Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Hängt die Verpflichtung des Arbeitgebers, seinem Arbeitnehmer nach Ablauf von mehreren Jahren einen festen Betrag zusätzlich zum laufenden Gehalt zu zahlen, entscheidend davon ab, daß der Arbeitnehmer nicht kündigt, so kann der Arbeitgeber zwar den Barwert der Verpflichtung passivieren, muß aber in der Regel einen gleich hohen Aktivposten bilden, der in den Jahren von der Zusage bis zur vereinbarten Fälligkeit der Verbindlichkeit gleichmäßig abgeschrieben wird.
Normenkette
EStG § § 5, 6/1/1, § 6/1/3
Tatbestand
Streitig ist bei der Gewinnermittlung für den Veranlagungszeitraum 1961, ob der Steuerpflichtige in seiner Bilanz vom 31. Dezember 1961 für eine seinen Arbeitnehmern gegebene Zusage eine Rückstellung zu Lasten des steuerlichen Gewinns bilden darf.
Der Steuerpflichtige beschäftigte 31 Arbeitnehmer. Er machte am 28. Dezember 1961 zehn schon länger bei ihm tätigen und bewährten Angestellten schriftliche Zusagen folgenden Inhalts. Die Arbeitnehmer erhalten für treue Mitarbeit im Laufe der vergangenen Jahre einen bestimmten, mit 3 v. H. zu verzinsenden Betrag, der abzüglich der darauf entfallenden Steuern am 30. Dezember 1966 ausgezahlt werden soll. Eine Abtretung der Forderung ist ausgeschlossen; die Forderung erlischt im Falle der Pfändung. Bei Tod des Arbeitnehmers wird die Hälfte des zugesagten Betrages sofort an die Erben ausgezahlt. Der Anspruch des Arbeitnehmers entfällt, wenn vor Fälligkeit entweder der Arbeitnehmer das Dienstverhältnis beendet oder wenn der Steuerpflichtige aus wichtigem Grunde fristlos kündigt.
Das Finanzamt erkannte die vom Steuerpflichtigen begehrte Rückstellung in der Bilanz vom 31. Dezember 1961 in Höhe von 20 000 DM nicht an, die sich aus der Summe aller zugesagten Vergütungen an die zehn Arbeitnehmer (von je 1500 bis 3000 DM) ergab. Das Finanzamt ist der Auffassung, daß eine Treueprämie vorliege, die nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs I 160/59 U vom 19. Juli 1960 (BStBl 1960 III S. 347, Slg. Bd. 71 S. 264) wie eine spätere Jubiläumszuwendung deshalb keine Rückstellung rechtfertige, weil es sich im Rahmen eines schwebenden Vertrages um eine künftige, erst das Jahr der Zahlung belastende Leistung des Arbeitgebers handele. Der Einspruch des Steuerpflichtigen blieb erfolglos.
Die Berufung des Steuerpflichtigen hatte Erfolg. Das Finanzgericht begründete seine in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1956 S. 376 abgedruckte Entscheidung im wesentlichen wie folgt. Die die Zusage des Steuerpflichtigen rechtfertigende Leistung habe der Arbeitnehmer bereits in der Vergangenheit erbracht. Es liege eine am Bilanzstichtag endgültig entstandene Verbindlichkeit vor, deren Fälligkeit nur hinausgeschoben sei. Die auflösende Bedingung, nämlich die eigene Kündigung des Arbeitnehmers oder die Veranlassung einer fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber, sei nach § 4 StAnpG nicht zu berücksichtigen. Das Urteil des Bundesfinanzhofs I 160/59 U zwinge zu keinem anderen Ergebnis, weil die die Zuwendung begründende Treue des Arbeitnehmers bei der künftigen Jubiläumszuwendung erst für die Zukunft bis zum Tage der Zuwendung erwartet werde, hier aber bereits in der Vergangenheit hinreichend bewiesen worden sei.
