Leitsatz (amtlich)
Die sogenannten Redaktionskosten zur Herstellung von Druckvorlagen einer Zeitschrift sind weder als halbfertige Zeitschrift (unfertiges Erzeugnis) noch als immaterielles Wirtschaftsgut in der Bilanz zu aktivieren.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen Zeitschriftenverlag, in dem sie im Streitjahr 1959 wöchentlich und halbmonatlich erscheinende Zeitschriften herausgab. Im Rahmen einer in den Jahren 1966 bis 1968 durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) fest, daß die Klägerin die druckfertigen oder redaktionell in Arbeit befindlichen Zeitschriften an den Bilanzstichtagen nicht aktiviert hatte. Aktiviert worden waren lediglich das Papier und sonstige Rohmaterialien sowie die Aufwendungen für die von den freien Mitarbeitern erworbenen Texte, Fotos usw. Demgegenüber hielt das FA für aktivierungspflichtig auch die sogenannten "Redaktionskosten", nämlich die Kosten für das Sichten, Redigieren und Zusammenstellen der Texte, Fotos usw., soweit diese sich in Vorlagen, Manuskripten oder druckfertigen Zeitschriften niedergeschlagen hätten. Es handle sich insoweit um Herstellungskosten für halbfertige Arbeiten, die das FA zum 31. März 1958 mit 175 000 DM, zum 31. März 1959 mit 200 000 DM ansetzte.
Aus dieser Behandlung ergab sich für das Streitjahr 1959 ein Mehrgewinn von 25 000 DM.
Die in Ansehung des endgültigen, gemäß § 225 AO berichtigten Körperschaftsteuerbescheids vom 7. Oktober 1969 unmittelbar zum FG erhobene Klage hatte zum Teil Erfolg. Zur Begründung führte das FG aus:
Die Klage müsse insoweit Erfolg haben, als das FA sich im Laufe des Verfahrens für einen Teil der streitigen Aufwendungen der Auffassung der Klägerin angeschlossen habe. Im übrigen sei die Klage abzuweisen, da das FA in den druckfertigen oder redaktionell noch in Arbeit befindlichen Zeitschriften zu Recht aktivierungspflichtige Wirtschaftsgüter gesehen und die noch streitigen Redaktionskosten bei der Bewertung als Herstellungsaufwand berücksichtigt habe (§ 6 Abs. 1 KStG i. V. m. § 4 Abs. 1, § 5, § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG).
Die teilfertigen Zeitschriften erfüllten die Voraussetzungen des Urteils des BFH vom 30. Juni 1972 III R 23/71 (BFHE 106, 341, BStBl II 1972, 752), nach dem aktivierungspflichtige Wirtschaftsgüter nicht nur Sachen und Rechte, sondern auch "tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb" seien, "deren Erlangung sich der Kaufmann etwas kosten läßt und die nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich sind". Das treffe nicht nur für die der Klägerin von den freien Mitarbeitern zur Verfügung gestellten und von ihr selbst als Wirtschaftsgüter angesehenen und aktivierten Manuskripte, Fotos usw. zu, sondern auch für die aus ihnen von der Klägerin nach Prüfung und etwaiger Änderung zusammengestellten und bestimmten Zeitschriften zugeordneten Druckvorlagen. Diese (fertigen oder noch in Arbeit befindlichen) Druckvorlagen stellten für die Klägerin eine entscheidende Grundlage für den Druck der Zeitschriften dar. Es handle sich ihrem Wesen nach um spezifizierte Druckanleitungen für die (im Lohnverfahren) eingeschalteten Drukkereien, vergleichbar etwa den Herstellungsplänen einer in Einzelanfertigung hergestellten Maschine. Mit der Herstellung der Druckvorlagen (= teilfertigen Zeitschriften) habe sich die Klägerin die Möglichkeit geschaffen, den Inhalt dieser Vorlagen in vielfacher Auflage in Form von Zeitschriften drucken zu lassen und einem breiten Publikum gegen Entgelt zugänglich zu machen, ein Vorteil, für dessen Erlangung sie - neben den Aufwendungen an Honoraren - die hier streitigen Redaktionskosten aufgewendet habe. Dieser Vorteil sei auch einer besonderen Bewertung fähig, weder mit anderen Wirtschaftsgütern unlösbar verbunden, noch etwa nur Teil eines allgemeinen Geschäftswerts und von Nutzen auch über das Jahr hinaus, in dem die Aufwendungen angefallen seien (BFH-Urteil vom 27. März 1963 I 201/62 U, BFHE 76, 837, BStBl III 1963, 304). Schließlich sei der wirtschaftliche Wert der Druckvorlagen auch im Falle einer Veräußerung des ganzen Unternehmens greifbar.
