Leitsatz (amtlich)
1. Die Rechtsprechung über die Bewertung strittiger oder rechtshängiger Forderungen oder Schulden trifft nur die Fälle, in denen eine Forderung oder Schuld am maßgeblichen Bewertungsstichtag bestritten oder rechtshängig gewesen ist; war dies erst im Zeitpunkt der Veranlagung der Fall, so kann diese Rechtsprechung nicht angewendet werden.
2. Die Veranlagung zur Vermögensabgabe gehört nicht zu den Steuerfestsetzungen, die "auf Grund" eines Rechtsgeschäfts erfolgen. § 5 Abs. 5 StAnpG ist daher auf Vermögensabgabe-Veranlagungsfälle in der Regel nicht anwendbar.
Normenkette
BewG i. d. vor dem BewG 1965 geltenden Fassung § 5 Abs. 2; BewG in der vor dem BewG 1965 geltenden Fassung § 6 Abs. 2; BewG in der vor dem BewG 1965 geltenden Fassung § 7 Abs. 2; BewG in der vor dem BewG 1965 geltenden Fassung § 16 Abs. 3; BewG in der vor dem BewG 1965 geltenden Fassung § 74; LAG § 21 Abs. 1 Nr. 1, §§ 27-28, 64-65; VStG § 4; StAnpG § 5 Abs. 5
Tatbestand
Der im Jahre 1946 verstorbene Vater des Revisionsklägers war von seinen drei Kindern, nämlich dem Revisionskläger sowie einem Bruder und einer Schwester, beerbt worden.
Im April 1948 trafen die drei Miterben eine notariell beglaubigte Vereinbarung über die Erbauseinandersetzung; hiernach sollten der Revisionskläger und die Frau des zwischenzeitlich verstorbenen Bruders als persönsich haftende Gesellschafter im Betrieb der OHG, an der der verstorbene Vater beteiligt war, verbleiben und zum Ausgleich aller Auseinandersetzungsansprüche an die Schwester des Revisionsklägers zusammen einen Betrag von 60 000 RM zahlen. Im Jahre 1954 machte die Schwester die Unwirksamkeit der Vereinbarung vom April 1948 gerichtlich geltend und klagte einen höheren als den seinerzeit vereinbarten Betrag als Erbauseinandersetzungsanspruch ein. Mit Endurteil vom Oktober 1959 verurteilte das Landgericht den Revisionskläger und dessen Schwägerin als Gesamtschuldner, an die Schwester als Auseinandersetzungsschuld insgesamt statt 60 000 RM 110 000 DM zu zahlen. Das Urteil wurde rechtskräftig.
In der ursprünglichen im Jahre 1956 durchgeführten Veranlagung des Revisionsklägers zur Vermögensabgabe hatte das FA (Revisionsbeklagter) die Auseinandersetzungsschuld erklärungsgemäß mit 1/2 von 60 000 DM = 30 000 DM als Abzug berücksichtigt. Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch wurde beantragt, die Veranlagung als vorläufige durchzuführen, weil sich im Hinblick auf die noch nicht endgültig abgeschlossene Auseinandersetzung innerhalb der Erbengemeinschaft die Vermögensverhältnisse noch verschieben würden. Das FA gab dem statt und erließ im März 1958 einen nach § 218 Abs. 4 AO wegen des Grundstücksanteils berichtigten Vermögensabgabebescheid, und zwar als vorläufigen Bescheid "hinsichtlich des Schuldenabzugs".
Im Mai 1962 erließ das FA einen endgültigen Vermögensabgabebescheid, in welchem es entsprechend dem Urteil des Landgerichts die anteilige Auseinandersetzungsschuld des Abgabepflichtigen statt bisher mit 30 000 DM nunmehr mit 55 000 DM als Abzug berücksichtigte, was zur Herabsetzung des ursprünglichen Vierteljahrsbetrags im endgültigen Bescheid führte. Der Bescheid wurde unanfechtbar.
