Entscheidungsstichwort (Thema)
Durchführung eines Vorverfahrens: Auslegung eines Einspruchs und der Rücknahme eines Einspruchs
Leitsatz (NV)
1. Die Revision ist auch insoweit statthaft, als mit ihr nur die Abweisung der Klage als unzulässig statt als unbegründet begehrt wird.
2. Die in einem Sammelbescheid zusammengefassten Steuerfestsetzungen können unabhängig voneinander angefochten werden.
3. Die Auslegung eines Einspruchs ist grundsätzlich Gegenstand der vom FG zu treffenden tatsächlichen Feststellungen, an die das Revisionsgericht gebunden ist. Revisionsrechtlich nachprüfbar ist indes die vorab zu klärende Frage, ob der Einspruch auslegungsbedürftig ist.
4. Die Rücknahme des Einspruchs unterliegt ebenso wie die Einlegung des Einspruchs den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB. Dies gilt grundsätzlich auch für Erklärungen rechtskundiger Personen.
5. Im Rahmen der Auslegung ist maßgeblich auf den Empfängerhorizont abzustellen, dabei sind auch Umstände in Betracht zu ziehen, die sich nicht aus der Rücknahmeerklärung selbst ergeben, dem Empfänger jedoch bekannt sind.
Normenkette
FGO § 44 Abs. 1; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr (1993) zusammenveranlagt. In dem Einkommensteuerbescheid 1993 vom 9. Oktober 1995 erfasste der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) bei den Einkünften des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft einen Aufgabegewinn in Höhe von 368 009 DM. Dieser entfiel in Höhe von 268 730 DM auf den Verkauf der Milchreferenzmenge. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Dagegen legten die Kläger mit Schreiben vom 31. Oktober 1995 Einspruch ein. Der Einspruch enthält den Antrag, die Kirchensteuer, soweit sie auf den Aufgabegewinn entfällt, in Höhe von 50 % zu erlassen. Gleichzeitig wurde die Bitte geäußert, das Schreiben an das Kirchenverwaltungsamt weiterzuleiten und die Aussetzung der Vollziehung über die zu erlassende Kirchensteuer zu gewähren.
Das Kirchenverwaltungsamt teilte dem FA am 19. März 1996 mit, dass die Kirchensteuer in dem begehrten Umfang erlassen worden und deshalb zu erstatten sei.
Nach einer Betriebsprüfung erließ das FA unter dem 3. April 1997 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1993, in dem der Betriebsaufgabegewinn nunmehr in Höhe von 416 497 DM angesetzt und der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben worden ist.
Hiergegen richtete sich der Einspruch des Klägers vom 26. April 1997, mit dem er geltend machte, dass der Abzugsbetrag gemäß § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht berücksichtigt worden sei.
Mit Schreiben vom 2. Mai 1997 nahm der Kläger den Einspruch vom 26. April 1997 hinsichtlich des Abzugsbetrages gemäß § 10e EStG zurück. Unter Hinweis auf seinen Einspruch vom 31. Oktober 1995 beantragte er zudem, die Kirchensteuer in Höhe von 50 % zu erlassen, soweit sie auf den (nunmehr höheren) Aufgabegewinn entfällt. Gleichzeitig wurde auch wieder die Bitte geäußert, das Schreiben an das Kirchenverwaltungsamt weiterzuleiten.
Das FA betrachtete den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1993 als insgesamt zurückgenommen und leitete das Schreiben an das Kirchenverwaltungsamt weiter.
Mit Schreiben vom 11. Juni 1998 begehrte der Kläger unter Bezugnahme auf seinen Einspruch vom 26. April 1997, den Aufgabegewinn in Höhe des Betrages herabzusetzen, der als Kaufpreis für die Veräußerung der Milchreferenzmenge erzielt worden war. Zur Begründung verwies er auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. März 1998 IV R 8/95 (BFHE 185, 434, BStBl II 2003, 54) und IV R 23/96 (BFHE 185, 435, BStBl II 2003, 56). Im Übrigen führte er aus, dass der Einspruch mit Schreiben vom 2. Mai 1997 nur teilweise zurückgenommen worden sei.
Das FA wertete das Schreiben vom 11. Juni 1998 als erneuten Einspruch des Klägers und verwarf diesen mit gegen den Kläger allein gerichteter Einspruchsentscheidung als unzulässig.