Der Einwand fehlender Branchenüblichkeit greife nicht durch, da die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung die Regeln seien, nach denen der Kaufmann zu verfahren habe, um zu einer dem gesetzlichen Zweck entsprechenden Bilanz zu gelangen, nicht aber die Regeln, die tatsächlich befolgt würden (BFH-Urteil vom 31. Mai 1967 I 208/63, BFHE 89, 191, BStBl III 1967, 607).
Ob die mit Hilfe der Redaktionskosten geschaffenen Druckvorlagen als ein materielles oder als ein immaterielles Wirtschaftsgut anzusehen seien, könne dahinstehen, da das Verbot des § 5 Abs. 2 EStG der Aktivierung für die streitigen Veranlagungszeiträume nicht entgegenstehe (BFH-Beschluß vom 3. Februar 1969 GrS 2/68, BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291). Darin, daß mit der Herstellung der Zeitschriften erst nach Abgabe der Druckvorlagen an die Druckereien begonnen werde und die Redaktionskosten zur Herstellung der Druckvorlagen mithin nicht als Herstellungskosten i. S. von § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG gewertet werden könnten, könne das FG der Klägerin nicht folgen. Zur Bedeutung der Einschaltung Dritter in den Herstellungsvorgang werde auf das BFH-Urteil vom 21. Januar 1971 IV R 51/69 (BFHE 101, 224, BStBl II 1971, 304) über die Klischeekosten bei der Herstellung von Büchern verwiesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, das Urteil des FG aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1959 unter Abänderung des Körperschaftsteuerbescheids vom 7. Oktober 1969 auf 911 867 DM festzusetzen.
Das vom FG angezogene BFH-Urteil III R 23/71 sei zum Bewertungsrecht ergangen und lasse mithin Rückschlüsse auf das Bilanzsteuerrecht nicht zu. Auch lasse sich die Aktivierung von Wirtschaftsgütern nicht - wie hier geschehen - mit dem Teilwertgedanken begründen, da die Frage nach dem Wert eines Wirtschaftsguts dessen Aktivierungspflichtigkeit voraussetze. Die Frage nach der Aktivierungspflichtigkeit sei aber im Zweifelsfalle (so Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, S. 7) erst nach Feststellung einer entsprechenden Übung zu beantworten, die das FG indes nicht festgestellt habe.
Darüber hinaus fehle dem, was das FA als Redaktionskosten aktiviert habe, die Möglichkeit, selbständig Gegenstand des Rechtsverkehrs zu sein (die Verkehrsfähigkeit). Anders als halbfertige Sachen seien geistige Leistungen im Zustand der Planung und Vorbereitung nicht veräußerbar. Ob Redaktionsleistungen sich im Falle der Veräußerung des ganzen Unternehmens im Geschäftswert niederschlügen, stehe hier nicht zur Entscheidung; der Ansatz eines originären Geschäftswerts jedenfalls sei unzulässig.
