Leitsatz (amtlich)

Bernsteinketten mit Verschlüssen aus unedlem Metall (vergoldetem Kupfer) sind als Phantasieschmuck der Tarifnr. 71.16 zuzuordnen.

 

Normenkette

GZT Tarifnrn. 71.16; GZT Tarifnrn. 95.07; GZT Vorschrift 10 zu Kap. 71

 

Tatbestand

Streitig ist die Tarifierung einer unter der Bezeichnung „Bernsteinketten mit Verschlüssen aus Doublé” angemeldeten Warensendung, die die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) am 27. August 1971 zum freien Verkehr hat abfertigen lassen. Das Zollamt (ZA), eine Dienststelle des Beklagten und Revisionsklägers (Hauptzollamt – HZA –), wies die Ware zunächst mit vorläufigem Zollbescheid der Tarifst. 95.07 B des Gemeinsamen Zolltarifs – GZT – (Waren aus Bernstein) zu und erhob die entsprechenden Angaben. Nachdem eine Untersuchung der Zotlehranstalt (ZLA) ergeben hatte, daß die Ketten mit einer Verschlußvorrichtung aus unedlen Metallen (vergoldetem Kupfer) versehen waren, änderte die Zollstelle die tarifliche Zuordnung und wies die Kelten als Phantasieschmuck der Tarifst. 71.16 B GZT zu. Die daraus folgende Abgabendifferenz forderte die Zollstelle nach.

Gegen den Nachforderungsbescheid wandte sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Klage an das Finanzgericht (FG). Die Klage hatte Erfolg.

Das FG führte aus, der Begriff Phantasieschmuck i. S. der Zolltarifnr. 71.16 werde in der Vorschrift 10 zu Kap. 71 definiert. Dieser Definition entspreche die eingeführte Ware nicht. Zwar seien die Ketten mit Verschlüssen aus unedlem Metall versehen. Diese Verschlüsse hätten aber nur eine nebensächliche Bedeutung für die Wertschätzung der Ware. Deshalb könne die unter Buchstabe a der Vorschrift 10 getroffene Regelung, die für Schmuckwaren gelte, die ganz oder teilweise aus unedlem Metall bestehen, auf die eingeführten Kelten nicht angewendet werden. Diese Bestimmung könne sinnvoll nur dahin verstanden werden, daß dem unedlen Metall selbst eine Schmuckfunktion zukommen müsse. Verschlußvorrichtungen und ähnliche nebensächliche Teile, die in der Regel an jedem Schmuckstück zu finden seien, könnten mithin für die Tarifierung solcher Waren nicht bestimmend sein.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Revision des HZA.

Das HZA ist der Auffassung, die eingeführten Bernsteinketten entsprächen der in der Vorschrift 10 zu Kap. 71 unter Buchst. a gegebenen Legaldefinition des Begriffes Phantasieschmuck. Denn es handele sich dabei um teilweise aus unedlem Metall bestehende Schmuckgegenstände. Dieser Bestimmung sei auch dann genügt, wenn nur der Verschluß des Schmuckgegenstandes aus unedlem Metall bestehe, denn in den Erläuterungen zum Zolltarif zu 71.16 Teil I (Brüsseler Erl) Rdnrn. 3 und 4 sei ausdrücklich bestimmt, daß Verschlüsse sowie ähnliche Schließ- und Befestigungsvorrichtungen niemals als einfache Hilfsmittel zum Zusammenhalten gälten, sondern bei der Tarifierung als selbständiger Stoff zu werten seien. Die Ketten seien deshalb der Tarifnr. 71.16 und innerhalb dieser Tarifnummer der Tarifstelle B zuzuordnen, da für ihre Zuordnung innerhalb der Tarifnr. 71.16 dem Verschluß aus unedlem Metall in bezug auf die Verwendung der Halskette und auch gewichts-, mengen- und wertmäßig nur eine untergeordnete Bedeutung zukomme (Allgemeine Tarifierungs-Vorschrift – ATV – 2 b i. V. m. ATV 3 b und 5).

Die Klägerin beruft sich auf die Begründung des finanzgerichtlichen Urteils und hält die von dem HZA vertretene Auffassung, daß das Naturprodukt Bernstein als Phantasieschmuck eingestuft werden solle, für abwegig. Im übrigen hält sie die Revisionsbegründung für widersprüchlich, da für die Zuweisung der Ketten zu der Tarifnr. 71.16 der aus unedlem Metall bestehende Verschluß ausschlaggebend sein solle, während dem Verschluß für die Zuordnung zur Tarifstelle B innerhalb der Tarifnr. 71.16 keine entscheidende Bedeutung beigemessen werde, da er gewichts-, mengen- und auch wertmäßig nur von untergeordneter Bedeutung sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Streitig ist, ob die eingeführten Bernsteinketten zolltariflich als Schmuckwaren aus Bernstein unter die Tarifnr. 95.07 eingeordnet werden können oder ob sie mit Rücksicht darauf, daß sie Verschlüsse aus unedlem Metall (vergoldetem Kupfer) haben, als Phantasieschmuck der Tarifnr. 71.16 zuzuordnen sind. Bei der Abgrenzung dieser Tarifnummern ist auszugehen von der Vorschrift c zu Kap. 95, wonach Waren des Kap. 71, insbesondere Phantasieschmuck, von Kap. 95 ausgenommen sind. Kap. 95 tritt somit hinter Kap. 71 zurück. Es stellt sich also zunächst die Frage, ob die Ketten als Phantasieschmuck im zolltariflichen Sinne anzusprechen sind.