In seiner Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts zunächst, daß sich das Finanzgericht nicht mit dem Sinn und Zweck der entscheidenden Kündigungsklausel auseinandergesetzt habe. Aus dem Vortrag des Steuerpflichtigen, daß die Kündigungsklausel der Fluktuation habe entgegenwirken und den Arbeitnehmer an den Betrieb habe binden sollen, ergebe sich, daß die Zusage nicht entscheidend für die Dienste des Arbeitnehmers in der Vergangenheit, sondern dafür gegeben worden sei, daß der Arbeitnehmer dem Unternehmer für weitere fünf Jahre seine Arbeitskraft zur Verfügung stelle. Daraus ergebe sich die Anwendung der Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs I 160/59 U. In jedem Fall stünde der Zusage ein abgrenzbares, aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut, nämlich die Sicherheit, daß bewährte Arbeitnehmer in den nächsten fünf Jahren nicht kündigen würden, gegenüber, das nur in fünf Jahren gleichmäßig abschreibbar sei. Auch ein Erwerber des ganzen Betriebs hätte für diesen Vorteil etwas bezahlt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt.
I. Gewinn- oder Umsatzbeteiligungszusagen an Arbeitnehmer können eine unterschiedliche Bedeutung und Grundlage haben. Je nach ihrem sachlichen Inhalt ergeben sich drei Möglichkeiten der bilanzmäßigen Behandlung. Entweder bildet die vom Betrieb eingegangene Verbindlichkeit Aufwand bereits des Jahres der Zusage oder erst Aufwand des Jahres der tatsächlichen Zahlung oder anteiligen Aufwand der einzelnen Jahre von der Zusage bis zur Zahlung. Ein Aufwand ist grundsätzlich ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Fälligkeit dem Wirtschaftsjahr zuzurechnen, zu dem er wirtschaftlich gehört.
Die von einem Unternehmer eingegangene Verbindlichkeit ist Aufwand des Jahres der Zahlung, wenn die Zusage wegen eines erst in der Zukunft sich erfüllenden Grundes gegeben worden ist. Ihre bilanzmäßige Berücksichtigung schon im Jahre der Zusage würde eine unzulässige Vorwegnahme künftigen Aufwandes darstellen. Einen solchen Fall nimmt die Rechtsprechung an, wenn es sich um das Versprechen künftiger Jubiläumszuwendungen handelt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 160/59 U).
Beruht die Zusage tatsächlich auf dem günstigen Betriebsergebnis eines Geschäftsjahres, oder hängt sie mit der Dienstleistung des begünstigten Arbeitnehmers während dieser Zeit zusammen, so steht der Aufwand in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Ertrage dieses Jahres. Die Begründung der Verbindlichkeit stellt dann grundsätzlich Aufwand des Jahres der Zusage dar (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 456/61 U vom 12. März 1964, BStBl 1964 III S. 525, Slg. Bd. 80 S. 138; VI 262/63 U vom 3. Juli 1964, BStBl 1965 III S. 83). Dasselbe traf auch für Pensionszusagen zu, die das Entgelt für in der Vergangenheit geleistete Dienste darstellten und für die insoweit nach den Grundsätzen der dynamischen Bilanzauffassung eine Einmalrückstellung gebildet werden konnte (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 113/52 U vom 10. Februar 1953, BStBl 1953 III S. 102, Slg. Bd. 57 S. 254; I 174/55 S vom 27. September 1955, BStBl 1955 III S. 366, Slg. Bd. 61 S. 431). Diese Grundsätze sind allerdings für Pensionszusagen durch die gesetzliche Regelung in § 6a EStG 1955 eingeschränkt und geändert worden. Für Zusagen, die nicht Pensionszuwendungen, sondern andere Formen eines Entgelts für geleistete Dienste betreffen, behalten diese Erwägungen jedoch ihre Gültigkeit. Davon ging die Entscheidung VI 262/63 U aus.
Wird bei der Zusage zwar auf die vom Arbeitnehmer bisher dem Betriebe geleisteten Dienste oder auf ein günstiges Geschäftsergebnis hingewiesen, besteht aber bei objektiver Würdigung des Sachverhalts in der Regel der Hauptzweck des Zuwendungsversprechens darin, den Arbeitnehmer für eine bestimmte Zahl von Jahren an den Betrieb zu binden, so liegt in der Zusage kein Entgelt für in der Vergangenheit geleistete Dienste und es bildet die Eingehung der Verbindlichkeit anteiligen Aufwand der Jahre, in denen der Betrieb den Nutzen aus der Zusage zieht. Die Feststellung, ob die Zusage in der Hauptsache die Arbeitnehmer an den Betrieb binden soll, liegt auf tatsächlichem Gebiet. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß im allgemeinen der Wegfall des Vergütungsanspruchs des Arbeitnehmers im Fall seiner Kündigung gegen die Annahme spricht, daß er die Vergütung durch Dienstleistungen in vergangenen Jahren erworben hat.
