Leitsatz (amtlich)
Kosten für ein Telefongespräch, das im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung in einer Woche geführt wird, in der der auswärts beschäftigte Steuerpflichtige keine Familienheimfahrt durchführt, können als Werbungskosten abzugsfähig sein.
Orientierungssatz
1. Durch § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 EStG kommt zum Ausdruck, daß der Gesetzgeber nur eine wöchentliche Kontaktaufnahme zwischen dem auswärts beschäftigten Steuerpflichtigen und seiner Familie als beruflich veranlaßt und damit als notwendig im Sinne des Gesetzes ansieht. Daraus folgt, daß z.B. die über eine wöchentliche Familienheimfahrt hinausgehenden Familienheimfahrten auch dann nicht als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung berücksichtigt werden können, wenn sie aus dringenden familiären Gründen geboten waren. Das gleiche gilt für sonstige Kosten der Kontaktaufnahme des auswärts beschäftigten Steuerpflichtigen zu seiner Familie, die neben den Kosten einer wöchentlichen Familienheimfahrt anfallen. Diese gesetzgeberische Entscheidung im § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 EStG hält sich innerhalb der durch das GG (Art. 6 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1) vorgegebenen Wertungsgrenzen.
2. Ein Arbeitnehmer, der im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung anstelle der Familienheimfahrt die Kontaktaufnahme durch ein Telefongespräch durchführt, kann im Regelfall die Kosten für ein fünfzehnminütiges Gespräch --ohne weiteren Nachweis-- als Werbungskosten geltend machen. Dabei können auch anteilige Grundgebühren für einen Telefonanschluß berücksichtigt werden. Telefongespräche ins entfernte Ausland sind wegen der damit verbundenen höheren Kosten regelmäßig nachzuweisen.
3. Parallelentscheidung: BFH, 18.3.1988, VI R 28/87, NV.
4. Parallelentscheidung: BFH, 18.3.1988, VI R 122/82, NV.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 1 S. 3 Nr. 5; GG Art. 6 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob Telefongebühren zu den als Werbungskosten abziehbaren Mehraufwendungen einer doppelten Haushaltsführung gehören.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) trat zum 1.Oktober 1980 in Hamburg eine neue Beschäftigung an. Er bezog dort ein Zimmer; der gemeinsame Familienwohnsitz mit seiner Ehefrau, der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), und seinen Kindern verblieb weiterhin in Heilbronn. Bis zum Ende des Jahres 1980 unternahm der Kläger im wesentlichen im 14-tägigen Rhythmus sechs Familienheimfahrten.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 1980 machten die Kläger neben als Mehraufwendungen einer doppelten Haushaltsführung anerkannten Beträgen auch Telefongebühren in Höhe von 487,19 DM (Anschlußgebühren 200 DM; Grundgebühren und Gebühren für laufende Einheiten bis zum 5.Dezember 1980 287,19 DM) als Werbungskosten geltend, die das Finanzamt (Beklagter und Revisionsbeklagter --FA--) nicht zum Abzug zugelassen hat.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der nachfolgenden Begründung ab: Neben den im § 9 Abs.1 Nr.5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Kosten für eine wöchentliche Familienheimfahrt könnten auch sonstige Kosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung Berücksichtigung finden. Voraussetzung sei jedoch, daß die durch den doppelten Haushalt veranlaßten Aufwendungen selbst beruflich veranlaßt seien. Bei der Beurteilung der "beruflichen Veranlassung" von Aufwendungen aus Anlaß einer doppelten Haushaltsführung sei kein ebenso strenger Maßstab anzulegen wie sonst bei der Abgrenzung von beruflich und von der Lebensführung veranlaßtem Aufwand. In § 9 Abs.1 Nr.5 EStG habe der Gesetzgeber eine gesetzliche Regelung für einen typischen Mischtatbestand geschaffen. Die Aufwendungen für Wohnung, Verpflegung und Reisen aus Anlaß einer doppelten Haushaltsführung seien immer auch privat mitveranlaßt; dennoch könnten sie als Werbungskosten abgezogen