Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Kredite, die der Finanzierung eines bestimmten Filmvorhabens durch den Filmhersteller dienen, sind in der Regel nur insoweit Dauerschulden, als sie nach Ablauf von zwei Jahren nicht zurückgezahlt sind.
Normenkette
GewStG § 8 Ziff. 1, § 12 Abs. 2 Ziff. 1
Tatbestand
Streitig ist unter anderem, ob die Finanzierung mehrerer von einer kleineren Filmproduktions-GmbH hergestellter Filme zu Dauerschulden im Sinn des § 8 Ziff. 1 und des § 12 Abs. 2 Ziff. 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) führte. Der im Jahre 1950 der GmbH gewährte Kredit zur Herstellung von drei Filmen sollte im unmittelbaren Anschluß an die Abdeckung der von der GmbH bei anderen Kreditgebern aufgenommenen und noch aufzunehmenden Kredite für die Durchführung der bezeichneten Filmvorhaben durch Abführung von mindestens 80 v. H. der Einspielergebnisse zurückgezahlt werden. Sollte die Rückzahlung innerhalb von 18 Monaten, gerechnet vom Tage der Uraufführung der Filme, nicht möglich sein, wird der Rest des noch nicht getilgten Kredits sofort fällig.
Das Finanzgericht folgte der Auffassung des Finanzamts und behandelte die Kredite bei der Ermittlung der Gewerbesteuermeßbeträge 1949 bis 1950 aus den folgenden Gründen als Dauerschulden. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 187/51 U vom 25. Februar 1955 (BStBl 1955 III S. 96, Slg. Bd. 60 S. 243) gehöre das von einer Filmproduktionsgesellschaft durch die Herstellung eines Films geschaffene Wirtschaftsgut zum Anlagevermögen. Schon aus diesem Grunde könne die Rechtsprechung über die Behandlung von Warenkrediten als laufende Schulden nicht angewendet werden. Es komme hinzu, daß die Herstellung jedes einzelnen Films wirtschaftlich im Rahmen des Produktionsunternehmens als selbständiger Teilbetrieb angesehen werden müsse. Zwar diene der Kredit der Herstellung eines ganz bestimmten Films. Diese Filmherstellung aber sei der einzige Inhalt des Unternehmens. Der Kredit zur Herstellung eines Films sei deshalb ein allgemeiner Betriebsmittelkredit, der wegen seiner ein Jahr fast immer überstiegenden Dauer der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals diene. Würden die Grundlagen eines Unternehmens fremd finanziert, so müsse der Kredit grundsätzlich als Dauerschuld angesehen werden, es sei denn, er besitze offensichtlich eine Laufzeit von nur wenigen Monaten.
Entscheidungsgründe
Der Senat nimmt zur Rechtsfrage wie folgt Stellung.
Die Entscheidung der Frage, ob der zur Durchführung eines Filmvorhabens aufgenommene Kredit als eine Schuld anzusehen ist, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals im Sinn des § 8 Ziff. 1 GewStG dient, hängt, wie sich insbesondere aus der Entscheidung des Senats I 197/57 S vom 11. August 1959 (BStBl 1959 III S. 428) ergibt, nicht allein von der tatsächlichen Laufzeit des Kredits, sondern auch von der Natur des Geschäftsvorfalls ab, zu dessen Durchführung der Kredit aufgenommen wird. Besteht zwischen dem Kredit und einem bestimmten Rechtsgeschäft, z. B. dem Wareneinkauf oder dem Warenverkauf, ein eindeutiger wirtschaftlicher Zusammenhang, so ist der Charakter des Finanzierungsgeschäfts, wie der Reichsfinanzhof insbesondere in den Entscheidungen VI 429/41 vom 7. Januar 1942 (Mrozek-Kartei, GewStG 1936 § 12 Abs. 5 Rechtssprüche 1 und 2) und VI 356/39 vom 28. Juni 1939 (Mrozek- Kartei, GewStG 1936 § 8 Ziff. 1 Rechtsspruch 32) sehr stark betont hat, für die Beurteilung des Kredits als Dauerschuld von Bedeutung. Denn nach dem Sinn und Zweck der Vorschriften des § 8 Ziff. 1 und des § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG sollen vorübergehende Verbindlichkeiten, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr des Unternehmens regelmäßig eingegangen und aus den laufenden Geschäftseinnahmen abgedeckt zu werden pflegen, als laufende Schulden auch bei der Ermittlung des Gewerbekapitals abgezogen werden