Entscheidungsstichwort (Thema)
Baukindergeld für eine am Arbeitsort selbstgenutzte Zweitwohnung, wenn die Kinder ausschließlich in der Hauptwohnung am Wohnort leben
Leitsatz (amtlich)
Einem Steuerpflichtigen, der die Steuerbegünstigung nach § 10e Abs. 1 EStG für eine am Arbeitsort selbstgenutzte Zweitwohnung zu Recht in Anspruch nimmt, steht Baukindergeld nach § 34f Abs. 3 EStG auch hinsichtlich der Kinder zu, die ausschließlich in seiner Hauptwohnung am Wohnort leben (Fortführung des Senatsurteils vom 31. Oktober 1991 X R 9/91, BFHE 166, 85, BStBl II 1992, 241 und Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 14. März 1989 IX R 43/88, BFHE 157, 353, BStBl II 1989, 829).
Normenkette
EStG §§ 10e, 34f Abs. 3
Verfahrensgang
Hessisches FG (EFG 1996, 384; LEXinform-Nr. 0132507) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute und bewohnten im Streitjahr 1994 zusammen mit ihren beiden Kindern ein ihnen gehörendes Zweifamilienhaus in A. Im selben Jahr errichteten die Kläger ein Zweifamilienhaus in B. Eine der Wohnungen vermieteten sie an Fremde. Die andere ―48 qm große― Wohnung nutzte der als Berufsschullehrer in B tätige Kläger an den Tagen, an denen er berufsbedingt nicht an den Hauptwohnsitz in A zurückkehren konnte.
Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1994 machten die Kläger keine Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend, sondern beantragten für das Zweifamilienhaus in B die Steuerbegünstigung nach § 10e EStG. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) berücksichtigte die Steuerbegünstigung antragsgemäß mit dem Einkommensteuerbescheid für 1994, lehnte aber eine Steuerermäßigung nach § 34f EStG für die beiden Kinder der Kläger mit der Begründung ab, in der Wohnung in B werde kein Haushalt geführt, dem die Kinder angehörten.
Der dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 384 veröffentlicht ist, statt. Nach Auffassung des FG ist gemäß § 34f EStG Baukindergeld zu gewähren, wenn ―wie im Streitfall― eine Förderung nach § 10e EStG in Anspruch genommen wird und die Kinder des Steuerpflichtigen auf Dauer zu dessen Haushalt gehören oder im maßgeblichen Zeitraum gehört haben. Sowohl der eindeutige Wortlaut als auch der Zweck des § 34f EStG ließen eine einschränkende Auslegung der Vorschrift im Sinne der Rechtsansicht des FA, Baukindergeld könne nur für die im begünstigten Objekt wohnenden Kinder gewährt werden, nicht zu.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 34f Abs. 3 EStG. Es trägt vor:
Mit seiner Entscheidung weiche das FG ausdrücklich von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ab, nach der eine Förderung nur dann in Betracht komme, wenn das geförderte Objekt dazu bestimmt und geeignet sei, den durch die Haushaltszugehörigkeit der Kinder erhöhten Wohnbedarf zu befriedigen (vgl. Urteile des BFH vom 14. März 1989 IX R 43/88, BFHE 157, 353, BStBl II 1989, 829, und IX R 45/88, BFHE 157, 80, BStBl II 1989, 776). Dieser Grundsatz ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 34f Abs. 3 EStG, jedoch sei er dem Sinnzusammenhang und dem Zweck der Steuerbegünstigung zu entnehmen. Zielsetzung der Steuerermäßigung sei es, Familien mit Kindern im Hinblick auf ihren erhöhten Wohnbedarf einen zusätzlichen Anreiz zur Schaffung von Wohneigentum zu geben (BFH-Urteil in BFHE 157, 80, BStBl II 1989, 776). Deswegen sei § 34f EStG dem genannten Grundsatz entsprechend teleologisch einzuschränken.
