Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Ein "selbstfahrender Wohn- und Packwagen nach Schaustellerart" kann nicht als Zugmaschine behandelt werden.
Normenkette
KraftStG § 2 Nr. 7
Tatbestand
Es ist streitig, ob ein "selbstfahrender Wohn- und Packwagen nach Schaustellerart" als Zugmaschine und somit als steuerbegünstigt im Sinne des § 2 Nr. 7 KraftStG 1961 behandelt werden kann.
I. - Der Kläger (Steuerpflichtige, Stpfl.), ein Schausteller, erwarb einen gebrauchten Omnibus, ließ ihn für seine Zwecke umbauen und verwendete ihn als Kassen- und Garderobewagen. Dieses Kraftfahrzeug wurde am 10. Mai 1962 zum Verkehr zugelassen. Als Fahrzeugart ist im Kraftfahrzeugbrief "Sonstiges Fahrzeug - Selbstfahrender Wohn- und Packwagen -" vermerkt.
Durch Steuerbescheid vom 10. Mai 1962 setzte das Finanzamt (FA) für die Zeit vom 10. Mai 1962 bis 9. Mai 1963 eine Jahreskraftfahrzeugsteuer von 1.102,50 DM nach einem Gesamtgewicht von 8.250 kg fest.
Mit dem Einspruch erstrebte der Stpfl. Freistellung von der Steuer, da das Fahrzeug als Zugmaschine im Sinne des § 2 Nr. 7 KraftStG zu behandeln sei, wenn auch der Anhänger, der sonst als selbstfahrender Wohn- und Packwagen im Sinne des § 18 Abs. 2 Nr. 6 e der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (StVZO) hinter der Zugmaschine geschleppt werde, im Streitfall mit der Zugmaschine zu einem Fahrzeug verbunden sei. Die Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs sei, wie sich aus dem Kraftfahrzeugbrief ergebe, durch Sperren des 3., 4. und 5. Getriebeganges auf 20 km/h begrenzt worden. Das Fahrzeug sei umgebaut worden, weil die Verbindung von Zugmaschine und Anhänger wirtschaftlicher und auch nach Meinung der Technischen überwachungsstelle wegen besserer Bremsmöglichkeiten günstiger sei als getrennte Fahrzeuge. Die Freistellung rechtfertige sich auch deshalb, weil das Fahrzeug während der Saison nur alle zwei bis vier Wochen vom Schaustellerplatz zur Bahnverladerampe und umgekehrt gefahren werde, das Benutzen öffentlicher Straßen also kaum ins Gewicht falle. Vorsorglich werde geltend gemacht, daß die Steuer aus einem Gesamtgewicht von nur 6.000 kg berechnet werden dürfe.
Einspruch und Berufung waren erfolglos. Das Finanzgericht (FG) vertrat wie das FA unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats II 185/54 U vom 18. Mai 1955 (BStBl 1955 III S. 211, Slg. Bd. 61 S. 34) die Auffassung, daß das Fahrzeug nicht als Zugmaschine anzusehen sei, da es nicht zur Fortbewegung von Lasten durch Zug diene. Auch daraus, daß Wohn- und Packwagen im Gewerbe nach Schaustellerart, die von Zugmaschinen mit einer Geschwindigkeit von nicht mehr als 20 km/h mitgeführt werden, nach § 18 Abs. 2 Ziff. 6 e (früher 4 e) StVZO von den Vorschriften über die Zulassungspflicht ausgenommen seien, könne - selbst unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgetragenen Umbaugründe - für einen in einen selbstfahrenden Wohn- und Packwagen umgebauten Omnibus die Steuervergünstigung des § 2 Nr. 7 KraftStG nicht hergeleitet werden. Das FA habe die Steuer auch aus der richtigen Besteuerungsgrundlage errechnet. Das Gesamtgewicht sei in der Fahrzeuganmeldung und im Kraftfahrzeugbrief übereinstimmend mit 8.250 kg angegeben. Nach der amtlichen Untersuchung sei lediglich die Angabe über das Leergewicht (6.000 kg gegen bisher 5.550 kg) geändert worden; letzteres sei für die Kraftfahrzeugsteuerberechnung nicht maßgebend.
