Leitsatz (amtlich)
Zur Einreihung in die Gebäudeklasse und zur Findung des Gebäudenormalherstellungswerts bei der Bewertung eines Fabrikgrundstücks im Sachwertverfahren.
Orientierungssatz
1. Die durch die BewRGr vorgegebenen Schätzungsschritte (Anlagen 13 und 14 zu Abschn. 38 BewRGr) machen es erforderlich, zunächst von der Mittelwertigkeit der jeweiligen Ausstattungsart auszugehen, der --im Sinne eines verfeinernden "Punktesystems"-- ein durchschnittlicher Raummeterpreis zuzuordnen ist. Dabei wird den einzelnen für die Einreihung in die Gebäudeklasse entscheidenden Ausstattungsmerkmalen gleichmäßig Gewicht zugemessen. Im Regelfall kann dann davon ausgegangen werden, daß der gefundene Raummeterpreis, der die Ausstattungsmerkmale gleichmäßig berücksichtigt, auch zu einem zutreffenden Gebäudenormalherstellungswert führt, der kraft Gesetzes auf der Grundlage von Durchschnittswerten zu finden ist.
2. Die in der Anlage 14 zu Abschn. 38 BewRGr für unterschiedliche Gebäudeklassen festgelegten Raummeterpreise sind Durchschnittswerte, die zum Zweck einer möglichst gleichmäßigen Bewertung grundsätzlich anzuwenden sind. Denn ihr Ansatz entspricht dem Zweck des Sachwertverfahrens, das in seinen Grundzügen auf die Bewertung von bebauten Grundstücken mit einem typisierenden gemeinen Wert ausgerichtet ist (vgl. BFH-Urteil vom 26.6.1981 III R 3/79). Rechtsverbindliche Kraft kommt der Anlage 14 nicht zu; auch ist die Einteilung nicht abschließend.
3. Keine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG wegen der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Art. 2 Abs. 1 Satz 3 BewGÄndG 1965 i.V.m. § 27 BewG mangels Entscheidungserheblichkeit, da auch bei Verfassungswidrigkeit der Vorschriften die Klage abzuweisen ist. Denn bei einer aus Verfassungsgründen erforderlichen Neuregelung kann sich nur ein höherer Einheitswert ergeben, eine Verböserung wäre dem BFH aber aus prozeßrechtlichen Gründen verwehrt (vgl. BVerfG-Urteil vom 10.2.1987 1 BvL 18/81, 20/82 und BFH-Beschluß vom 11.6.1986 II B 49/83).
Normenkette
BewG 1974 §§ 27, 83, 85; BewRGr Abschn. 38 Anl 13; BewRGr Abschn. 38 Anl 14; GG Art. 100 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstückes in X, auf welchem er im Jahre 1979 eine Reparaturwerkstatt mit Lagerhalle für technische Geräte bezugsfertig errichtete. Der Gesamtkomplex ist fremdvermietet und wird vom Mieter als Kundendienstwerkstatt gewerblich genutzt.
Das Finanzamt (FA) hat das Grundstück im Sachwertverfahren als Geschäftsgrundstück bewertet und den Einheitswert auf den 1.Januar 1980 auf 131 400 DM fortgeschrieben. Es hat das Gebäude in die Bauklasse 1.122 gemäß Anlage 14 zu Abschn.38 der Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens (BewRGr) eingeordnet und den Raummeterpreis mit 86 DM angesetzt. Es hat dabei die in den jeweiligen Spalten der Anlage 13 zu den BewRGr angegebenen Ausstattungsmerkmale mit dem Durchschnittspreis (mittlerer Raummeterpreis) für die jeweilige Ausstattungsart (einfach - mittel - gut - sehr gut - aufwendig) multipliziert und die gefundene Summe der Produkte durch die Gesamtzahl der angegebenen Merkmale geteilt und derart den durchschnittlichen Raummeterpreis errechnet.
Nach erfolgloser Durchführung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens begehrt der Kläger mit seiner Klage die Herabsetzung des Einheitswerts auf den Wert, der sich bei Zugrundelegung eines Raummeterpreises von 55 DM ergibt. Die einzelnen Ausstattungsmerkmale hat er nach einer Ortsbesichtigung nicht mehr angegriffen. Er ist jedoch insbesondere der Meinung, daß die angewandten Bewertungskriterien nicht mehr der fortgeschrittenen Entwicklung auf verschiedensten Gebieten Rechnung trügen. Das gelte z.B. für die Verwendung spezieller Einrichtungen, mit denen der gesamtwirtschaftlich bedeutsamen Forderung der Energieeinsparung Rechnung getragen werde, die aber dazu führten, daß diese Anlagen in der Bewertungsskala in der obersten Gruppe einzuordnen seien.
