Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur steuerrechtlichen Anerkennung eines Mietverhältnisses
Leitsatz (NV)
Die steuerrechtliche Anerkennung eines Mietverhältnisses setzt voraus, dass die Vertragsparteien die vereinbarten Leistungen (Überlassen der Mietsache, Zahlung der Miete) tatsächlich erbringen. Hierzu muss feststehen, ob (und ggf. ab wann) der Vermieter dem Mieter eine Wohnung zur Nutzung überlassen hat und dass die gezahlte Miete tatsächlich endgültig in das Vermögen des Vermieters übergegangen ist. Die insoweit notwendigen Feststellungen obliegen dem FG.
Normenkette
AO 1977 § 41 Abs. 2; EStG § 21 Abs. 1
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) vermietete ab April 1994 ihre Wohnung in Y an ihre Tochter. Die monatliche Miete einschließlich Umlagen betrug 850 DM.
In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre (1994 und 1996) machte die Klägerin bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Wohnung jeweils Werbungskostenüberschüsse geltend, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) nicht zum Abzug zuließ.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Zwischen den Beteiligten sei zwar unstreitig, dass das Mietverhältnis tatsächlich durchgeführt worden sei; ihm sei jedoch wegen eines Gestaltungsmissbrauchs i.S. von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) die steuerrechtliche Anerkennung zu versagen, weil die Tochter der Klägerin nicht in der Lage gewesen sei, die vereinbarte Miete aus eigenen Mitteln aufzubringen. Der Tochter hätten in den Streitjahren aus Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit und Unterhaltszahlungen des Vaters monatlich insgesamt 874 DM (Streitjahr 1994) und 1042 DM (Streitjahr 1996) zur Verfügung gestanden. Selbst wenn man unterstelle, dass sie als Hotelangestellte während der Arbeitszeit kostenlose Mahlzeiten erhalten habe, reichten ihre vorhandenen Mittel nicht für Miete und sonstigen Lebensunterhalt aus. Eine regelmäßige finanzielle Unterstützung der Tochter der Klägerin durch ihren damaligen Verlobten und jetzigen Ehemann sei für das Streitjahr 1994 weder vorgetragen noch nachgewiesen und auch für das Streitjahr 1996 nicht ersichtlich; aus den für den Zeitraum 1994 bis 1996 vorgelegten Kontoauszügen ergebe sich nur eine Zahlung von jeweils 500 DM Anfang Mai und Anfang Oktober 1996.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen (§ 96 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) und materiellen Rechts (§ 42 AO 1977; § 21 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―). Das FG habe nicht alle vorgetragenen entscheidungserheblichen Tatsachen berücksichtigt. Für das Streitjahr 1994 erwähne es im Urteilstatbestand Unterstützungsleistungen des damaligen Verlobten der Tochter, führe jedoch später aus, hierzu sei von der Klägerin nichts vorgetragen. Darüber hinaus seien aus den dem FG vorgelegten Kontoauszügen ―auf das Streitjahr 1994 bezogen― verschiedene Bareinzahlungen zugunsten der Tochter zu ersehen. Für das Streitjahr 1996 ergebe sich aus den Kontoauszügen das Bestehen eines Dauerauftrages von monatlich 500 DM, während das FG nur zwei nachgewiesene Zahlungen annehme. Dem Mietverhältnis sei auch nicht wegen eines Gestaltungsmissbrauchs i.S. von § 42 AO 1977 die steuerrechtliche Anerkennung zu versagen. Die Herkunft der Mittel für die unstreitig erfolgten Mietzahlungen sei unerheblich. Gehe man davon aus, dass diese Dritte (hier: der Verlobte und der Vater) zur Verfügung gestellt hätten, sei dies steuerrechtlich (von vornherein) ohne Bedeutung. Unterstelle man ―wie offensichtlich das FG―, dass es Barmittel der Klägerin seien, sei die Mietzahlung aus empfangenem Unterhalt erfolgt, was nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) einer steuerrechtlichen Anerkennung des Mietverhältnisses nicht entgegenstehe.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Werbungskostenüberschüsse von 28 601 DM (Streitjahr 1994) und 28 285 DM (Streitjahr 1996) zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Die vom FG bisher getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um in der Revisionsinstanz über die steuerrechtliche Anerkennung des strittigen Mietverhältnisses abschließend zu entscheiden.
