Leitsatz (amtlich)
Halbhohlniete aus Kupfer fallen unter die Tarifnr. 74.15 GZT. Sie können den unter der Tarifnr. 83.09 erfaßten Hohlnieten zolltariflich nicht gleichgestellt werden.
Normenkette
GZT Tarifnr. 74.15; GZT Tarifnr. 83.09
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) der Beklagten (Oberfinanzdirektion – OFD –) vom 17. November 1972, durch die die von der Klägerin als „Halbhohlniete” aus Messing bezeichneten Waren der Tarifst. 74.15 B des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT), unter der u. a. „Niete” aufgeführt sind, zugewiesen worden sind. Die Klägerin ist der Auffassung, daß die Waren zolltariflich den Hohlnieten zuzurechnen seien, die unter die Tarifnr. 83.09 fallen.
Bei den zur Tarifierung stehenden Nieten handelt es sich um Flachrundkopfniete unterschiedlicher Abmessungen mit einem teilweise hohlen, zylindrischen Schalt. Der Schalt ist je nach Verwendung des Niets mehr oder weniger auf gebohrt, so daß ein entsprechender Hohlraum entsteht. Die Bohrung kann u. U. bis zum Nietkopf durchgehen. Der Nietkopf selbst ist jedoch nicht durchbohrt. Entsprechend der Tiefe und der Form der Bohrung werden die Niete auch als „Halbhohlniete mit kurzer Bohrung”, „Halbhohlniete mit tiefer Bohrung”, „Halbhohlniete mit abgerundeter Stirnfläche in der Bohrung (Bull-Nose)” oder „Halbhohlniete mit konischer Bohrung” bezeichnet. Die Niete sind nicht aus vollem Material gedreht. Sie bestehen aus einer Kupfer-Zink-Legierung mit gewichtsmäßig vorherrschendem Kupfergehalt (Messing) und können vernickelt sein. Nach den vorliegenden Prospekten sollen sie in der Metallwaren-, Automobil-, Elektro- und Lederindustrie sowie bei der Herstellung von Haushaltsgeräten als Verbindungselemente verwendet werden.
Die OFD stützt die vZTA, durch die die Ware der Tarifst. 74.15 B zugewiesen worden ist, auf ein von ihr eingeholtes Gutachten der Fachvereinigung Niete vom 29. Januar 1969, die unter Berufung auf eine Äußerung eines ihrer Mitglieder, einer Spezialfirma für die Herstellung von Hohlnieten sowie von Halbhohlnieten, zu dem Ergebnis gekommen ist, daß die zu tarifierenden Waren nicht als Hohlniete bezeichnet werden können. Unter Hohlnieten seien aus Blech gezogene Teile zu verstehen. Bei den zu tarifierenden Nieten handle es sich dagegen um Halbhohlniete, auch teilgebohrte Niete genannt. Niete dieser Art würden zum Teil hohlgestaucht, zum Teil gebohrt. Dieser Unterschied im Herstellungsverfahren sei jedoch nicht entscheidend denn hohlgestauchte oder gebohrte Niete könnten dem gleichen Verwendungszweck dienen. Gegenüber den Hohlnieten sei jedoch ein Unterschied im Verwendungszweck gegeben. Während Hohlniete hauptsächlich in Verbindung mit weicheren Materialien und in Fällen, in denen es auf eine besonder Festigkeit nicht ankomme, eingesetzt würden, würden Halbhohlniete bzw. teilgebohrte Niete zum Verbinden von Metallteilen benutzt. Sie böten höhere Scherfestigkeitswerte.
