Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahlrecht bei angebotener Gemeinschaftsverpflegung
Leitsatz (NV)
1. Zur Annahme von Dienstreise bei einem Soldaten, der zu Lehrgängen an Orte abkommandiert wurde, die mehr als 15 km von seiner Stammdienststelle entfernt liegen.
2. Behauptet ein Soldat, während der Lehrgänge nicht an der ihm angebotenen Gemeinschaftsverpflegung teilgenommen, sondern sich selbst verpflegt zu haben, so hat er ein Wahlrecht, entweder 25 v. H. der Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwand nach Abschnitt 25 Abs. 6 Nr. 3 a aa LStR 1984 geltend zu machen oder seinen Verpflegungsmehraufwand im einzelnen nachzuweisen (Anschluß an BFH-Urteil vom 18. Mai 1990 VI R 67/88, BFHE 161, 61, BStBl II 1990, 909).
3. Den vorgenannten gekürzten Pauschbeträgen wegen Verpflegungsmehraufwand ist kein ,,fiktiver Eigenbeitrag" des Soldaten hierfür zuzurechnen, sondern nur ein Eigenbeitrag, soweit er ihn tatsächlich entrichtet hat.
Normenkette
EStG 1982 § 9 Abs. 1 S. 1; LStR 1984 Abschn. 25 Abs. 6 Nr. 3
Tatbestand
Der Kläger wohnte im Streitjahr 1985 mit seiner Ehefrau in A. Sein Jahresbruttoarbeitslohn als Berufssoldat betrug im Streitjahr . . . DM. Seine Stammdienststelle befand sich im 33 km entfernten N.
Der Kläger war im Streitjahr an insgesamt 42 Tagen an eine Kaserne in H vorübergehend abkommandiert. Er nahm in 1985 ferner an 21 Tagen an Tagungen, Besprechungen und Fortbildungsveranstaltungen in einer Kaserne in O teil. Er kehrte von H wie von O jeweils arbeitstäglich nach Hause zurück.
In der Einkommensteuererklärung 1985 machte der Kläger für die arbeitstäglichen Fahrten Verpflegungsmehraufwendungen nach Dienstreisegrundsätzen in Höhe von 1 658 DM geltend (63 Tage x 33 DM abzüglich Erstattung des Dienstherrn in Höhe von 6,70 DM).
Das FA versagte den beantragten Werbungskostenabzug im Einkommensteuerbescheid und in der Einspruchsentscheidung.
Im Klageverfahren machte der Kläger geltend, er habe in den Kasernen von H und O an der angebotenen Gemeinschaftsverpflegung nicht teilgenommen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage insoweit statt, als es Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 63 x 6,35 DM (25 v. H. von 33 DM = 8,25 DM abzüglich Kostenersatz durch den Dienstherrn in Höhe von 6,70 DM zuzüglich ,,(fiktiver) Eigenbetrag" bei Inanspruchnahme der angebotenen Vollverpflegung in Höhe von 4,80 DM) = 400,05 DM anerkannte. Es ist der Ansicht, dem Kläger stünden die Mehraufwendungen für Verpflegung nach Dienstreisegrundsätzen dem Grunde nach zu, da seine Fahrten nach H und O als Dienstreisen zu werten seien. Die Stammdienststelle und damit die regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers sei die Kaserne in N gewesen. Die Kasernen in H und O seien nicht zu ,,regelmäßigen" Arbeitsstätten geworden, da der Kläger sich dort nur vorübergehend und nur für Zeiträume von weniger als drei Monaten aufgehalten habe. Beide Einsatzorte seien von der Stammdienststelle und vom Wohnsitz des Klägers mehr als 15 km entfernt gewesen. Als Verpflegungsmehraufwendungen seien im Hinblick auf die angebotene Gemeinschaftsverpflegung 25 v. H. der nach den Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) maßgebenden VerpflegungsPauschsätze für eintägige Dienstreisen in Höhe von 33 DM wegen der neben den Hauptmahlzeiten zu berücksichtigenden Verpflegungsaufwendungen als Werbungskosten anzuerkennen. Darauf, daß der Kläger an der Gemeinschaftsverpflegung nicht teilgenommen habe, komme es nicht an, da er hierfür keine triftigen Gründe angeführt habe.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es führt unter anderem aus:
Das FG habe zwar zu Recht nur 25 v. H. der täglichen Verpflegungspauschale von 33 DM, also arbeitstäglich nur 8,25 DM, als Werbungskosten anerkannt. Das FG habe diesen Betrag ebenfalls zutreffend um die Erstattung des Arbeitgebers in Höhe von arbeitstäglich 6,70 DM gekürzt. Dem FG sei jedoch nicht darin zu folgen, daß ein ,,fiktiver Eigenbeitrag" von 4,80 DM als Werbungskosten anzusetzen sei, da dem Kläger derartige Aufwendungen nicht entstanden seien. Selbst tatsächlich aufgewandte Kosten für die Gemeinschaftsverpflegung führten nicht zum Werbungskostenabzug, soweit sie die Haushaltsersparnis nicht überschritten.
