Leitsatz (amtlich)
Beitragszahlungen an eine Vereinigung, die als "Berufsverband ohne öffentlich-rechtlichen Charakter" nach § 4 Abs. 1 Nr. 8 KStG 1968 von der Körperschaftsteuer befreit ist, sind als Betriebsausgaben abziehbar, wenn die Ziele der Vereinigung geeignet sind, den Betrieb des Beitragszahlenden zu erhalten und zu fördern.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4; KStG 1968 § 4 Abs. 1 Nr. 8
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine KG, die ein gewerbliches Unternehmen betrieb. Sie war im Streitjahr (1973) Mitglied eines Verbandes. Dieser Verband war während seines Bestehens von dem dafür zuständigen Finanzamt als "Berufsverband ohne öffentlich-rechtlichen Charakter" nach § 4 Abs. 1 Nr. 8 des Körperschaftsteuergesetzes 1968 (KStG) von der Körperschaftsteuer befreit. Der Zweck des Verbandes war, sich für
a) die Erhaltung und soziale Entwicklung des Eigentumsbegriffs,
b) einen einheitlichen Eigentumsbegriff und eine klare Absicherung des privatwirtschaftlichen Eigentumsrechts in den künftigen Grundgesetzen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und
c) den Schutz und die internationale Respektierung des privatwirtschaftlichen Eigentums durch Schaffung entsprechender völkerrechtlicher Abmachungen
einzusetzen. Nach § 4 der Satzung konnten Mitglieder des Verbandes nur natürliche und juristische Personen der gewerblichen Wirtschaft und deren Vereinigungen werden. Ausgangspunkt für die Bemessung des Beitrags eines Verbandsmitglieds waren satzungsgemäß dessen wirtschaftliche Eigentumsinteressen. Die Klägerin leistete im Wirtschaftsjahr 1972/73 einen Mitgliedsbeitrag von 25 000 DM. Sie behandelte diesen Aufwand als Betriebsausgabe.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte den Betriebsausgabenabzug nicht an.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Auf die Klage hat das Finanzgericht (FG) die Einspruchsentscheidung und den zugrundeliegenden Feststellungsbescheid aufgehoben und bei der Feststellung des Gewinns 1973 den Abzug des Mitgliedsbeitrags als Betriebsausgabe anerkannt. Zur Begründung hat das FG ausgeführt: Satzungsgemäße Beiträge an Berufsverbände seien grundsätzlich Betriebsausgaben. Angesichts der gesetzlichen Normierung der Abzugsfähigkeit von Beiträgen an Berufsverbände im Werbungskostenbereich (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) sei davon auszugehen, daß der Gesetzgeber auch bei gewinnermittelnden Steuerpflichtigen Beiträge an Berufsverbände zum Abzug habe zulassen wollen. Eine andere Behandlung würde auch dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung widersprechen. Der Bundesfinanzhof (BFH) sehe Beiträge an einen Berufsverband nur dann als verkappte Zuwendungen an politische Parteien und damit als nichtabzugsfähig an, wenn solche Zahlungen nicht mehr aus den normalen satzungsmäßigen Beiträgen bestritten würden, was jedoch im Streitfall nicht geschehen sei. Die in der Satzung des Verbandes angeführten Tätigkeiten bewegten sich auch im Rahmen des betrieblichen Bereiches der Klägerin, da der Fortbestand ihres Unternehmens von der Beibehaltung der in der Satzung des Verbandes verankerten Ziele, nämlich des bisherigen Eigentumsbegriffs und des gegenwärtigen Wirtschaftssystems, entscheidend abhänge. Es sei daher unschädlich, daß diese Ziele auch allgemeinpolitische Anliegen seien.
Das FA rügt mit der Revision die Verletzung von § 4 Abs. 4 und § 12 Nr. 1 EStG. Es meint, Beiträge an Berufsverbände seien nur dann als Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn sie betrieblich veranlaßt seien und die Lebensführung nicht beträfen, es sei denn, eine Trennung ließe sich leicht und einwandfrei durchführen. Auf die Anerkennung als Berufsverband komme es nicht an. Wenn ein Berufsverband - wie im Streitfall - auch allgemeinpolitische Ziele verfolge, so lägen hinsichtlich der Beiträge gemischte Aufwendungen vor, deren Aufteilung nicht möglich sei. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 EStG sei nicht entsprechend auf den Betriebsausgabenbereich anzuwenden, da sich Betriebsausgaben und Werbungskosten trotz einer Vielzahl von Gemeinsamkeiten unterscheiden würden. Außerdem werde in der Rechtsprechung des BFH nur gesagt, daß Beiträge an Berufsverbände grundsätzlich abzugsfähig seien.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Minderung der Gewerbesteuer, die auf die streitigen Betriebsausgaben entfällt, zuungunsten der Klägerin zu berücksichtigen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist hinsichtlich des Hauptantrags nicht begründet. Das FG hat zutreffend den Abzug der Beitragszahlung der Klägerin in Höhe von 25 000 DM an den Verband als Betriebsausgabe zugelassen.