Mit der ab 1. Januar 1966 als Revision zu behandelnden Rb. (§§ 115, 184 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO) beantragt der Stpfl. erneut, das Fahrzeug unter Aufhebung der Vorentscheidungen und des Steuerbescheids vom 10. Mai 1962 von der Kraftfahrzeugsteuer freizustellen. Der Begriff "Zugmaschine" sei nicht wörtlich, sondern sinngemäß wirtschaftlich auszulegen, weil nur diese Auslegung der verkehrstechnischen und maschinellen Entwicklung der Verhältnisse gerecht werde. Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) II 185/54 U vom 18. Mai 1955, a. a. O., sei für den Streitfall nicht anwendbar, da § 2 Nr. 7 KraftStG damals noch nicht bestanden habe. Da Zugmaschinen für Schaustellerzwecke nur eine geringe Geschwindigkeit entwickelten und nur zum Transport von Wohn- und Packwagen vom Festplatz zum Bahnhof und umgekehrt eingesetzt werden könnten, seien sie nunmehr steuerbefreit. Diese Steuervergünstigung dürfe aber im Interesse einer gleichmäßigen und gerechten Besteuerung nicht nur selbständigen, sondern müsse auch "unselbständigen" Zugmaschinen zustehen, dies auch deshalb, weil letztere (Verbindung von Zugmaschine mit Wohn- und Packwagen nicht auf getrennten Fahrgestellen) fortschrittlicher und schon wegen der besseren Bremsmöglichkeit verkehrssicherer seien.
Entscheidungsgründe
II. -
Auch die Revision kann keinen Erfolg haben.
Nach § 2 Nr. 7 KraftStG ist von der Kraftfahrzeugsteuer befreit das Halten von Zugmaschinen, solange sie ausschließlich von Schaustellern verwendet werden. Wohn- und Packwagenhänger sind bewußt nicht in diese Vergünstigungsvorschrift aufgenommen worden (Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Drucksache 2178, schriftlicher Bericht des Finanzausschusses vom 20. Oktober 1960 II zu Nr. 2 - § 2 -), jedoch nach § 18 Abs. 2 Nr. 6 e StVZO zulassungs- und somit nach § 2 Nr. 1 KraftStG steuerfrei, wenn sie von einer Zugmaschine mit einer Geschwindigkeit von nicht mehr als 20 km/h mitgeführt werden.
Das Begehren des Stpfl. läuft im Ergebnis darauf hinaus, diese Befreiungsmöglichkeiten durch gedankliche Trennung des in einen selbstfahrenden Wohn- und Packwagen umgebauten Omnibusses - also eines einheitlichen Kraftfahrzeuges mit einem Fahrgestell - in zwei Fahrzeuge, nämlich in eine Zugmaschine und in einen Anhänger zu erreichen.
Dies ist dem Senat - auch im Wege der "Auslegung" des § 2 Nr. 7 KraftStG - aus den folgenden Erwägungen verwehrt.