Durch eine Mitteilung des für die Vermögensabgabeveranlagung der Schwester zuständigen FA wurde der Revisionsbeklagte (FA) davon in Kenntnis gesetzt, daß bei der Vermögensabgabeveranlagung der Schwester statt des auf Grund einer Betriebsprüfung zunächst mit 110 000 DM erfaßten Auseinandersetzungsanspruchs durch rechtskräftiges finanzgerichtliches Urteil der Auseinandersetzungsanspruch nur mit 60 000 DM endgültig und rechtskräftig zur Vermögensabgabe herangezogen worden sei. In der damaligen Entscheidung war das FG zu dem Ergebnis gelangt, daß der Schwester mit Rücksicht auf das Stichtagsprinzip nur die im April 1948 vereinbarte Auseinandersetzungsforderung von 60 000 DM bei der Vermögensabgabeveranlagung habe zugerechnet werden können. Auf Grund einer Berichtigungsanweisung der Dienstaufsichtsbehörde, der das FA den Fall vorgetragen hatte, erließ das FA im Juli 1963 einen auf § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO gestützten Berichtigungsbescheid, in welchem es nur den Betrag von 30 000 DM als Auseinandersetzungsschuld zum Abzug zuließ und damit wieder zur Festsetzung des ursprünglichen Vierteljahrsbetrags gelangte.
Einspruch und Klage waren ohne Erfolg. Das FG kam zu dem Ergebnis, daß der angefochtene Vermögensabgabebescheid vom Juli 1963 sachlich richtig sei. Bei der Vermögensteuerhauptveranlagung 1949 sei die Auseinandersetzungsschuld mit 30 000 DM als Abzug berücksichtigt worden. Dieser Wertansatz erscheine dem FG zutreffend. Besondere Umstände, die einen höheren oder geringeren Wert der Forderung begründeten, seien am 21. Juni 1948 nicht erkennbar gewesen. Zu diesem Zeitpunkt, ja sogar noch bis zum Jahre 1954, sei von den drei Erben die notariell beglaubigte Übereinkunft vom April 1948 als rechtswirksam behandelt worden, nach der die Forderung der Schwester 60 000 DM betragen solle, obwohl der Kläger im Hinblick auf den Verkehrswert des Nachlasses seines verstorbenen Vaters unter Umständen hätte wissen müssen, daß die Forderung seiner Schwester wesentlich höher wäre. Es habe auch keinen Streit darüber gegeben, daß diese Forderung gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Umstellungsgesetzes (UG) im Verhältnis 1:1 umzustellen gewesen sei, da sie auf der Auseinandersetzung zwischen Miterben beruhte. Die erst wenige Wochen vor dem 21. Juni 1948 getroffene und notariell beglaubigte Übereinkunft von den drei Miterben vom April 1948 sowie die erst im Jahre 1954 beginnenden Streitigkeiten bezüglich der Rechtswirksamkeit dieser Übereinkunft ließen erkennen, daß am Währungsstichtag und noch über fünf Jahre danach Einigkeit unter den Erben darüber bestanden habe, daß die Auseinandersetzungsforderung der Schwester nur 60 000 DM betragen solle. Die Streitigkeiten, die unwidersprochen erst im Jahre 1954 begonnen hätten, seien nach den Feststellungen des Gerichts am 21. Juni 1948 noch nicht erkennbar gewesen. Die durch Urteil des Landgerichts im Jahre 1959 auf 110 000 DM festgestellte Forderung der Schwester sei erst auf deren Klageerhebung im Jahre 1954 zurückzuführen, also auf Tatsachen, die viele Jahre nach dem Währungsstichtag lägen und deshalb mit der Bewertung der streitigen Forderung am 21. Juni 1948 nichts zu tun haben könnten. Der Kläger könne sein abgabepflichtiges Vermögen nur um den Betrag vermindern, mit dem er nach den Verhältnissen vom 21. Juni 1948 ernsthaft als wirtschaftliche Belastung habe