Dagegen haben beide Kläger Klage erhoben. Während des Klageverfahrens erging unter dem 11. Dezember 2003 ein geänderter Einkommensteuerbescheid 1993, welcher Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Die Gründe der Entscheidung vom 1. Juli 2004 5 K 100/03 sind in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1743 abgedruckt.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt ist.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des SchleswigHolsteinischen FG vom 1. Juli 2004 5 K 100/03 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1993 in der zuletzt geänderten Fassung vom 11. Dezember 2003 sowie die Einspruchsentscheidung vom 6. März 2002 (Stempeldatum; richtig wohl: 2003) dahin zu ändern, dass der Betriebsaufgabegewinn um 234 198 DM gemindert wird.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. A. Die Revision der Klägerin ist unbegründet mit der Maßgabe, dass ihre Klage als unzulässig abgewiesen wird.
Zu Unrecht hat das FG die Klage der Klägerin als unbegründet abgewiesen. Die Klage ist vielmehr mangels Durchführung eines Vorverfahrens gemäß § 44 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unzulässig abzuweisen.
1. Nach § 44 Abs. 1 FGO ist die Klage in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, vorbehaltlich der §§ 45 und 46 FGO nur zulässig, wenn ein Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Daran fehlt es im Streitfall.
2. Die Klägerin hat gegen den Einkommensteuerbescheid 1993 keinen Einspruch eingelegt. Der von beiden Klägern eingelegte Einspruch vom 31. Oktober 1995 richtet sich ausschließlich gegen die Festsetzung der Kirchensteuer (dazu unten unter B.). Den Schreiben vom 26. April 1997 und 11. Juni 1998 ist nicht zu entnehmen, dass Einspruch auch im Namen der Klägerin eingelegt werden sollte. Die von dem rechtskundigen Bevollmächtigten gefertigten Schreiben weisen im Gegensatz zu dem Einspruchsschreiben vom 31. Oktober 1995 im Betreff lediglich den Kläger als Einspruchsführer aus. Davon ist auch das FA ausgegangen, weshalb es in der Einspruchsentscheidung vom 6. März 2002 zutreffend nur den Kläger als Einspruchsführer bezeichnet hat.
3. Die Klage der Klägerin hätte daher, soweit sie auf die Änderung des Einkommensteuerbescheides 1993 ihr gegenüber gerichtet ist, wegen des Fehlens der Sachentscheidungsvoraussetzungen gemäß § 44 Abs. 1 FGO als unzulässig und nicht --wie geschehen-- als unbegründet abgewiesen werden müssen. Die in ihren Wirkungen weiter gehende Abweisung als unbegründet bedeutet für die Klägerin eine Beschwer, die sie mit der Revision angreifen kann (vgl. Senatsurteil vom 26. August 2004 IV R 68/02, BFH/NV 2005, 553). Die Beschwer war durch entsprechende Änderung des angefochtenen Urteils zu beseitigen.
B. Die Revision des Klägers ist ebenfalls unbegründet. Insoweit hat das FG im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der begehrten Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 1993 dessen Bestandskraft entgegensteht.
Der Antrag vom 11. Juni 1998, mit dem erstmals die Herabsetzung des Betriebsaufgabegewinns begehrt wird, ist nicht als erweiternde oder ergänzende Einspruchsbegründung in einem laufenden Einspruchsverfahren zu werten, da das maßgebende Einspruchsverfahren zu diesem Zeitpunkt bereits beendet und der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1993 damit in Bestandskraft erwachsen war.
Dem Eintritt der formellen und materiellen Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides 1993 in der zuletzt geänderten Fassung vom 11. Dezember 2003 steht weder der Einspruch vom 31. Oktober 1995 entgegen, da dieser gegen einen anderen Bescheid gerichtet war (dazu 1.), noch der Einspruch vom 26. April 1997, nachdem dieser wirksam zurückgenommen worden ist (dazu 2.).
1. Die Annahme des FG, dass der Einspruch der Kläger vom 31. Oktober 1995 nicht gegen den Einkommensteuerbescheid 1993 vom 9. Oktober 1995, sondern ausschließlich gegen den Kirchensteuerbescheid 1993 selben Datums gerichtet war, hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.