Gegen die vZTA legte die Klägerin Einspruch ein mit der Begründung, die Angaben über den Verwendungszweck in der Stellungnahme der Fachvereinigung Niete seien falsch. Sowohl die Hohlniete als auch die Halbhohlniete würden ebenso für weichere Materialien wie auch für die Verbindung von Metallteilen benutzt. In der modernen Verbindungstechnik habe sich jedoch der Halbhohlniet gegenüber dem Hohlniet immer mehr durchgesetzt, da er sich bei höherer Scherfestigkeit mit modernen Maschinen ebenso schnell und sicher setzen lasse. Praktisch sei der Halbhohlniet eine Weiterentwicklung des Hohlniets, da er dessen Vorteile, aber nicht dessen Nachteile aufweise. In keinem Fall lasse sich der Halbhohlniet in die Gruppe der Schrauben, Muttern und Massivniete einordnen, da diese auf einem völlig anderen Wege verarbeitet würden. Auch das Herstellungsverfahren dürfe für die Tarifierung der „Halbhohlniete” nicht ausschlaggebend sein. In der Tarifnr. 83.09 seien neben den Hohlnieten auch die Zweispitzniete erfaßt, die in ähnlicher Weise wie die Halbhohlniete gefertigt würden. Es sei deshalb möglicherweise gerechtfertigt, Halbhohlniete zusammen mit Hohlnieten und Zweispitznieten in derselben Tarifgruppe zusammenzufassen, da diese ebenfalls auf technologisch höherstehenden Maschinen gefertigt werden müßten als normale Niete. Auch von der Wortbedeutung her biete es sich an, die Halbhohlniete den Hohlnieten zuzuordnen. Die Bezeichnung Hohlniet brauche nicht zu bedeuten, daß der Niet tatsächlich in seiner gesamten Länge hohl sei. Sie könne auch Niete mit einem angebohrten oder durchbohrten Schalt umfassen. Zwar liege der Klägerin daran, zur klaren Unterscheidung zu Hohlnieten, d. h. Nieten, die einen durchbohrten Schalt und Kopf haben, für ihre Erzeugnisse den Namen „Halbhohlniet” einzuführen. Es müsse aber die Frage aufgeworfen werden, ob diese Bezeichnung nicht falsch sei.
Die OFD hat den Einspruch zurückgewiesen mit der Begründung, schon von der Bedeutung des Wortes her bestehe ein Unterschied zwischen einem Hohlniet und einem Halbhohlniet. Ein Niet, der nicht ganz hohl sei, könne kein Hohlniet sein. Die sogenannten Halbhohlniete, auch „teilgebohrte Niete” oder „Niete mit Hohlschaftende” genannt, hätten jedoch keinen durch die ganze Länge des Niets durchgehenden Hohlraum, so daß sie nicht als Hohlniete angesehen werden könnten. Die gleiche Auflassung werde von der Fachvereinigung Niete sowie von dem Deutschen Normenausschuß vertreten.
Mit der gegen die Einspruchsentscheidung gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, die Tarifierung sei nicht überzeugend, weil der Begriff „hohl” nicht richtig ausgelegt sei. Die zu tarifierenden Niete seien mehr oder minder hohl, aber keine Vollniete. Unstreitig gehe teilweise die Bohrung bis zum Nietkopf durch. Sie sei also einem Hohlniet absolut vergleichbar. Auch in der Verwendung seien die Hohlniete und die Halbhohlniete identisch. Die Halbhohlniete stellten eine Fortentwicklung der Hohlniete dar. Sie seien aber niemals Vollniete, weder nach der Bearbeitung noch nach der Verwendungsmöglichkeit. Schließlich müsse auch berücksichtigt werden, daß in der Tarifnr. 83.09 auch Zweispitzniete erfaßt seien, die ebenfalls nicht hohl seien.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung der vZTA vom 17. November 1972 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 10. April 1974 die Halbhohlniete der Tarifnr. 83.09 GZT zuzuweisen.
Die OFD beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung nimmt sie auf die angefochtene Einspruchsentscheidung Bezug.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der Gemeinsame Zolltarif erfaßt unter der Tarifnr. 74.15 „Bolzen und Muttern (auch mit Gewinde), Schrauben, Ringschrauben und Schraubhaken, Niete, Splinte, Keile und ähnliche Waren der Schrauben- und Nietenindustrie, aus Kupfer; …”. Unter der Tarifnr. 83.09 sind neben hier nicht interessierenden Zubehörteilen aus Metall, die für Bekleidung, Schuhe, Planen, Täschnerwaren und zum Fertigen oder Ausrüsten anderer Waren bestimmt sind, „Hohlniete und Zweispitzniete aus unedlen Metallen” erfaßt.