rechnen müssen. Der Hinweis des Bevollmächtigten des Klägers auf § 5 Abs. 5 StAnpG gehe fehl. Es stehe fest, daß der Kläger selbst es gewesen sei, der die durch den nichtigen Erbauseinandersetzungsvertrag vom April 1948 wirtschaftlich gegebene Situation, wonach die Forderung der Schwester nur 60 000 DM habe betragen sollen, ausgenutzt habe und den hiervon auf ihn entfallenden Hälftebetrag mit 30 000 DM noch mit Schriftsatz seiner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom August 1953 als abzugsfähige Schuld bei der Vermögensabgabe habe geltend machen lassen. Habe der Kläger selbst aber den ihm durch die nichtige Übereinkunft vom April 1948 wirtschaftlich gegebenen Vorteil zu seinen Gunsten ausgenutzt, so sei für die Anwendung des § 5 Abs. 5 StAnpG kein Raum mehr (s. dazu Urteil des BFH I 25/64 vom 24. Mai 1966, HFR 1966, 425). Abgesehen von diesen Bedenken könne § 5 Abs. 5 StAnpG im Streitfall auch deshalb keine Anwendung finden, weil diese Vorschrift nur von Steuerfestsetzungen spreche, die "auf Grund" des nichtigen ... Rechtsgeschäftes erfolgt seien. Die Vermögensabgabe des Klägers sei aber nicht "auf Grund" des nichtigen Auseinandersetzungsvertrags vom April 1948 festgesetzt worden, sondern sie habe das zu Beginn des 21. Juni 1948 vorhandene positive und negative Vermögen des Klägers zum Gegenstand, das sich nach den bei der Vermögensteuerhauptveranlagung 1949 für die Ermittlung des Gesamtvermögens maßgebenden Vorschriften errechne. Da der Kläger das wirtschaftliche Ergebnis des nichtigen Erbauseinandersetzungsvertrags vom April 1948 habe eintreten und noch bis in das Jahr 1953 hinein habe bestehen lassen, sei die Nichtigkeit für seine Veranlagung zur Vermögensabgabe ohne Bedeutung.
Mit der vom Abgabepflichtigen eingelegten Revision wurde Zugrundelegung der Auseinandersetzungsschuld des Revisionsklägers in Höhe von 55 000 DM begehrt. In der Vorentscheidung seien die Verhältnisse am Währungsstichtag nicht zutreffend gewürdigt worden. Aus dem Urteil des Landgerichts des Jahres 1959 gehe zweifelsfrei hervor, daß die Schuld des Klägers am 21. Juni 1948 in Höhe von 55 000 DM bestanden habe. An diesem Stichtag habe festgestanden, daß der Auseinandersetzungsvertrag, bei dem auch Grundstücke zur Übertragung mitverrechnet worden seien, nicht notariell bzw. gerichtlich beurkundet gewesen sei. Da eine gerichtliche bzw. notarielle Beurkundung nach § 313 BGB erforderlich gewesen wäre, sei dieser Vertrag schon von Anfang an nichtig gewesen. Daß die Schuld am Währungsstichtag dem Grunde nach bestanden habe, sei unstreitig. Hinsichtlich der Höhe der Schuld müßten alle am Stichtag bereits vorhanden gewesenen Umstände, soweit sie für die Bewertung von Bedeutung seien, berücksichtigt werden, wenn sie durch eine Prüfung am Stichtag hätten festgestellt werden können. Bei der Prüfung der Vermögensverhältnisse am 21. Juni 1948 hätte man festgestellt, daß der Formmangel des Auseinandersetzungsvertrags sein Vermögen über die Schuld von 30 000 DM hinaus belaste, da bei Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens die Einheitswerte und Steuerbilanzwerte zugrunde gelegt worden seien und sich niemand als Sachverständiger zu diesem Zeitpunkt mit dieser Regelung abgefunden hätte, zumal die notarielle Beurkundung gefehlt habe. Hier komme es darauf an, den objektiv richtigen Wert für den Stichtag festzustellen. Dies sei durch den