Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Gegen die Ablehnung einer Fehleraufdeckung durch den Finanzminister ist der Rechtsmittelweg an die Steuergerichte gegeben.
Ein Steuerpflichtiger, der gegen den als Fehler gerügten Ansatz das ordentliche Rechtsmittel hätte einlegen können, kann sich nach Rechtskraft des Bescheides nicht auf § 222 Abs. 1 Ziff. 4 AO berufen.
Weist das Finanzamt im Veranlagungsverfahren nicht auf eine beabsichtigte wesentliche Abweichung von der eingereichten Erklärung hin, so führt diese Unterlassung nicht zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt.
Normenkette
AO § 205 Abs. 3, § 222 Abs. 1 Nr. 4, §§ 237, 230
Tatbestand
Die Bfin. begehrt Aufhebung der Beschwerdeentscheidung des Landesfinanzministers.
Der im Jahre 1954 verstorbene Ehemann der Bfin. war Bauunternehmer. Durch rechtskräftigen Bescheid vom 28. September 1953 stellte das Finanzamt den Einheitswert des Betriebsvermögens zum 21. Juni 1948 auf 40.700 DM fest. Es schätzte den hier streitigen Wert der Maschinen auf 20.000 DM. Der Einheitswertbescheid wurde später wegen anderer Umstellungsberechnung eines Bankguthabens nach § 222 Abs. 1 Ziff. 4 AO auf 39.700 DM berichtigt. Im Februar 1952 verpachtete der Ehemann den Betrieb; das Inventar wurde dabei mit 20.000 DM angesetzt. Im Jahre 1953 erwarb der Pächter das Inventar für 12.335 DM.
Im Frühjahr 1957 beantragten die Erben, den Einheitswertbescheid auf den 21. Juni 1948 nach § 222 Abs. 1 Ziff. 4 AO im Wege einer Fehleraufdeckung zu berichtigen. Der Ansatz von 20.000 DM für die Maschinen sei unrichtig. Bei einer Betriebsprüfung seien sie für die Bilanz zum 21. Juni 1948 mit 1.501 DM bewertet worden. In dem Betriebsprüfungsbericht sei ausgeführt, der Teilwert habe mindestens 10.000 DM betragen, gemäß § 18 des D-Markbilanzgesetzes (DMBG) sei jedoch der Wertansatz mit dem Buchwerte von 1.501 DM nicht zu beanstanden. Nach §§ 74, 75 DMBG sei dieser Wert auch für die Einheitsbewertung bindend. Im übrigen habe das Inventar nur Schrottwert gehabt, als dessen Höchstwert 8.000 bis 10.000 DM einzustellen seien.
Die Oberfinanzdirektion wies den Antrag auf Fehleraufdeckung zurück. Die Beschwerde an den Landesfinanzminister blieb in dem hier streitigen Punkte ohne Erfolg. Der Teilwert liege über dem von der Bfin. zugestandenen Schrottwerte. Eine auf Schätzung beruhende rechtskräftige Veranlagung könne auf Grund einer anderen Schätzung nur berichtigt werden, wenn neue Tatsachen (Schätzungsunterlagen) festgestellt würden. Hier lägen keine neuen Tatsachen vor. Der Akteninhalt biete keinen Anhalt für eine fehlerhafte Schätzung des Finanzamts.
Gegen die Beschwerdeentscheidung legte die Bfin. Berufung beim Finanzgericht ein. Zur Begründung führte sie aus, die Schätzung des Finanzamts beruhe offensichtlich auf dem Pachtvertrage des Jahres 1952. Abgesehen von den verschiedenen Zeitpunkten sei im Pachtvertrage beim Inventar der Firmenwert miterfaßt worden. Das Inventar sei auf den 21. Juni 1948 nur mit 1.501 DM anzusetzen.
Das Finanzgericht hielt die Berufung für zulässig, wies sie jedoch als unbegründet zurück. Es liege kein Fehler vor. Nach § 75 DMBG sei für die Vermögensteuer mindestens der Einheitswert anzusetzen.