Das FA beantragt, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Zu Recht hat das FG die Voraussetzungen für die Gewährung von Baukindergeld nach Maßgabe des § 34f Abs. 3 EStG im Streitfall bejaht.
1. Nach § 34f Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1992 vom 25. Februar 1992 (BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146) setzt die Steuerermäßigung für Steuerpflichtige mit Kindern im Zusammenhang mit dem im Jahre 1994 errichteten Wohnobjekt voraus, dass sie
- die Steuerbegünstigungen für eigengenutztes Wohneigentum nach
§ 10e Abs. 1, 2, 4 und 5 EStG in Anspruch genommen haben und
- dass die Kinder zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehören
oder in dem für die Steuerbegünstigung maßgebenden Zeitraum
gehört haben.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.
2. Die Kläger haben die Vergünstigung des § 10e EStG i.S. des § 34f Abs. 3 EStG "in Anspruch genommen".
Das FA hat antragsgemäß einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG berücksichtigt. Der Senat kann im Streitfall unentschieden lassen, ob dem Steuerpflichtigen Baukindergeld auch dann zusteht, wenn das FA die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG zu Unrecht gewährt hat (vgl. auch Senatsurteil vom 31. Oktober 1991 X R 9/91, BFHE 166, 85, BStBl II 1992, 241, unter 2.). Denn die Kläger hatten im Streitfall einen Rechtsanspruch auf diese Steuerbegünstigung.
Die Tatsache, dass der Kläger die begünstigte Wohnung im Rahmen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung genutzt hat und die damit zusammenhängenden Aufwendungen wie z.B. Absetzungen für Abnutzung, Finanzierungskosten, laufende Grundstückskosten und Erhaltungsaufwendungen, soweit sie die Kosten für eine übliche Unterkunft (angemessene Mietwohnung für eine Person) nicht übersteigen, gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG als Werbungskosten hätte geltend machen können (BFH-Urteil vom 27. Juli 1995 VI R 32/95, BFHE 178, 348, BStBl II 1995, 841), steht der Inanspruchnahme der Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG nicht entgegen. Denn nach dem Senatsurteil vom 27. Juli 2000 X R 91/97 (BStBl II 2000, 692) hat ein Arbeitnehmer, der einen aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushalt führt und am Beschäftigungsort in einer eigenen Eigentumswohnung wohnt, für diese Wohnung Anspruch auf die Abzugsbeträge des § 10e Abs. 1 EStG, wenn er ―wie der Kläger im Streitfall― statt der notwendigen, durch die doppelte Haushaltsführung entstandenen Mehraufwendungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Beschäftigungsort und Wohnort gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abzieht. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Gründe dieser Entscheidung Bezug.
3. Die Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt des Steuerpflichtigen ist entgegen der Auffassung des FA ebenfalls gegeben. Hierfür ist nicht Voraussetzung, dass die Kinder in dem begünstigten Objekt wohnen.
a) Zum Haushalt gehören Kinder, die bei einheitlicher Wirtschaftsführung unter Leitung des Steuerpflichtigen dessen Wohnung teilen oder sich mit seiner Einwilligung vorübergehend außerhalb seiner Wohnung aufhalten (BFH-Entscheidungen vom 24. Oktober 1980 VI B 78/80, BFHE 131, 514, BStBl II 1981, 54; in BFHE 157, 80, BStBl II 1989, 776; vom 14. April 1999 X R 11/97, BFHE 188, 330, BStBl II 1999, 594; R 213 a Abs. 3 Satz 1 der Einkommensteuer-Richtlinien ―EStR― 1999; Clausen in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 34f EStG Rz. 44; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, § 34f Rz. 15; Blümich/ Erhard, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 34f EStG Rz. 87; Stuhrmann in Bordewin/ Brandt, Einkommensteuergesetz, § 34f Rz. 35). Diese Voraussetzung liegt im Streitfall hinsichtlich des ―auch von den Kindern bewohnten― Familienwohnsitzes der Kläger in A vor.