Schließlich sei Hersteller einer Zeitschrift die Druckerei, nicht das Verlagshaus. Als Herstellung im engeren Sinne werde jener technische Formänderungsprozeß verstanden, der auch die steuerrechtliche Unterscheidung zwischen Anschaffung und Herstellung begründe und in § 9 a EStDV in der Bezugnahme auf den Zeitpunkt der Fertigstellung seine Bestätigung finde. Wolle man dem indes nicht zustimmen, so sei zu prüfen, ob die streitigen Aufwendungen nicht zur Schaffung eines immateriellen Wirtschaftsguts geführt hätten (was zu bejahen sei), dessen Aktivierung schon vor Inkrafttreten des Aktiengesetzes 1965 (AktG 1965) nicht zulässig gewesen sei, da (nach Kropff, Aktiengesetz, S. 244) mit Aufnahme des Aktivierungsverbots in § 153 Abs. 3 AktG lediglich "eine zum Aktiengesetz entstandene Streitfrage im Sinne bewährter kaufmännischer Übung" entschieden worden sei. In der mündlichen Verhandlung machte die Klägerin noch zusätzliche Ausführungen über die betriebswirtschaftlichen Schwierigkeiten, die Redaktionskosten bestimmten Druckvorlagen zuzuordnen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Klägerin hat zusätzlich zu ihren Ausführungen ein Gutachten zur Frage der Aktivierung von Redaktionskosten bei Zeitschriftenverlagen nach Handels- und Steuerrecht überreicht.
Das Gutachten sieht es für die Frage nach der Aktivierbarkeit der sogenannten Redaktionskosten in erster Linie als entscheidend an, ob sich die Druckvorlagen als eine "halbfertige Zeitschrift" (ein "unfertiges Erzeugnis" i. S. von § 151 Abs. 1 III A Nr. 2 AktG) oder als ein eigenständiges (materielles oder immaterielles) Wirtschaftsgut darstellen. Es beantwortet die Frage i. S. der zweiten Alternative; die Druckvorlagen seien immaterielle Wirtschaftsgüter, die - als das nicht zur Veräußerung bestimmte Urheberrecht an den Druckvorlagen - angesichts artbedingter Unmöglichkeit einer sicheren Bewertung nicht aktivierbar seien.
Der dem Verfahren über die Revision beigetretene BdF teilt die Auffassung des FA.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweiten Festsetzung der Steuer.
1. Der Senat braucht im Streitfall zu dem Grundsatz, daß ein handelsrechtliches Aktivierungswahlrecht eine steuerrechtliche Aktivierungspflicht nach sich ziehe, nicht Stellung zu nehmen (BFH-Beschluß GrS 2/68; BFH-Urteile vom 24. Juni 1969 I R 15/68, BFHE 96, 101, BStBl II 1969, 581; vom 26. Juni 1969 VI 239/65, BFHE 97, 58, BStBl II 1970, 35; vom 28. April 1971 I R 39, 40/70, BFHE 102, 270, BStBl II 1971, 601, und vom 24. August 1971 VIII R 17/66, BFHE 103, 416). Denn der Senat vermag in den Druckvorlagen weder eine halbfertige Zeitschrift (= unfertiges Erzeugnis) noch ein immaterielles Wirtschaftsgut zu erblicken.
2. Weder die am Bilanzstichtag unfertigen noch die bereits "fertiggestellten" Druckvorlagen sind als "unfertige Erzeugnisse" (§ 151 Abs. 1 III A Nr. 2 AktG 1965) oder "halbfertige Erzeugnisse" (§ 131 Abs. 1 A III Nr. 2 AktG 1937) anzusehen. Zu diesen gehören "solche noch nicht als Fertigungserzeugnisse anzusehende Bestände, auf denen nach Be- oder Verarbeitung im eigenen Betrieb bereits Löhne und Gemeinkosten ruhen" (Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, Handkommentar, 4. Aufl., § 151 Rdnr. 121). Ob bereits von unfertigen Erzeugnissen gesprochen werden kann, entscheidet sich allein danach, was ein Unternehmen als Endprodukt letztlich herzustellen beabsichtigt. Wesentlich ist, ob sich dieses Endprodukt am Bilanzstichtag in seiner Entstehung befindet, dergestalt, daß das bislang Hergestellte bereits teilweise mit dem Fertigprodukt identisch ist und sich ihm gegenüber lediglich als ein "Weniger" darstellt.
