Entscheidungsstichwort (Thema)
Ein schlüsselfertige Gebäude herstellender Ingenieur gewerblich tätig
Leitsatz (NV)
1. Ein Ingenieur, der schlüsselfertige Gebäude errichten lässt, erzielt gewerbliche, nicht freiberufliche Einkünfte.
2. Schuldet er seinem Auftraggeber die schlüsselfertige Erstellung des Gebäudes, sind seine Einkünfte auch insoweit gewerblich, als er ggf. Ingenieur- oder Architektenleistungen erbringt.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1; EStG § 15 Abs. 2, § 18 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Diplom-Ingenieur. Er war als Architekt und "Baubetreuer" tätig. Er und der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beurteilten seine Einkünfte als solche aus freiberuflicher Tätigkeit. Dementsprechend wiesen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1994 bis 1997 keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus. Der Einkommensteuerbescheid 1997 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Anlässlich einer Außenprüfung wurde festgestellt, dass der Kläger nahezu ausschließlich fertige Verwaltungsgebäude sowie Lager und Produktionsstätten für eine GmbH herstellte. Dabei erhielt er von der GmbH den Auftrag zur Durchführung aller Baumaßnahmen, die für die Errichtung der Gebäude nötig waren, einschließlich Architektur und Statik. Er schuldete der GmbH die schlüsselfertige Übergabe des jeweiligen Gebäudes. Die Gebäude wurden auf seine Rechnung und Gefahr errichtet. Der Kläger vergab die Aufträge für die Ausführung der einzelnen Baumaßnahmen im eigenen Namen an Drittunternehmen. Für die schlüsselfertige Erstellung der Gebäude war ein Pauschalhonorar vereinbart. Ein Architektenhonorar wurde nicht gesondert abgerechnet.
Das FA stellte für die Streitjahre 1996 bis 1999 Gewerbesteuermessbeträge fest, wobei es die gesamte Tätigkeit des Klägers als gewerbliche beurteilte.
Die Klage, mit der der Kläger geltend machte, freiberuflich i.S. des § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) tätig gewesen zu sein, hatte keinen Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2006, 585).
Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Zu Unrecht habe das Finanzgericht (FG) bei Feststellung des Sachverhalts unberücksichtigt gelassen, dass er jeweils zu Beginn einer Baumaßnahme als Architekt mittels eines normalen Architektenvertrages beauftragt worden sei. In einigen Fällen sei es bei diesem Auftrag geblieben, wobei dann nur das Architektenhonorar berechnet und bezahlt worden sei. Bei den übrigen Projekten habe er anschließend den Bauantrag gestellt und Angebote eingeholt. Auf der Grundlage einer Kostenzusammenstellung habe er dann der GmbH ein Pauschalangebot unterbreitet. In den Bauaufträgen sei stets die GmbH als Bauherr bezeichnet worden. Auch habe er die Rechnungen an die Baufirmen erst nach Eingang der Zahlung der GmbH beglichen. Die Gesamtleistung sei eine freiberufliche, die allenfalls in gewissem Maße durch andere Tätigkeiten abgerundet worden sei. Das vom Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 23. Oktober 1956 I 116/55 U (BFHE 64, 46, BStBl III 1957, 17) festgestellte Berufsbild des Architekten sei überholt. Den vom FA und vom FG zitierten Urteilen lägen andere Sachverhalte zugrunde; insbesondere hätte dort der Steuerpflichtige --anders als er, der Kläger-- ein Vertriebsrisiko getragen. Das nach dem Vertrag für die Bauleistungen von ihm zu tragende Risiko habe faktisch nicht bestanden. Die unzureichende Sachverhaltswürdigung beruhe möglicherweise auf mangelnder Sachaufklärung.
Sollte er tatsächlich auch gewerblich tätig sein, so müsse zwischen freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit getrennt werden. Dass eine getrennte Buchführung fehle, liege letztlich nur daran, dass das FA im Jahr 1993 anlässlich eines Einspruchsverfahrens seine Auffassung, er sei gewerblich tätig, ausdrücklich aufgegeben habe. Nach dem BFH-Urteil in BFHE 64, 46, BStBl III 1957, 17 seien die verschiedenartigen Einkünfte im Schätzungswege aufzuteilen.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG die Bescheide über die einheitlichen Gewerbesteuermessbeträge 1996 bis 1999 in Form der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt --im Wesentlichen unter Hinweis auf die Ausführungen im Urteil des FG-- die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Der Vortrag des Klägers, er habe vereinzelt nur das Architektenhonorar berechnet, sei neu und könne daher im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des Klägers ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Auffassung des FG, die Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren sei voll umfänglich als gewerbliche einzustufen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Unter Gewerbebetrieb ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ein gewerbliches Unternehmen i.S. des EStG zu verstehen. Nach § 15 Abs. 2 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Tätigkeit anzusehen ist. Freier Beruf in diesem Sinne ist u.a. gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG die selbständige Berufstätigkeit eines Architekten und/oder eines (Bau-)Ingenieurs. Maßgeblich ist, wie schon der Wortlaut der Bestimmung sagt, die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit. Der erfolgreiche Abschluss einer für einen Katalogberuf i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG vorgeschriebenen Ausbildung reicht allein nicht aus (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 17. September 1981 V R 144/76, juris Nr: STRE815051060; vom 11. Dezember 1985 I R 285/82, BFHE 146, 121, BStBl II 1986, 484; Beschluss vom 22. September 1997 IV B 152/96, BFH/NV 1998, 312).
