Leitsatz (amtlich)

Einer Mälzerei, die Großhandelslieferungen von Ausputzgerste und Malzkeimen, die bei der Ausführung von Lohnmälzungsaufträgen angefallen sind und die die Mälzerei vereinbarungsgemäß behalten darf, ausführt, stehen die Großhandelsvergünstigungen nach § 4 Ziff. 4 und § 7 Abs. 3 UStG nicht zu.

 

Normenkette

UStG § 4 Ziff. 4, § 7 Abs. 3; UStDB 1951 §§ 6, 12, 29 Abs. 2 Ziff. 6, § 30 Abs. 1 Ziff. 4

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige, eine Malzfabrik, betreibt die Herstellung von Braumalz sowohl auf eigene Rechnung als auch auf Grund von Lohnmälzungsaufträgen. Sie vergibt auch ihrerseits Lohnaufträge an andere Mälzereien.

Streitig ist in den Veranlagungszeiträumen 1954 und 1955 einmal die Steuerpflicht der Großhandelslieferungen von Ausputzgerste und Malzkeimen, die bei der Ausführung von Lohnmälzungsaufträgen durch die Steuerpflichtige anfallen, zum anderen, ob die von anderen Mälzereien an die Steuerpflichtige für die Überlassung der Ausputzgerste und der Malzkeime bewirkten Gegenleistungen steuerpflichtig sind.

Das Finanzamt hat unter Bezugnahme auf den Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 10. Februar 1954 IV S 4138 e -- 26/53 (Umsatzsteuerkartei, S 4138 e Karte 53) die Großhandelslieferungen der bei den Lohnmälzungsaufträgen anfallenden Ausputzgerste bei der Steuerpflichtigen mangels Erwerbs als steuerpflichtig angesehen und nach § 7 Abs. 2 Ziff. 2 b UStG mit 1,5 v. H. zur Umsatzsteuer herangezogen.

Bei den von der Steuerpflichtigen an andere Mälzereien erteilten Lohnmälzungsaufträgen erblickt das Finanzamt in dem Verzicht der Steuerpflichtigen auf die Rückgabe der Nebenerzeugnisse (Ausputzgerste und Malzkeime) und Duldung ihrer Gewinnung durch den Mälzer eine Leistung, für die das mit 4 % zu versteuernde Entgelt in dem anteiligen Werte der Arbeitsleistung des Mälzers bestehe.

Die Berufung der Steuerpflichtigen hatte in beiden Punkten Erfolg.

1. Im ersten Streitpunkt hat das Finanzgericht einen von dem jeweiligen Auftraggeber abgeleiteten Erwerb angenommen und für die Großhandelslieferungen der Ausputzgerste Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 4 UStG zugebilligt, während es für die Lieferung der gleichfalls anfallenden Malzkeime den ermäßigten Steuersatz des § 7 Abs. 3 UStG für zutreffend erachtet hat.

2. Im zweiten Streitpunkt ist das Finanzgericht davon ausgegangen, daß bei Annahme einer Lieferung sowohl der Ausputzgerste als auch der Malzkeime an den Mälzer im Hinblick auf deren nicht unerheblichen Wert nicht unterstellt werden könne, daß die Lieferung unentgeltlich bewirkt werde. Das Entgelt bestehe in dem anteiligen Werte der vom Mälzer bewirkten Arbeitsleistung, der gemäß § 5 Abs. 2 UStG mit dem Werte der Ausputzgerste und der Malzkeime anzusetzen sei. Die Bearbeitung sei bei den von der Steuerpflichtigen erteilten Lohnmälzungsaufträgen dieser zuzurechnen. Für die Lieferung der Malzkeime, die durch eine steuerlich schädliche Bearbeitung gewonnen würden, sei der normale Steuersatz des § 7 Abs. 1 UStG maßgebend, für die Lieferung der Ausputzgerste, die durch eine besonders zugelassene Bearbeitung des Reinigens von Getreide gewonnen würde, käme Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 4 UStG in Betracht.