Sachverständigen, der vor dem Urteil des Landgerichts gehört worden sei, geschehen. Eine nachträgliche Klärung müsse berücksichtigt werden. Der Revisionskläger habe am 21. Juni 1948 ernstlich damit rechnen müssen, daß auf Grund des nichtigen Vertrages vom April 1948 die Gläubigerin eine höhere Schuld geltend machen werde. Wenn das Vermögen des Revisionsklägers am 21. Juni 1948 nicht mit der Schuld in Höhe von 55 000 DM belastet gewesen wäre, so wäre nicht ersichtlich, woher die Schwester das Recht erhalten habe, von ihm die Differenz zu verlangen. Da nur von dem Vermögen am 21. Juni 1948 des Revisionsklägers die Erbauseinandersetzungsschuld abzusetzen sei, diese auch mit dem Vermögen wirtschaftlich zusammenhänge, sei die Schuld am Währungsstichtag in Höhe von 55 000 DM vorhanden gewesen. Es sei nicht einzusehen, weshalb Vermögensabgabe von einem Vermögen festgesetzt werden solle, das dem Revisionskläger rechtlich und wirtschaftlich nicht gehört habe. Die von der Vorentscheidung angewandte Wortauslegung des LAG widerspreche jeder wirtschaftlichen Vernunft und führe zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis. Auch die Ausführungen der Vorentscheidung zur Anwendung des § 5 StAnpG seien unrichtig. Wenn man den Standpunkt vertrete, daß die Vermögensabgabe zu den Steuern vom Vermögen gehöre, bei denen die Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO möglich sei, so müsse wie bei der Erbschaftsteuer eine Berichtigung nach § 5 Abs. 3 StAnpG möglich sein, da man einerseits nicht eine Berichtigung zulassen könne, und andererseits die Vorschriften wie bei der Vermögensteuer anwenden wolle. Dieser Kontrast wirke sich im vorliegenden Fall besonders ungünstig aus, weil der Kläger noch einen erheblichen Kriegssachschaden erlitten habe und bei der Beurteilung, daß die Schuld nur 30 000 DM betrage, die Kriegssachschadensermäßigung erheblich geschmälert werde. Die Vermögensabgabe sei eine Steuer, die für 30 Jahre eine einmalige Festsetzung erfahre, weshalb das Stichtagsprinzip bei nichtigen Rechtsgeschäften hinter der Vorschrift des § 5 StAnpG eingestuft werden müsse.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, daß gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 LAG bei unbeschränkt Abgabepflichtigen der Vermögensabgabe das Vermögen zu Beginn des 21. Juni 1948 unterliegt, das sich nach den bei der Vermögensteuer (Hauptveranlagung 1949) für die Ermittlung des Gesamtvermögens maßgebenden Vorschriften errechnet, soweit sich nicht aus den §§ 22 bis 27 LAG etwas anderes ergibt. Nach § 10 des Vermögensteuer-Veranlagungsgesetzes (VStVeranlG) in Verbindung mit § 4 VStG ist das Gesamtvermögen mit dem Wert anzusetzen, der nach den §§ 73 bis 77 BewG ermittelt wird. Gemäß § 74 BewG sind zur Ermittlung des Werts des Gesamtvermögens von dem Rohvermögen die Schulden abzuziehen, soweit sie nicht bereits beim Betriebsvermögen zu berücksichtigen sind. Da der Abzug der Erbauseinandersetzungsverbindlichkeit nach der entsprechenden Mitteilung des Betriebs-FA beim Einheitswert des Betriebsvermögens der OHG nicht berücksichtigt worden ist, worüber bei den Beteiligten Übereinstimmung besteht, ist die Verbindlichkeit als Schuld gemäß § 74 BewG zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Höhe der Schuld ist im Streitfall das für die Vermögensabgabeveranlagung zuständige FA nicht an die Mitteilung des Betriebs-FA gebunden.
