Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung: Zusage einer Witwenrente an über 65-jährigen Gesellschafter-Geschäftsführer; objektive Vorteilseignung durch Auszahlung der Witwenrente
Leitsatz (NV)
1. Die Zusage einer Witwenrente an den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH rechtfertigt regelmäßig die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung, wenn der Begünstigte im Zusagezeitpunkt das 65. Lebensjahr überschritten hat. Eine Anstellung des Geschäftsführers "auf Lebenszeit" ändert daran nichts.
2. Handelt es sich bei der zugesagten Witwenversorgung um eine sog. Alt-Zusage, die vor dem 1. Januar 1987 erteilt wurde, und hat die GmbH in der Vergangenheit von ihrem dafür bestehenden Bilanzierungswahlrecht Gebrauch gemacht und keine Pensionsrückstellung für die Versorgungsanwartschaft gebildet, stellen mangels vorheriger Vermögensminderung erst die Witwenrenten in den jeweiligen späteren Auszahlungszeitpunkten nach dem Tod des Gesellschafter-Geschäftsführers verdeckte Gewinnausschüttungen dar.
3. Die verdeckte Gewinnausschüttung in Gestalt der Witwenrente ist objektiv geeignet, eine nachträgliche Kapitaleinkunft i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG als Voraussetzung einer vGA bei der GmbH auszulösen, sei es bei dem nunmehrigen Gesellschafter, sei es bei der Witwe selbst oder sei dies auch bei einer dritten Person als Erben.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2; EStG §§ 6a, 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2; EGHGB Art. 28 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Alleiniger Gesellschafter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer im Januar 1985 gegründeten GmbH, war ursprünglich der am … September 1919 geborene X. Die Stammeinlage sollte seinerzeit durch Einbringung eines seit 1948 durch X geführten Einzelunternehmens im Wege der Umwandlung erbracht werden. Zu alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern wurden X sowie sein Sohn Z bestellt. Z erwarb nach einer Stammkapitalherabsetzung mit Vertrag vom 21. August 1985 den Geschäftsanteil des X.
Am 16. Januar 1985 schloss die Klägerin mit X auf dessen Lebenszeit einen Geschäftsführeranstellungsvertrag. Das Bruttogehalt sollte monatlich 5 900 DM zzgl. eines 13. Monatsgehalts betragen. Es wurde zudem vereinbart, dass im Falle des Todes des Geschäftsführers dessen überlebende Witwe nach der verabredeten dreimonatigen Gehaltsfortzahlung bis an ihr Lebensende monatliche Versorgungsbezüge in Höhe von 11/20 der zuletzt gezahlten Monatsbezüge des Geschäftsführers erhält. In dem mit Z geschlossenen Geschäftsführeranstellungsvertrag vom 22. Januar 1985 wurde ein monatliches Bruttogehalt von 6 200 DM sowie eine Tantieme zugesagt; vereinbart war außerdem ein Pensionsanspruch für den Fall des Ausscheidens aus der Firma wegen Erreichens des 65. Lebensjahres. In der Folgezeit wurde das Geschäftsführergehalt von Z mehrfach erhöht (von 7 200 DM ab 1. November 1985, 10 000 DM ab 1. August 1987, 15 000 DM ab 1. Februar 1989, 20 000 DM ab 1. Januar 1990, 25 000 DM ab 1. Januar 1991, 30 000 DM ab 1. Mai 1991 und 35 000 DM ab 1. Februar 1996).
Im April 1993 verstarb X. Die Klägerin hatte keine Pensionsrückstellungen gebildet, sondern die seit 1993 an die Witwe geleisteten Pensionszahlungen als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben behandelt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hatte dies in der Vergangenheit hingenommen. Nach Durchführung einer Außenprüfung sah er jedoch in den Streitjahren 1999 bis 2003 in den Pensionszahlungen verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) nach § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1999/2002). Er rechnete die Zahlungen dem Gewinn der Klägerin deswegen außerbilanziell hinzu und erließ entsprechend geänderte Steuerbescheide.
Die anschließende Klage blieb erfolglos; das Urteil des Finanzgerichts (FG) Hamburg vom 23. Mai 2008 2 K 15/07 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1911 abgedruckt.
