Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Für die Berechnung der steuerlich zulässigen Garantierückstellung eines Bauunternehmers sind die tatsächlichen, vom Unternehmer nachzuweisenden Inanspruchnahmen in den vergangenen Jahren von erheblicher Bedeutung.
Normenkette
EStG §§ 4-5, 6 Abs. 1 Ziff. 2
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Garantierückstellungen an den Bilanzstichtagen vom 31. Dezember 1953 bis 31. Dezember 1955.
Die ein Tiefbauunternehmen betreibende Bfin. berechnete bis zum 31. Dezember 1952 ihre Garantierückstellungen mit 2 bzw. 3 v. H. der Baubetriebsleistungen des abgelaufenen Kalenderjahrs. Ab 1953 ging die Bfin. dazu über, unter Beibehaltung des bisherigen Hundertsatzes die Bemessungsgrundlage dadurch zu erweitern, daß sie den Baubetriebsleistungen des abgelaufenen Jahres die Abrechnungsbeträge für diejenigen Arbeiten zurechnete, für die die vereinbarte Garantiezeit am Bilanzstichtag noch nicht abgelaufen war.
Das Finanzamt erkannte zwar die veränderte Berechnungsgrundlage an, kürzte aber den Hundertsatz von 3 auf 1. Das Finanzgericht gab der Sprungberufung der Bfin. teilweise statt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. der Bfin. ist nicht begründet.
Die Ausführungen des Finanzgerichts stimmen mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs überein, die sich für die Bildung von Garantierückstellungen insbesondere aus den Entscheidungen I 60/57 U vom 1. April 1958 (BStBl 1958 III S. 291, Slg. Bd. 67 S. 47) und IV 135/52 vom 5. Februar 1953 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz § 6 Abs. 1 Ziff. 2 Rechtsspruch 17) ergibt. Danach dürfen die Garantierückstellungen der Bfin. in den Bilanzen vom 31. Dezember 1953 bis 31. Dezember 1955 steuerlich nur insoweit anerkannt werden, als sie nach den Verhältnissen an den Stichtagen einer objektiven Nachprüfung standhalten und das angemessene, den betrieblichen Verhältnissen entsprechende Maß nicht überschreiten. Es genügt deshalb nicht die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme in dem von der Bfin. geschätzten Umfange. Die Bfin. muß vielmehr im Rahmen des ihr Zumutbaren Tatsachen dafür anführen, daß sie in dem von ihr geschätzten Ausmaß mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nachträgliche Garantiearbeiten wird ausführen müssen. Da ein objektiver Maßstab für die Wahrscheinlichkeit künftiger Garantieleistungen nur aus der Erfahrung gewonnen werden kann, die Verhältnisse bei den einzelnen Steuerpflichtigen im allgemeinen nicht gleichliegen und das Steuergeheimnis die Offenlegung der Verhältnisse von Vergleichsbetrieben sehr erschwert, legt die Rechtsprechung auf die Erfahrungen, die der Steuerpflichtige in seinem eigenen Betrieb in der Vergangenheit machte, entscheidendes Gewicht. Die Bfin. ist deshalb verpflichtet, zur Rechtfertigung der von ihr begehrten Rückstellungen konkrete Tatsachen, insbesondere die tatsächliche Inanspruchnahme in der Vergangenheit darzulegen, soweit das nach den betrieblichen Verhältnissen zumutbar ist. An eine solche Darlegungspflicht sind dann besonders strenge Anordnungen zu stellen, wenn die jahrelang beibehaltene Grundlage der Berechnung in einem beachtlichen Umfange verändert werden soll, sei es, daß eine andere Bemessungsgrundlage gewählt wird, sei es, daß durch eine berechtigte änderung eines bestimmten Faktors der Berechnungsgrundlage sich eine wesentlich höhere Rückstellung als bisher ergibt. Haben sich die betrieblichen Verhältnisse durch eine veränderte Bauweise oder durch neuartige Verfahren der Bauausführung geändert, so genügt diese Tatsache allein nicht zu einer Erhöhung der bisherigen Rückstellungen. Es müssen vielmehr konkrete Ausführungen dazu gemacht werden, daß die bisher gebildeten Rückstellungen mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen werden. Im Interesse einer objektiv zutreffenden Gewinnermittlung und einer gleichmäßigen und gerechten Besteuerung ist es, wenn der Steuerpflichtige nicht in der Lage ist, konkrete und im einzelnen nachprüfbare Tatsachen für seine Schätzung anzuführen, auch bei Veränderung der betrieblichen Verhältnisse im allgemeinen gerechtfertigt, aus der Vergangenheit und in gewissem Umfange auch aus der künftigen Entwicklung Rückschlüsse zu ziehen.
