Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Sonderfreibetrag von 840 DM nach § 50 Abs. 3 Satz 1 EStG 1958 wird nur gewährt, wenn die Einkommensteuer der beschränkt Steuerpflichtigen nach der Tabelle des § 32 a Abs. 1 EStG 1958 festgesetzt wird, jedoch nicht im Falle der Mindestbesteuerung nach § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG 1958.
Normenkette
EStG § 50 Abs. 3; EStR Abschn. 224
Tatbestand
Streitig ist, ob der Sonderfreibetrag von 840 DM nach § 50 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EStG 1958 bei der Berechnung der Mindeststeuer nach § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG 1958 von dem Einkommen abzuziehen ist, das der Berechnung der Mindeststeuer zugrunde gelegt wird. Das Finanzamt hat dies bei der Festsetzung der Vorauszahlungen für 1958 verneint und die Vorauszahlungen für 1958 ohne Berücksichtigung dieses Sonderfreibetrags unter Zugrundelegung des bei der letzten Veranlagung festgestellten Jahreseinkommens von 440 DM unter Anwendung des Mindeststeuersatzes von 25 v. H. auf insgesamt 110 DM festgesetzt.
Der Bf. hat hiergegen Beschwerde an die Oberfinanzdirektion eingelegt und unter Hinweis auf Abschn. 225 EStR 1956/1957 die Kürzung des der Vorauszahlungsfestsetzung zugrunde liegenden Einkommens um 840 DM begehrt und demgemäß Freistellung von Vorauszahlungen für 1958 beantragt. Die Oberfinanzdirektion hat in ihrer Beschwerdeentscheidung den Abzug des Sonderfreibetrags abgelehnt, da diese Kürzung nach ihrer Auffassung nur in Betracht komme, wenn die Einkommensteuer der beschränkt Steuerpflichtigen nach der Einkommensteuertabelle festzusetzen sei, nicht aber, wenn die Mindestbesteuerung Anwendung finde.
Die gegen die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion auf Grund des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) vom Bf. eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht bestätigte die rechtliche Beurteilung der Oberfinanzdirektion. Mit der Einführung des Splittings habe das EStG 1958 einen völlig neuen Einkommensteuertarif eingeführt. Die bisherigen Steuerklassen seien weggefallen. Hätte sich der Gesetzgeber im § 50 Abs. 3 EStG 1958 auf den Hinweis auf § 32 a EStG 1958 beschränkt, so wäre dadurch gegenüber vorher eine Schlechterstellung der beschränkt Steuerpflichtigen herbeigeführt worden. Um dies zu verhindern, sei bestimmt worden, daß vor Anwendung der Steuertabelle vom Einkommen der Sonderfreibetrag von 840 DM abzuziehen sei. Bemerkenswert sei, daß dieser Abzug in einem unselbständigen zweiten Halbsatz dem die tarifliche Besteuerung der beschränkt Steuerpflichtigen regelnden ersten Halbsatz angefügt worden sei, während die Mindeststeuer im nachfolgenden selbständigen zweiten Satz des gleichen Absatzes geregelt sei. Es handle sich bei dem Sonderabzug nicht etwa um einen Freibetrag für Sonderausgaben, sondern um eine Tarifvorschrift, die nur dann Anwendung finden könne, wenn bei der Einkommensteuerberechnung von der allgemeinen Steuertabelle auszugehen sei. Der vom Bf. angeführte Abschn. 225 EStR 1956/1957 weise die Finanzbehörden an, von dem Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Einkünfte für die Berechnung der Mindeststeuer bei beschränkt Steuerpflichtigen vorher die Sonderausgaben nach § 50 Abs. 1 EStG 1957 abzuziehen, also das Einkommen zugrunde zu legen. Nach § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG 1958 ergebe sich das unmittelbar aus dem Wortlaut des Gesetzes, der das Einkommen als Berechnungsgrundlage für die Mindeststeuer vorschriebe. Da das der Vorauszahlungsfestsetzung zugrunde liegende Einkommen unstreitig 440 DM betrage, seien als Vorauszahlungen für 1958 insgesamt 110 DM festzusetzen.
Der Bf. wendet gegen die rechtliche Beurteilung in der Vorentscheidung ein, daß die Versagung des Abzugs der 840 DM in den Fällen der Mindestbesteuerung dem Wesen der Einkommensteuer, der Gerechtigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung widerspreche.
