Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung eines wertlosen GmbH-Anteils ohne Entgelt als Veräußerung i.S. d. § 17 EStG; Verlust einer Darlehensforderung
Leitsatz (NV)
1. Die Übertragung eines wertlosen GmbH-Anteils ohne Entgelt ist in der Regel als Veräußerung i.S. d. § 17 EStG zu behandeln.
2. Auch wenn das Darlehen als Fremdkapital zu werten ist, kann sein Verlust zu Anschaffungskosten der Beteiligung führen, wenn es mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis gewährt wurde.
Normenkette
EStG § 17
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH mit einer Einlage von 24000 DM (48 v.H. des Stammkapitals). Im Juli 1986 gewährte der Kläger der GmbH ein Darlehen in Höhe von 50000 DM, das mit 5,5 v.H. verzinst und zum 30. Juli 1987 zurückgezahlt werden sollte. Die Darlehensaufnahme war notwendig, um finanzielle Schwierigkeiten der GmbH zu überwinden. Auch die anderen Gesellschafter gewährten der GmbH Darlehen in gleicher Höhe.
Die GmbH erwirtschaftete 1986 einen Verlust von 104082 DM.
Durch Vertrag vom 23. Juni 1987 übertrug der Kläger seinen Gesellschaftsanteil auf die Mitgesellschafter ohne Vereinbarung eines Entgelts. Nach dem Vertrag erfolgte die Übertragung des Anteils und damit das Ausscheiden des Klägers, weil die GmbH sich nicht so entwickelt habe, wie es erwartet worden sei, und weil sie ohne weitere finanzielle Mittel der Gesellschafter nicht fortgeführt werden könne; der Kläger sei aber dazu nicht bereit. Der Kläger verzichtete in dem Vertrag außerdem auf die Rückzahlung seines Darlehens von 50000DM sowie auf die Bezahlung seiner Gehälter für die Zeit des Jahres 1987 bis zu seinem Ausscheiden.
Mit seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1987 machte der Kläger einen Verlust gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend und beantragte die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte in einem zusammengefaßten Bescheid die Durchführung der Einkommensteuerveranlagung ab und setzte einen Erstattungsbetrag im Rahmen des Lohnsteuer-Jahresausgleichs fest. Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.
Mit der Klage begehrte der Kläger weiter die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr und dabei die Berücksichtigung eines Verlustes gemäß § 17 EStG in Höhe von 74000 DM.
Die Klage hatte Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1991, 124).
Mit der auf die Beschwerde des FA hin vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 17 EStG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat das FA zu Recht verpflichtet (§ 101 der Finanzgerichtsordnung- FGO -), gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 Buchst. b EStG in der für das Streitjahr 1987 geltenden Fassung eine Veranlagung unter Berücksichtigung eines Verlustes gemäß § 17 EStG durchzuführen.
1. Mit der Übertragung seines Geschäftsanteils an der GmbH auf seine Mitgesellschafter hat der Kläger im Streitjahr zunächst einen Veräußerungsverlust gemäß § 17 Abs. 1 und 2 EStG in Höhe von 24000 DM erlitten.
Die Übertragung des Anteils durch den notariell beurkundeten Vertrag vom 23. Juni 1987 (vgl. § 15 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -) ist als Veräußerung gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG zu werten. Ein Entgelt wurde zwar weder vereinbart noch gezahlt. Das geschah aber nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG deshalb, weil der Geschäftsanteil wertlos war. In diesem Fall kann nach der Rechtsprechung des Senats trotz fehlender Gegenleistung in der Regel eine Veräußerung i.S. des § 17 Abs. 1 EStG angenommen werden (Urteil vom 5. März 1991 VIII R 163/86, BFHE 164, 50, BStBl II 1991, 630; vgl. zuletzt Urteil vom 18. August 1992 VIII R 13/90, BFHE 169, 90, BStBl II 1993, 34).
Nach den Feststellungen des FG sind im Streitfall die Voraussetzungen für eine Veräußerung gemäß § 17 Abs. 1 EStG gegeben; es sprechen keine Anzeichen für eine Schenkung; die Unentgeltlichkeit hatte ihren Grund z.B. nicht in persönlichen Beziehungen des Klägers zu den übrigen Gesellschaftern. Als einziger Grund ist die Wertlosigkeit des Anteils erkennbar.
2. a) Das FG ist auch zu Recht davon aus-gegangen, daß den Anschaffungskosten der Beteiligung i.S. des § 17 Abs. 2 EStG auch der Wertverlust des Darlehens hinzuzurechnen ist.
Entgegen der Ansicht des FA ist dafür nicht Voraussetzung, daß das Darlehen eingelegt wird. Auch wenn das Darlehen als Fremdkapital zu werten ist, kann sein Verlust zu Anschaffungskosten der Beteiligung führen, wenn es mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis gewährt wurde. Das ist der Fall, wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft das Darlehen nicht gewährt hätte (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Oktober 1984 VIII R 36/83, BFHE 143, 228, BStBl II 1985, 320; vom 16. April 1991 VIII R 100/87, BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234).