Soll die Zusage in erster Linie den Arbeitnehmer an den Betrieb binden, so wird durch jede einzelne Zusage ein aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut geschaffen, das mit dem für den Zeitpunkt der Zusage sich ergebenden Wert der zu passivierenden Verbindlichkeiten anzusetzen und in den Jahren von der Zusage bis zur vereinbarten Fälligkeit der Verbindlichkeit abzuschreiben ist. Solche Zusagen haben in neuerer Zeit vor allem wegen des zunehmenden Mangels qualifizierter Arbeitskräfte erhebliche Bedeutung erlangt. Ein gedachter Erwerber des Betriebes würde zwar die vom Veräußerer den einzelnen Arbeitnehmern gegenüber begründeten Verbindlichkeiten ansetzen, jedoch den durch die Eingehung der Verbindlichkeit für den Betrieb begründeten Vorteil berücksichtigen. Das durch die Zusage geschaffene Wirtschaftsgut ist abgrenzbar und faßbar (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 27/57 U vom 15. April 1958, BStBl 1958 III S. 260, Slg. Bd. 66 S. 677, und die dort angeführten Entscheidungen). Die Sache liegt wirtschaftlich ähnlich wie in dem vom Reichsfinanzhof im Urteil I 61/39 vom 21. März 1939 (Reichssteuerblatt 1939 S. 1000) entschiedenen Fall. Dort wurden Aufwendungen einer GmbH an eine Gesellschafterin zur Durchführung von An- und Umbauten an einer dieser Gesellschafterin gehörenden Villa, die gleichzeitig bezweckten, einem für den Betrieb der GmbH wertvollen Angestellten eine Wohnung zu verschaffen, um diesen Angestellten an den Betrieb zu binden, als aktivierungspflichtig angesehen. Der aktivierte Betrag war auf die Dauer des Angestelltenverhältnisses zu verteilen. Diese Grundsätze tragen auch dem Gedanken einer periodengerechten Gewinnermittlung Rechnung (vgl. dazu das Urteil des erkennenden Senats IV 222/56 U vom 22. Mai 1958, BStBl 1958 III S. 333, Slg. Bd. 67 S. 160).
II. Da die Vorinstanzen bei der Ermittlung des Sachverhalts von anderen rechtlichen Erwägungen ausgingen und die Bedeutung der Kündigung für den Bestand der Verbindlichkeit unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten würdigten, müssen die Vorentscheidungen aufgehoben werden.
Im Streitfall besteht kein Anlaß zu der Annahme, daß der Hauptzweck der Zusage nicht darin bestand, die bedachten Arbeitnehmer an den Betrieb zu binden, also die Fluktuation zu vermeiden. Die Sache liegt anders als in dem im Urteil des Bundesfinanzhofs VI 262/63 U entschiedenen Fall. Dort hatte sich der Unternehmer zur Zahlung eines festen Betrages erst für den Zeitpunkt des Eintritts des Arbeitnehmers in den Ruhestand oder für den Fall der Invalidität verpflichtet. Wirtschaftlich ähnelte diese Vereinbarung eher einer Pensionszusage. Es konnte deshalb bei Würdigung des Sachverhalts davon ausgegangen werden, daß der Gedanke eines Entgelts für in der Vergangenheit dem Betriebe erbrachte Dienste im Vordergrund stand.
III. Die Sache wird nach Aufhebung der Vorentscheidungen an das Finanzamt zurückverwiesen, das den Gewinn unter Berücksichtigung der vorstehenden Darlegungen zu ermitteln haben wird. Dabei hat das Finanzamt zu beachten, daß der Zinssatz für langfristige Geldanlagen mit 3 v. H. zu niedrig angesetzt ist. In der Rechtsprechung wurden in ähnlich gelagerten Fällen mindestens 5,5 v. H. als angemessen angenommen (vgl. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs IV 456/61 U; VI 262/63 U).
Fundstellen
Haufe-Index 411583 |
BStBl III 1965, 289 |
BFHE 1965, 119 |
BFHE 82, 119 |
BB 1965, 660 |
DB 1965, 689 |