Entscheidungsstichwort (Thema)

Zollrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Haftung des Zollbegleitscheinnehmers.

 

Normenkette

ZG § 89; ZAnwO § 34

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ist Zollbegleitscheinnehmerin. Auf ihren Antrag sind in sieben Fällen bei dem Grenzzollamt X. erhebliche Mengen Rohkaffee und Schokolade auf Zollbegleitschein A an ein im Berliner Ostsektor gelegenes Zollamt abgefertigt worden. Das Zollgut war jedesmal mit Schweizer Lastzügen auf Abruf der Bfin. aus der Schweiz gekommen und unmittelbar darauf auf Lastzüge des Ruhrunternehmers A. umgeladen worden. Das Grenzzollamt X. hat das Zollgut der Bfin. mit den Zollbegleitscheinen in der Regel nach Sicherung seiner Nämlichkeit durch Zollbleie zur Beförderung nach dem Berliner Empfangszollamt überlassen. ..... Die Bfin. hat entsprechend der Abgabenbelastung der einzelnen Begleitscheinsendungen Sicherheit durch Bankbürgschaft geleistet. Mit der Beförderung des Zollguts nach Berlin hat sie in sämtlichen Fällen den Fuhrunternehmer A. beauftragt. Ein Vertreter der Warenempfängerin hat jedesmal bei dem im Ostsektor gelegenen Berliner Empfangszollamt unter übergabe der Begleitscheine die Abfertigung des Zollanweisungsguts zum freien Verkehr beantragt. Die Lastzüge hat stets derselbe Zollinspektor abgefertigt. Nach seiner Erklärung über die Abfertigung der Lastzüge sollen ihm die Lastzüge jedesmal größtenteils entladen vorgeführt worden sein. Das Empfangszollamt hat trotzdem auf Grund der Schlußabfertigungsbefunde des Zollinspektors dem Grenzzollamt X. in allen sieben Fällen die Erledigung der Begleitscheine mitgeteilt. Die Erledigungsscheine waren ordnungsmäßig abgestempelt und unterzeichnet. Das Grenzzollamt X. hat daraufhin die erledigten Begleitscheine im Begleitscheinausfertigungsbuch ausgetragen und der Bfin. von Fall zu Fall die dafür geleisteten Sicherheiten freigegeben. Die Warenempfängerin hat bei dem Berliner Empfangszollamt die von ihr auf Grund der Abfertigungsbefunde geforderten Abgaben gezahlt.

Streitig ist, ob die Lastzüge mit dem Zollanweisungsgut jedesmal vom Grenzzollamt X. unmittelbar nach dem DP-Lager Y. gefahren, dort - in der Regel unter Verletzung der Zollverschlüsse - entladen und dann nach Berlin zum Empfangszollamt weitergefahren sind, ob also über das gesamte Zollanweisungsgut der sieben Begleitscheinsendungen durch Verletzung der Wiedergestellungspflicht erstmalig vorschriftswidrig so verfügt worden ist, als wäre es im freien Verkehr, und ob infolgedessen die Bfin. als Begleitscheinnehmerin für die auf diese Weise entstandene Abgabenschuld nach § 89 Abs. 2 Satz 1 des Zollgesetzes (ZG) haftet.

Das Hauptzollamt Z. hat diese Frage bejaht und mit Haftungsbescheiden von der Bfin. die entstandenen Abgaben angefordert. Mit Einspruchsbescheid hat es den Einspruch der Bfin. gegen diese Entscheidungen als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht hat auf die Berufung der Bfin. den Einspruchsbescheid des Hauptzollamts Z. bestätigt. Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) gegen dieses Urteil bestreitet die Bfin. erneut ihre Haftung. Sie wendet unter anderem folgendes ein:

