Entscheidungsstichwort (Thema)
Realisierung des Gewinnanspruchs einer BGB-Gesellschaft als stille Gesellschafterin einer GmbH
Leitsatz (amtlich)
Bei einer BGB-Gesellschaft, die stille Gesellschafterin einer GmbH ist, ist der Gewinnanspruch bereits mit Ablauf des Wirtschaftsjahres realisiert, in dem der Gewinn bei der GmbH erwirtschaftet wurde, wenn beide Gesellschaften von denselben Gesellschaftern beherrscht werden.
Orientierungssatz
1. Auch eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts kann stille Gesellschafterin sein (vgl. Literatur).
2. Der Gewinnanspruch des stillen Gesellschafters wird erst nach Rechnungsabschluß bei dem Geschäftsinhaber fällig (vgl. Literatur). Zur Aktivierung eines Anspruchs bedarf es aber nicht seiner Fälligkeit (vgl. BFH-Urteil vom 9.2.1978 IV R 201/74).
3. Hat das FG die Klage gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt als unzulässig abgewiesen, weil er durch einen geänderten Verwaltungsakt ersetzt worden ist, und hat der Kläger den geänderten Verwaltungsakt im Revisionsverfahren zulässigerweise zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, ist eine Zurückverweisung der Sache an das FG nicht erforderlich, wenn das FG die für eine Sachentscheidung erforderlichen Tatsachen festgestellt hat.
Normenkette
HGB § 252 Nr. 4; EStG § 4 Abs. 1; HGB §§ 230, 232; FGO §§ 68, 123, 127
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Der Kläger ist zu 60 v.H., die Klägerin zu 40 v.H. an der Gesellschaft beteiligt.
Die Kläger sind ferner Mitgesellschafter ―der Kläger Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer― der X-GmbH (GmbH). Die GmbH betreibt eine Friedhofsgärtnerei und einen Steinmetzbetrieb. Zwischen beiden Gesellschaften besteht eine Betriebsaufspaltung.
Die GbR ist an der GmbH als (typische) stille Gesellschafterin beteiligt.
Entsprechend den Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag schuldet die GmbH der GbR vom Jahresgewinn der Streitjahre folgende ―unstreitigen― Beträge: 1979 33 722 DM, 1980 55 812 DM, 1981 57 808 DM und 1982 66 229 DM.
In der Gewinnermittlung für die Streitjahre erfaßte die GbR die Gewinnanteile jeweils erst im Jahr nach dem Entstehungsjahr (den Gewinnanteil 1979 also im Jahre 1980). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) erfaßte die Gewinnanteile demgegenüber im Entstehungsjahr.
Gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1979 bis 1982 erhoben die Kläger Sprungklage. Sie tragen vor, die Bilanz der GmbH sei jeweils erst zwei bis fünf Tage nach der Bilanz der GbR aufgestellt worden.
Die Bescheide waren mit dem Vorbehalt der Nachprüfung versehen worden. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung hob das FA mit Bescheid vom 27.Februar 1986 für die Jahre 1980 und 1981 den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Ferner erhöhte es mit Bescheid vom 28.Februar 1986 den Gewinn der GbR für das Jahr 1982. Gegen beide Bescheide legten die Kläger Einsprüche ein. Den Einspruch gegen den Bescheid vom 27.Februar 1986 verwarf das FA als unzulässig; dem Einspruch gegen den Bescheid vom 28.Februar 1986 gab das FA mit Bescheid vom 24.Oktober 1986 statt. Die Kläger beantragten mit Schriftsatz vom 30.Oktober 1986, die Bescheide vom 27. und 28.Februar 1986 gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage gegen den Bescheid vom 28.Februar 1986 als unzulässig ab, weil er durch den Bescheid vom 24.Oktober 1986 geändert worden sei.
Im übrigen wies das FG die Klage als unbegründet ab.
Mit der ―auf die Beschwerde der Kläger― vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Der Vorsitzende des FG habe versäumt, wegen des Bescheids vom 24.Oktober 1986 die Kläger auf § 68 FGO aufmerksam zu machen. Der Antrag werde hiermit im Revisionsverfahren nachgeholt.
Die Entscheidung des FG sei mit den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung nicht vereinbar und verstoße gegen § 5 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Grundsätzlich bilde der Gewinnanspruch bis zum Gewinnverteilungsbeschluß lediglich eine nicht zu aktivierende Anwartschaft. Das gelte auch für Gewinnansprüche aus einer stillen Beteiligung. Das Vorsichtsprinzip verbiete eine Aktivierung.