2. Der Kläger war in den Streitjahren --zumindest auch-- gewerblich tätig. Seine Tätigkeit bestand nicht --allein-- in der Erbringung von Architektenleistungen. Zu den typischen Tätigkeiten eines freiberuflichen Architekten gehören nach ständiger Rechtsprechung des BFH --in Anlehnung insbesondere an § 15 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure-- die Planung, Überwachung und Leitung von Baumaßnahmen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 12. Oktober 1989 IV R 118-119/87, BFHE 158, 413, BStBl II 1990, 64; vom 22. Januar 1988 III R 43-44/85, BFHE 152, 345, BStBl II 1988, 497). Die Herstellung fertiger Verwaltungsgebäude, Lager und Produktionsstätten für einen Auftraggeber gegen ein Pauschalentgelt entspricht nicht mehr der von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG erfassten typischen Berufstätigkeit eines Architekten, sondern ähnelt der eines Bauunternehmers. Das gilt auch dann, wenn --wie vom Kläger vorgetragen-- Architekten zunehmend auch als Bauunternehmer tätig sein sollten. Das Festhalten am historischen Tätigkeitsbild eines Architekten ist insoweit nicht zuletzt aus Gründen der steuerlichen Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) geboten, denn Steuerpflichtige, die auftragsgemäß schlüsselfertige Bauten herstellen oder herstellen lassen und dem Auftraggeber überlassen, sind gewerbesteuerpflichtig. Es ist sachlich nicht zu rechtfertigen, Steuerpflichtige, deren Tätigkeitsschwerpunkt in der Errichtung von Gebäuden durch Einschaltung von Subunternehmern liegt, nur deswegen steuerlich besser zu behandeln, weil sie ein Architekturstudium absolviert haben und daher mit der Planung des Bauwerks keine Dritten beauftragen müssen. Dass der Kläger, wie von ihm vorgetragen, wirtschaftlich letztlich kein Vertriebsrisiko getragen und auch nicht die Grundstücke, auf denen die Gebäude errichtet wurden, an- und verkauft hat, ist nicht entscheidungserheblich. Maßgeblich ist, dass die Erstellung von Gebäuden im Auftrag eines Dritten nicht zur freiberuflichen Architektentätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, sondern zur typischen Tätigkeit gewerblicher Bauunternehmer gehört.
3. Das FG hat es letztlich auch zu Recht abgelehnt, die Tätigkeit des Klägers in eine gewerbliche (Bauunternehmer) und eine freiberufliche (Architekt) aufzuteilen. Zwar ist --entgegen seiner Auffassung-- hierfür eine gesonderte Buchführung nicht unerlässlich (vgl. z.B. Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 18 EStG Anm. 75, m.w.N.). Entscheidend ist aber, dass der Kläger gegenüber seinem Auftraggeber einen einheitlichen Leistungserfolg schuldete.
Übt ein Steuerpflichtiger sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, so sind diese zwar nach der (jüngeren) steuerlichen Rechtsprechung des BFH zu trennen, sofern dies nach der Verkehrsauffassung möglich ist. Das gilt auch dann, wenn sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen den verschiedenen Tätigkeiten bestehen. Sind aber bei einer Tätigkeit beide Tätigkeitsarten derart miteinander verflochten, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen, so liegt eine einheitliche Tätigkeit vor, die steuerlich danach zu qualifizieren ist, ob das freiberufliche oder das gewerbliche Element vorherrscht. Schuldet ein Steuerpflichtiger gegenüber seinem Auftraggeber einen einheitlichen Erfolg, so ist auch die zur Durchführung des Auftrags erforderliche Tätigkeit regelmäßig als einheitliche zu beurteilen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24. April 1997 IV R 60/95, BFHE 183, 150, BStBl II 1997, 567; vom 18. Mai 2000 IV R 89/99, BFHE 191, 568, BStBl II 2000, 625, m.w.N.). Auf den geschätzten Anteil der einzelnen Tätigkeit am Umsatz oder Ertrag der Gesamttätigkeit kommt es dann nicht an (BFH-Urteile in BFHE 183, 150, BStBl II 1997, 567; vom 1. Februar 1979 IV R 113/76, BFHE 128, 67, BStBl II 1979, 574).
An diesen Maßstäben gemessen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG im Hinblick auf den vom Kläger einheitlich geschuldeten Erfolg von einer einheitlichen Tätigkeit ausgegangen ist. Seine Würdigung verletzt weder Denkgesetze noch Erfahrungssätze. Ob ein Steuerpflichtiger im Sinne der genannten Rechtsprechung einen einheitlichen Erfolg schuldet, ist eine vom FG zu treffende Feststellung tatsächlicher Art, an die das Revisionsgericht grundsätzlich gebunden ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 118 Rz 24, m.w.N., § 118 Rz 27, 28). Der Einwand des Klägers im Revisionsverfahren, die Würdigung des FG beruhe möglicherweise auf mangelnder Sachaufklärung, ist als bloße Vermutung nicht geeignet, einen die Bindung aufhebenden Verfahrensfehler zu begründen (vgl. hierzu z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 66 ff.). Sein Vortrag, er sei, insbesondere, wenn die Baumaßnahme nicht durchgeführt worden sei, nur als Architekt gegenüber der GmbH tätig geworden und er habe in diesen Fällen auch nur ein Architektenhonorar in Rechnung gestellt, kann als neuer Vortrag im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden.
4. Auch im Übrigen ist die Entscheidung des FG nicht zu beanstanden. Für das Streitjahr 1996 konnte erstmals ein Gewerbesteuermessbescheid ergehen, da die Einkommensteuerveranlagung für 1997 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. März 1991 IV R 135/90, BFHE 164, 408, BStBl II 1991, 769, m.w.N.). Auch die Feststellungsfrist für 1996 war noch nicht abgelaufen, da der Kläger keine Gewerbesteuererklärung abgegeben hat (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 22. Oktober 2004 XI B 166/02, BFH/NV 2005, 504, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1693391 |
BFH/NV 2007, 661 |