werden. Aus dieser Entscheidung des Gesetzgebers sei zu folgern, daß im Normalfall einer doppelten Haushaltsführung eine erhebliche private Mitveranlassung für derartige Aufwendungen steuerlich grundsätzlich unbeachtlich sei und damit dem Werbungskostenabzug nicht entgegenstehe. Etwas anderes gelte aber dann, wenn die private Mitveranlassung die berufliche Veranlassung in erheblichem Maße überlagere. Aus dem Tatbestandsmerkmal "notwendige Mehraufwendungen" folge, daß Aufwendungen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung nur solange und soweit als Werbungskosten zu qualifizieren seien, als nicht die berufliche Veranlassung soweit in den Hintergrund getreten sei, daß die private Veranlassung überwiege. Durch dieses Tatbestandsmerkmal werde der Abzug der Aufwendungen i.S. des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG sowohl der Höhe als auch dem Grunde nach beschränkt. Im Streitfall hingen die Telefongebühren ursächlich mit der Arbeitsaufnahme des Klägers in Hamburg und der hierdurch veranlaßten Trennung vom Familienwohnsitz in Heilbronn zusammen. Diese berufliche Verursachung werde aber durch eine weitere Ursache aus der privaten Lebensführung des Klägers in so starkem Maße überlagert, daß dadurch die berufliche Mitveranlassung weit in den Hintergrund trete. Der Kläger habe mit Nachdruck als Grund für die Einrichtung des Telefonanschlusses und für sämtliche Telefongespräche vorgebracht, dies sei aus Sorge um die Gesundheit und das Wohlergehen seiner schwangeren Ehefrau geschehen. Denn er, der Kläger, habe während der Schwangerschaft der Klägerin ständig anrufbereit sein müssen. Dieser Grund habe mit der beruflichen Sphäre des Klägers nichts zu tun; er sei ausschließlich privater Art und überwiege die durch den Wechsel des Beschäftigungsortes vorgegebene berufliche Mitveranlassung bei weitem. Derartige Kosten für aus privatem Anlaß und mit privatem Inhalt geführte Telefongespräche vom Arbeitsplatz oder auswärtigen Beschäftigungsort mit der Familie seien daher nicht im Sinne des Werbungskostenbegriffs beruflich veranlaßt.
Mit ihrer Revision beantragen die Kläger, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Abänderung der Verwaltungsentscheidungen die Telefongebühren in Höhe von 487,19 DM als Werbungskosten anzuerkennen. Zur Begründung tragen sie im wesentlichen vor: Die Telefongebühren seien nur deshalb angefallen, weil der Kläger eine neue Arbeitsstelle angenommen habe, die in weiter räumlicher Entfernung vom Familienwohnsitz gelegen habe. Diese Aufwendungen seien daher objektiv durch den Beruf veranlaßt. Sie seien auch notwendig gewesen zur Aufrechterhaltung der Familienbande und daher ebenso zu beurteilen wie die im Gesetz ausdrücklich genannten Familienheimfahrten. Die steuerliche Abzugsfähigkeit der strittigen Aufwendungen folge damit unmittelbar aus § 9 Abs.1 Nr.5 EStG. Das FG habe dem Gesundheitszustand der Klägerin zu Unrecht ein entscheidendes Gewicht beigelegt. Abgesehen davon, daß für die Einrichtung des Telefons dies nur ein Grund neben dem Hauptgrund, am hauswirtschaftlichen Leben in der Familienwohnung teilzunehmen, gewesen sei, ließen sich mit der Argumentation des FG auch die Kosten für die Familienheimfahrten dem steuerlich unbeachtlichen Privatbereich zuordnen, was dem Gesetz zuwiderliefe. Für die Beurteilung der Abzugsfähigkeit sonstiger Aufwendungen könnten aber keine anderen Grundsätze gelten.
Das FA tritt der Revision mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Die Vorentscheidung geht zutreffend davon aus, daß die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG dem Grunde nach vorliegen. Abziehbar sind nach der vorgenannten Bestimmung die notwendigen Mehraufwendungen, die wegen der doppelten Haushaltsführung erwachsen. Der Senat geht aber im Gegensatz zu der Auffassung des FG davon aus, daß auch Telefonkosten notwendige Mehraufwendungen sein können, die wegen einer doppelten Haushaltsführung entstehen. Dabei ist jedoch folgendes zu beachten.