Der Begriff Phantasieschmuck ist in der Vorschrift 10 zu Kap. 71 für den Zolltarif (ZT) besonders definiert. Danach fallen unter die Bezeichnung Phantasieschmuck im zolltariflichen Sinne Waren von der in der Vorschrift 8 a genannten Art, d. h. kleine Schmuckgegenstände, wie z. B. Fingerringe, Armbänder, Kolliers, Broschen, Ohrringe, Uhrketten und dgl., wenn sie weder echte Perlen, Edelsteine, Schmucksteine, synthetische oder rekonstituierte Steine noch – abgesehen von unwesentlichen Verzierungen oder Zutaten – Edelmetalle oder Edelmetallplattierungen enthalten und wenn sie bestehen;

  1. ganz oder teilweise aus unedlen Metallen, auch vergoldet, versilbert oder platiniert;
  2. aus mindestens zwei verschiedenen anderen Stoffen als unedlem Metall.

Die von der Klägerin eingeführten Bernsteinketten fallen unter Teil a dieser Vorschrift. Es handelt sich um kleine Schmuckgegenstände von der in der Vorschrift 8 a zu Kap. 71 aufgeführten Art, die teilweise aus unedlen Metallen bestehen, da sie mit einem Verschluß aus Kupfer versehen sind.

Ob dieser Verschluß eine eigene Schmuckfunktion hat oder ob ihm, wie das FG feststellt, nur eine nebensächliche Bedeutung für die Wertschätzung der Ware zukommt, spielt dabei keine Rolle, denn die Vorschrift 10 zu Kap. 71 erfaßt unter Buchst. a die dort bezeichneten Schmuckwaren auch dann, wenn sie unedle Metalle nur als unwesentliche Zutaten enthalten. Das ergibt sich aus einem Vergleich mit den Vorschriften 1 und 2 zu Kap. 71, die sich mit Waren befassen, die ganz oder teilweise aus Edelmetallen oder Edelmetallplattierungen bestehen. Diese Waren werden durch die Vorschrift 1 b zu Kap. 71 dem Kap. 71 zugeordnet. Dieser Vorschrift wird jedoch durch die Vorschrift 2 a zu Kap. 71 eingeschränkt, wonach Waren, die Edelmetalle oder Edelmetallplattierungen nur als unwesentliche Verzierungen oder Zutaten enthalten (z. B. Monogramme, Ringbeschläge, Kanten) nicht zu Kap. 71 gehören. Eine solche Ausnahmeregelung fehlt bei der in der Vorschrift 10 zu Kap. 71 unter Buchst. a getroffenen Regelung. Diese Vorschrift erfaßt deshalb die dort beschriebenen Schmuckwaren auch dann, wenn sie nur unwesentliche Teile, wie z. B. Verschlüsse, aus unedlen Metallen enthalten. Das ergibt auch ein Vergleich mit der unter Buchst. b dieser Vorschrift getroffenen Regelung, die für die dort aufgeführten, aus mindestens zwei anderen Stoffen als unedlen Metallen bestehenden Schmuckgegenstände bestimmt, daß einfache Hilfsmittel, die nur zum Zusammenhalten dienen (Aufreihfäden u. dgl.), unberücksichtigt bleiben. Diese Bestimmung läßt erkennen, daß unwesentliche Zutaten im Rahmen der Vorschrift 10 zu Kap. 71 nicht grundsätzlich unbeachtlich sind, sondern daß sie, soweit sie über die Bedeutung eines einfachen Hilfsmittels zum Zusammenhalten hinausgehen, als selbständiger Stoff zu werten sind. Das trifft für vergoldete Verschlüsse aus Kupfer jedenfalls zu. Die eingeführten Bernsteinketten konnten deshalb nicht als Waren aus Bernstein der Tarifnr. 95.07 zugeordnet werden.

Es bedeutet auch keinen Widerspruch, daß die Zollstelle die eingeführten Ketten im Rahmen der Tarifnr. 71.16 der Tarifstelle B zugeordnet und insofern den Verschluß aus unedlem Metall nicht für ausschlaggebend angesehen hat. Für die Zuordnung der Ware innerhalb der Tarifnr. 71.16 besagt die in der Vorschrift 10 zu Kap. 71 gegebene Definition des Begriffes Phantasieschmuck nichts. Insofern gewinnen deshalb die Allgemeinen Tarifierungsvorschriften Bedeutung, wonach bei zusammengesetzten Waren der charakterbestimmende Stoff, bei den eingeführten Bernsteinketten also der Bernstein, für die tarifliche Zuordnung der Ware maßgeblich ist (ATV 3 b i. V. m. ATV 6). Der Wortlaut der Tarifierungsvorschriften läßt keinen Raum für eine Zweifelsfrage hinsichtlich der Auslegung des Gemeinsamen Zolltarifs. Der Senat sieht sich daher nicht verpflichtet, nach Art. 177 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften einzuholen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514771

BFHE 1976, 509

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