Leitsatz (amtlich)
Das Wahlrecht nach § 8 Abs. 1 WoPG 1960 wird zugunsten der Wohnungsbau-Prämie mit Eingang des Prämienantrags beim FA rechtswirksam rückwirkend auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrags bei dem Kreditinstitut oder der Bausparkasse ausgeübt.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3; WoPG § 4 Abs. 2, § 8 Abs. 1-2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hat 1961 einen Bausparvertrag abgeschlossen. Am 20. Januar 1964 reichte er bei seiner Bausparkasse einen ausgefüllten und unterschriebenen Antragsvordruck auf Gewährung von Wohnungsbauprämie für seine im Streitjahr 1963 geleisteten Beiträge von 4 400 DM ein. Die Frage in Abschn. II Buchst. d des Vordrucks, ob wegen der Bausparkassenbeiträge ein Antrag auf Berücksichtigung als Sonderausgaben gestellt worden sei, hatte er unterstrichen und mit ja beantwortet und das zuständige FA angegeben. Die Bausparkasse leitete den bestätigten Antrag Ende März 1964 dem FA zu. Bei der Bearbeitung des Antrags vermerkte der Sachbearbeiter in Abschn. II Buchst. d des Vordrucks: "Keine Einkommensteuererklärung 1963 bis jetzt eingegangen." Mit Verfügung vom 23. Oktober 1964 überwies das FA die Prämie von 400 DM an die Bausparkasse, die sie dem Konto des Klägers gutschrieb. In seiner am 20. November 1964 beim FA eingegangenen Einkommensteuererklärung für 1963 machte der Kläger die Bausparkassenbeiträge als Sonderausgaben geltend. Das FA lehnte den Abzug ab, da der Kläger bereits Wohnungsbauprämie erhalten habe.
Das FG gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage mit der Begründung statt, daß der Kläger in dem Antragsvordruck auf Gewährung von Wohnungsbauprämie das Wahlrecht noch nicht ausgeübt habe; denn er habe darin keinen wirksamen Antrag auf Gewährung der Prämie gestellt. Wer leicht erkennen könne, wie der andere Teil eine äußerlich vielleicht mehrdeutige Erklärung gemeint und was er wirklich gewollt habe, könne sich nicht auf die äußere Form berufen (vgl. § 133 BGB). Zwar habe der Kläger die Spalte II Buchst. d des Antragsformulars auf Gewährung von Wohnungsbauprämie dahin ausgefüllt, daß er die Bausparbeiträge auch als Sonderausgaben geltend gemacht habe, was im Januar 1964 jedoch noch nicht möglich gewesen sei. Daß diese Erklärung nicht wörtlich zu nehmen gewesen sei, habe für den Empfänger daher nicht zweifelhaft sein können. Bei der Erforschung des Sinns dieser Erklärung müsse berücksichtigt werden, daß der Kläger bereits 1961 und 1962 die Bausparbeiträge als Sonderausgaben geltend gemacht habe, er also offensichtlich gewußt habe, dabei günstiger zu stehen. Außerdem habe der Kläger gewußt, daß er nur eine der beiden Vergünstigungen in Anspruch nehmen könne. Weil die Erklärung des Klägers keinen klaren Antrag auf Wohnungsbauprämie enthalten habe, hätte das FA vor der Bearbeitung des Prämienantrags den Kläger auffordern müssen, seine Wahl zu treffen (§ 4 Abs. 3 Satz 2 WoPG in Verbindung mit § 205 Abs. 1 AO). Eine Entscheidung des Klägers, Wohnungsbauprämie beanspruchen zu wollen, könne auch nicht darin erblickt werden, daß er nach der Gutschrift auf seinem Konto nicht den Widerruf der Prämiengewährung beantragt habe. Der Zeitraum zwischen der Prämiengewährung und der Wahl zugunsten des Sonderausgabenabzugs sei so kurz gewesen, daß daraus nicht die Unzulässigkeit der Rechtsausübung gefolgert werden könne. Der Kläger könne für 1963 nicht beide Vergünstigungen erhalten. Das FA sei entweder in entsprechender Anwendung des § 5 WoPG oder nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts zur Rücknahme begünstigender rechtswidriger Verwaltungsakte zur Rückforderung der Prämie berechtigt.
Mit seiner Revision trägt das FA vor: Der vom Kläger unterzeichnete Antrag habe die vorgedruckte Überschrift "Antrag auf Gewährung einer Wohnungsbauprämie für das Kalenderjahr 1963". Er enthalte in Abschn. II die unmißverständliche Erklärung, daß für die in 1963 geleisteten Bausparbeiträge von 4 400 DM eine Wohnungsbauprämie beantragt werde. Mehr könne ein Bausparer nicht tun, um seinen Willen, die Wohnungsbauprämie zu beantragen, zweifelsfrei zum Ausdruck zu bringen.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben.
Der Kläger begehrt, die Revision zurückzuweisen. Er trägt vor: Er habe auch in den Vorjahren in der gleichen Weise Anträge auf Gewährung von Wohnungsbauprämie ausgefüllt. Die Bausparkasse habe deshalb 1962 bei ihm angefragt, welche Art der Berücksichtigung der Bausparbeiträge er wähle. Die Bausparkasse habe also aus seinem Antrag ersehen, daß er sein Wahlrecht eindeutig nicht ausgeübt habe. Gleiches hätte auch das FA erkennen können. Es sei aus diesem Grund verpflichtet gewesen, bei ihm zurückzufragen oder den Eingang der Einkommensteuererklärung abzuwarten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist begründet.