Beendigung der Haftung der Bfin. Durch die Erteilung der Erledigungsscheine sei bewiesen, daß das Zollgut ordnungsmäßig wiedergestellt sei. Damit sei die Haftung der Bfin. erloschen. Deshalb habe das Zollamt auch die Sicherheiten freigegeben. Erteilung und übersendung der Erledigungsscheine seien keine verfahrensrechtlichen Maßnahmen von deklaratorischer Bedeutung, sondern die Erledigung habe konstitutive Wirkung. "Konstitutiv" sei die Wirkung der Erledigungsscheine nicht nur intern, sondern insbesondere nach außen, denn sie "bekunde dem Begleitscheinnehmer gegenüber die Erledigung des Begleitscheinverfahrens. Sie bestätige die Wiedergestellung und veranlasse ihn zu eigenem Verhalten, im konkreten Falle zur Herausgabe der eigenen Rückdeckung". Schon vor diesem Rechtsakt bewirke sie auch die Bezahlung der Abgaben beim Berliner Empfangszollamt, und zwar vor Ablauf der Wiedergestellungsfrist. Die Haftung des Begleitscheinnehmers könne nachträglich nicht wieder aufleben, wenn sich herausstellen sollte, daß die Warenführer vor der Wiedergestellung vorschriftswidrig über das Zollanweisungsgut verfügt haben.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. hat aus folgenden Gründen keinen Erfolg:

Das Zollanweisungsverfahren, durch das das Zollgut mittels Zollbegleitscheins einer anderen Zollstelle überwiesen wird, hat den Zweck, die Wiedergestellung des Zollguts bei dieser Zollstelle (der Empfangszollstelle) und damit zugleich das Zollaufkommen zu sichern (§ 88 Abs. 1 ZG). Diesem Zweck dienen die Vorschriften des § 89 ZG über das Zollanweisungsverfahren. Das Zollgut wird nach Sicherung seiner Nämlichkeit dem Zollbegleitscheinnehmer mit dem Zollbegleitschein zur Beförderung nach der Empfangszollstelle überlassen (§ 89 Abs. 1 ZG). Er kann es selbst oder durch andere befördern lassen. Das Zollgut darf aber während der Beförderung zur Empfangszollstelle nicht aus dem Zollanweisungsverfahren entnommen oder irgendwie verändert werden. Der Warenführer hat es unverändert der Empfangszollstelle wieder zu gestellen (§ 89 Abs. 3 ZG). Es ist aber ungewiß, ob dies geschieht. Der Transport kann unterwegs beraubt werden, der Warenführer oder ein Dritter kann vorschriftswidrig Zollgut entnehmen. Dadurch wird die Wiedergestellungspflicht verletzt, auf diese Weise vorschriftswidrig über das Zollgut verfügt und die Zollschuld zur Entstehung gebracht (vgl. § 45 Abs. 1 Ziff. 2 ZG; § 62 der Allgemeinen Zollordnung). Zollschuldner ist der vorschriftswidrig Verfügende. Zur Vermeidung dieses Risikos für die Zollverwaltung während der Zollbeförderung (§ 16 Abs. 2 ZG), das erheblich ist, weil der Zollschuldner mitunter nicht zu ermitteln oder nicht in der Lage sein wird, den Zoll zu zahlen, bestimmt § 89 Abs. 1 Satz 2 ZG: "Der Zollbegleitscheinnehmer haftet von der Aushändigung des Zollbegleitscheins ab für den Zoll nach der höchsten in Betracht kommenden Zollbelastung, wenn das Zollgut nicht oder nicht ordnungsmäßig wiedergestellt wird." Die Haftungsverpflichtung des Zollbegleitscheinnehmers entsteht nach dieser Vorschrift kraft Gesetzes mit der Aushändigung des Zollbegleitscheins und des Zollanweisungsgutes an den Zollbegleitscheinnehmer (vgl. Siegert, Zollgesetz 4. Auflage S. 241 Anm. 5 zu § 89 ZG). Sie fällt wieder fort, wenn während der Zollbeförderung keine Zollschuld entstanden ist, wenn also das Zollanweisungsgut ordnungsmäßig der Empfangszollstelle wiedergestellt oder unterwegs untergegangen ist. Sie wird aber sofort endgültig wirksam, wenn während der Beförderung die Wiedergestellungspflicht durch Entnahme von Zollgut verletzt und infolgedessen das Zollgut nicht oder nicht ordnungsmäßig wiedergestellt ist. Für die durch die Verletzung der Wiedergestellungspflicht entstandene Zollschuld haftet kraft Gesetzes der Zollbegleitscheinnehmer. Diese Haftungsschuld bleibt kraft der akzessorischen Natur der Haftung solange bestehen, bis die Zollschuld durch Zahlung, Aufrechnung, Verjährung oder Erlaß erloschen ist. Sie endet also, wenn sie einmal wirksam geworden ist, nur mit dem Erlöschen der Zollschuld. Das ist der Sinn des § 89 ZG. Diese gesetzliche Vorschrift kann nicht durch die Durchführungsbestimmungen der Zollanweisungsordnung abgeändert und außer Kraft gesetzt werden. Daraus ergibt sich, daß die Haftung des Zollbegleitscheinnehmers nicht durch die Erteilung und die übersendung des Erledigungsscheins, durch die Eintragung des Erledigungsvermerks im Begleitscheinausfertigungsbuch sowie durch die Freigabe einer Sicherheit durch die Ausfertigungszollstelle beendet wird, wenn für das Zollanweisungsgut während der Zollbeförderung eine Zollschuld entstanden ist und diese noch besteht. Diese verfahrensrechtlichen Maßnahmen können eine entstandene Zollschuld und die damit wirksam gewordene Haftungsschuld nicht beseitigen. Sie haben keine zollschuldbefreiende, keine konstitutive Wirkung, sondern nur eine deklaratorische Bedeutung. § 34 Abs. 1 der Zollanweisungsordnung gibt und kann als Durchführungsbestimmung keine von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Bestimmung über das Erlöschen der Haftung des Zollbegleitscheinnehmers geben. Diese Bestimmung stellt nur fest, daß das Zollanweisungsverfahren endet, wenn das Zollanweisungsgut ordnungsmäßig wiedergestellt ist, d. h. daß es nur dann endet, wenn während der Zollbeförderung keine Zollschuld entstanden ist.