Gemäß § 9 Abs.1 Nr.5 Satz 3 EStG können Aufwendungen nur für jeweils eine Familienheimfahrt wöchentlich als Werbungskosten abgezogen werden. Hierdurch kommt zum Ausdruck, daß der Gesetzgeber nur eine wöchentliche Kontaktaufnahme zwischen dem auswärts beschäftigten Steuerpflichtigen und seiner Familie als beruflich veranlaßt und damit als notwendig im Sinne des Gesetzes ansieht. Dies hat zur Folge, daß z.B. die über eine wöchentliche Familienheimfahrt hinausgehenden Familienheimfahrten auch dann nicht als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung berücksichtigt werden können, wenn sie aus dringenden familiären Gründen geboten waren. Das gleiche gilt für sonstige Kosten der Kontaktaufnahme des auswärts beschäftigten Arbeitnehmers zu seiner Familie, die neben den Kosten einer wöchentlichen Familienheimfahrt anfallen. Daher können solche Telefongespräche steuerlich nicht berücksichtigt werden, die neben der wöchentlichen Familienheimfahrt mit der Familie geführt worden sind (gleiche Ansicht v.Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 9 Rdnr.G 168).
Diese gesetzgeberische Entscheidung im § 9 Abs.1 Nr.5 Satz 3 EStG hält sich innerhalb der durch das Grundgesetz (GG) vorgegebenen Wertungsgrenzen. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 18.Februar 1966 VI 219/64 (BFHE 86, 39, BStBl III 1966, 386) ausgeführt hat, ist zu beachten, daß nach Art.11 Abs.1 GG alle Bürger im Bundesgebiet Freizügigkeit genießen und daher frei bestimmen können, wo sie wohnen wollen. Art.12 Abs.1 GG sichert ihnen das Recht auf freie Arbeitsplatzwahl. Ferner stehen nach Art.6 Abs.1 GG Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der rechtlichen Ordnung. Die diesen Grundrechten immanenten Wertungen sind angemessen zu berücksichtigen. Dies ist dadurch geschehen, daß die Kosten der Kontaktaufnahme bzw. Zusammenführung des auswärts beschäftigten Steuerpflichtigen mit seinen am gemeinsamen Mittelpunkt der Lebensführung zurückgebliebenen Familienmitgliedern insoweit steuerlich als Kosten einer doppelten Haushaltsführung abzugsfähig sind, als sie jeweils nur auf eine Fahrt pro Woche entfallen.
Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, daß für eine Kontaktaufnahme des auswärts beschäftigten Arbeitnehmers zu seiner Familie ausschließlich die Kosten für Familienheimfahrten als notwendige Mehraufwendungen im Sinne einer doppelten Haushaltsführung steuerlich zu berücksichtigen sind. So hat der Senat bisher schon die Kosten einer Besuchsfahrt der Ehefrau als Werbungskosten des auswärts arbeitenden Ehemannes zum Abzug nach § 9 Abs.1 Satz 1 EStG zugelassen, wenn der Ehemann nicht selbst eine steuerlich anzuerkennende Familienheimfahrt hat unternehmen können (z.B. Urteile vom 2.Juli 1971 VI R 35/68, BFHE 103, 333, BStBl II 1972, 67; vom 21.August 1974 VI R 201/72, BFHE 113, 444, BStBl II 1975, 64, und vom 28.Januar 1983 VI R 136/79, BFHE 137, 496, BStBl II 1983, 313). Nichts anderes kann gelten, wenn der auswärts beschäftigte Arbeitnehmer statt einer wöchentlichen Familienheimfahrt telefonisch Kontakt zu seiner Familie aufnimmt; dies muß um so mehr gelten, als der Senat als Voraussetzung für die Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung eine maßgebende persönliche Mitwirkung am Familienhaushalt verlangt, die bei längerer Abwesenheit von der Familie auch durch brieflichen oder telefonischen Kontakt bewirkt werden kann (z.B. Urteil vom 2.September 1977 VI R 114/76, BFHE 123, 444, BStBl II 1978, 26).