Gemäß § 357 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) "soll" bei der Einlegung des Rechtsbehelfs der Verwaltungsakt bezeichnet werden, gegen den der Einspruch gerichtet ist. Danach ist die Rechtswirksamkeit des eingelegten Rechtsbehelfs nicht von einer konkreten genauen Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts abhängig. Es ist jedoch erforderlich, dass sich die Zielrichtung des Begehrens aus der Rechtsbehelfsschrift in der Weise ergibt, dass sich der angefochtene Verwaltungsakt entweder aus dem Inhalt der Rechtsbehelfsschrift selbst ermitteln lässt oder Zweifel oder Unklarheiten am Gewollten durch Rückfragen des FA beseitigt werden können. Fehlt es an einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung des wirklich Gewollten, hat das FA den wirklichen Willen des Steuerpflichtigen durch Auslegung seiner Erklärung zu ermitteln. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige denjenigen Verwaltungsakt anfechten will, der angefochten werden muss, um zu dem erkennbar angestrebten Erfolg zu kommen (vgl. Senatsurteil vom 19. Juni 1997 IV R 51/96, BFH/NV 1998, 6, m.w.N.). In entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sind auch außerprozessuale Verfahrenserklärungen auszulegen. Dies gilt grundsätzlich auch für Erklärungen rechtskundiger Personen. Die Auslegung des Einspruchs ist jedoch grundsätzlich Gegenstand der vom FG zu treffenden tatsächlichen Feststellungen, an die das Revisionsgericht gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), soweit im Revisionsverfahren keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben werden. Das Revisionsgericht kann die Auslegung durch das FG nur daraufhin überprüfen, ob das FG die gesetzlichen Auslegungsregeln beachtet und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 118 Rz 48). Revisionsrechtlich nachprüfbar ist indes, ob der Einspruch auslegungsbedürftig ist. Hieran fehlt es, wenn die Erklärung nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat (vgl. Urteil des BFH vom 28. November 2001 I R 93/00, BFH/NV 2002, 613, m.w.N.).
Die Entscheidung des FG entspricht jedenfalls im Ergebnis diesen Rechtsgrundsätzen. Das FG hat, allerdings ohne dies näher zu begründen, ausgeführt, dass sich der Einspruch vom 31. Oktober 1995 bei verständiger Auslegung allein auf die Kirchensteuer bezog.
Dieser Würdigung des FG liegt die stillschweigende Annahme zu Grunde, dass der Einspruch auslegungsbedürftig war.
Dem stimmt der Senat ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des FG aus folgenden Erwägungen zu: Der insoweit streitgegenständliche Bescheid über Einkommensteuer und Kirchensteuer vom 9. Oktober 1995 ist ein sog. Sammelbescheid. Beide Steuerfestsetzungen stehen selbständig nebeneinander und sind lediglich in einem Bescheid verbunden. Die Steuerfestsetzungen können daher grundsätzlich unabhängig voneinander angefochten werden (Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 347 AO Rz 79, 200). Ausgehend von dieser Sachlage lässt sich der Umfang des Einspruchs in dem Schreiben vom 31. Oktober 1995 nicht eindeutig bestimmen. So wird darin zunächst, gleichsam einleitend, nur ausgeführt, dass Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1993 eingelegt wird. Des Weiteren wird sodann aber ausschließlich der Teilerlass der Kirchensteuer, soweit sie auf den Aufgabegewinn entfällt, beantragt. Auch die Bitte um Weiterleitung des Schreibens an das Kirchenverwaltungsamt sowie der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung betreffen ausschließlich die Kirchensteuer. Eine darüber hinausgehende, dem Bescheid über die Einkommensteuer innewohnende Beschwer haben die Einspruchsführer nicht dargelegt. Angesichts dieser Widersprüchlichkeiten hat das FG zu Recht den Einspruch als auslegungsbedürftig und auslegungsfähig angesehen.
Die sodann vom FG vorgenommene Auslegung, dass der Einspruch nur gegen den Kirchensteuerbescheid gerichtet war, lässt einen Verstoß gegen die Denkgesetze und Erfahrungssätze nicht erkennen.
Die Auslegung orientiert sich ersichtlich an dem von den Klägern dargelegten Rechtsschutzziel, die Kirchensteuer, soweit sie auf den Aufgabegewinn entfällt, um die Hälfte zu reduzieren. Dass die rechtskundig beratenen Kläger als Einspruchsgegenstand den Einkommensteuerbescheid 1993 bezeichnet haben, steht dieser Auslegung nicht entgegen. Die Bezeichnung deutet eher auf eine sprachliche Ungenauigkeit hin, die daraus resultiert, dass der Einkommensteuer- und der Kirchensteuerbescheid als Einheit betrachtet worden sind. Zutreffend weist die Revision zwar darauf hin, dass der Erlass der Kirchensteuer nicht im Festsetzungs-, sondern im Erhebungsverfahren geltend zu machen ist. Dieser Umstand kann aber nicht zur Auslegung der vorliegenden Willenserklärung herangezogen werden. Deren Inhalt legt vielmehr die Vermutung nahe, dass dem Verfasser des Einspruchs diese verfahrensrechtliche Trennung zum damaligen Zeitpunkt nicht bewusst war. Dafür spricht auch der Inhalt des Schreibens vom 2. Mai 1997, welches vom nämlichen Steuerberater verfasst worden ist. Darin beantragt dieser namens des Klägers unter Verweis auf seinen Einspruch vom 31. Oktober 1995 erneut den Erlass der Kirchensteuer.
Ausgehend von dieser Beurteilung braucht der Senat nicht darauf einzugehen, ob er dem FG auch hinsichtlich der kumulativen Begründung folgen könnte, dass der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid jedenfalls durch das Schreiben vom 2. Mai 1997 zurückgenommen worden ist.
2. Revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG, dass der erneute Einspruch des Klägers vom 26. April 1997, soweit er gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 1993 vom 3. April 1997 gerichtet war, mit Schreiben vom 2. Mai 1997 zurückgenommen worden ist; der Bescheid ist damit nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist in Bestandskraft erwachsen.
Wie die Einlegung unterliegt auch die Rücknahme des Einspruchs den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB. Da es sich um eine empfangsbedürftige, bedingungsfeindliche Willenserklärung handelt, ist maßgeblich darauf abzustellen, wie das FA als Erklärungsempfänger den objektiven Erklärungswert verstehen musste. Im Rahmen der Auslegung sind daher auch Umstände in Betracht zu ziehen, die sich nicht aus dem Rücknahmeschreiben selbst ergeben, die jedoch der entscheidenden Behörde und ggf. den anderen Verfahrensbeteiligten bekannt sind (Senatsurteil vom 8. Juni 2000 IV R 37/99, BFHE 193, 85, BStBl II 2001, 162, m.w.N.). Entspricht die Auslegung des FG diesen Vorgaben, ist das Revisionsgericht an die tatsächlichen Feststellungen gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO), soweit im Revisionsverfahren keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben werden (vgl. dazu die Ausführungen unter B.1.).
Daran gemessen hält die Entscheidung des FG einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Frage, ob der Einspruch und damit die Überprüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Ganzen nicht mehr weiter verfolgt werden soll, hängt maßgeblich von dem ursprünglichen Einspruchsbegehren ab. Das FG hat daher zu Recht die Auslegung der Rücknahmeerklärung in den Kontext zu der vorherigen Einspruchseinlegung gestellt. Der Einspruch vom 26. April 1997 wurde ausschließlich damit begründet, dass der Abzugsbetrag gemäß § 10e EStG nicht berücksichtigt worden ist. Anhaltspunkte für eine weiter gehende Beschwer des angefochtenen Einkommensteuerbescheids sind dem Einspruchsschreiben nicht zu entnehmen. Ebenso wenig kann dem Einspruchsschreiben das Interesse des Klägers entnommen werden, das Verfahren im Hinblick auf die beim BFH zum damaligen Zeitpunkt unter den Aktenzeichen IV R 8/95 und IV R 23/96 noch anhängigen Revisionsverfahren offen zu halten. Es kann vielmehr davon ausgegangen werden, dass der rechtskundig vertretene Kläger zur Erreichung dieses Zweckes das Ruhen des Verfahrens gemäß § 363 Abs. 2 AO beantragt hätte. Die im Schreiben vom 2. Mai 1997 erklärte Rücknahme des Einspruchs hinsichtlich der Absetzung gemäß § 10e EStG spricht daher grundsätzlich dafür, dass das Änderungsbegehren im Hinblick auf den Einkommensteuerbescheid 1993 fallengelassen worden ist. Zu Recht hat das FG für die Auslegung der Rücknahmeerklärung auch das vorhergehende Telefonat zwischen der Mitarbeiterin des Steuerbüros und dem Sachbearbeiter des FA nebst dem daraus resultierenden Aktenvermerk herangezogen. Auf die Frage, ob die Mitarbeiterin zu der Abgabe einer Rücknahmeerklärung autorisiert war, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Maßgeblich ist allein, dass der telefonischen Unterredung die avisierte Rücknahmeerklärung tatsächlich nachfolgte und dieser aus der Sicht des Erklärungsempfängers --des FA-- deshalb ein bestimmter Erklärungsinhalt beigemessen werden konnte.
Ebenfalls nicht zu beanstanden sind die Erwägungen des FG, dass eine (im Übrigen unzulässige) Teilrücknahme des Einspruchs gegen den Einkommensteuerbescheid 1993 nicht aus der Formulierung "hinsichtlich der Absetzung des § 10e EStG" entnommen werden kann. Mit dem FG ist vielmehr davon auszugehen, dass die sprachliche Einschränkung ausschließlich durch den ebenfalls begehrten (weiteren) Teilerlass der Kirchensteuer zu erklären ist. Der damalige Berater ging offensichtlich, wie bereits ausgeführt (s. B.1.), irrigerweise davon aus, dass der begehrte Teilerlass der Kirchensteuer eines förmlichen Rechtsbehelfsverfahrens gegen den Einkommensteuer-/Kirchensteuerbescheid bedurft hat.
3. Ist der angefochtene Steuerbescheid mithin in Bestandskraft erwachsen, bedarf es keiner Entscheidung der mit der Revision ebenfalls aufgeworfenen materiell-rechtlichen Fragen.
Fundstellen
Haufe-Index 1761117 |
BFH/NV 2007, 1509 |