§ 2 Nr. 7 KraftStG beschränkt die Steuerbefreiung ausdrücklich nur auf die Fahrzeugart Zugmaschine. Dieser Begriff ist zwar verkehrs- und kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht gesetzlich umschrieben. Da aber das Kraftfahrzeugsteuerrecht Bestandteil der allgemeinen Rechtsordnung und besonders eng mit dem Verkehrsrecht verknüpft ist, ist der Begriff Zugmaschine, wie der Senat bereits in dem Urteil II 185/54 U vom 18. Mai 1955, a. a. O., und bestätigend in dem Urteil II 69/62 U vom 30. Januar 1963 (BStBl 1963 III S. 191, Slg. Bd. 76 S. 524) und - wenn auch für den Begriff Anhänger - in dem Beschluß II F 3/60 U vom 14. Dezember 1960 (BStBl 1961 III S. 83, Slg. Bd. 72 S. 221) entschieden hat, nach seinem Wortsinn und - mangels eigener abweichender Begriffsbestimmung im Kraftfahrzeugsteuerrecht - in übereinstimmung mit dem Verkehrsrecht zu verstehen. Danach ist eine Zugmaschine ein Kraftfahrzeug, dessen wirtschaftlicher Wert im wesentlichen in der Zugleistung liegt und das nach seiner Bauart zur Fortbewegung von Lasten durch "Ziehen" ("Zug") zu dienen geeignet und bestimmt ist. Die o. a. Urteile des Senats II 185/54 U vom 18. Mai 1955 und II 69/62 U vom 30. Januar 1963, a. a. O., sind zwar zu Kontrollratgesetz Nr. 51 Art. I Ziff. 2 bzw. zu § 2 Nr. 6 KraftStG ergangen, treffen aber - bei insoweit gleicher Rechtslage - ebenso für den Begriff Zugmaschine in § 2 Nr. 7 KraftStG zu, wie überhaupt für diesen Begriff auch im Verkehrsrecht. Diese Kennzeichnung ist auch nicht, wie der Stpfl. anzunehmen scheint, durch die verkehrstechnische Entwicklung überholt; dies zeigt sich darin, daß als Zugmaschinen verkehrsrechtlich nach wie vor solche Fahrzeuge angesprochen werden, die ausschließlich oder überwiegend zur Beförderung von Lasten durch Zug, also auf Anhängern, oder kürzer: zum Ziehen von Anhängern gebaut sind (vgl. Erlaß des Bundesministers für Verkehr StV 7 - 4030 P 62 II vom 6. Juni 1962, Verkehrsblatt 1962 S. 309; Müller, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., 1959, StVZO § 18 Anm. 16 aa; Rüth bei Müller, Ergänzungsband zur 21. Aufl., 1962, KraftStG § 2 Tz. 26; Floegel-Hartung, Straßenverkehrsrecht, 15. Aufl., 1965, StVZO § 18 Tz. 10; Egly, Kommentar zum Kraftfahrzeugsteuergesetz, 2. Aufl., 1964, Abschn. 2 "Zugmaschine" S. 71; Neumann, Das Kraftfahrzeugsteuergesetz, 3. Aufl., 1962, § 10 Tz. 3). Daß diese Voraussetzungen auf das streitige Fahrzeug nicht zutreffen, hat das FG ohne Rechtsirrtum richtig entschieden. Dieses Ergebnis stimmt auch überein mit der Eintragung des Fahrzeugs im Kraftfahrzeugbrief als sonstiges Fahrzeug, selbstfahrender Wohn- und Packwagen, nicht aber als Zugmaschine.
Insbesondere beantwortet sich die Frage, ob ein Fahrzeug als ein einheitliches Fahrzeug anzusehen ist, nach seiner objektiven Beschaffenheit (vgl. insoweit Urteil des Senats II 93/56 U vom 30. Januar 1957, BStBl 1957 III S. 147, Slg. Bd. 64 S. 393). Unstreitig sind Zugkraftvorrichtungen und Wohn- und Packwagenteil nicht auf getrennten Fahrgestellen montiert; deshalb kann das einheitliche Kraftfahrzeug auch nicht - wie der Stpfl. es nennt - in eine "unselbständige Zugmaschine" und dementsprechend in einen "unselbständigen Wohn- und Packwagen" (Anhänger?) getrennt werden. Bei einer solchen "sinngemäßen" Auslegung nach den Vorstellungen des Stpfl. müßten auch andere Fahrzeuge, insbesondere LKW als Zugmaschinen "behandelt" werden, da sie ebenfalls auf einem Fahrgestell Lasten durch Zug (des Motors) fortbewegen. Denn der Umstand, daß die Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs im Streitfall durch Getriebesperren auf 20 km/h begrenzt worden ist, ist in diesem Zusammenhang bedeutungslos, da Kraftfahrzeugsteuerpflicht und -freiheit im Grundsatz - von ausdrücklichen gesetzlichen Ausnahmen abgesehen, wie z. B. für Fahrzeuge mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 6 km/h (ß 18 Abs. 1 StVZO mit § 2 Nr. 1 KraftStG) oder für selbständige Wohn- und Packwagenanhänger im Schaustellergewerbe (ß 18 Abs. 2 Nr. 6 e StVZO mit § 2 Nr. 1 KraftStG) - von der erreichbaren Geschwindigkeit eines Fahrzeugs nicht abhängen.