Der Senat vermag aus dem Gesetz auch nicht etwa abzuleiten, daß der Gesetzgeber ausschließlich die in Abschn.27 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) erwähnten Kosten für Familienheimfahrten, für Unterbringung am Beschäftigungsort und für Verpflegungsmehraufwand zum Werbungskostenabzug im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung zugelassen hat. Wäre dies die Absicht des Gesetzgebers gewesen, so hätte es sich angeboten, diese Aufwendungen in § 9 Abs.1 Nr.5 EStG in abschließender Weise aufzuzählen. Statt dessen hat der Gesetzgeber jedoch im Satz 1 dieser Vorschrift allgemein "notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen", als Werbungskosten anerkannt.
Abziehbar sind, wie es das Gesetz allgemein formuliert, nur die "notwendigen Mehraufwendungen" und damit nur die notwendigen Telefonkosten. Wenn auch das Telefongespräch anstatt der sonst durchgeführten Familienheimfahrt geführt wird, so kann dennoch nicht an die Kosten einer solchen Familienheimfahrt angeknüpft werden. Im Interesse der steuerlichen Gleichbehandlung erscheint es geboten, die Frage nach der Notwendigkeit des Telefongesprächs losgelöst von subjektiven Vorstellungen des einzelnen Arbeitnehmers zu beantworten. Notwendig erscheint danach die wöchentliche Kontaktaufnahme durch ein Telefongespräch insoweit, als das Gespräch den Austausch der zur persönlichen Mitwirkung am Familienhaushalt erforderlichen Informationen ermöglicht. Im Regelfall wird es nicht zu beanstanden sein, wenn der Arbeitnehmer die Kosten eines fünfzehnminütigen Gesprächs wöchentlich als Werbungskosten geltend macht. Dabei können auch anteilige Grundgebühren für einen Telefonanschluß berücksichtigt werden. Nach der Lebenserfahrung kann regelmäßig ohne weiteren Nachweis davon ausgegangen werden, daß an Stelle einer wöchentlichen Heimfahrt dem in intakter Ehe lebenden Arbeitnehmer die Kosten eines solchen Telefongesprächs entstanden sind. Telefongespräche ins entfernte Ausland sind wegen der damit verbundenen höheren Kosten regelmäßig nachzuweisen.
Dem Abzug solcher Telefonkosten steht § 12 Nr.1 EStG nicht entgegen. Zwar ist der Inhalt der Telefongespräche privaten Charakters. Die Aufwendungen für die Telefongespräche dienen aber auch, da sie einen Beitrag zur persönlichen Mitwirkung am Familienhaushalt darstellen, der Haushaltsführung des Steuerpflichtigen i.S. des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG. Einen solchen Mischcharakter haben auch die Aufwendungen für Familienheimfahrten und die übrigen nach § 9 Abs.1 Nr.5 EStG abzugsfähigen Aufwendungen (Unterbringungskosten und Verpflegungsmehraufwand). Trotz ihres Mischcharakters sind diese Haushaltsaufwendungen als Werbungskosten abziehbar, weil der Gesetzgeber sie als aus beruflichen Gründen veranlaßte Mehraufwendungen anerkannt hat. Dies trifft auch für die an Stelle einer Familienheimfahrt geführten Telefongespräche zu.
Das FG ist von einem anderen Rechtsstandpunkt ausgegangen und hat Telefonkosten als Werbungskosten generell abgelehnt. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache geht an die Vorinstanz zurück, damit diese die nach den vorstehenden Ausführungen erforderlichen Feststellungen treffen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 62409 |
BFH/NV 1988, 1 |
BStBl II 1988, 988 |
BFHE 153, 526 |
BFHE 1989, 526 |
BB 1988, 1879-1879 (L1) |
DB 1988, 2030-2031 (LT) |
DStR 1988, 648 (ST) |
HFR 1989, 16 (LT) |