Aus der allgemeinen Warengruppe der Niete und ähnlicher Erzeugnisse der Nietenindustrie sind demnach die Hohlniete und Zweispitzniete als besondere Formen der Niete ausgesondert und unter den Erzeugnissen aus unedlen Metallen besonders erfaßt worden. Da der Begriff Hohlniete, um den es hier allein geht, im Zolltarif und den dazu ergangenen Erläuterungen nicht definiert ist, muß zur Abgrenzung dieses Begriffes auf die Begriffsbestimmung in der Fachsprache zurückgegriffen werden. In der technischen Fachsprache wird der Begriff Hohlniet dahin verstanden, daß er nur Niete in Röhrenform erfaßt, d. h. Niete mit einer durch den ganzen Niet hindurchgehenden Öffnung. Das ergibt sich aus den Normblättern des Deutschen Normenausschusses (Normblätter 7331 und 7339), in denen als Hohlniete Niete mit einer durchgehenden Öffnung aufgeführt sind, sowie auch aus der von der Klägerin selbst gegebenen Begriffsbestimmung, wonach unter Hohlnieten Niete zu verstehen sind, die einen durchbohrten Schaft und Kopf haben. Daß unter Hohlnieten i. S. der Tarifnr. 83.09 nur Niete mit durchgehender Öffnung zu verstehen sind, wird insbesondere auch aus der französischen Fassung des Zolltarifs ersichtlich, in dem von „rivets tubulaires” die Rede ist. Dabei spielt es keine Rolle, daß, wie die Klägerin im Einspruchsverfahren geltend gemacht hat, ein einzelner Hersteller auch Niete mit angebohrtem Schaft unter der Bezeichnung „Hohlniete” angeboten hat, denn diese Bezeichnung entspricht offensichtlich nicht dem üblichen Sprachgebrauch. Unerheblich ist es auch, daß rein sprachlich gesehen auch Niete, die nur einen durchbohrten Schaft, nicht aber einen durchbohrten Kopf haben, als hohl bezeichnet werden könnten, denn hier geht es nicht um die sprachlichen Möglichkeiten, sondern allein um die Wortbedeutung in der Fachsprache. Diese aber geht dahin, daß unter Hohlnieten nur Niete mit durchgehender Öffnung verstanden werden.
Diese Bestimmung des Begriffes Hohlniet schließt es aus, die zu tarifierenden Niete, die keine durchgehende Öffnung haben, sondern deren Schaft nur mehr oder minder weit angebohrt ist, den Hohlnieten zuzuordnen, da sie das wesentliche Kriterium der Hohlniete, die durchgehenden Öffnung, nicht aufweisen. Diese sogenannten Halbhohlniete können auch den Hohlnieten zolltariflich nicht gleichgestellt werden. Dabei ist es gleichgültig, daß, wie die Klägerin meint, die Halbhohlniete in ihrem Verwendungszweck den Hohlnieten weitgehend entsprechen. Der Verwendungszweck spielt im Rahmen der Tarifnr. 83.09 nur für die am Anfang der Tarifnummer aufgeführten Waren, d. h. für Verschlüsse, Verschlußbügel, Schnallen, Spangen, Klammern, Haken, Ösen und ähnliche Waren eine Rolle, die für Bekleidung, Schuhe, Planen, Täschnerwaren sowie zum Fertigen oder Ausrüsten anderer Waren bestimmt sein müssen. Für die anschließend aufgeführten Hohlniete und Zweispitzniete ist ein besonderer Verwendungszweck in der Tarifnr. 83.09 nicht bezeichnet. Die Frage, ob die Niete hauptsächlich für die Verbindung weicher Stoffe oder aber zur Verwendung in der Autoindustrie bestimmt sind, spielt deshalb für die zolltarifliche Einordnung keine Rolle.
Das gleiche gilt für das Herstellungsverfahren, da für die zolltarifliche Zuordnung einer Ware nur die tatsächliche Beschaffenheit der Ware im Zeitpunkt der Einfuhr ohne Rücksicht auf die Art der Herstellung maßgeblich sein kann. Auch der Umstand, daß zur Herstellung der Halbhohlniete ähnlich wie bei den Zweispitznieten besonders hochwertige Maschinen eingesetzt werden müssen, kann demnach eine zolltarifliche Gleichstellung der Halbhohlniete mit den Hohlnieten und eine Zuordnung zu der Tarifnr. 83.09 nicht rechtfertigen.
Die zu tarifierenden Halbhohlniete aus Messing sind vielmehr von der OFD zu Recht der Tarifst. 74.15 zugeordnet worden (vgl. auch Vorschrift 3 b zu Abschn. XV). Dem steht nicht entgegen, daß die Halbhohlniete, wie die Klägerin meint, keine Vollniete darstellen, denn die Tarifnr. 74.15 erfaßt nicht nur Vollniete, sondern Niete, Splinte, Keile und ähnliche Waren der Nietenindustrie, also Niete im weitesten Sinne. Ausgeschlossen sind nur Hohlniete und Zweispitzniete. Damit sind auch die zu tarifierenden Halbhohlniete erfaßt.
Fundstellen
Haufe-Index 514667 |
BFHE 1976, 512 |