Die Vorschriften über die Hauptveranlagung zur Vermögensteuer und damit auch die über die Vermögensabgabe werden vom Stichtagsprinzip beherrscht, d. h. von der Maßgeblichkeit der Verhältnisse zu Beginn des Stichtages. Daher kommt es auch für den Abzug von Schulden bei der Ermittlung des Gesamtvermögens darauf an, ob die Schulden im maßgebenden Feststellungszeitpunkt bestanden haben. Hinzu kommt, daß nach der ständigen Rechtsprechung des RFH und des BFH ein Abzug der Schuld nur zulässig ist, wenn der Anspruch am Stichtag bereits geltend gemacht ist oder mit der Geltendmachung der Schuld ernstlich gerechnet werden muß. Nur wenn und gegebenenfalls soweit der Schuldner am Stichtag ernstlich mit der Einforderung der Schuld zu rechnen hatte, ist ein Abzug zulässig.
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die Vorinstanz zu dem Ergebnis gelangt, daß der Revisionskläger am Stichtag mit der Geltendmachung der Erbauseinandersetzungsforderung hat rechnen müssen, aber nicht in Höhe des Betrages, der sich aus dem Ausgang des Zivilprozesses viele Jahre später ergab, sondern nur in Höhe des Betrages, der von den drei Miterben zwei Monate zuvor, im April 1948, als Auseinandersetzungsschuld vereinbart worden war. Nur wenn die Höhe dieser Schuld am Stichtag unter den Beteiligten streitig oder gar bereits rechtshängig gewesen wäre, hätte gegebenenfalls ein anderer Betrag als abzugsfähig berücksichtigt werden können. Denn nach der ständigen Rechtsprechung können nur solche Forderungen und Schulden, die am Stichtag sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zweifelhaft waren, entweder sofort mit einem nach dem Grade der Wahrscheinlichkeit ihres Bestehens geschätzten Wert berücksichtigt oder aber unter Anwendung des § 100 Abs. 1 AO zunächst durch eine vorläufige Veranlagung berücksichtigt und nach Entscheidung des Rechtsstreits oder nach sonstiger Klärung der Rechtslage bei der endgültigen Veranlagung mit ihrem dann feststehenden Wert angesetzt werden (vgl. u. a. Urteil III 235/64 vom 5. April 1968, BFH 93, 316, BStBl II 1968, 768). Diese Rechtsprechung über die Bewertung strittiger oder rechtshängiger Forderungen ist aber nur dann anwendbar, wenn die Forderung oder Schuld am Stichtag bestritten oder rechtshängig gewesen ist. Dies war jedoch nicht der Fall. Wie die Vorinstanz unwidersprochen festgestellt hat, lassen die erst wenige Wochen vor dem 21. Juni 1948 getroffene und notariell beglaubigte Übereinkunft unter den drei Miterben sowie die erst im Jahre 1953 oder 1954 beginnenden Streitigkeiten bezüglich der Rechtswirksamkeit dieser Übereinkunft erkennen, daß am Währungsstichtag und noch über fünf Jahre danach Einigkeit darüber unter den Miterben bestanden hatte, daß die Auseinandersetzungsforderung der Schwester insgesamt nur 60 000 DM betragen soll. Die unwidersprochen erst im Jahre 1954 beginnenden gerichtlichen Streitigkeiten waren nach den Feststellungen des FG am Währungsstichtag noch nicht erkennbar. Die durch das Urteil des Landgerichts im Jahre 1959 auf einen höheren Betrag festgestellte Auseinandersetzungsforderung der Schwester ist auf deren Klageerhebung im Jahre 1954 zurückzuführen, also erst auf Tatsachen, die viele Jahre nach dem Währungsstichtag liegen und deshalb von der Vorinstanz mit Recht bei der Bewertung der Forderung am Stichtag nicht berücksichtigt worden sind. Ob die notariell beglaubigte Vereinbarung vom April 1948 viele Jahre später als wegen Formmangels nichtig bezeichnet werden würde, war den Beteiligten am Währungsstichtag in keiner Weise erkennbar und bewußt geworden; anderenfalls wären sie ja in der Lage gewesen, den Formmangel durch Nachholung einer notariell beurkundeten Vereinbarung zu heilen. Daß die Höhe der Auseinandersetzungsschuld von insgesamt 60 000 RM/DM auf der Grundlage der Einheitswerte und der Bilanzwerte errechnet worden war, haben die Beteiligten, insbesondere die zur Abfindungszahlung verpflichteten Miterben gewußt. Wenn die abfindungsberechtigte Schwester erst fünf oder sechs Jahre danach durch den von ihr hinzugezogenen Anwalt darüber unterrichtet wurde, daß ihr ein höherer Erbauseinandersetzungsanspruch zustehe, so spricht auch dies dafür, daß die Schwester am Währungsstichtag nur mit einer Auseinandersetzungsforderung von insgesamt 60 000 DM gerechnet hat. Der Umstand, daß die Höhe des Erbauseinandersetzungsanspruchs im Zeitpunkt der Vermögensabgabe veranlagung strittig und rechtshängig war, ist im Hinblick auf die Bedeutung des Stichtags des 21. Juni 1948 unbeachtlich.
