Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Gewährung einer Aussteuer berührt grundsätzlich den Vermögensbereich und kann nur ausnahmsweise als eine Belastung des Einkommens angesehen werden.
Eine Steuerermäßigung für eine Aussteuer ist nicht zu gewähren, wenn die Eltern nach der Höhe ihres Einkommens Ersparnisse für die Aussteuer hätten machen können. Die von der Bundesregierung in Abschn. 188 Abs. 9 EStR gesetzten Grenzen sind ein brauchbarer Schätzungsanhalt, den auch die Steuergerichte zu beachten haben, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände vorliegen.
Normenkette
EStG § 33
Tatbestand
Die Stpfl. und ihr verstorbener Ehemann, der Steuerberater war, wurden für das Jahr 1961 zusammen veranlagt. Hierbei setzte das FA die für die Aussteuer der Tochter aufgewendeten 5794 DM nicht, wie beantragt, als außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 EStG an, weil der Ehemann in den letzten Jahren vor der Verheiratung der Tochter so viel verdient habe, daß er Ersparnisse hätte machen können (Abschn. 188 Abs. 7 und 9 EStR). Die in den Jahren 1956 bis 1961 zu versteuernden Einkommensbeträge betrugen 25.683 DM, 27.392 DM, 26.901 DM, 21.324 DM, 44.099 DM und 50.991 DM. Diesen lagen folgende Gewinne aus der Praxis zugrunde: 34.155 DM, 38.070 DM, 36.582 DM, 31.284 DM, 54.507 DM und 73.289 DM. Das Vermögen bestand am 1. Januar 1960 aus Betriebsvermögen von rund 12.660 DM, Pfandbriefen im Nennwert von rund 8.000 DM, Aktien im Nennwert von 2.000 DM, Sparverträgen von rund 9.000 DM und einer Lebensversicherung. Das Betriebsvermögen hatte sich zum 1. Januar 1962 auf 45.000 DM erhöht.
Die Klage hatte Erfolg. Das FG, das eine Meinungsumfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie beizog, hielt eine außergewöhnliche Belastung für gegeben. Es nahm an, § 33 EStG sei eine Tarifvorschrift, die jedem Steuerpflichtigen zugute kommen müsse, der einen außergewöhnlichen und zwangsläufigen Aufwand habe. Bei Gewährung einer Aussteuer an heiratende Töchter sei zwar keine sittliche Verpflichtung der Eltern im Sinne der früheren Aussteuerverpflichtung mehr gegeben, wohl aber die Verpflichtung, der heiratenden Tochter eine "Starthilfe" zu geben. Die Auffassung des BFH, daß Aussteuern nach der Lebenserfahrung aus dem Vermögen geleistet würden und deswegen das Einkommen nicht belasteten, sei abzulehnen. Mit derselben Begründung müßte man sonst auch bei Krankheitskosten operieren.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.
Das vom FG dargestellte Ergebnis der Umfrage des Allensbacher Instituts ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Schwierigkeiten in der Beurteilung der Frage, ob die Gewährung einer Aussteuer an die Tochter heute noch als sittliche Pflicht der Eltern angesehen wird. Der Senat hat zu dieser Frage in dem Grundsatzurteil VI 170/65 vom 16. August 1967 (BFH 89, 447, BStBl III 1967, 700) Stellung genommen und seine bisherige Rechtsprechung zum Teil geändert. Er verneint nunmehr eine sittliche Pflicht der Eltern, heiratenden Töchtern eine Aussteuer zu geben, zumal wenn die Eltern ihrer Tochter zuvor eine Berufsausbildung hatten zukommen lassen. Unter dem Einfluß des Gleichberechtigungsgesetzes behandelt der Senat nunmehr die Aussteuer an heiratende Töchter nicht anders als Ausstattungen an heiratende Söhne.
Der Senat hat in der Entscheidung VI 170/65 (a. a. O.) aber auch ausgesprochen, daß Steuerfälle aus der Zeit bis zum Bekanntwerden der neuen Rechtsprechung im Interesse der Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen noch nach den bisherigen Grundsätzen abzuwickeln seien. Es kann darum dahingestellt bleiben, ob der Stpfl. nach den strengeren Grundsätzen der neuen Rechtsprechung des Senats noch eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG zustehen würde, vor allem, ob sie der Tochter vor ihrer Verheiratung eine Berufsausbildung gegeben hatte. Denn auch nach den bisherigen milderen Rechtsgrundsätzen kann ihr eine solche Steuerermäßigung nicht gewährt werden.