Entscheidungsgründe
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Rb. kann keinen Erfolg haben. Bereits der Wortlaut des § 50 Abs. 3 EStG 1958 läßt eindeutig erkennen, daß der Abzug des Sonderfreibetrags von 840 DM nur in Betracht kommt, wenn der beschränkt Steuerpflichtige nach § 32 a Abs. 1 EStG 1958, also nach der Einkommensteuertabelle zu besteuern ist. Das ergibt sich daraus, daß der Abzug des Sonderfreibetrags in einem zweiten Halbsatz an den die Besteuerung nach der allgemeinen Einkommensteuertabelle anordnenden ersten Halbsatz angefügt ist und dieser Zusammenhang durch das den zweiten Halbsatz einleitende Wort "dabei" noch besonders betont wird. Der die Mindestbesteuerung betreffende zweite Satz dieses Absatzes 3 steht dagegen schon äußerlich in keiner Verbindung zu der Anordnung über den Abzug des Sonderfreibetrags.
Der Senat tritt auch der Auffassung des Finanzgerichts bei, daß der Sonderfreibetrag von 840 DM nichts zu tun hat mit dem nach § 50 Abs. 1 EStG 1958 zulässigen Sonderausgabenabzug, sondern daß es sich hierbei um einen aus Gründen des Steuertarifs eingeräumten Abzug handelt, durch den die beschränkt Steuerpflichtigen, bei denen ein Splitting ebenso wie bei den nach § 32 Abs. 3 Ziff. 1 EStG 1958 besteuerten Personen nicht in Betracht kommt, eine gewisse steuerliche Entlastung erfahren sollen. Daß dies der Wille des Gesetzgebers war, geht eindeutig aus der Begründung zu Art. 1 Ziff. 37 Buchst. b des Gesetzes zur änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts vom 18. Juli 1958 (BGBl 1958 I S. 473, BStBl 1958 I S. 412) hervor (Drucksache des Bundesrats 41/58, zu Art. 1 Ziff. 32 unter b). Die Berücksichtigung eines mit dem allgemeinen Steuertarif eng zusammenhängenden Freibetrags ist aber nur sinnvoll, wenn der beschränkt Steuerpflichtige nach diesem Tarif auch tatsächlich besteuert wird. Das ist aber bei den nach § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG der Mindeststeuer unterliegenden Steuerpflichtigen nicht der Fall.
Die vom Gesetzgeber beibehaltene Mindestbesteuerung bei beschränkt Steuerpflichtigen geht davon aus, daß diese Steuerpflichtigen mindestens 25 v. H. ihres Einkommens im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG als Einkommensteuer entrichten sollen. Angesichts dieser unbestreitbaren Absicht des Gesetzgebers ist für den vom Bf. angestrebten Abzug des tariflichen Sonderfreibetrags, der sich gerade bei den Steuerpflichtigen, für die eine Mindestbesteuerung in Betracht kommt, sehr stark auswirken würde, kein Raum.
Der Hinweis des Bf. auf Abschn. 225 EStR 1956/1957 ist demgegenüber schon deshalb ohne Bedeutung, weil sich diese Verwaltungsanordnung auf einen Zeitraum bezieht, für den ein ganz anderer Steuertarif galt und auch § 50 Abs. 3 EStG anders gestaltet war, wie das Finanzgericht zutreffend hervorgehoben hat. Nachdem im EStG 1958 durch die Einführung des Splittings der bis zum Jahre 1957 geltende Aufbau des Einkommensteuertarifs grundlegend geändert wurde, kann der auf der früheren gesetzlichen Regelung aufbauenden Verwaltungsanweisung keine Bedeutung mehr zukommen.
Unbeachtlich ist auch der Einwand des Bf., die Ablehnung des Freibetrags bei seiner Besteuerung widerspreche dem Wesen der Einkommensteuer, der Gerechtigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Die Besteuerung der beschränkt Steuerpflichtigen erfolgt nach zum Teil wesentlich anderen Grundsätzen als die der unbeschränkt Steuerpflichtigen. Angesichts dieser Unterschiede kann es nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung angesehen werden, wenn der Gesetzgeber durch verschiedenartige Maßnahmen auch bei den beschränkt Steuerpflichtigen versucht, seine steuerpolitischen Ziele zu verwirklichen. Daß er hinsichtlich des Sonderfreibetrags dabei willkürlich verfahren ist oder gegen das Wesen der Einkommensbesteuerung verstoßen hat, kann nicht festgestellt werden; denn der Abzug des Sonderfreibetrags bei den nach dem allgemeinen Einkommensteuertarif besteuerten beschränkt Steuerpflichtigen hängt - wie oben bereits ausgeführt wurde - eng mit den für diese nicht in Betracht kommenden Vorschriften über das Splitting zusammen.
Da demnach das Finanzgericht zu einem zutreffenden Ergebnis gelangt ist, kann die gegen die Vorentscheidung gerichtete Rb. keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 409632 |
BStBl III 1960, 197 |
BFHE 1960, 527 |
BFHE 70, 527 |