Mit der Rb. begehrt die Bfin., unter Aufhebung der Vorentscheidungen den Einheitswertbescheid durch Ansatz des Inventars entsprechend dem Betriebsprüfungsbericht mit dem Teilwert von 10.000 DM zu berichtigen. Die für eine Berichtigung erforderlichen neuen Tatsachen ergäben sich aus dem Verkaufspreise des Jahres 1953. Außerdem sei eine Berichtigung geboten, weil das Finanzamt den Ehemann vor der Feststellung des Einheitswertes nicht von der Absicht unterrichtet habe, den Maschinenpark abweichend von der Erklärung und vom Betriebsprüfungsbericht mit 20.000 DM anzusetzen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Die Berufung richtete sich gegen die Beschwerdeentscheidung des Finanzministers des Landes, in der die von der Bfin. gewünschte Fehleraufdeckung im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. 4 AO abgelehnt wurde. Es handelte sich bei der Beschwerdeentscheidung (ß 237 AO) um eine Ermessensentscheidung, gegen die nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) Berufung und Rechtsbeschwerde an die Steuergerichte zulässig sind (Gutachten des Bundesfinanzhofs Gr.S. D 1/51 S vom 17. April 1951, BStBl 1951 III S. 107, Slg. Bd. 55 S. 277, und Urteil des Bundesfinanzhofs III 385/58 vom 17. März 1961, Steuerrechtsprechung in Karteiform, AO, § 237, Rechtsspruch 19).
Das Finanzgericht verneinte das Vorliegen eines Fehlers. Die Bfin. verlangt lediglich eine andere Schätzung, und zwar in der Rb. den Schätzungsbetrag des Betriebsprüfers, ohne gegen die Schätzung des Finanzamts gewichtige, neue Tatsachen anführen zu können. Der Verkaufspreis von 12.335 DM im Jahre 1953 spricht unter Berücksichtigung der jahrelangen Abnutzung seit dem 21. Juni 1948 für, und nicht gegen die Schätzung des Finanzamts (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 40/51 U vom 3. Oktober 1951, BStBl 1951 III S. 202, Slg. Bd. 55 S. 494, und III 110/55 U vom 2. März 1956, BStBl 1956 III S. 123, Slg. Bd. 62 S. 331). Diese Frage kann aber hier dahingestellt bleiben, weil der Ehemann der Bfin. die Möglichkeit hatte, den als Fehler gerügten Ansatz der Maschinen mit 20.000 DM durch das ordentliche Rechtsmittel gegen den Einheitswertbescheid des Betriebsvermögens zu beanstanden. Das hat er trotz Hinweises auf die Schätzung im Bescheide nicht getan; infolgedessen kann die Bfin. als Rechtsnachfolgerin die Vorschrift des § 222 Abs. 1 Ziff. 4 AO nicht geltend machen (Urteile des Bundesfinanzhofs III 299/58 vom 14. Oktober 1960, Steuerrechtsprechung in Karteiform, AO, § 222, Rechtsspruch 53, und III 112/56 U vom 17. August 1956, BStBl 1956 III S. 290, Slg. Bd. 63 S. 243). Bei den wenigen Posten, die der Feststellung des Einheitswertes zugrunde lagen, konnte der Ehemann als Vollkaufmann aus dem Bescheide im Vergleich mit seiner eigenen Erklärung erkennen, daß das Finanzamt von der eingereichten Aufstellung und von dem Betriebsprüfungsbericht zu seinen Ungunsten abgewichen war, und zwar konnte die Abweichung nur in den wertmäßig anders geschätzten Maschinen liegen. Die Verpflichtung des Finanzamts, nach § 205 Abs. 3 AO bei wesentlicher Abweichung von der Steuererklärung dem Pflichtigen die beabsichtigte Verböserung vorher mitzuteilen, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Die Ausführungen des Urteils des Bundesfinanzhofs III 286/57 U vom 4. September 1959 (BStBl 1959 III S. 472, Slg. Bd. 69 S. 569) über die Notwendigkeit einer Zurückverweisung der Sache, sofern eine Verböserung im Rechtsmittelverfahren ohne vorherigen Hinweis erfolgte, können für den vorliegenden Fall nicht verwertet werden. Dem Ehemanne ist durch das unrechtmäßige Verhalten des Finanzamts bei Erlaß des Bescheides vom 28. September 1953 kein Nachteil zugefügt worden, der ihn nicht auch bei rechtzeitigem Hinweise getroffen hätte. Beide Parteien waren nicht gewillt, von ihrem Standpunkte abzugehen. Die Möglichkeit, durch eigenes Handeln der Verböserung zu entgehen, bestand für den Ehemann nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 410287 |
BStBl III 1962, 72 |
BFHE 1962, 190 |
BFHE 74, 190 |