Das Finanzgericht (FG) hat unter Abweisung der Klage im übrigen den Einheitswert auf 106 600 DM herabgesetzt. Nach Abschn.38 BewRGr in Verbindung mit Anlage 14 sei für die Ermittlung der aufgeführten Raummeterpreise maßgebend die im Durchschnitt anzutreffende Güte der Ausstattung. Deshalb sei zunächst festzustellen, welche Ausstattungsmerkmale für die einzelnen Bauteile zuträfen, dann die für das gesamte Gebäude im Durchschnitt zutreffende Güte der Ausstattung zu ermitteln und erst anschließend festzustellen, welcher Wert innerhalb des für die Gebäudeklasse gültigen Rahmensatzes anzusetzen sei. Das FG ist dann wie folgt vorgegangen: Es hat die fünf Ausstattungsklassen von einfach bis aufwendig mit jeweils 1 bis 5 Punkten gleichgesetzt und dann die Gesamtzahl der Punkte durch die Anzahl der festgestellten Ausstattungsgruppen geteilt, wobei es einen Durchschnittswert von 1,875 Punkten errechnete. Dieser Wert, in das Punktesystem eingepaßt, führte seiner Ansicht nach zur oberen Raummeterpreisgrenze der Gruppe einfache Ausstattung. Deshalb hielt das FG einen Raummeterpreis von 67 DM für angemessen. Seiner Meinung nach benachteiligt das vom FA angewandte System den Steuerpflichtigen, soweit es sich um ein Gebäude mit überwiegend einfachen und mittleren Ausstattungsmerkmalen handle.
Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Es rügt in erster Linie Verletzung von § 27 des Bewertungsgesetzes (BewG) und führt im übrigen aus, die Berechnung durch das FG führe im wesentlichen nur deshalb zu einem von der Berechnung durch das FA abweichenden Ergebnis, weil das FG bei Ableitung des durchschnittlichen Raummeterpreises nicht vom Mittelwert, sondern vom niedrigsten Wert einer Ausstattungsgruppe ausgehe.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der Klage.
Bei der Bewertung eines Grundstückes im Sachwertverfahren ist vom Bodenwert, vom Gebäudewert und vom Wert der Außenanlagen auszugehen (§ 83 Satz 1 BewG). Dieser Ausgangswert ist durch Anwendung einer Wertzahl an den gemeinen Wert anzugleichen (§ 83 Satz 2, § 90 Abs.1 BewG). Für die Ermittlung des Gebäudewerts ist zunächst ein Wert auf der Grundlage von durchschnittlichen Herstellungskosten nach den Baupreisverhältnissen des Jahres 1958 zu errechnen (§ 85 Satz 1 BewG). Dieser Wert ist nach den Baupreisverhältnissen im Hauptfeststellungszeitpunkt (1.Januar 1964) umzurechnen (§ 85 Satz 2 BewG). Der so errechnete Gebäudenormalherstellungswert ist Grundlage zur Findung des Gebäudesachwerts unter Berücksichtigung der §§ 86, 87 BewG, der nach Maßgabe des § 88 BewG in besonderen Fällen ermäßigt oder erhöht werden kann (§ 85 Sätze 3 und 4 BewG).
In der Anlage 14 zu Abschn.38 BewRGr sind für unterschiedliche Gebäudeklassen Raummeterpreise festgelegt, die auf den Baupreisverhältnissen des Jahres 1958 beruhen und durch Anwendung des für den Hauptfeststellungszeitpunkt 1.Januar 1964 maßgebenden Bauindex auf die Baupreisverhältnisse in diesem Zeitpunkt umgerechnet sind. Es handelt sich dabei um Durchschnittswerte, die aufgrund eingehender Ermittlungen und zahlreicher Probebewertungen im Bundesgebiet gefunden worden sind. Diese Durchschnittswerte sind zum Zwecke einer möglichst gleichmäßigen Bewertung grundsätzlich anzuwenden, denn ihr Ansatz entspricht dem Zweck des Sachwertverfahrens, das in seinen Grundzügen auf die Bewertung von bebauten Grundstücken mit einem typisierenden gemeinen Wert (§ 9 BewG) ausgerichtet ist (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26.Juni 1981 III R 3/79, BFHE 133, 437, BStBl II 1981, 643). Rechtsverbindliche Kraft kommt der Anlage 14 allerdings nicht zu; auch ist die Einteilung nicht abschließend (vgl. Anlage 14, Teil B, Vorbemerkung Absatz 2, letzter Satz).