dürfen. Der Realsteuercharakter der Gewerbesteuer erfordert nur dann eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß Betriebsausgaben (Schuldzinsen) auch den Gewerbeertrag mindern (§ 7 GewStG), wenn die Valuta zur Beschaffung des eigentlichen Dauerbetriebskapitals dient, das der Betrieb seiner Eigenart und seiner besonderen Anlage und Gestaltung nach ständig zur Verfügung haben muß. Läßt sich einwandfrei ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zu regelmäßig wiederkehrenden laufenden Geschäftsvorfällen feststellen, so spricht eine Vermutung dafür, daß es sich bei dem Kredit nicht um eine Dauerschuld handelt, und zwar auch dann, wenn der typische, planmäßige und durch die Art des Geschäftsbetriebs bedingte Abwicklung des Kredits 12 Monate übersteigt. Bei einer planmäßigen Rückzahlung innerhalb von 12 Monaten wird, wie aus der Entscheidung I 197/57 S zu entnehmen ist, in aller Regel keine Dauerschuld vorliegen. Um welchen Zeitraum die Frist von 12 Monaten überschritten werden darf, hängt von der Art des Gewerbebetriebs und des finanzierten Geschäfts ab. Im allgemeinen wird der Zeitraum als unschädlich zu bezeichnen sein, der nach der Natur und Art des Geschäfts planmäßig und üblicherweise zur Abwicklung benötigt wird. Wenn auch bei der Bemessung dieser Frist nicht kleinlich verfahren werden darf, so kann dem Zeitmoment doch nicht eine so geringe Bedeutung beigemessen werden, wie es der Reichsfinanzhof im Urteil VI 356/39 getan hat. In diesem Urteil hat der Reichsfinanzhof den zum Erwerb eines zu parzellierenden Grundstücks aufgenommenen Kredit mit Rücksicht auf den Charakter der Parzellierung als laufenden Geschäftsvorfall nicht als Dauerschuld behandelt, obwohl der Kredit wegen der Veränderung der konjunkturellen Verhältnisse auf dem Grundstücksmarkt nicht einmal innerhalb von sechs Jahren zurückgezahlt werden konnte.
Geht man von diesen Grundsätzen aus, die der Senat auch in der nicht zur Veröffentlichung bestimmten, aber in "Der Betrieb" 1959 S. 876 bekanntgegebenen Entscheidung I 171/58 vom 17. März 1959 hervorgehoben hat, so ist es von Bedeutung, ob es sich bei dem der Durchführung eines bestimmten Filmvorhabens dienenden Kredit um die Aufnahme und regelmäßige Abwicklung einer laufenden Verbindlichkeit handelt oder ob die Auffassung des Finanzgerichts zutrifft, daß dieser Kredit der Finanzierung eines selbständigen Teilbetriebs diene und dabei die Grundlage des Unternehmens fremd finanziert werde. Die Finanzierung von Filmen vollzieht sich in der Regel in der Weise, daß die von den Kreditgebern während der Herstellung laufend zur Verfügung gestellten Mittel aus vertragsmäßig bestimmten Teilen des Einspielergebnisses zurückzuzahlen sind. Als Kreditgeber kommen hauptsächlich Banken, Filmverleiher, Atelierunternehmen und Bund und Länder als Bürgen in Betracht. Im Finanzierungsplan gehen die Hersteller und die Kreditgeber in der Regel davon aus, daß der Kredit innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraums nach der Uraufführung des Films aus dem Einspielergebnis gedeckt werden kann. Bei einem erfolgreichen Film umfaßt dieser Zeitraum nur wenige Monate. Wenn der Zeitraum mehr als ein Jahr beträgt oder sogar 18 Monate übersteigt, so kann in den meisten Fällen gesagt werden, daß der Film die Erwartungen der Beteiligten nicht erfüllt hat und es sehr zweifelhaft ist, ob sich nicht ein Verlustgeschäft ergeben wird. Im allgemeinen muß also das Einspielergebnis eines durchschnittlichen Films die Kreditabdeckung innerhalb von 18 Monaten ermöglichen. Aus dieser auf tatsächlichem Gebiet liegenden, unter den Beteiligten unstreitigen Feststellung ergibt sich, daß das Zeitmoment jedenfalls dann nicht notwendig zur Annahme einer Dauerschuld führt, wenn der Kredit als laufende Verbindlichkeit bezeichnet werden kann. Das hängt von der Charakterisierung des Herstellungsvorgangs und der wirtschaftlichen Bedeutung des fertigen Films ab.