1. Voraussetzung für die steuerrechtliche Berücksichtigung eines Mietverhältnisses ist zunächst, dass es nicht zum Schein abgeschlossen ist (§ 41 Abs. 2 AO 1977). Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Vertragsparteien ―offenkundig― die notwendigen Folgerungen aus dem Vertrag bewusst nicht gezogen haben, z.B. der Vermieter dem Mieter (in Verwirklichung eines gemeinsam gefassten Gesamtplanes) die Miete im Vorhinein zur Verfügung stellt oder sie nach dem Eingang auf seinem Konto alsbald wieder an den Mieter zurückzahlt, ohne aus anderen ―z.B. unterhaltsrechtlichen― Rechtsgründen verpflichtet zu sein. Ein Beweisanzeichen hierfür kann insbesondere sein, dass der Mieter wirtschaftlich nicht oder nur schwer in der Lage ist, die Miete aufzubringen (z.B. BFH-Urteil vom 28. Januar 1997 IX R 23/94, BFHE 182, 542, BStBl II 1997, 655, m.w.N.).
Ferner sind Mietverträge unter nahen Angehörigen der Besteuerung nur zugrunde zu legen, wenn sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen. Dies setzt nach der neueren Rechtsprechung des BFH zumindest voraus, dass die Hauptpflichten der Vertragsparteien, wie das Überlassen einer bestimmten Mietsache zur Nutzung und die Höhe der zu entrichtenden Miete (vgl. § 535 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), klar und eindeutig vereinbart und entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden (z.B. BFH-Urteil vom 26. Juni 2001 IX R 68/97, BFH/NV 2001, 1551, m.w.N.).
Darüber hinaus darf das Vermieten der Wohnung kein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 Abs. 1 AO 1977 sein; hierbei ist unschädlich, wenn die Miete ganz oder teilweise aus vom Vermieter geschuldeten Barunterhalt gezahlt wird (s. dazu z.B. BFH-Urteil vom 19. Oktober 1999 IX R 39/99, BFHE 190, 173, BStBl II 2000, 224, auf dessen Gründe der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen verweist).
2. Die Anwendung der dargestellten Grundsätze auf den Streitfall führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Aus den von der Klägerin eingereichten Unterlagen (Kopien von Kontoauszügen und Kontoübersichten über Bewegungen auf dem Konto der Tochter), die das FG durch Bezugnahme zum Inhalt seiner Feststellungen gemacht hat, ist zu entnehmen, dass die Tochter in den Streitjahren (soweit ersichtlich mit Ausnahme einiger Monate) an die Klägerin jeweils 850 DM überwiesen hat.
Zutreffend macht diese geltend, das FG habe bei der Entscheidung, welche Mittel der Tochter zur Mietzahlung zur Verfügung standen, nicht alle vorgetragenen Tatsachen beachtet. Die Kontoauszüge und Kontoübersichten weisen aus, dass neben dem monatlichen Gehalt (u.a. in den Streitjahren 1994 und 1996) noch weitere Zahlungen auf dem Konto der Tochter eingingen, die das FG überhaupt nicht (Streitjahr 1994) bzw. nur unzureichend (Streitjahr 1996) berücksichtigt hat.
Die Kontoübersichten zeigen aber auch, dass die kontoführende Bank als Anschrift der Tochter bis September 1995 X und erst danach Y aufgeführt hat. Der Hinweis des FG, die tatsächliche Durchführung des Mietverhältnisses sei zwischen den Beteiligten unstreitig, reicht vor diesem Hintergrund nicht aus, die fehlenden eigenen Feststellungen zu ersetzen. Diese muss das FG nachholen und neben der Frage der vorhandenen Mittel der Tochter sowie der vertragsgemäßen Zahlung der Miete auch prüfen, ob (und gegebenenfalls ab wann) die Klägerin die Wohnung in Y der Tochter in den Streitjahren zur Nutzung überlassen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 921384 |
BFH/NV 2003, 612 |