Hinsichtlich der Merkmale für die Beurteilung der baulichen Ausstattung, von der die Anwendung der aufgelisteten Raummeterpreise abhängt, sieht Anlage 13 für insgesamt 13 Ausstattungsmerkmale Kriterien für die Einreihung in die einzelnen Ausstattungsklassen, und zwar gestaffelt nach einfacher, mittlerer, guter, sehr guter und aufwendiger Ausstattung vor. Dabei soll für die Gebäudeklasse maßgebend sein die im Durchschnitt zutreffende Güte der Ausstattung (Anlage 14, Teil A, Vorbemerkung Absatz 3, Satz 4) und innerhalb des Rahmensatzes, der für die Ausstattung gilt, der Raummeterpreis nach der besseren oder geringeren Güte der Ausstattung im einzelnen Fall angesetzt werden.
Ausgangspunkt für die im Rahmen möglichst zutreffender Schätzung zu findende Gebäudeklasse muß --worauf die Revision zu Recht hinweist-- die Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse des Hauptfeststellungszeitpunktes sein, wie sie § 27 BewG festschreibt. Allein auf diesem Hintergrund ist die Auflistung der Anlage 13 zu betrachten. Das bedeutet, daß entgegen der Auffassung des Klägers, das Motiv für die Wahl einer bestimmten Ausstattung (beispielsweise Energieeinsparung) unberücksichtigt bleiben muß. Davon geht auch im Ergebnis das angefochtene Urteil aus.
Die vom FG gewählte Methode ist jedoch in sich nicht schlüssig und verletzt § 85 Satz 1 BewG. Denn auch auf dem vom FG gewählten Weg wird die Findung des Raummeterpreises mit dem Ansatz der besseren oder geringeren Güte der einzelnen Ausstattungsmerkmale verknüpft, und zwar derart, daß das FG unter Anwendung eines "Punktesystems" ausgehend von dem geringsten zuzuordnenden Raummeterpreis die Gebäudeklasse findet. Dieses "Punktesystem" wird deshalb dem oben angeführten Zweck des auf die Findung eines generalisierenden und typisierenden gemeinen Wert gerichteten Sachwertverfahrens nicht gerecht, weil das FG die jeweilige Geringstwertigkeit der einzelnen Ausstattungsmerkmale unterstellt, ohne dafür einen einleuchtenden Grund oder einen Erfahrungssatz anführen zu können. Die durch die BewRGr vorgegebenen Schätzungsschritte machen es aber erforderlich, zunächst von der Mittelwertigkeit der jeweiligen Ausstattungsart auszugehen, der --im Sinne eines verfeinernden und deswegen besser geeigneten "Punktesystems"-- ein durchschnittlicher Raummeterpreis zuzuordnen ist. Dabei wird nämlich entgegen der Auffassung des FG den einzelnen für die Einreihung in die Gebäudeklasse entscheidenden Ausstattungsmerkmalen gleichmäßig Gewicht zugemessen. Im Regelfall kann dann davon ausgegangen werden, daß der gefundene Raummeterpreis, der die Ausstattungsmerkmale gleichmäßig berücksichtigt, auch zu einem zutreffenden Gebäudenormalherstellungswert führt, der kraft Gesetzes (§ 85 Satz 1 BewG) auf der Grundlage von Durchschnittswerten zu finden ist.
Der Senat hat im Hinblick auf seinen Beschluß vom 11.Juni 1986 II B 49/83 (BFHE 146, 474, BStBl II 1986, 782) die Frage einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gemäß Art.100 Abs.1 des Grundgesetzes geprüft. Eine Vorlage kommt jedoch deshalb nicht in Betracht, weil die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Art.2 Abs.1 Satz 3 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes 1965 i.V.m. § 27 BewG 1965 im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich ist. Sind die genannten Vorschriften verfassungsmäßig, so ist die Klage abzuweisen. Nichts anderes gilt, wenn die Vorschriften verfassungswidrig sind. Denn bei einer aus Verfassungsgründen erforderlichen Neuregelung der Materie kann sich für den Kläger nur ein höherer Einheitswert ergeben. Eine Verböserung aber wäre dem erkennenden Senat aus prozeßrechtlichen Gründen verwehrt (vgl. hierzu das Urteil des BVerfG vom 10.Februar 1987 1 BvL 18/81, 20/82, BVerfGE 74, 182, BStBl II 1987, 240, jeweils unter B.III.1.). Deshalb kann auch nicht angenommen werden, daß durch eine Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an das BVerfG dem Kläger die Chance offengehalten werden könnte, eine für ihn günstigere Regelung zu erreichen (vgl. hierzu das zitierte Urteil unter B.II.2.).
Fundstellen
Haufe-Index 62304 |
BFH/NV 1988, 1 |
BStBl II 1988, 935 |
BFHE 154, 139 |
BFHE 1989, 139 |
BB 1988, 1812-1812 (L1) |
DB 1988, 2032-2033 (LT) |
HFR 1989, 8 (LT) |