Dient ein Kredit der Beschaffung von Anlagevermögen, so besteht eine Vermutung für eine Dauerschuld. Steht der Kredit dagegen mit einzelnen laufenden, nach der Art des Betriebs immer wiederkehrenden bestimmbaren Geschäftsvorfällen, insbesondere mit dem Erwerb und der Veräußerung von Umlaufvermögen, in wirtschaftlichem Zusammenhang, so wird man im allgemeinen annehmen können, daß der Kredit den Charakter einer laufenden Verbindlichkeit hat. Unter diesen Gesichtspunkten kommt der Entscheidung, ob der fertige Film beim Hersteller zum Umlauf- oder zum Anlagevermögen gehört, eine gewisse Bedeutung zu. Der Bundesfinanzhof hat den Film, der nicht ausnahmsweise unter vollständiger überlassung der Schutzrechte an einen anderen Unternehmer abgegeben werden soll, im Rahmen der Soforthilfeabgabe als Anlagevermögen behandelt (Urteil III 187/51 U vom 25. Februar 1955), weil der Film beim Hersteller zur lizenzmäßigen, zeitlich und örtlich begrenzten überlassung an Filmverleiher bestimmt sei, einem Dritten also lediglich vorübergehend zum Gebrauch überlassen werde und damit dauernd dem Betrieb des Herstellers zu dienen bestimmt sei. Berücksichtigt man indessen mehr, als es in dieser Entscheidung geschehen ist, die Tatsache, daß sich der wirtschaftliche Wert des Films, von besonders erfolgreichen Verfilmungen bestimmter Stoffe abgesehen, durch die überlassung an den Verleiher und die Aufführung in den Filmtheatern in der Mehrzahl der Fälle in kurzer Zeit verbraucht, daß der Anteil des Herstellers an dem Einspielergebnis die für sein Unternehmen typischen und regelmäßigen laufenden Einnahmen darstellt und daß die Filmherstellung zu den nebeneinanderlaufenden oder sich ablösenden regelmäßigen Geschäftsvorfällen des Herstellers gehört, so muß es als zweifelhaft bezeichnet werden, ob der Film nicht mit dem gleichen Recht zum Umlaufvermögen des Herstellers gerechnet werden kann. Dem schnellen wirtschaftlichen Verbrauch des Films trägt auch die Finanzverwaltung dadurch Rechnung, daß sie sehr hohe, dem Einspielergebnis angepaßte Abschreibungen anerkennt, die in der Regel innerhalb von 18 Monaten zu einer völligen Abschreibung der Herstellungskosten führen. Die Frage, ob der Film Umlauf- oder Anlagevermögen ist, braucht indessen hier nicht eindeutig entschieden zu werden, weil für die gewerbesteuerliche Beurteilung des Filmkredits als laufender Verbindlichkeit die Feststellung ausreicht, daß es sich mindestens um einen Grenzfall zwischen Anlage- und Umlaufvermögen handelt und daß die Filmherstellung zu den immer wiederkehrenden und den Gegenstand des Unternehmens ausmachenden üblichen Geschäftsvorfällen gehört. Es ist jedenfalls im allgemeinen nicht so, daß der Filmhersteller sich darauf beschränken könnte, einige Filme herzustellen und für die Zukunft ihre Verleihung zum ausschließlichen Gegenstand seines Unternehmens zu machen.
Man kommt somit zu dem Ergebnis, daß ein sich typisch abwickelnder Filmkredit zu keiner Dauerschuld führt. Kann dagegen der Kredit nicht planmäßig abgedeckt werden und besteht deshalb die Vermutung, daß er aus den Einspielergebnissen des Films, zu dessen Herstellung er diente, nicht getilgt werden kann, so lockert sich die Verbindung des Kredits zur Durchführung eines bestimmten Filmvorhabens. Denn der Kredit muß nunmehr wahrscheinlich aus dem Vermögen oder aus anderen Einnahmen des Herstellers getilgt werden. Das Finanzamt wird in der Regel davon ausgehen dürfen, daß der Kredit insoweit eine Dauerschuld ist, als er innerhalb von zwei Jahren nicht abgedeckt werden kann. Der Auffassung des Finanzgerichts ist insoweit nicht zuzustimmen, als es die von dem Gesellschafter gewährten Kredite zur Durchführung von drei Filmvorhaben schon deshalb als Dauerschulden ansieht, weil sie einen allgemeinen Betriebsmittelkredit darstellen und der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienten.
Fundstellen
Haufe-Index 409472 |
BStBl III 1959, 430 |
BFHE 1960, 453 |
BFHE 69, 453 |