Nach den unangegriffenen Feststellungen des FG hatte die Hingabe des Darlehens beim Kläger ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis. Das FG hat den Sachverhalt zwar nicht unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt geprüft. Seine Feststellungen erlauben aber diese rechtliche Schlußfolgerung. Für die gesellschaftliche Veranlassung des Darlehens spricht bereits, daß nur die Gesellschafter, dafür aber auch alle Gesellschafter, durch ihre Darlehen die finanziellen Schwierigkeiten der GmbH überwinden wollten. Dafür spricht ferner, daß trotz dieser Schwierigkeiten eine Sicherheit für das Darlehen nicht vereinbart wurde.
b) Das FG hat einerseits festgestellt, daß die Unterdeckung mindestens zu 50 v.H. auch die mit insgesamt 100000 DM ausgewiesenen Gesellschafterdarlehen erfaßte, die Darlehensforderung des Klägers also noch mit 25000 DM zu bewerten wäre; andererseits führt das FG aus, daß der Verzicht auf die Darlehensforderung seitens des Klägers auf deren Wertlosigkeit beruhe. Für die Entscheidung in diesem Verfahren ist es gleichgültig, ob im Zeitpunkt des Verzichts die Darlehensforderung 0 DM oder noch 25000 DM wert war.
aa) Wenn die Darlehensforderung im Zeitpunkt der Veräußerung der Anteile wertlos war, dann geht sie mit dem Nennwert in die Anschaffungskosten der Beteiligung gemäß § 17 Abs. 2 EStG ein. Die Darlehensforderung ist zwar von der Veräußerung des Geschäftsanteils nicht notwendigerweise berührt; auch als Nichtgesellschafter hätte der Kläger Darlehensgläubiger bleiben können, obwohl das Darlehen mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis gewährt worden ist. Im Streitfall steht der Verzicht auf die Rückzahlung der wertlosen Darlehensforderung aber im Zusammenhang mit der Veräußerung seines Anteils. Das ergibt sich aus der Vereinbarung vom 23. Juni 1987, in der sämtliche rechtlichen Beziehungen des Klägers zur GmbH abgewickelt wurden. Danach ist der Verzicht auf die wertlose Forderung weniger eine der Einlage vergleichbare Handlung als vielmehr Ausdruck dessen, daß die Darlehensforderung als verloren angesehen wird. Das erlaubt es auch, den Verlust der Darlehensforderung im Rahmen der Veräußerung des Anteils als nachträgliche Anschaffungskosten i.S. des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigen.
Der Verzicht auf die wertlose Forderung im Vertrag vom 23. Juni 1987 hebt die Wirkungen der auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Darlehenshingabe nicht auf. Letztere hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung im Rahmen der Veräußerung des Anteils geltend gemacht werden können, wenn die Darlehensforderung bis zu diesem Zeitpunkt wertlos geworden ist. Der spätere Verzicht kann diese Voraussetzungen nicht noch einmal schaffen; er geht insoweit ins Leere (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 1992 VIII R 24/90, BFHE 168, 551).
bb) Auch wenn die Darlehensforderung im Zeitpunkt des Verzichts noch 25000 DM wert gewesen sein sollte, ist von nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung im Rahmen der Veräußerung des Anteils in Höhe von insgesamt 74000 DM auszugehen. Soweit der Stammanteil betroffen ist und ferner die Darlehensforderung, soweit ihr Wert bis zur Anteilsveräußerung bereits gemindert war, gilt das oben zu 1. und 2. a) und b) aa) Ausgeführte.
Soweit die Darlehensforderung des Klägers noch einen Wert hatte (25000 DM), ist sie durch den Verzicht in die Gesellschaft eingelegt worden (vgl. BFH-Urteile in BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234 und vom 7. Juli 1992 VIII R 24/90). Die Einlage ist beim Kläger mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen (BFH-Urteil in BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234 m.w.N.), d.h. hier mit 25000 DM. Sie führt auch zu nachträglichen Anschaffungskosten seiner Beteiligung (§ 17 Abs. 2 EStG), denn sie ist durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt (zu diesem Merkmal vgl. oben zu 2. a). Für einen fremden Dritten hätte kein Grund bestanden, auf einen nennenswerten Teil seiner Darlehensforderung zu verzichten. Die Tatsache, daß der Kläger gerade noch Gesellschafter der GmbH und im Begriff war, seinen Geschäftsanteil zu veräußern, steht der Annahme einer Einlage jedenfalls im Streitfall nicht entgegen. Gründe für den Verzicht, die im außergesellschaftlichen Bereich liegen, kommen nach den Feststellungen des FG nicht in Betracht; so ist insbesondere kein Anhaltspunkt ersichtlich, daß der Kläger aus persönlichen Gründen mit Rücksicht auf die verbleibenden Gesellschafter auf seine Darlehensforderung verzichtet hat. Eine mittelbare Zuwendung an die Gesellschafter scheidet wohl auch deshalb aus, weil die verbleibenden Gesellschafter den Kläger im Gegenzug von allen Verbindlichkeiten freistellten, die sich aus seinem Gesellschaftsverhältnis ergeben konnten. Darin ist zwar mangels jeglicher Konkretisierung eine Gegenleistung nicht zu sehen; andererseits war eine derartige Vereinbarung nicht ohne Wert für den ausscheidenden Kläger, so daß auch der Darlehensverzicht in diesem Zusammenhang zu sehen ist.
3. Danach war gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 Buchst. b EStG eine Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr durchzuführen, nachdem der Kläger einen entsprechenden Antrag gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 EStG gestellt hat. Die ablehnende Verfügung des FA vom 22.April 1988 (Jahresausgleichsbescheid) sowie die Einspruchsentscheidung vom 3. August 1988 sind daher vom FG zu Recht aufgehoben und die Verpflichtung des FA zur Durchführung der Veranlagung zu Recht ausgesprochen worden (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1985 IX R 41/80, BFHE 143, 554, zu 2., BStBl II 1985, 692).
Fundstellen
Haufe-Index 418678 |
BFH/NV 1993, 158 |
BFH/NV 1993, 159 |