Leitsatz (amtlich)
Der unbare Geschäftsverkehr muß nicht unbedingt auf einem Kontokorrentkonto und einem Kontokorrentbuch (Geschäftsfreundebuch) festgehalten werden. Ein Geschäftsfreundebuch erübrigt sich, soweit das Kontokorrentkonto oder die dieses Konto ersetzenden Grundaufzeichnungen nur einen bestimmten Geschäftspartner betreffen.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 2, § 10a
Tatbestand
Die Revisonskläger sind Eheleute. Der steuerpflichtige Ehemann (Stpfl.) befaßt sich im wesentlichen mit der Vermittlung und Organisation von verbilligten Gemeinschaftsreisen für eine Versicherungsanstalt. Bei einer Anfang 1963 für die Jahre 1957 bis 1961 durchgeführten Betriebsprüfung verneinte der Betriebsprüfer die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung. Nach seinen Feststellungen wurden in der Zeit von 1957 bis Mitte 1959 die Rechnungsausgänge an die Versicherungsanstalt erst im Zeitpunkt der Zahlung gebucht. Ferner waren hiernach die Buchungen auf dem Kontokorrentkonto und auf der Kontokorrentkarte der Versicherungsanstalt in allen Prüfungsjahren unvollständig. Auf Grund der Prüfungsfeststellungen versagte der Revisionsbeklagte (FA) bei den gemäß § 225 AO erfolgten Berichtigungsveranlagungen für die Streitjahre 1959 und 1960 und bei der erstmaligen Veranlagung für das Streitjahr 1961 die Steuervergünstigung des nicht entnommenen Gewinns (§ 10a EStG) und die Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter (§ 6 Abs. 2 EStG).
Der Einspruch und die Berufung blieben erfolglos.
Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH zur Verbuchung des Kontokorrentverkehrs und zur Auswirkung eines Systemfehlers auf die Gewährung von Steuervergünstigungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht ausgeführt:
Der Stpfl. habe aus seiner Tätigkeit für die Versicherungsanstalt aus zwei Rechtsgründen Forderungen gegen diese erworben, einmal Provisionsforderungen wegen seiner Tätigkeit für sie, zum anderen Erstattungsansprüche wegen der für die Versicherungsanstalt verauslagten Beträge. Diese Forderungen seien weder auf dem Kontokorrentkonto noch auf der Kontokorrentkarte der Versicherungsanstalt, also dem Geschäftsfreundebuch, als Forderungen verbucht worden. Bei einer ordnungsmäßigen Buchführung sei nicht nur jede einzelne Rechnung, sondern jede auf einen gesonderten Geschäftsvorfall beruhende Einzelforderung zu buchen. Für das Streitjahr 1959, in dem noch längere Zeit unbare Geschäftsvorfälle erst bei Eingang der Zahlung verbucht worden seien, leide die Buchführung daher schon aus diesem Grunde an einem Systemmangel. Die Buchführung sei aber auch für die Folgejahre nicht ordnungsmäßig. Zwar sei der erwähnte Mangel seit Mitte 1959 zum Teil behoben worden, die Buchführung weise aber weiterhin einen Systemfehler auf, weil nach Rechnungserteilung eine Buchung im Geschäftsfreundebuch unterblieben sei. Es lasse sich nicht feststellen, ob und in welcher Höhe der Versicherungsanstalt Rechnungen über vorgestreckte Auslagen erteilt und wie diese abgedeckt worden seien. Dies gelte in ganz besonderem Maße für das Kunden-Kontokorrentkonto K 1 "Gepäck- und Unfallversicherung", weil auf diesem Konto nicht nur Forderungen gegen die Versicherungsanstalt festgehalten worden seien. Der Stpfl. sei daher nicht in der Lage gewesen, jederzeit den jeweiligen Stand mit seinem Kunden, der Versicherungsanstalt, zu überblicken, so daß die Buchführung auch insoweit mit einem Systemfehler behaftet sei.
Mit der Rb. (Revision) erklären die Revisionskläger, alle Vorgänge seien laufend und zeitfolgegerecht in Grundaufzeichnungen festgehalten worden. Der Stpfl. sei jederzeit in der Lage gewesen, den jeweiligen Stand mit seinem Kunden zu überblicken. Die Buchführung leide daher an keinem Systemmangel.