a) Nach § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Aufwendungen sind durch den Betrieb veranlaßt, wenn sie objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind (BFH-Beschluß vom 21. November 1983 GrS 2/82, BFHE 140, 50, BStBl II 1984, 160 ). Beiträge an einen Berufsverband stehen objektiv mit dem Betrieb, aus dessen Vermögen sie gezahlt werden, im Zusammenhang und sind dazu bestimmt, diesem Betrieb zu dienen, wenn der Berufsverband nach seiner Satzung Ziele verfolgt, welche die Erhaltung und die Fortentwicklung des Betriebes betreffen und die tatsächliche Geschäftsführung des Verbandes mit den satzungsmäßigen Zielen übereinstimmt. Damit sind Beiträge an Berufsverbände im betrieblichen Bereich unter den gleichen Voraussetzungen als Betriebsausgaben abziehbar wie im Bereich der nichtbetrieblichen Einkunftsarten als Werbungskosten; denn auch die in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 EStG genannten Beiträge an Berufsverbände können nur dann als Werbungskosten abgezogen werden, wenn der Berufsverband nach seiner Satzung Ziele verfolgt, welche der Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen aus einer nichtbetrieblichen Einkunftsart dienen und wenn die tatsächliche Geschäftsführung des Verbandes mit den satzungsgemäßen Zielen übereinstimmt. Der Senat braucht daher zu der von der Revision vertretenen Auffassung, "die Normierung in § 9 Abs. 1 Nr. 3 EStG" könne keine analoge Anwendung auf § 4 Abs. 4 EStG finden, nicht Stellung zu nehmen.
aa) Die Vorinstanz hat für den Streitfall eine betriebliche Veranlassung der Beitragszahlung zutreffend bejaht; denn die satzungsgemäßen Ziele des Verbandes waren geeignet, dem Betrieb der Klägerin zu dienen. Ein privatwirtschaftliches Unternehmen ist in seiner Erhaltung und Fortentwicklung davon abhängig, daß der bisherige privatwirtschaftliche Eigentumsbegriff gewahrt bleibt. Beiträge von Unternehmen an Berufsverbände, die dieses Ziel verfolgen, sind daher als Betriebsausgaben abziehbar. Der Senat hält es dabei für unschädlich, daß die Tätigkeit des Verbandes auch der Erhaltung und Fortentwicklung des Privateigentums dient, weil der Schutz und die soziale Fortentwicklung des in einem Betriebsvermögen gebundenen Eigentums auch den Schutz und die soziale Fortentwicklung des Privateigentums zur Folge hat.
Im Streitfall besteht kein Anlaß zu der Annahme, daß die tatsächliche Geschäftsführung des Verbandes den satzungsmäßigen Zielen nicht entsprochen habe, zumal der Verband vom zuständigen FA als Berufsverband anerkannt war.
bb) Der Senat tritt nicht der Auffassung des FA bei, daß für die Beitragsleistung an einen Berufsverband eine dem Betriebsausgabenabzug entgegenstehende private Mitveranlassung gegeben ist, wenn ein Berufsverband auch allgemeinpolitische Ziele verfolgt. Das FA beruft sich zur Stützung seiner Auffassung zu Unrecht auf das Urteil des VI. Senats des BFH vom 4. August 1967 VI R 130/66 (BFHE 90, 18, BStBl III 1967, 772 ); denn dieses Urteil betrifft Wahlkampfaufwendungen eines Steuerpflichtigen, der für das Wahlamt eines bayerischen Landrates vergeblich kandidiert hatte, nicht aber Beiträge zu Berufsverbänden.
Verfolgt ein Berufsverband auch allgemeinpolitische Ziele, wie im Streitfall die Erhaltung der bisherigen Eigentumsordnung, oder, wie in dem im BFH-Urteil vom 28. November 1980 VI R 193/77 (BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368 ) entschiedenen Fall, die Veränderung von Sozialpolitik und Wirtschaftsordnung zugunsten der Beschäftigten, oder, wie in dem im BFH-Urteil vom 16. Dezember 1981 I R 140/81 (BFHE 135, 278, BStBl II 1982, 465 ) entschiedenen Fall, die allgemeinen ideellen und wirtschaftlichen Interessen der Industriefirmen des Verbandsgebiets, so ist dadurch jedenfalls dann keine private Mitveranlassung für die Beitragszahlung an einen solchen Berufsverband gegeben, wenn die Unterstützung dieser Zwecke dem Betrieb oder dem Beruf dient.
b) Das Gutachten des I. Senats des BFH vom 17. Mai 1952 I D 1/52 S (BFHE 56, 591, BStBl III 1952, 228 ) steht dem hier gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Nach diesem Gutachten sollen Beiträge an Berufsverbände dann nicht als Betriebsausgaben abziehbar sein, wenn es sich entweder nicht um Beiträge, sondern um Durchlaufspenden handelt, oder wenn der Berufsverband beachtliche Teile der Beiträge politischen Parteien zuwendet. Ob das FG seine Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 76 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), dadurch verletzt hat, daß es die Frage der Weiterleitung von Beiträgen an politische Parteien nicht näher untersucht hat, kann der Senat nicht entscheiden, denn das FA hat eine in diese Richtung zielende Revisionsrüge in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen (§ 118 Abs. 2 FGO).
2. Der Hilfsantrag des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung. Das FG hat durch sein Urteil lediglich den gesondert festgestellten Gewinn der Klägerin um die streitigen 25 000 DM gekürzt. In der angefochtenen Entscheidung finden sich hingegen keine Ausführungen darüber, ob in der Schlußbilanz der Klägerin für das Streitjahr eine Gewerbesteuerrückstellung enthalten ist, die entsprechend der erfolgten Gewinnminderung um 25 000 DM mit gewinnerhöhender Wirkung hätte gekürzt werden müssen. Das FG wird die erforderlichen Feststellungen nachholen und eine evtl. Kürzung der Gewerbesteuerrückstellung vornehmen müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 426056 |
BStBl II 1985, 92 |
BFHE 1985, 251 |