Die Entscheidung darüber, ob die von der Bfin. begehrten Rückstellungen nach den vorstehenden Grundsätzen gerechtfertigt sind, liegt weitgehend auf tatsächlichem Gebiet und ist deshalb im Rechtsbeschwerdeverfahren für den Senat bindend, soweit nicht ein Rechtsirrtum oder ein Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten vorliegt (§ 288 Ziff. 1, § 296 Abs. 1 AO). Einen solchen Verstoß läßt das angefochtene, sorgfältig begründete Urteil nicht erkennen. Die bezeichneten Grundsätze gelten nicht nur für die Berechnung einer Pauschalrückstellung, sondern auch für die Schätzung jedes einzelnen Risikos. Mit Recht legt das Finanzgericht sowohl bei der Pauschalrückstellung als auch den Einzelrückstellungen entscheidendes Gewicht auf die Tatsache, daß die Bfin. ihrer Verpflichtung nicht nachkam, die tatsächlich ausgeführten, zu Lasten der Rückstellungen gebuchten Garantiearbeiten darzulegen und damit das Verhältnis der von ihr begehrten Rückstellungen zu den tatsächlichen Inanspruchnahmen zu klären. Die Bfin. wäre dazu insbesondere bei den 17 größeren Bauausführungen ohne besondere Schwierigkeiten in der Lage gewesen. Aus ihren Erklärungen muß der Schluß gezogen werden, daß sie seit vielen Jahren keine gegenüber den gebildeten Rückstellungen ins Gewicht fallende Inanspruchnahme angeben kann. Da auch die neuen Straßenbaumethoden seit vielen Jahren angewendet werden und offenbar keine erheblichen Nacharbeiten vorgenommen worden sind, so bestand für das Finanzgericht keine Veranlassung, höhere Rückstellungen als bisher für angemessen zu halten.
Wenn das Finanzgericht am Bilanzstichtag des letzten Streitjahrs 1955 eine Rückstellung von rund 145 000 DM für noch vertretbar hielt, obwohl die Bfin. seit vielen Jahren offenbar keine ins Gewicht fallenden Garantiearbeiten ausführte, so ist damit etwaigen mit der Anwendung neuartiger Straßenbaumethoden verbundenen Gefahren in sehr weitem Umfange Rechnung getragen. Mit Recht weist das Finanzgericht darauf hin, daß die Bfin. in Zukunft ihre Rückstellungen den tatsächlichen von ihr nachzuweisenden Inanspruchnahmen in etwa anpassen muß. Dem Grundsatz der Vorsicht bei der Bewertung kann nur innerhalb bestimmter Grenzen, für die der tatsächliche Ablauf und die damit gewonnene Erfahrung bedeutsam sind, Rechnung getragen werden. Ein buchmäßiges Festhalten aller ins Gewicht fallenden Garantiearbeiten kann der Bfin. zugemutet werden. Die von ihr als üblich bezeichnete Verbuchung von Garantiearbeiten auf laufenden Baukonten anderer Auftraggeber widerspricht den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Betriebsabrechnung und erfordert keinen geringeren Buchungsaufwand als die ordnungsmäßige Verbuchung über ein besonderes, die Garantiearbeiten erfassendes Konto. Soweit die Unterlagen erkennen lassen, hat das Finanzgericht die Garantierückstellung sehr wohlwollend geschätzt und dabei dem Prinzip der Vorsicht weitgehend Rechnung getragen. Da das Finanzamt keine Rb. eingelegt hat, erscheint es nicht angezeigt zu prüfen, ob nicht sogar bereits die oben dargestellten Grenzen überschritten sind.
Fundstellen
Haufe-Index 409840 |
BStBl III 1960, 495 |
BFHE 1961, 659 |
BFHE 71, 659 |
BB 1960, 1236 |
DB 1960, 1380 |