Das Gesetz unterscheidet nun aber genau zwischen verschiedenen Fahrzeugarten (vgl. z. B. § 10, besonders Abs. 1 Nr. 2 KraftStG) und gewährt die Steuerbefreiung des § 2 Nr. 7 nur für das Halten von Zugmaschinen. Das Gericht ist gemäß Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland an das geltende Gesetz und Recht gebunden; es ist ihm deshalb bei dem eindeutigen Gesetzeswortlaut rechtlich nicht möglich, das Fahrzeug des Stpfl. einer Zugmaschine gleichzustellen. Es mag sein, daß dieses Fahrzeug betriebs- und verkehrsmäßig zweckmäßig, für den Stpfl. sogar zweckmäßiger ist als getrennte Zugmaschine und Wohn- und Packwagenanhänger. Auch dies gestattet dem Senat nicht die Anwendung des § 2 Nr. 7 KraftStG auf das streitige Fahrzeug, da dies - wie das FG bereits bemerkt hat - einer von Gerichten gemäß Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland verwehrten Ausweitung einer durch das Gesetz festgelegten und auch nur durch den Gesetzgeber änderbaren Steuerbefreiung gleichkäme (vgl. insoweit auch Urteile des Senats II 69/62 U vom 30. Januar 1963, a. a. O., und II 109/57 U vom 6. August 1958, BStBl 1958 III S. 402, Slg. Bd. 67 S. 332). Da im übrigen Zugmaschinen und Fahrzeuge anderer Art je für sich steuerrechtlich gleichmäßig behandelt werden, kann in der Versagung der Steuervergünstigung des § 2 Nr. 7 KraftStG im Streitfall auch nicht eine Verletzung des Grundsatzes der gleichmäßigen Besteuerung erblickt werden, zumal es einem Steuerpflichtigen freisteht, welcher Art Fahrzeug er sich bedienen will.
Daß es für die rein rechtliche Beurteilung der Kraftfahrzeugsteuerpflicht darauf, ob und in welchem Umfang ein zugelassenes Fahrzeug die öffentlichen Straßen tatsächlich benutzt, nicht ankommt (vgl. Urteile des Senats II 93/56 U vom 30. Januar 1957 und II 109/57 U vom 6. August 1958, a. a. O.; Beschluß II F 3/60 U vom 14. Dezember 1960, a. a. O.), hat der Stpfl. in der Revisionsinstanz selbst eingeräumt.
Gegen die Richtigkeit der Besteuerungsgrundlage hat der Stpfl. in dieser Instanz Einwendungen nicht mehr erhoben. Deshalb kann sich der Senat insoweit auf die Bemerkung beschränken, daß die Vorentscheidungen auch in diesem Punkt frei von Rechtsirrtum sind.
Demgemäß mußte die Revision mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO zurückgewiesen werden.
Nach den Feststellungen des FG hat das FA eine Jahressteuer von 1.102,50 DM festgesetzt. Der Stpfl. andererseits hat sich nicht dazu geäußert, welchen der nach § 13 KraftStG möglichen Steuerentrichtungszeiträume er bei Bejahung der Kraftfahrzeugsteuerpflicht wählen würde, sondern lediglich volle Steuerbefreiung beantragt. Unter diesen Umständen hat es der Senat auf Grund der in § 140 Abs. 3 FGO gesetzten Maßstäbe für angemessen gehalten, den Streitwert auch für die Revision auf den Betrag der Jahressteuer festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 411941 |
BStBl III 1966, 229 |
BFHE 1966, 46 |
BFHE 85, 46 |