Folge dieser Haushaltszugehörigkeit ist nach dem Wortlaut der Vorschrift, dass die Kläger für die am Arbeitsort des Klägers erstellte und nach § 10e EStG steuerlich geförderte Zweitwohnung gemäß § 34f Abs. 3 EStG Anspruch auf Baukindergeld haben; die Tatsache, dass der Kläger die Zweitwohnung nur allein an den Arbeitstagen während der Woche nutzt, steht der Förderung nach § 34f Abs. 3 EStG nicht entgegen. Eine den Wortlaut der Vorschrift einschränkende Auslegung des Inhalts, dass die Steuerbegünstigung nicht nur die Zugehörigkeit zum Haushalt des Steuerpflichtigen, sondern darüber hinaus das "Mitwohnen" des Kindes in dem ―weiteren― geförderten Objekt voraussetzt, ist weder mit dem Zweck des § 34f EStG noch mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats gehören auch Zweitwohnungen, die nur von einem Elternteil bewohnt werden, zum (einheitlichen) "elterlichen Haushalt", sofern sie nicht anderen Nutzern ―wie z.B. den Kindern des Steuerpflichtigen― zur Führung eines eigenen Haushalts überlassen werden (Urteile vom 26. Januar 1994 X R 94/91, BFHE 173, 345, BStBl II 1994, 544; vom 25. Januar 1995 X R 37/94, BFHE 176, 431, BStBl II 1995, 378) oder in ihnen wegen Getrenntlebens der Eltern ein eigenständiger Haushalt des Elternteils geführt wird, in den die Kinder nicht eingegliedert sind (Senatsurteile in BFHE 188, 330, BStBl II 1999, 594, und vom 14. April 1999 X R 121/95, BFH/NV 2000, 16).
b) Die frühere Rechtsprechung des IX. Senats des BFH zu § 34f EStG hat allerdings die Anwendbarkeit der Vorschrift auf nur vom Steuerpflichtigen selbst genutzte Zweitwohnungen am Arbeitsort abgelehnt. Dieser Rechtsprechung hat sich die Finanzverwaltung (H 213a "Fälle des § 10e EStG Begünstigte Objekte" Amtliches Einkommensteuer-Handbuch ―EStH―) und ein Teil des Schrifttums angeschlossen (Blümich/Erhard, a.a.O., § 34f EStG Rz. 68; Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 34f Rz. 9; Stephan in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 34f EStG Rz. 28 a), weil das geförderte Objekt zwar nicht eine Nutzung als Mittelpunkt der Lebensinteressen und damit als Familienwohnsitz erfordere, aber gleichwohl bestimmt und geeignet sein müsse, den durch die Kinder erhöhten Wohnbedarf der Familie des Steuerpflichtigen zu befriedigen (vgl. BFH-Entscheidungen in BFHE 157, 80, BStBl II 1989, 776, und in BFHE 157, 353, BStBl II 1989, 829; ebenso BFH-Urteil vom 21. November 1989 IX R 56/88, BFHE 159, 146, 149, BStBl II 1990, 216). Nach dem Urteil in BFHE 157, 353, BStBl II 1989, 829 sollte sich diese Auslegung zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 34f EStG, jedoch aus dem im Urteil in BFHE 157, 80, BStBl II 1989, 776 dargelegten Sinnzusammenhang und dem Zweck der Steuerbegünstigung ergeben (ähnlich BFH-Urteil vom 21. November 1989 IX R 327/87, BFHE 159, 77, 79, BStBl II 1990, 215).