Das FA beantragt, das Urteil des FG dahin abzuändern, daß der Einkommensteuerberechnung ein um 302,40 DM (63 x 4,80 DM) gekürzter Werbungskostenabzug zugrunde gelegt und die Einkommensteuer deshalb auf . . . DM festgesetzt wird.
Der Kläger hat sich zur Revision des FA nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Das FG hat im Streitfall ohne Rechtsverstoß angenommen, daß der Kläger an den 42 Tagen, an denen er an eine Kaserne in H abkommandiert war, und an den 21 Tagen, an denen er an Besprechungen, Tagungen und Fortbildungsveranstaltungen in einer Kaserne in O teilgenommen hat, Dienstreisen durchgeführt hat. Es konnte zu Recht davon ausgehen, daß sich die regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers im Streitjahr 1985 bei seiner Stammdienststelle in N befand. Bei seinen Abkommandierungen nach H und O war der Kläger mithin außerhalb und mehr als 15 km von seiner regelmäßigen Arbeitsstätte vorübergehend tätig (vgl. Abschn. 25 Abs. 2 LStR 1984 sowie die Ausführungen des Senats in dem Urteil vom 18. Mai 1990 VI R 180/88, BFHE 161, 365, BStBl II 1990, 863 zur Annahme von Dienstreisen bei Abkommandierung von Soldaten).
Der Senat tritt dem FG auch darin bei, daß dem Kläger im Hinblick auf die ihm angebotene Gemeinschaftsverpflegung in den Kasernen von H und O nur 25 v. H. des für ihn nach Abschn. 25 Abs. 6 Nr. 3 a aa LStR 1984 maßgeblichen Pauschbetrages für Verpflegungsmehraufwand zustand. Der Senat verweist insoweit auf sein Urteil vom 18. Mai 1990 VI R 67/88, BFHE 161, 61, BStBl II 1990, 909. Behauptet der Steuerpflichtige, wie im Streitfall der Kläger, an der Gemeinschaftsverpflegung nicht teilgenommen, sondern sich selbst verpflegt zu haben, so hat er nach der letztgenannten Entscheidung ein Wahlrecht, entweder die vorstehend gekürzten Pauschbeträge geltend zu machen oder seinen Verpflegungsmehraufwand im einzelnen nachzuweisen. Da der Kläger die ihm entstandenen Verpflegungsmehraufwendungen nicht im einzelnen angegeben und nachgewiesen hat, hat das FG zutreffend 25 v. H. des Pauschbetrages für Verpflegungsmehraufwand angesetzt. Der für den Kläger bei einem Jahresbruttoarbeitslohn von . . . DM maßgebende Pauschbetrag beträgt nach Abschn. 25 Abs. 6 Nr. 3 a aa LStR 1984 allerdings nicht - wie das FG angesetzt hat - 33 DM, sondern nur 31 DM arbeitstäglich.
Gemäß den Ausführungen des Senats in dem genannten Urteil vom 18. Mai 1990 VI R 67/88 ist dieser gekürzte Pauschbetrag zu erhöhen um die tatsächlich geleisteten Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Gemeinschaftsverpflegung und zu mindern um entsprechende Erstattungsbeträge des Arbeitgebers, wobei der Ansatz einer Haushaltsersparnis insoweit zu unterbleiben hat. Hiervon ausgehend hat das FG zu Recht den gekürzten Pauschbetrag für Verpflegungsmehraufwand um den Kostenersatz durch den Dienstherrn des Klägers in Höhe von arbeitstäglich 6,70 DM gekürzt. Es hat dieses Ergebnis um einen Eigenbeitrag des Klägers bei Inanspruchnahme der angebotenen Vollverpflegung in Höhe von 4,80 DM erhöht. Diese Zurechnung ist entsprechend dem Urteil des Senats vom 18. Mai 1990 VI R 67/88 aber nur gerechtfertigt, wenn der Kläger einen solchen Eigenbeitrag auch tatsächlich entrichtet hat. Hierzu hat das FG keine Feststellungen getroffen.
Die Vorentscheidung ist aufzuheben und es ist die Sache an das FG zurückzuverweisen, damit es diese Feststellung nachholt und den anzusetzenden Pauschbetrag für Verpflegungsmehraufwand auf der Basis von 25 v. H. des Pauschbetrages von arbeitstäglich 31 DM neu berechnet.
Fundstellen
Haufe-Index 417141 |
BFH/NV 1991, 150 |