Ein irrtümlich unrichtig oder pflichtwidrig falsch ausgestellter Erledigungsschein beseitigt nicht die Haftung des Zollbegleitscheinnehmers, und zwar auch dann nicht, wenn die Zollstelle die zur Sicherung der Abgaben gestellte Sicherheit dem Zollbegleitscheinempfänger freigegeben hat.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich auch, daß es zutreffend ist, wenn der Bundesminister der Finanzen, der dem Verfahren beigetreten ist, in seiner Stellungnahme ausführt: "Bei einem Zollbegleitschein, den das Empfangszollamt nach Feststellung der ordnungsmäßigen Wiedergestellung erledigt hat, können z. B. nachträgliche Ermittlungen ergeben, daß ein Teil der Sendung vor der Wiedergestellung vorschriftswidrig aus dem Zollanweisungsverfahren entfernt worden ist, ohne daß die Empfangszollstelle dies gemerkt hat. Dieser Teil der Sendung ist tatsächlich nicht wiedergestellt worden. Die hierfür unbedingt entstandene Zollschuld (§ 45 Abs. 1 Ziff. 2 ZG) und die Haftung des Zollbegleitscheinnehmers sind durch die verfahrensmäßige Erledigung des Zollbegleitscheins nicht erloschen."

Auf Grund der vorstehenden Rechtsausführungen gelangt der Senat zu folgendem Ergebnis:

Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ist das Zollanweisungsgut der sieben Begleitscheinsendungen mit Duldung des Warenführers A. unter Verletzung vorhandener Zollverschlüsse restlos im Lager Y. entladen worden. Durch diese Verletzung der Wiedergestellungspflicht ist von A. im Lager Y. über das Zollanweisungsgut erstmalig so verfügt worden, als wäre es im freien Verkehr. Dadurch sind in seiner Person die Eingangsabgabenschulden dafür bedingungslos entstanden. Gleichzeitig ist damit die Haftung der Bfin. auf Grund des § 89 Abs. 2 ZG wirksam geworden, die nach dieser Vorschrift wie nach § 34 Abs. 1 Satz 2 der Zollanweisungsordnung erst mit der Wiedergestellung des Zollanweisungsgutes endet. Da dieses nicht wiedergestellt ist, ist die Haftung der Bfin. nicht erloschen. Wenn zeitlich nach der Entstehung von Abgabenschulden und nach dem Wirksamwerden der Haftung dafür das Empfangsamt in Berlin die sieben Zollbegleitscheine A (natürlich ohne Wiedergestellung des in Y. ausgeladenen Zollanweisungsgutes) unrechtmäßigerweise erledigt hat, so hat diese Amtshandlung auf die bereits vorher entstandenen Abgabenschulden und auf die ebenfalls vorher wirksam gewordene Haftung der Bfin. für diese keinen Einfluß. - ............

 

Fundstellen

Haufe-Index 407842

BStBl III 1954, 94

BFHE 1954, 482

BFHE 58, 482

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