c) Der Senat hat jedoch bereits mit Urteil in BFHE 166, 85, BStBl II 1992, 241 entschieden, dass diese Auslegung zu § 34f EStG in der vor dem Veranlagungszeitraum 1987 geltenden Fassung wegen der Änderung des § 34f EStG aufgrund der Neuregelung der Wohneigentumsförderung in § 10e EStG durch das Wohneigentumsförderungsgesetz (WohneigFG) vom 15. Mai 1986 (BGBl I 1986, 730, BStBl I 1986, 278) und der diesen Bestimmungen zugrunde liegenden Förderungszwecke der veränderten Normsituation anzupassen ist. Danach kommt es für den Anspruch auf Baukindergeld gemäß § 34f EStG nur darauf an, dass die Kinder zum "Haushalt des Steuerpflichtigen" gehören; ob sie auch in einer weiteren Wohnung des Steuerpflichtigen wohnen, für die er die Grundförderung nach § 10e EStG in Anspruch nimmt, ist für die Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 3 EStG ohne Bedeutung.
aa) Maßgebend für diese Auslegung der Vorschrift ist der in ihr zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Gesetzeswortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Für die Auslegung des § 34f Abs. 3 EStG kommen ―neben städtebau- und arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen― insbesondere zwei Gesetzeszwecke in Betracht: die Förderung des familiengerechten Wohnens im eigenen Wohneigentum und die Förderung der Bildung von Wohneigentum in der Hand solcher Steuerpflichtiger, deren steuerliche Leistungsfähigkeit durch die Belastung mit Unterhaltspflichten gegenüber Kindern gemindert ist. Nach der Regierungsbegründung zum Entwurf eines § 34f EStG 1981 war mit dieser Vorschrift bezweckt, die steuerrechtlichen Regeln für den Baubereich ―insbesondere für den privaten Wohnungsbau― wirksamer zu gestalten, um die private Bautätigkeit zu stärken und die Baunachfrage zu beleben. Durch die Einführung der Steuerermäßigung des § 34f EStG 1981 sollten Steuerpflichtige mit zwei oder mehr Kindern einen zusätzlichen Anreiz zum Erwerb von Wohnungseigentum erhalten (BTDrucks 9/843 S. 10).
bb) Ziel der Neuregelung des § 34f EStG durch das WohneigFG war es, durch eine wirksamere und verstärkt familienausgerichtete Gestaltung der bisherigen Förderung die Voraussetzungen dafür zu schaffen, "daß möglichst viele Bürger, vor allem auch Familien mit Kindern, Wohneigentum erwerben können" (BTDrucks 10/3633 S. 10; Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 10e EStG Anm. 8). Dabei wurden ab dem Veranlagungszeitraum 1987 auch Familien mit einem Kind in die Förderung einbezogen, weil eine Förderung erst ab dem zweiten Kind nicht mit dem Ziel in Einklang stehe, Familien allgemein den Zugang zum Wohneigentum zu erleichtern (BTDrucks 10/3633 S. 10).
cc) Diese vom Gesetzgeber beabsichtigte Verallgemeinerung des Förderungszweckes lässt die vom FA vertretene, den Gesetzeswortlaut einschränkende Auslegung des § 34f Abs. 3 EStG nicht zu. Der in der Neuregelung ab 1987 allgemeiner definierte vermögens- und familienpolitische Förderungszweck wird nämlich auch dann erreicht, wenn die Zweitwohnung nach Größe und Zuschnitt nicht geeignet und auch nicht dazu bestimmt ist, dem Steuerpflichtigen als Familienwohnung zu dienen (so zur fehlenden Eignung als Familienwohnung schon Senatsentscheidung in BFHE 166, 85, BStBl II 1992, 241; ebenso zu Wohnungen am Arbeitsort Oberfinanzdirektion München, Verfügung vom 12. Dezember 1995 S 2293c - 3/2 St 41, Finanz-Rundschau 1996, 224; Steuererlasse in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 34f Nr. 13).
Fundstellen
Haufe-Index 508578 |
BFH/NV 2001, 367 |
BStBl II 2001, 383 |
BFHE 193, 349 |
BFHE 2001, 349 |
BB 2001, 402 |
DB 2001, 685 |
DStR 2001, 204 |
DStRE 2001, 239 |
HFR 2001, 446 |
StE 2001, 80 |