Die Revisionskläger beantragen,
die Vorentscheidung aufzuheben und das FA anzuweisen, die Steuerbescheide 1959 bis 1961 unter Anerkennung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung zu berichtigen sowie über die Sache mündlich zu verhandeln. Sollte der BFH Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung haben, so wird beantragt, ein Gutachten bei der zuständigen Stelle im Bundesfinanzministerium für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung einzuholen.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen, die Kosten der Revision den Revisionsklägern aufzuerlegen und den Wert des Streitgegenstandes auf 19 306 DM festzusetzen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Das Urteil des FG beruht auf der Rechtsansicht, der unbare Geschäftsverkehr müsse unter allen Umständen auf einem Kontokorrentkonto und einem Kontokorrentbuch (Geschäftsfreundebuch) festgehalten werden. Damit stellt es, wie sich aus dem nach Erlaß der Vorentscheidung ergangenen BFH-Urteil VI 117/65 vom 23. September 1966 (BFH 87, 73, BStBl III 1967, 23) ergibt, überspannte Anforderungen. Nach diesem Urteil ist es zwar erforderlich, daß Forderungen und Schulden anhand von Aufzeichnungen in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgt werden können, und zwar in ihrem Gesamtbestand und im Verhältnis zu den einzelnen Geschäftsfreunden. Sonst ist die Buchführung nicht ordnungsmäßig, auch wenn der ausgewiesene Gewinn der Besteuerung zugrunde gelegt wird. Was aber die Art dieser Aufzeichnungen betrifft, ist der Kaufmann an eine bestimmte Buchführungsmethode nicht gebunden. Die Buchungen müssen nicht unbedingt auf einem Kontokorrentkonto erfolgen. Auch das Wareneingangsbuch und das Warenausgangsbuch können z. B. bei entsprechender Ausgestaltung als Grundbücher für die Aufzeichnung von Kreditkäufen dienen. Entscheidend ist, daß die unbaren Geschäftsvorfälle der Zeitfolge nach buchmäßig aufgezeichnet und die am Bilanzstichtag bestehenden Forderungen und Schulden im Kontokorrentbuch ausgewiesen werden, ferner, daß der Steuerpflichtige und ein sachverständiger Dritter sich in dem Buchführungswerk ohne große Schwierigkeiten innerhalb angemessener Zeit zurechtfinden können.
Ob die Buchführung des Stpfl., wenn man sie nach diesen Grundsätzen beurteilt, ordnungsmäßig war, kann der Senat nicht prüfen, da es an tatsächlichen Feststellungen des FG über Art und Form der Aufzeichnungen des Stpfl. fehlt. Die Beteiligten haben sich zu dieser Frage erst im Revisionsverfahren ausführlich geäußert. Die erforderlichen Feststellungen zu treffen, ist indes Aufgabe des FG (§ 118 FGO).
Die Sache geht daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Das FG wird den Vortrag der Beteiligten darüber, welche Buchungen der Stpfl. vorgenommen hat, nach der tatsächlichen Seite hin untersuchen und dann - notfalls unter Zuziehung eines Sachverständigen - prüfen, ob diese Buchungen, insbesondere die vom Stpfl. erwähnten Abrechnungslisten, den Erfordernissen entsprechen, die der BFH in dem Urteil VI 117/65 (a. a. O.) an Grundaufzeichnungen über unbare Geschäftsvorfälle gestellt hat. Bei dieser Gelegenheit muß auch geklärt werden, welche Bedeutung das umstrittene Konto K 1 "Gepäck- und Unfallversicherung" hat, das nach der Darstellung des Stpfl. keine Forderungen an die Versicherungsanstalt oder an andere Personen, sondern eine Schuld an eine Schweizer Versicherungsgesellschaft ausweist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß es nach Auffassung des Senats besonderer Aufzeichnungen in einem Geschäftsfreundebuch jedenfalls dann nicht bedarf, wenn feststeht, daß die Grundaufzeichnungen, die das Kontokorrent-Sachkonto nach dem BFH-Urteil VI 117/65 (a. a. O.) ersetzen können, nur einen bestimmten Geschäftspartner betreffen. Zu der Buchung der Provisionsforderungen des Stpfl. ist noch zu bemerken, daß als einzelner Geschäftsvorfall die Forderung des Stpfl. aus einem von der Versicherungsanstalt erteilten Auftrag anzusehen ist, mag dieser Auftrag auch die Beförderung mehrerer Personen an mehrere Orte betreffen.
Fundstellen
Haufe-Index 412804 |
BStBl II 1968, 173 |
BFHE 1968, 473 |