Ihre Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt (sinngemäß), das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Steuerbescheide dahin zu ändern, dass die angesetzten vGA für die gezahlte Witwenrente nicht berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die laufenden Pensionszahlungen, die die Klägerin in den Streitjahren an die Witwe ihres früheren Gesellschafter-Geschäftsführers gezahlt hat, zu Recht als vGA behandelt.
1. Eine vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1999/2002, für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 1999/2002), setzt bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) voraus, die durch das Gesellschaftsverhältnis (mit-)veranlasst ist, nicht auf einer offenen Gewinnausschüttung beruht und sich auf den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG 1997/2002-- (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 1999/2002) auswirkt; dabei muss diese Unterschiedsbetragsminderung die objektive Eignung haben, beim Gesellschafter einen sonstigen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997/2002 auszulösen (z.B. Senatsurteile vom 7. August 2002 I R 2/02, BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131; vom 6. April 2005 I R 15/04, BFHE 210, 14, BStBl II 2006, 196; vom 3. Mai 2006 I R 124/04, BFHE 214, 80). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahe stehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (Senatsurteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626).
2. Ob nach diesen Maßgaben eine Pensionszusage durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst ist, muss vorrangig das FG anhand aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilen (Senatsbeschluss vom 19. Juni 2000 I B 110/99, BFH/NV 2001, 67; Senatsurteil vom 4. September 2002 I R 48/01, BFH/NV 2003, 347, jeweils m.w.N.). Dabei muss es u.a. prüfen, ob die begünstigte Person während der ihr voraussichtlich verbleibenden Dienstzeit den Versorgungsanspruch noch erdienen kann (Senatsbeschluss in BFH/NV 2001, 67, m.w.N.). Das ist im allgemeinen nicht anzunehmen, wenn die Zusage einem Gesellschafter-Geschäftsführer erteilt wurde und dieser im Zusagezeitpunkt das 60. Lebensjahr vollendet hatte (Senatsurteil vom 23. Juli 2003 I R 80/02, BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926, m.w.N.) oder wenn zwischen dem Zusagezeitpunkt und dem vorgesehenen Eintritt in den Ruhestand nur noch eine kurze Zeitspanne liegt (vgl. hierzu Senatsurteile vom 15. März 2000 I R 40/99, BFHE 191, 330, BStBl II 2000, 504; vom 18. August 1999 I R 10/99, BFH/NV 2000, 225, 226; vom 30. Januar 2002 I R 56/01, BFH/NV 2002, 1055, m.w.N.). In einem solchen Fall ist in der Regel davon auszugehen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter im Interesse der Gesellschaft von der Erteilung einer Pensionszusage abgesehen hätte. Es liegt dann regelmäßig eine vGA vor.
3. Im Streitfall hatte X, als die Klägerin ihm die Witwenversorgung zusagte, das 65. Lebensjahr bereits überschritten. Seine Anstellung als Geschäftsführer sollte zwar "auf Lebenszeit" währen. Auch betrug die Lebenserwartung für Männer seinerzeit nach der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes für 1985/86 (vgl. Jahrbuch des Statistischen Bundesamts für die Bundesrepublik Deutschland 1987, S. 76) noch rd. 13 Jahre. Die notwendige Zeit von mindestens zehn Jahren, derer es nach ständiger Rechtsprechung bedarf, um die versprochene Versorgung noch zu erdienen (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 1994 I R 98/93, BFHE 176, 413, BStBl II 1995, 419), hätte ihm jedoch aus Sicht der versorgungszusagenden Klägerin kaum zur Verfügung gestanden. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte deshalb davon abgesehen, einen derartigen in der Praxis ungewöhnlichen Geschäftsführervertrag abzuschließen und dadurch die Gesellschaft mit der altersbedingt schwindenden Leistungsfähigkeit und dem normalen Altersabbau eines solchen Geschäftsführers zu belasten. Erst recht hätte er die Witwenversorgung einem über 65-jährigen erstmals nicht mehr zugesagt.
