Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenständlich beschränkte Haftung (§ 74 AO 1977)
Leitsatz (NV)
Erteilt das FA für eine wegen eines Haftungsanspruchs eingetragene Zwangshypothek eine Löschungsbewilligung, so liegt hierin kein Verzicht auf den Haftungsanspruch. Dies gilt auch dann, wenn die Haftung auf das Grundstück beschränkt ist, auf de
m die Zwangshypothek eingetragen war.
Normenkette
AO § 115; AO 1977 § 74; ZPO § 866
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin war an der KG als Kommanditistin mit einer Einlage von 100 000 DM beteiligt. Im Jahre 1968 hat die Klägerin das Grundstück in K, eingetragen im Grundbuch von K Bd. . . ., Bl. . . ., Flurstück . . ./1 bis 3 erworben. Das Flurstück . . ./3 wird von der KG für Betriebszwecke genutzt. Das FA hat die Klägerin als Haftende für Steuerrückstände der KG (Umsatzsteuer 1965 bis 1978) durch Haftungsbescheid vom 21. Juni 1978 in Anspruch genommen, wobei es die Haftung auf § 115 der Reichsabgabenordnung (AO) bzw. § 74 AO 1977 stützte. In dem nach erfolgtem Einspruchsverfahren der Klägerin mit dem Ziel der Aufhebung des Haftungsbescheids angestrengten Klageverfahren hat das FA die ursprünglich auf 99 000,- DM festgesetzte Haftungssumme auf 54 000,- DM (Umsatzsteuer 1971 bis 1978) zurückgenommen.
Das FG hat die Klage mit der Maßgabe abgewiesen, daß die Haftung der Klägerin auf die im Grundbuch von K Bd. . . ., Bl. . . . Flur . . ., Flurstück . . ./3 bezeichnete Grundstücksfläche beschränkt wird.
Es hat ausgeführt: Die Haftung sei auf diejenige Teilfläche des Grundstücks von K Bd. . . ., Bl. . . . zu beschränken, die nachweisbar dem Unternehmen der KG gedient habe, das sei - unstreitig - das Flurstück . . ./3. Im übrigen sei die Klage unbegründet. Der Umstand, daß das FA im Mai 1980 für drei zu seinen Gunsten eingetragene Zwangshypotheken (insgesamt 54 000,- DM) gegen Zahlung eines Abschlagsbetrages von 10 000 DM auf die Haftungssumme Löschungsbewilligungen abgegeben habe, sei ohne Auswirkung auf den Bestand des Haftungsbescheids.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin das Klagebegehren weiter. Sie rügt unrichtige Anwendung von § 115 AO bzw. (ab 1. Januar 1977) von § 74 AO 1977 und von § 242 BGB.
Als im Jahr 1980 die Aussicht bestanden habe, das Grundstück an einen Dritten zu veräußern, habe das FA für die zu seinen Gunsten mit insgesamt 54 000 DM eingetragenen Zwangshypotheken im März 1980 gegen Zahlung von 10 000 DM Löschungsbewilligung abgegeben. Es habe damit die Klägerin aus der Haftung mit dem Grundstück und - gleichzeitig - aus der Haftung als solcher entlassen. Denn die Klägerin hätte nach dem Gesetz (§ 115 AO bzw. § 74 AO 1977) nur mit dem Grundstück in Anspruch genommen werden können. Mit der Freigabe der Zwangshypotheken sei der Haftungsanspruch unmittelbar fallengelassen worden. Das FA wäre daher verpflichtet gewesen, den Haftungsbescheid zurückzunehmen. Indem es die Rücknahme nicht vorgenommen habe und sich nach wie vor weigere, sie vorzunehmen, verstoße das FA gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dies treffe um so mehr zu, als das FA bei einem Zustandekommen der - im Jahre 1980 erwarteten - Veräußerung des Grundstücks keine Möglichkeit mehr gehabt hätte, die Klägerin aus dem Haftungsbescheid in Anspruch zu nehmen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Die Haftung nach § 115 AO bzw. (ab 1. Januar 1977) nach § 74 AO 1977, um die es im Streitfall geht, ist eine persönliche, aber gegenständlich d. h. dinglich beschränkte (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 1. bis 6. Aufl., Tz. 2 zu § 115 AO; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., Anm. 4 zu § 74 AO 1977). Somit haftet die Klägerin für die hier vom FA noch in Höhe von 54 000 DM geltend gemachten Umsatzsteuerschulden 1971 bis 1978 mit dem Grundstück K Bd. . . ., Bl. . . ., Flur . . ., Flurstück . . ./3. Der vollstreckungsrechtliche Zugriff, die Realisierung der Haftung, richtet sich gemäß § 322 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 nach den Vorschriften der §§ 864 bis 871 ZPO und dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung. Nach § 866 ZPO erfolgt die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück durch Eintragung einer Sicherungshypothek (Zwangshypothek), durch Zwangsversteigerung oder durch Zwangsverwaltung. Bei der Eintragung einer Zwangshypothek handelt es sich um eine Sicherungsmaßnahme, bei Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung hingegen um Verwertungsmaßnahmen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 43. Aufl., Anm. 1 zu § 866).
2. Die Zwangshypotheken, die hier zunächst für das FA eingetragen waren, waren solche nach § 1184 BGB. In der Erteilung der Löschungsbewilligungen am 28. März 1980 lag seitens des FA eine Pfandfreigabe, d. h. ein Verzicht des FA auf die mit der Hypothek bestellte Sicherung (vgl. Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 867 Anm. III Ziff. 7). In der Erteilung der Löschungsbewilligung und der damit bewirkten Pfandfreigabe lag dagegen kein Verzicht des FA auf den Zugriff in das Grundstück Flurstück . . ./3 als solches. Das FA war - entgegen der Auffassung der Revision - durch den Verzicht auf die mit der Hypothek erlangte Sicherung nicht gehindert, weitere Vollstreckungsmaßnahmen im Sinn der vorstehenden Ziff. 1 in das Grundstück zur Realisierung des Haftungsanspruches vorzunehmen. Der Verzicht des FA auf die Sicherungshypotheken ist ein ausschließlich sachenrechtlicher Vorgang nach § 875 BGB (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 44. Aufl., Anm. 1 und 3), ohne Verbindlichkeit in bezug auf das weitere und spätere Vorgehen des FA zur Realisierung des Haftungsbescheids.
3. Hatte aber - wie vorstehend dargetan - das FA mit der Abgabe der Löschungsbewilligungen im März 1980 das Grundstück Flurstück . . . nicht aus der Haftung entlassen, so ist mit diesem Vorgang auch der Haftungsbescheid in seinem Bestand (reduziert auf 54 000,- DM) unberührt geblieben. Daß das FA nach einer - bei Abgabe der Löschungsbewilligungen - erwarteten (später nicht durchgeführten) Veräußerung des Grundstücks aus dem Haftungsbescheid keine Befriedigung mehr hätte erlangen können, hat hiermit nichts zu tun, insbesondere ergab sich keine Auswirkung auf den Bestand des Haftungsbescheids. Für eine Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben ist bei der angeführten Rechtslage kein Raum. Denn es fehlt nach den revisionsrechtlich bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) jeder Anhaltspunkt dafür, daß das FA bei oder im Zusammenhang mit der Abgabe der Löschungsbewilligungen verbindlich zu erkennen gegeben habe, es werde den Haftungsanspruch nicht mehr aufrechterhalten.
Fundstellen
Haufe-Index 414198 |
BFH/NV 1986, 314 |