grundstück besitzt. Auch dieser Erwerb unterliegt der Steuer (Urteil des Reichsfinanzhofs II A 5/31 vom 21. April 1931, RStBl 1931 S. 547, Slg. Bd. 29 S. 59).
Die Anteile der grundstücksbesitzenden GmbH C gehören zur Hälfte der AG A und zur Hälfte der AG B. Die Gesellschaft D oder der Privatmann E erwirbt sämtliche Anteile der A und der B. § 1 Abs. 3 GrEStG ist anwendbar.
Diese Fälle treffen gleichfalls nicht den Streitfall. Die Steuer wäre zu erheben, wenn z. B. der B-GmbH alle Anteile an der C-GmbH gehören und dann in der Hand von Vater und Sohn eine Anteilsvereinigung eintreten würde.
Denkbar wäre schließlich, daß alle Anteile in der Hand von Unternehmen im Sinn des § 2 Abs. 2 Ziff. 2 UStG (herrschende und abhängige Unternehmen) vereinigt würden. Nach dem Inhalt der Akten sind jedoch dahingehende Schlußfolgerungen nicht möglich.
Nach alledem ist der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Ziff. 2 GrEStG nicht erfüllt. Die angefochtene Entscheidung war somit aufzuheben und, da die Sache spruchreif ist, der Bf. unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung und des Steuerbescheids von der Steuer freizustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 410623 |
BStBl III 1963, 45 |
BFHE 1963, 123 |
BFHE 76, 123 |