Mit dem Gutachten ist davon auszugehen, daß die Klägerin als fertiges Produkt Zeitschriften herstellt. Sie sind mit den Druckvorlagen auch nicht teilweise identisch. Druckvorlagen sind die Anleitung für die Herstellung des Endproduktes; die Fertigstellung der Druckvorlagen kennzeichnet ein Stadium vor Beginn der Fertigung des Endproduktes. Die Andersartigkeit der Druckvorlagen gegenüber den Zeitschriften zeigt sich insbesondere darin, daß die Druckvorlagen auf lediglich redaktionellem Wege in sich auswechselbar und veränderbar sind, ohne daß in den technischen Ablauf der Zeitschriftenherstellung eingegriffen zu werden bräuchte.
3. Die Druckvorlagen sind aber auch keine immateriellen Wirtschaftsgüter. Es fehlt bereits an der Voraussetzung eines Wirtschaftsguts. Dafür wäre erforderlich, daß ein fremder Erwerber die Druckvorlagen - in fertigem oder unfertigem Zustand - im Falle der Fortführung des Unternehmens als Vermögenswert bei der Kaufpreisbemessung berücksichtigen würde, vorausgesetzt, daß das Unternehmen in gleicher Weise wie bisher weiterbetrieben würde. Wird ein Herstellungsbetrieb im ganzen veräußert, so erweisen sich in aller Regel auch die seinem Betriebsvermögen zugehörigen selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgüter als "greifbare Werte", die bei der Bemessung des Kaufpreises "als Einzelheit ins Gewicht fallen" (BFH-Urteil vom 19. Juli 1955 I 149/54 S, BFHE 61, 174, BStBl III 1955, 266), es sei denn, daß sie im allgemeinen Geschäftswert aufgehen (zur Abgrenzung vgl. BFH-Urteile vom 1. August 1968 I 206/65, BFHE 94, 52, BStBl II 1969, 66, und vom 18. Juli 1972 VIII R 16/68, BFHE 106, 432, BStBl II 1972, 884). Die Greifbarkeit erst erweist das Wirtschaftsgut und rechtfertigt (handelsrechtlich) und gebietet (steuerrechtlich) seine Aktivierung, soweit nicht nunmehr die Vorschriften des § 153 Abs. 3 AktG und des § 5 Abs. 2 EStG entgegenstehen.
Von einer Greifbarkeit i. S. eines das Wirtschaftsgut bestimmenden Elements kann - solange die Druckvorlagen noch nicht "fertiggestellt" sind - nicht gesprochen werden. In diesem Stadium ist der geistige Inhalt und das äußere Gesicht der Zeitschrift, das erst die "fertige" Druckvorlage widerspiegelt, noch unbestimmt. Aber auch für die Zeit nach Fertigstelltung der Druckvorlage (Ablieferung an die Druckerei) verneint der Senat das Vorliegen eines immateriellen Wirtschaftsguts. Denn die Druckvorlage geht bereits unmittelbar nach ihrer Fertigstellung in die Herstellung des Endproduktes "Zeitschrift" über, so daß bei der Veräußerung des Betriebes im ganzen der Wert der Druckvorlage gegenüber den Ertragsaussichten des Unternehmens nicht "als Einzelheit" ins Gewicht fiele. Der Senat geht deshalb davon aus, daß die Redaktionskosten der Klägerin zwar ebenso wie Klischeekosten eines Buchverlags (vgl. BFH-Urteil IV R 51/69) zu den Herstellungskosten des Endproduktes "Zeitschrift" gehören, nicht aber Teile eines selbständigen Wirtschaftsgutes "Druckvorlagen" darstellen. Der vom FA vorgebrachte Einwand, daß ohne Aktivierung der Redaktionskosten die Gewinne der Klägerin nicht periodengerecht ermittelt würden, ist für sich allein nicht geeignet, eine Aktivierung der Redaktionskosten zu begründen. Die Ausführungen des FA beruhen insoweit auf den Vorstellungen einer dynamischen Bilanzauffassung, wie sie in dieser Allgemeinheit im Gesetz keine Stütze finden.
Fundstellen
BStBl II 1975, 809 |
BFHE 1976, 474 |