Nach § 8 Abs. 1 WoPG 1960 hat der Prämienberechtigte ein Wahlrecht, ob er die prämienbegünstigten Aufwendungen als Sonderausgaben geltend machen oder eine Prämie beanspruchen will. Die Wahl wird durch die Geltendmachung des Sonderausgabenabzugs im Lohnsteuer- oder Veranlagungsverfahren oder durch den Antrag auf Gewährung einer Prämie ausgeübt. Die Wahl des Sonderausgabenabzugs ist mit Eingang eines entsprechenden Antrags - regelmäßig der Einkommensteuererklärung, eines Antrags auf Lohnsteuerermäßigung oder auf Lohnsteuer-Jahresausgleich - beim FA getroffen. Für die Wahl der Prämie ist der Eingang beim Kreditinstitut oder der Bausparkasse zunächst in bezug auf die Wahrung der Antragsfrist maßgebend. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 WoPG ist der Prämienantrag an das Institut oder das Unternehmen zu richten. Das Kreditinstitut (Bausparkasse) wird hauptsächlich eingeschaltet, um zu bestätigen, daß der Berechtigte die angegebenen Aufwendungen tatsächlich erbracht hat. Darauf braucht sich seine Mitwirkung an der Prämiengewährung jedoch nicht zu beschränken. Bevor das Kreditinstitut die Bestätigung auf dem Antrag vermerkt, kann ihm auf Grund des Vertragsverhältnisses zum Berechtigten nicht verwehrt werden, mit ihm in Verbindung zu treten und gegebenenfalls von der Weiterleitung des Antrages abzusehen. Daraus folgt, daß mit dem Eingang des Antrages beim Kreditinstitut zwar die Frist für die Antragstellung gewahrt, aber das Wahlrecht noch nicht rechtswirksam ausgeübt worden ist. Der Antrag des Berechtigten muß, um wirksam in bezug auf die Ausübung des Wahlrechts zu sein, beim FA eingehen. Bis zu diesem Zeitpunkt hat das Kreditinstitut bzw. die Bausparkasse Gelegenheit, den Berechtigten vor einer für ihn ungünstigen Wahl zu bewahren und insbesondere offensichtlich in Unkenntnis der Auswirkungen gestellte Anträge zurückzuhalten. Ein von dem Kreditinstitut oder der Bausparkasse weitergeleiteter Antrag kann daher erst mit Eingang beim FA rückwirkend auf den Zeitpunkt des Eingangs beim Kreditinstitut oder der Bausparkasse als wirksam angesehen werden. Macht der Berechtigte für dieselben Aufwendungen beide Vergünstigungen geltend, so ist die Vergünstigung gewählt, die zuerst bei der zuständigen Stelle beantragt worden ist (vgl. Urteil des BFH VI 109/65 S vom 4. Mai 1965, BFH 83, 23, BStBl III 1965, 509).
Im Streitfall hat der Kläger sein Wahlrecht zugunsten der Wohungsbauprämie ausgeübt. Sein Prämienantrag ging bereits Ende Januar 1964 bei der Bausparkasse ein und wurde von ihr im März desselben Jahres an das FA weitergeleitet. Seine Einkommensteuererklärung reichte er erst Ende November 1964 beim FA ein. Nach § 8 Abs. 2 WoPG 1960 ist eine Änderung der getroffenen Wahl nicht mehr zulässig, und zwar auch dann nicht, wenn der Berechtigte die Auswirkungen seines Antrags nicht erkannt hat.
Der Auffassung des FG, daß der Kläger einen wirksamen Antrag auf Wohnungsbauprämie nicht gestellt habe, weil seine Erklärungen mehrdeutig gewesen seien, kann der Senat nicht folgen. Es erscheint bereits fraglich, ob im Hinblick darauf, daß der Kläger einen genau nach Vordruck ausgefüllten Antrag gestellt hat, überhaupt eine auslegungsbedürftige Willenserklärung vorliegt. Aber selbst wenn man dies unterstellt, verstößt die Auslegung dieser Willenserklärung durch das FG gegen die Auslegungsregeln. Nach § 133 BGB, der einen allgemeinen Rechtsgrundsatz enthält, ist bei der Auslegung von Willenserklärungen zwar der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Es hat jedoch nicht das Geltung, was jemand einem anderen hat erklären wollen oder zu erklären geglaubt hat. Es kommt vielmehr darauf an, wie eine vernünftige Person in der Lage des Empfängers die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte. Wollte der Erklärende seiner Erklärung einen Sinn geben, der der allgemeinen Auffassung zuwiderläuft, so kann dieser Sinn nur maßgebend sein, wenn der Erklärungsempfänger ihn verstanden hat oder verstehen mußte (vgl. Soergel-Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. neubearbeitete Auflage, Bd. 1 § 133 Rdnr. 11). Das FA konnte die vom Kläger auf dem Antragsformular abgegebene Willenserklärung nur als Antrag auf Gewährung von Wohnungsbauprämie auffassen. Aus ihr ergab sich nicht, daß der Kläger in Wirklichkeit einen Prämienantrag nicht stellen wollte. Auch der unterstrichene Hinweis des Klägers auf den Abzug der Aufwendungen als Sonderausgaben ließ keinen anderen Schluß zu, da dem Hinweis für die Prämienstelle des FA nur nachrichtliche Bedeutung zukommt. Dies hätte der Kläger aus der Fragestellung danach, ob ein Antrag auf Berücksichtigung als Sonderausgaben gestellt worden ist, unschwer erkennen können. Mit dem Eingang des Antrags beim FA ist die Wahl der Vergünstigung nach § 8 WoPG 1960 unwiderruflich geworden. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme von dieser Rechtsfolge liegen nicht vor.
Fundstellen
Haufe-Index 70253 |
BStBl II 1973, 99 |
BFHE 1973, 332 |