Hiergegen richtet sich die Rb. des Vorstehers des Finanzamts, die im ersten Streitpunkt einen originären Erwerb der Ausputzgerste und der Malzkeime durch die Steuerpflichtige annimmt, und im zweiten Streitpunkt die Aufhebung der Vorentscheidung unter Berufung auf das inzwischen ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs V 65/58 U vom 13. Oktober 1960 (BStBl 1960 III S. 529, Slg. Bd. 71 S. 756) begehrt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

1. Großhandelslieferungen sind nach § 4 Ziff. 4 und § 7 Abs. 3 UStG nur begünstigt, wenn die Liefergegenstände erworben worden sind. Bei den im Rahmen eines Werkleistungsvertrages anfallenden Nebenprodukten und Abfällen ist die Frage des Erwerbs umstritten.

Der erkennende Senat hat im oben angeführten Urteil V 65/58 U vom 13. Oktober 1960 diese Frage offengelassen. Bei dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war lediglich über die Steuerpflicht einer Brauerei zu entscheiden, die einer Mälzerei Gerste zur Vermälzung überlassen hatte, wobei vereinbarungsgemäß Ausputzgerste und Malzkeime der Mälzerei verbleiben sollten. Der Senat hat für diese Frage die Brauerei mit dem Werte der angefallenen Nebenprodukte für steuerpflichtig erklärt, weil entweder die Mälzerei Gerste und Malzkeime gewonnen habe, wodurch nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs V 264/55 U vom 26. September 1957 (BStBl 1957 III S. 429, Slg. Bd. 65 S. 513) ein Erwerb dieser Gegenstände ausgeschlossen sei, oder -- bei Annahme einer Lieferung der Nebenprodukte -- die Bearbeitung durch die Mälzerei der Brauerei nach § 12 Abs. 2 UStDB 1951 zugerechnet werden müsse.

Im Streitfalle ist über die begehrte Steuerfreiheit für die Weiterlieferung der Nebenprodukte durch die Mälzerei zu befinden.

Daß die Grundsätze einer Gehaltslieferung nach § 6 UStDB im Rahmen eines Werkleistungsvertrages nicht angewendet werden können, ergibt sich aus der verschiedenen Interessenlage bei Werkleistung und Werklieferung (insoweit übereinstimmend Schettler, Umsatzsteuer-Rundschau 1958, S. 65 ff., 66, und Hirschmann, a. a. O., S. 114; ebenso Grabower in Hübschmann-Grabower-Beckv. Wallis, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 3 Anm. 47). Von den weiterhin umstrittenen Fragen, ob und in welchem Zeitpunkt die Nebenabfälle geliefert worden sind, ob ein originärer oder ein abgeleiteter Erwerb anzunehmen ist, und ob die Herstellung eines Gegenstandes wie die Urerzeugung zu behandeln ist (vgl. auch Herting, Der Betriebs-Berater 1956 S. 953), braucht bei der vom Senat vertretenen Auffassung abschließend nur folgendes erörtert zu werden. § 4 Ziff. 4 und § 7 Abs. 3 UStG setzen jedenfalls einen abgeleiteten Erwerb voraus. Dies ergibt sich daraus, daß die genannten Vorschriften die Verteiler funktion des Großhandels begünstigen wollen. Von einem abgeleiteten Erwerb kann jedoch jedenfalls dann keine Rede sein, wenn die Bearbeitungsmaßnahmen, soweit die Gewinnung der Nebenprodukte in Betracht kommt, im eigenen Interesse und für die eigenen Zwecke des Beauftragten durchgeführt werden. Bei der im Rahmen des Werkleistungsvertrages gegebenen Interessenlage kann es dem Auftraggeber gleichgültig sein, ob und in welchem Umfange die Nebenprodukte gewonnen werden. Es kommt dem Auftraggeber lediglich darauf an, aus der hingegebenen Braugerste eine entsprechende Menge Malz zu erhalten. Damit erschöpft sich das wirtschaftliche Interesse des Auftraggebers, und es ist Sache des Beauftragten (Mälzerei), die Arbeitsvorgänge so zu gestalten, daß die Nebenprodukte in der von ihm vor Vertragsabschluß vorausgesetzten Menge und Qualität anfallen, um das Geschäft für ihn gewinnbringend zu gestalten. Bei dieser die wirtschaftlichen Gegebenheiten berücksichtigenden Betrachtungsweise ist der Lohnmälzungsauftrag als eine Einheit zu beurteilen, wie dies der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht (vgl. das Urteil des Reichsfinanzhofs V A 348/27 vom 12. August 1927, Slg. Bd. 22 S. 22). Von diesem Ausgangspunkt aus kann aber weder der dinglichen Rechtsgestaltung noch überhaupt der bürgerlich-rechtlichen Lage entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Im übrigen würde auch bei jeder anderen möglichen rechtlichen Beurteilung § 12 Abs. 1 UStDB der Gewährung der Großhandelsvergünstigungen entgegenstehen. Damit steht nicht in Widerspruch, daß in dem oben angeführten Urteil des erkennenden Senats vom 13. Oktober 1960 nach der einen Alternative die Bearbeitungsmaßnahmen nach § 12 Abs. 2 UStDB dem Auftraggeber zugerechnet worden sind. Denn die Frage der Bearbeitung ist jeweils von einem anderen Standpunkt aus zu betrachten, für den entscheidend ist, für welchen Lieferungsgegenstand die Steuerbegünstigung in Anspruch genommen wird. Für den Auftraggeber ist beim Lohnmälzungsauftrag das Produkt, das in seinem Auftrag hergestellt wird, das Malz, worauf es ihm ankommt; im Streitpunkt aber geht es um die anfallenden Nebenprodukte, die der Beauftragte im Zuge des Mälzungsprozesses gewonnen hat. Auch aus dem einheitlichen Umsatzgeschäft der Lohnmälzung müssen deshalb verschiedene rechtliche Beurteilungen Platz greifen, wenn bei einem Bearbeitungsvorgang mehrere Produkte entstehen.