Entgegen der Auffassung des FG gehört nämlich die Gewährung einer Aussteuer - und für die "Starthilfe", von der das FG spricht, würde nichts anderes gelten - grundsätzlich in den Vermögensbereich der Eltern und führt im allgemeinen nicht zu einer Belastung des Einkommens, wie der Senat im Anschluß an seine bisherige Rechtsprechung in der Grundsatzentscheidung VI 170/65 (a. a. O.) nochmals bestätigt hat. Für die Richtigkeit dieser Auffassung spricht nicht zuletzt die vom FG angeführte Umfrage, die ergeben hat, daß die "Pflicht" zur Gewährung der Aussteuer um so eher bejaht wird, als entsprechendes Vermögen vorhanden ist. Im übrigen kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige die Aussteuer tatsächlich aus dem Vermögen oder aus dem Einkommen gewährt hat, wie auch umgekehrt Krankheitskosten nicht etwa deshalb nach § 33 EStG unberücksichtigt bleiben dürfen, weil sie aus dem Vermögen geleistet worden sind. Der Hinweis des FG auf die verschiedene Behandlung von Krankheitskosten und Aussteueraufwendungen überzeugt nicht. Es kommt darauf an, ob Aufwendungen normalerweise in den Bereich des Vermögens oder des Einkommens gehören. Während Krankheitskosten, weil sie nach der Lebenserfahrung mehr oder minder regelmäßig alle Steuerpflichtigen treffen und ähnlich wie sonstige Lebenshaltungskosten laufend anfallen, normalerweise aus dem Einkommen abgedeckt werden, ist das bei Aufwendungen für die Aussteuer nicht der Fall. Aussteuern gehören von Hause aus in den Vermögensbereich der Steuerpflichtigen und berühren im allgemeinen - wie auch Erbschaften und Schenkungen an nahe Familienangehörige - die Verteilung des Familienvermögens auf die Mitglieder der Familie.
Da das Vermögen der Stpfl. die in Abschn. 188 EStR vorgesehenen Einkommens- und Vermögensgrenzen überschreitet, die nach der Rechtsprechung des Senats ein brauchbarer Anhalt sind, ob das Vermögen der Eltern "erheblich" ist, kann schon aus diesem Grund die Aussteuer, die die Stpfl. ihrer Tochter gegeben hat, nicht nach § 33 EStG berücksichtigt werden. Daß die überschreitung der Grenzen nur gering ist, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Die Höhe des Vermögens kann - entgegen der Auffassung der Stpfl. - auch nicht verschieden bewertet werden, je nach dem, ob es dem Stpfl. als Versorgungsgrundlage für sein Alter dient oder nicht; denn entscheidend kann in diesem Zusammenhang nur sein, ob die Eltern ihr Vermögen tatsächlich für die spätere Versorgung gebunden haben. Haben sie dieses Vermögen als Aussteuer an die Tochter weggegeben, so können sie sich den Finanzbehörden gegenüber nicht darauf berufen, daß es zur Alterssicherung bestimmt gewesen sei (vgl. Urteil des Senats VI 21/65 vom 16. August 1967 BStBl III 1967, 755).
Im übrigen konnte aber das FA ohne Rechtsverstoß eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG auch deshalb ablehnen, weil die Stpfl. in den letzten Jahren ein so erhebliches Einkommen gehabt haben, daß sie ohne unzumutbare Einschränkung Rücklagen für die zu erwartende Aussteuer der Tochter hätten machen können. Daß auch die Möglichkeit, Ersparnisse zu machen, bei der Anwendung des § 33 EStG auf Aussteueraufwendungen in Betracht zu ziehen ist, hat der Senat bereits in der Grundsatzentscheidung VI 141/59 S vom 7. August 1959 (BFH 69, 330, BStBl III 1959, 385) hervorgehoben. Wenn die Bundesregierung anschließend in Abschn. 188 Abs. 9 EStR im Interesse der Vereinfachung und zur gleichmäßigen Handhabung gewisse Einkommensgrenzen festgelegt hat, so sind diese Grenzen als ein brauchbarer Schätzungsanhalt für Normalfälle rechtlich nicht zu beanstanden. In diesem Sinn haben auch die Steuergerichte diese Grenzen zu beachten, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände vorliegen. Das ist hier nicht der Fall. Wenn das Einkommen des Ehemanns in den beiden letzten Jahren auch besonders hoch gewesen ist und den Durchschnitt der letzten fünf Jahre erhöht hat, so ist das unerheblich; denn auch das hohe Einkommen dieser beiden Jahre stand für die Rücklagenbildung zur Verfügung.
Das angefochtene Urteil war danach wegen unrichtiger Anwendung von § 33 EStG aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war als unbegründet abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 412741 |
BStBl III 1967, 759 |
BFHE 1968, 64 |
BFHE 90, 64 |