Entscheidungsstichwort (Thema)
Bekanntgabe von Umsatzsteuerbescheiden für vollbeendete Personengesellschaft
Leitsatz (NV)
Umsatzsteuerbescheide gegen eine vollbeendete Personengesellschaft sind an den Steuerpflichtigen zu richten, der das Unternehmen als Einzelunternehmer fortführt.
Normenkette
UStG 1973 § 13 Abs. 2, § 18 Abs. 1; AO 1977 § 157 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger zu 1. (A, Kläger zu 1.) war Komplementär der Firma X KG in Z (KG). Kommanditistin war die am 19. Juli 1982 verstorbene T, die von den Klägern und Revisionsklägern zu 2. und 3. (Kläger zu 2. und 3.) beerbt wurde. Kommanditist war außerdem U, der gemäß Gesellschafterbeschluß vom 21. April 1972 aus der Gesellschaft ausgeschieden ist.
Die beiden verbliebenen Gesellschafter, A und T, schlossen am 30. Mai 1973 mit S einen Kaufvertrag, in dem das gesamte Unternehmen, das als Kommanditgesellschaft unter der Firma X betrieben wird, mit allen zum Betriebsvermögen gehörenden Aktiven und Passiven für ... DM veräußert wurde. Um eine Liquidation zu vermeiden und den Fortbestand des Unternehmens zu sichern, wurde S am 1. Juli 1973 als persönlich haftender Gesellschafter in die KG aufgenommen, während A und T zum gleichen Zeitpunkt aus ihr ausschieden. Auch das zum Sonderbetriebsvermögen gehörende Geschäftsgrundstück wurde zum 1. Juli 1973 für ... DM an S verkauft, der das Unternehmen als Einzelfirma fortführte.
A reichte - jeweils für die KG - die Umsatzsteuererklärung 1972 am 3. Mai 1974 und die Umsatzsteuererklärung 1973 am 15. Mai 1975 beim Beklagten und Revisionsbeklagten, dem Finanzamt (FA) ein. Dieses erließ daraufhin am 10. September 1975 Umsatzsteuerbescheide für beide Veranlagungszeiträume, die es an die Firma X KG z.H. Herrn A richtete.
Am 6. August 1976 ordnete das FA gegenüber der KG eine Betriebsprüfung an, die u.a. auch die Umsatzsteuer für die Jahre 1972 und 1973 zum Gegenstand haben sollte. Im Verlauf der Prüfung, die am 16. August 1976 begann, kam der Prüfer zu dem Schluß, das Unternehmen sei an S veräußert worden. Demgemäß bezog das FA im Änderungsbescheid für 1973 vom 30. August 1977, der wiederum an die KG z.H. des Klägers zu 1. adressiert war, einen Veräußerungserlös von ... DM in die Bemessung der Umsatzsteuerschuld ein. In dem in gleicher Weise adressierten Änderungsbescheid für 1972 vom 30. August 1977 erhöhte das FA, dem Prüfer folgend, die Umsatzsteuerschuld um ... DM.
Nachdem der Kläger zu 1. den Zugang dieser Bescheide bestritten hatte, wiederholte das FA deren Zustellung am 12. Mai 1978, und zwar wiederum an die KG z.H. Herrn A.
Der dagegen eingelegte Einspruch des Klägers zu 1. veranlaßte das FA, die Umsatzsteuerbescheide für 1972 und 1973 am 26. Juni 1981 für nichtig zu erklären und inhaltsgleiche Steuerbescheide an den Kläger zu 1. und Frau T in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der ehemaligen Fa. X KG zu erlassen.
Hiergegen richtete sich nach erfolglosem Einspruch die Klage, mit der die Kläger geltend machten, für die Änderungsbescheide vom 26. Juni 1981 fehle die gesetzliche Änderungsbefugnis. Im übrigen stehe ihrem Erlaß der Eintritt der Verjährung entgegen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, die angefochtenen Bescheide hätten auch ohne Korrekturvorschrift ergehen dürfen. Sie seien Erstbescheide, weil die vorangegangenen Bescheide vom 30. August 1977 bzw. 12. Mai 1978 nichtig gewesen seien. Die Verjährungsfrist sei bei Erlaß der angefochtenen Bescheide noch nicht abgelaufen gewesen, weil die am 16. August 1976 begonnene Betriebsprüfung zu einer Ablaufhemmung nach § 146a Abs. 3 der Reichsabgabenordnung (AO) geführt habe. Daß dem eine nichtige Prüfungsanordnung zugrunde gelegen habe, ändere hieran nichts, weil die Nichtigkeit bzw. ein hieraus abzuleitendes Verwertungsverbot nicht festgestellt worden sei.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Sie sind weiterhin der Meinung, die angefochtenen Bescheide hätten wegen Verjährungsablauf nicht mehr ergehen dürfen.