Hinzu kommt folgendes: § 12 Abs. 2 UStDB hat den Zurechnungsgrundsatz zum Inhalt, wonach eine Bearbeitung oder Verarbeitung durch einen anderen dem Auftraggeber zuzurechnen ist. Der typische Anwendungsfall dieser Vorschrift ist der Werkvertrag. Die innere Begründung für die Zurechnungsvorschrift liegt darin, daß der Auftraggeber den ihm gehörigen Stoff zur Verfügung stellt, der auch in der Verfügungsmacht des Auftraggebers verbleibt, und an diesem Stoff mit seinem Wissen und Wollen Bearbeitungsmaßnahmen durchgeführt werden. Der Auftraggeber kann deshalb nicht anders gestellt werden, als wenn er die Bearbeitungsmaßnahmen selbst durchgeführt hätte. § 12 Abs. 1 UStDB setzt aber nach seinem Wortlaut und Sinn voraus, daß für den bearbeitenden Unternehmer selbst die Bearbeitungsmaßnahmen schädlich sind, soweit sie in seinem Interesse und für seine Zwecke vorgenommen werden (vgl. auch Urteil des erkennenden Senats V 42/56 S vom 18. Dezember 1957, unter II Abs. 4, BStBl 1958 III S. 123 ff., Slg. Bd. 66 S. 323 ff.). Dem Auftraggeber ist demnach nach § 12 Abs. 2 UStDB die Vermälzung im ganzen zuzurechnen, die er in seinem Interesse durch einen anderen im Werklohn vornehmen läßt, der Steuerpflichtigen ist nach § 12 Abs. 1 UStDB die Gewinnung der Abfallprodukte zuzurechnen; denn sie stellt die Ausputzgerste und die Malzkeime tatsächlich durch eigene Bearbeitungsvorgänge selbst her (vgl. auch Hirschmann, Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A, 1957 S. 311).

Die Gewährung der Großhandelsvergünstigungen scheitert demnach einmal daran, daß ein abgeleiteter Erwerb, wie ihn § 4 Ziff. 4 und § 7 Abs. 3 UStG voraussetzen, nicht vorliegt, zum anderen an dem Bearbeitungsverbot des § 12 Abs. 1 UStDB.