Die Ausführungen der Vorinstanz über die Nichtanwendbarkeit des § 5 Abs. 5 StAnpG auf den Streitfall sind im Ergebnis ebenfalls nicht zu beanstanden. Dieser Vorschrift kommt keineswegs eine für das Steuerrecht so allgemeine Bedeutung zu, wie dies etwa bei den Vorschriften des § 5 Abs. 1 bis 4 StAnpG der Fall ist. Dies ist von der Rechtsprechung schon frühzeitig erkannt worden (vgl. Urteil des III. Senats des RFH III A 226/35 vom 9. Januar 1936, RFH 39, 14, RStBl 1936, 116). Während § 5 Abs. 3 StAnpG vorschreibt, daß die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts wegen Formmangels für die Besteuerung insoweit und solange ohne Bedeutung bleibt, als die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis des Rechtsgeschäfts eintreten und bestehen lassen, regelt § 5 Abs. 5 StAnpG für gewisse Fälle die steuerrechtlichen Folgen der nachträglichen Beseitigung eines solchen nichtigen Rechtsgeschäfts. Soweit in den Fällen des § 5 Abs. 3 StAnpG das bereits eingetretene wirtschaftliche Ergebnis des nichtigen Rechtsgeschäfts nachträglich wieder beseitigt ist, sind Steuerfestsetzungen und Steuerfeststellungen, die auf Grund des nichtigen Rechtsgeschäfts erfolgt sind, zurückzunehmen oder zu ändern und entrichtete Steuern zu erstatten. § 5 Abs. 5 StAnpG handelt daher nur von Steuerfestsetzungen und Steuerfeststellungen, die unmittelbar auf Grund des nichtigen Rechtsgeschäfts erfolgt sind. Wie die Vermögensteuer wird aber auch die Vermögensabgabe nicht auf Grund eines Rechtsgeschäfts festgesetzt; sie hat vielmehr lediglich die durch ein Rechtsgeschäft entweder erworbenen Wirtschaftsgüter oder die durch ein Rechtsgeschäft entstandenen Verbindlichkeiten, mit deren Geltendmachung ernstlich am Stichtag zu rechnen war, zum Gegenstand. Diese eingeschränkte Anwendbarkeit des § 5 Abs. 5 StAnpG, wie sie vom RFH (a. a. O.) dargetan ist, ist vom BFH bestätigt worden (vgl. Urteil I 154/58 U vom 17. Februar 1959, BFH 68, 658, BStBl III 1959, 259; Urteil III 177/65 vom 28. März 1969, BFH 95, 456, BStBl II 1969, 432). In der Rechtsprechung und in der Literatur (vgl. u. a. v. Wallis bei Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 5 StAnpG, Rdziff. 8; Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, § 5 StAnpG Anm. 5) wird mit Recht darauf hingewiesen, daß die Anwendung des § 5 Abs. 5 StAnpG bei den laufend veranlagten Steuern allein schon durch das Stichtagsprinzip wesentlich eingeschränkt ist, was sowohl für das Bewertungsrecht wie auch für das Bilanzsteuerrecht gilt (vgl. auch BFH-Urteil I 154/58 U. a. a. O.). Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, daß § 5 Abs. 5 StAnpG bei den nicht laufend veranlagten Steuern uneingeschränkt gelte. Dies ist vielmehr - wie bereits dargetan - nur bei solchen einmaligen Steuerfestsetzungen der Fall, die auf Grund des - nichtigen oder anfechtbaren - Rechtsgeschäfts erfolgt sind. Auf die Vermögensabgabe, die zwar eine einmalige Abgabe besonderer Art ist, kann diese Vorschrift aber sowohl deshalb nicht angewendet werden, weil die Vermögensabgabe nicht an ein bestimmtes Rechtsgeschäft anknüpft - die Vermögensabgabe nicht durch das Rechtsgeschäft unmittelbar ausgelöst und daher nicht "auf Grund" eines Rechtsgeschäfts festgesetzt wird -, wie auch deshalb nicht, weil bei der Vermögensabgabe das Stichtagsprinzip streng zu beachten ist. Ein Abgehen vom Stichtagsprinzip ist bei der Vermögensabgabe nur in den ausdrücklich vom Gesetz genannten Fällen zulässig, also etwa in den Fällen der §§ 27 bis 28 LAG. Die strenge Beachtung des Stichtagsprinzips ergibt sich im übrigen auch aus den §§ 64 und 65 LAG, denen zufolge die Möglichkeit einer Berichtigung der nicht laufend veranlagten Steuern in den Fällen der §§ 5 Abs. 2, 6 Abs. 2, 7 Abs. 2 und 16 Abs. 3 BewG ausgeschlossen ist. Die Besonderheit der Lastenausgleichsabgaben besteht vor allem darin, daß sie eine strenge Beachtung des Stichtagsprinzips voraussetzen, was wiederum mit ihrer Zweckbestimmung zusammenhängt. Das LAG mußte, wie auch das BVerfG ausgesprochen hat (Beschluß 2 BvR 392/62 vom 28. Februar 1963, StRK, Lastenausgleichsgesetz, § 161, Rechtspruch 22), notwendigerweise - und zwar zum gemeinen Wohl - ein Stichtagsgesetz sein, das ein steuerliches "Ausweichen" unmöglich macht. Letzterem würde es aber gleichkommen, wenn nach einer Reihe von Jahren die Verhältnisse, wie sie sich am Währungsstichtag hinsichtlich der Höhe der Auseinandersetzungsschuld für die Beteiligten bewußt gewollt und als ernste wirtschaftliche Belastung ergeben haben, nicht mehr maßgebend sein sollten. Das FG hat daher mit Recht im Streitfall eine Anwendung des § 5 Abs. 5 StAnpG abgelehnt.
Der Revisionskläger irrt, wenn er meint, er müsse nunmehr die Vermögensabgabe auf Grund eines Vermögens zahlen, das nicht ihm, sondern seiner Schwester gehört habe. Denn nach den Verhältnissen des maßgeblichen Währungsstichtags war sein Vermögen wirtschaftlich ernstlich und unstreitig nur in Höhe der kurz zuvor vereinbarten Auseinandersetzungsschuld von 30 000 DM belastet; nur dieser Betrag konnte daher bei der Vermögensabgabe abgezogen werden, nicht der erheblich später im Wege des Zivilprozesses erstrittene Betrag. Die Aufsichtsbehörde hatte daher mit Recht den vom FA begangenen Veranlagungsfehler gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO aufgedeckt, und das FA hat die angeordnete Berichtigung der Vermögensabgabeveranlagung zutreffend durchgeführt.
Anmerkung: Die Zahlenangaben sind geändert.
Fundstellen
Haufe-Index 69428 |
BStBl II 1971, 375 |
BFHE 1971, 422 |