Entscheidungsgründe
A. Der V.Senat ist nach dem im Zeitpunkt der Entscheidung maßgebenden Geschäftsverteilungsplan des Bundesfinanzhofs (BFH) zuständig. An seiner Stelle ist nicht der X.Senat zuständig (vgl. III. 2., Satz 2 der Ergänzenden Regelungen im Geschäftsverteilungsplan des BFH für 1992), weil nach Würdigung der Ausführungen in der Revisionsbegründungsschrift nicht ausschließlich Fragen der Abgabenordnung (AO 1977) streitig sind.
B. Die Revsion ist begründet. Die Vorentscheidung verletzt § 13 Abs. 2, § 18 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967/ 1973, § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977; denn die angefochtenen Steuerfestsetzungen für 1972 und 1973 hätte das FA nicht an die Kläger, sondern an den die KG übernehmenden Gesellschafter S richten müssen.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein die Umsätze einer Personengesellschaft betreffender Umsatzsteuerbescheid nicht mehr rechtswirksam an die Personengesellschaft oder die für sie handelnden Personen bekanntgegeben werden, wenn ein Gesellschafter das Vermögen der Gesellschaft (mit Aktiven und Passiven) ohne Liquidation durch das Ausscheiden der übrigen Gesellschafter übernimmt (vgl. BFH-Urteil vom 18. September 1980 V R 175/74, BFHE 132, 348, BStBl II 1981, 293). In diesem Fall tritt das Erlöschen der Gesellschaft durch Vollbeendigung sofort ein; denn das Gesellschaftsvermögen ist durch Anwachsung in einem Akt Alleinvermögen des übernehmenden Gesellschafters geworden (vgl. auch BFH-Beschluß vom 5. März 1986 VII B 147/85, BFH/NV 1987, 338). Die Anwachsung ist eine Form der Gesamtrechtsnachfolge. Der Gesamtrechtsnachfolger muß die Ansprüche und Verpflichtungen, die aus der Unternehmertätigkeit des Rechtsvorgängers abgeleitet werden, auch verfahrensrechtlich abwickeln. Verwaltungsakte können nicht länger wirksam an die nicht mehr bestehende Personengesellschaft oder ihre ehemaligen ausgeschiedenen Gesellschafter gerichtet werden. Durch gesellschaftsvertragliche Abreden oder entgegenstehende tatsächliche Abwicklung können diese Rechtsfolgen nicht geändert werden.
a) Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest; denn sie ergibt eine klare Regelung dessen, an wen z.B. Umsatzsteuerbescheide für vollbeendete Personengesellschaften zu richten sind. Ob dies dazu führen muß, daß Umsatzsteuer für die Umsätze der vollbeendeten Personengesellschaft gegen den übernehmenden Gesellschafter - z.B. im Übernahmejahr - in einem besonderen Umsatzsteuerbescheid festgesetzt wird, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden.
b) Die bezeichneten Grundsätze sind im Streitfall anwendbar. Zwar hatten die Altgesellschafter der KG wesentliche Teile des Gesellschaftsvermögens durch Erfüllung des am 30. Mai 1973 geschlossenen Kaufvertrages über das gesamte Unternehmen der KG zum 30. Juni 1973 vor Eintritt des Neugesellschafters S an diesen übertragen. Als dieser am 1. Juli 1973 in die Gesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter eintrat und die Altgesellschafter zum gleichen Zeitpunkt aus der Gesellschaft ausschieden, übernahm S das gesamte noch vorhandene Gesellschaftsvermögen der KG (z.B. die Firma, Verbindlichkeiten für die Geschäftsveräußerung). Er war nunmehr durch Vermögensübertragung und Anwachsung Alleininhaber aller zunächst im Gesamthandseigentum dem Unternehmensvermögen verbundenen Gegenstände und aller Forderungen sowie Schuldner der Verbindlichkeiten der KG. Auf diese Weise war die KG vollständig abgewickelt. Zwingende Gründe, unter diesen Umständen den bisherigen Altgesellschaftern die Zuständigkeit für die noch nicht abschließend geregelten Steueransprüche zu belassen, sind nicht vorhanden.
2. Die Kläger konnten sich zulässig gegen den durch Bescheide, Einspruchsentscheidung und Urteil gegen sie gerichteten Rechtsschein wenden, die Steuerfestsetzung wirke gegen sie.
3. Die mit den vorstehenden Ausführungen unvereinbare Vorentscheidung und die angefochtenen Entscheidungen des FA waren aufzuheben.
Fundstellen