Die Vorentscheidung ist demnach in diesem Punkte als rechtsirrig aufzuheben.

2. Der hier zu entscheidende Sachverhalt entspricht dem Sachverhalt, der dem Urteil des erkennenden Senats V 65/58 U vom 13. Oktober 1960 (a. a. O.) zugrunde liegt. Daß im Streitfalle nicht eine Brauerei als Auftraggeber in Betracht kommt, sondern eine Mälzerei, die ihrerseits, soweit sie die Vermälzung nicht selbst vornimmt, anderen Mälzereien Lohnaufträge erteilt, ist für die rechtliche Beurteilung belanglos. An dem genannten Urteil hält der Senat nach erneuter Prüfung fest. Auch nach der insoweit zutreffenden Auffassung der Vorentscheidung entfällt für die Lieferung der Malzkeime jegliche Steuervergünstigung. Die Vorinstanz will jedoch auf die Lieferungen der Ausputzgerste § 4 Ziff. 4 UStG anwenden, weil das Reinigen von Getreide nach § 30 Abs. 1 Ziff. 4 UStDB 1951 besonders zugelassen sei. Dem steht jedoch der Grundsatz der einheitlichen Beurteilung eines wirtschaftlichen Vorganges entgegen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 264/55 U vom 26. September 1957, a. a. O.). Aus dem Mälzungsprozeß läßt sich das Reinigen der Braugerste nicht als ein Vorgang von selbständiger wirtschaftlicher Bedeutung abspalten. Zwischen der Steuerpflichtigen und den von ihr beauftragten Lohnmälzereien ist ein einheitlicher Vertrag abgeschlossen worden, der auf Vermälzen der zur Verfügung gestellten Gerste geht. Dabei ist ungereinigte Gerste überlassen worden, deren Reinigung als unselbständiger Arbeitsvorgang dem eigentlichen Mälzen voranzugehen hat. Die bei Vertragsabschluß vorausgesetzte Qualität des Malzes setzt das Reinigen der Gerste voraus und ist deshalb als ein wesentlicher, aber unselbständiger Teil des Mälzungsprozesses anzusehen. Diese Beurteilung entspricht allein der vertraglichen Gestaltung und dem tatsächlichen Geschehensablauf. Die Mälzereien haben nicht zwei Aufträge auf Reinigen und Vermälzen erhalten, sondern nur den Auftrag zur Vermälzung, wobei der Mälzungsvorgang, um die geforderte Malzqualität zu erzielen, mit dem Reinigen der Gerste zu beginnen hat. Die Ausputzgerste ist deshalb im Rahmen eines Werkvertrages auf Vermälzung als angefallen anzusehen, während die Anwendung des § 4 Ziff. 4 UStG voraussetzt, daß ein Großhändler erworbenes Getreide reinigt und sodann weiterliefert.

In dem oben angeführten Urteil vom 13. Oktober 1960 hat der Senat zur Frage eines verschiedenen Steuersatzes für die Ausputzgerste und für die Malzkeime nicht ausdrücklich Stellung genommen, im Rechtssatz vielmehr nur die Steuerpflicht für beide Nebenerzeugnisse bejaht. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß lediglich ein einheitlicher Steuersatz in Betracht kommt (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs V 98/58 U vom 11. Februar 1960, BStBl 1960 III S. 149, Slg. Bd. 70 S. 399); denn der Werkleistung einer Lohnmälzung stehen als Entgelt ein Barlohn und der Verzicht auf die Nebenprodukte gegenüber. Der Leistungsaustausch besteht demnach in einem tauschähnlichen Umsatz, bei dem einer Werkleistung der Barlohn und der Verzicht auf die Nebenprodukte und die Duldung ihrer Gewinnung gegenüberstehen.

Die Vorentscheidung ist deshalb auch hinsichtlich dieses Streitpunktes wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

Unter Aufhebung der Vorentscheidung wird die Sprungberufung gegen die Steuerbescheide des Finanzamts für die Veranlagungszeiträume 1954 und 1955 als unbegründet zurückgewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410625

BStBl III 1962, 547

BFHE 1963, 774

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