Davon ausgehend stellt sich die Zusage bei der Klägerin als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst dar. Da die Klägerin in jenen Jahren --für vor dem 1. Januar 1987 erteilte Pensionszusagen-- aber von ihrem diesbezüglichen Bilanzierungswahlrecht (vgl. Art. 28 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch --EGHGB--) Gebrauch gemacht und keine Pensionsrückstellung für die Versorgungsanwartschaft nach § 6a EStG (in den seinerzeitigen Regelungsfassungen) gebildet hatte, konnte seinerzeit --in den Jahren der Versorgungsanwartschaft-- die Konsequenz einer vGA nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1999/2002 nicht gezogen werden; es fehlte an der dafür erforderlichen Vermögensminderung. Zu einer solchen Minderung kam es erst nach dem Tod von X im Jahre 1993, als die Klägerin an dessen Witwe die monatlichen Renten auszahlte. Diese stellen deswegen nunmehr vGA dar. Dass ihr unmittelbarer Empfänger die Witwe des X und nicht Z als Gesellschafter-Geschäftsführer ist, widerspricht dem nicht, und zwar schon deswegen, weil es um die Rechtsfolgen geht, die erst in den Streitjahren aus der seinerzeitigen Zusage gegenüber X zu ziehen sind. Dass dies zeitversetzt geschieht, ist unbeachtlich. Ausschlaggebend ist allein, ob die Zusage im Jahre 1985 durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war, nicht jedoch, wann sich dies auswirkt und ob der seinerzeit Begünstigte im Zusagezeitpunkt, in der Phase der Anwartschaft oder im späteren Auszahlungszeitpunkt (noch) eine Gesellschafterstellung innehat; es liegt ohnehin in der Natur der Sache, dass Letzteres bei der Versorgung der Witwe eines verstorbenen Gesellschafter-Geschäftsführers ausscheidet. Die vGA in Gestalt der Witwenrente ist folglich "objektiv" geeignet, eine (nachträgliche) Kapitaleinkunft i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997/2002 auszulösen, sei es --wovon das FG ausgeht-- bei Z, sei es bei der Witwe selbst oder sei dies auch bei einer dritten Person (s. Gosch, KStG, 1. Aufl., § 8 Rz 228; Wassermeyer in Schön [Hrsg.], Einkommen aus Kapital, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft, Band 30 [2007], S. 257, 264).
Schließlich kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, die Witwenversorgung sei letztlich anstelle einer andernfalls höheren und angemessenen laufenden Vergütung an X zugesagt worden. Es geht um die körperschaftsteuerrechtliche Beurteilung dieser Zusage dem Grunde nach, nicht darum, ob sie ihrer Höhe nach wirtschaftlich mit laufenden Zahlungen hätte "saldiert" werden können, ohne die Angemessenheit der Gesamtausstattung von X in Frage zu stellen.
4. Die vorstehenden Grundsätze über die Zusage einer (Witwen-)Versorgung an den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, der das 65. Lebensjahr überschritten hat, sind im Streitfall anzuwenden. Sie entsprechen auch nach den Maßstäben des Zusagejahres 1985 einer zutreffenden und bereits seinerzeit anzustellenden Sachverhaltswürdigung (vgl. --wie von der Vorinstanz zutreffend aufgeführt-- z.B. Senatsurteile vom 10. April 1962 I 70/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1962, 233; vom 13. Dezember 1961 I 321/60 U, BFHE 74, 657, BStBl III 1962, 243). Wenn die Finanzverwaltung (im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 1. August 1996, BStBl I 1996, 1138) für die Frage der Dauer des sog. Erdienbarkeitszeitraums im Anschluss an das Senatsurteil in BFHE 176, 413, BStBl II 1995, 419 eine Übergangsregelung geschaffen hat, so handelt es sich hierbei um eine Billigkeitsregelung, die für die hier zu treffende Sachentscheidung unbeachtlich ist. Davon abgesehen bezieht sich diese Übergangsregelung auf die Zusage einer Versorgungsanwartschaft unter Berücksichtigung einer Erdienbarkeitsdauer von 10 Jahren, nicht aber auf die damit zwar zusammenhängende, davon im Ausgangspunkt jedoch zu unterscheidende Frage nach der (erstmaligen) Zusage einer solchen Anwartschaft an einen über 65-jährigen Gesellschafter-Geschäftsführer.
Fundstellen
Haufe-Index 2216653 |
BFH/NV 2009, 1841 |
BFH/PR 2009, 428 |
DB 2010, 1485 |
DStZ 2009, 828 |