Die Voraussetzungen, unter denen der Bundesgerichtshof ―BGH― (Urteil vom 3.November 1975 II ZR 67/73, BGHZ 65, 230) eine Aktivierung zugelassen habe, seien hier nicht gegeben: Die GbR ―ihre Gesellschafter― sei nicht Mehrheitsgesellschafter der GmbH gewesen. Beherrscht worden sei die GmbH von den Gesellschaftern nur mittelbar. Der Jahresabschluß der GbR sei rechtsfehlerfrei vor dem der GmbH aufgestellt worden. Die GmbH-Gesellschafter hätten sich nicht zu ihren Bilanzierungswahlrechten geäußert.
Es sei nicht rechtsmißbräuchlich, den Jahresabschluß der GbR vor dem der GmbH aufzustellen.
Entscheidungsgründe
Die Kläger haben den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1982 vom 24.Oktober 1986 gemäß den §§ 68, 123 Satz 2 FGO im Revisionsverfahren zulässigerweise zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Obwohl das FG die Klage insoweit als unzulässig abgewiesen hat, ist eine Zurückverweisung der Sache (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO) nicht erforderlich, weil das FG die für eine Sachentscheidung erforderlichen Tatsachen festgestellt hat. Im übrigen geht es im Streitjahr 1982 um dieselbe Rechtsfrage wie in den anderen Streitjahren.
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat die Gewinnansprüche der Kläger als Gesellschafter der GbR gegenüber der GmbH zu Recht jeweils in dem Jahr aktiviert, in dem sie in der GmbH erwirtschaftet worden sind (§ 4 Abs.1 EStG).
Auch eine GbR kann stille Gesellschafterin sein (Schlegelberger/K. Schmidt, Handelsgesetzbuch, Kommentar, § 335, ―§ 230 n.F.―, Rn.30, m.w.N.). Zu welchem Zeitpunkt der Anspruch des typisch stillen Gesellschafters auf seinen Gewinnanteil (§§ 231 f. des Handelsgesetzbuches ―HGB―) entsteht, ist streitig. Das Gesetz macht dazu keine ausdrückliche Aussage.
Unstreitig ist zwar, daß der Gewinnanspruch des stillen Gesellschafters erst nach Rechnungsabschluß bei dem Geschäftsinhaber fällig wird (Baumbach/Duden/Hopt, Handelsgesetzbuch, 28.Aufl., § 232 Anm.2.A; Koenigs, Die stille Gesellschaft, 1961, 200; Schmidt in Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, § 232 n.F. Rdnr.23). Zur Aktivierung eines Anspruchs bedarf es aber nicht seiner Fälligkeit (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 9.Februar 1978 IV R 201/74, BFHE 124, 520, BStBl II 1978, 370).
Es kann offenbleiben, ob auch die Entstehung des Gewinnanspruchs von der Feststellung der Bilanz des Geschäftsinhabers abhängt (so Döllerer, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1984, 383, 388; Hense, Die stille Gesellschaft im handelsrechtlichen Jahresabschluß, 1990, 380 ff.) oder ob der Gewinnanspruch ohne weiteres zum Bilanzstichtag des Geschäftsinhabers entsteht (so Urteile des BFH vom 11.Oktober 1968 III 246/64, BFHE 94, 261, BStBl II 1969, 123, zuletzt bestätigt durch Urteil vom 16.Februar 1979 III R 37/77, BFHE 127, 56, BStBl II 1979, 278, betreffend § 67 Abs.1 des Bewertungsgesetzes ―BewG― i.d.F. vor dem BewG 1965; Zutt in Großkommentar HGB, § 232 Rdnr.23). Selbst wenn der Gewinnanspruch rechtlich zum Bilanzstichtag der GmbH noch nicht entstanden sein sollte, wäre er hier auf Grund der besonderen Umstände des Falles zu diesem Zeitpunkt bereits realisiert (vgl. § 252 Nr.4 HGB). Zu diesem Zeitpunkt war er mit Sicherheit zu erwarten und auch der Höhe nach feststellbar (vgl. dazu allgemein Schulze-Osterloh, ZGR 1977, 104, 107).
Im Anschluß an ein Urteil des BGH in BGHZ 65, 230 hat der BFH wiederholt entschieden (Urteile vom 2.April 1980 I R 75/76, BFHE 131, 196, BStBl II 1980, 702; vom 3.Dezember 1980 I R 125/77, BFHE 132, 80, BStBl II 1991, 184, und vom 8.März 1989 X R 9/86, BFHE 156, 443, zu 3., BStBl II 1989, 714), daß Gewinnansprüche des Mehrheitsgesellschafters einer Kapitalgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen bereits zum Bilanzstichtag der Gesellschaft zu aktivieren sind. Die Rechtsprechung verzichtet sowohl auf einen Gewinnverwendungsbeschluß (z.B. gemäß §§ 29, 46 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung ―GmbHG―) als auch auf die Feststellung der Bilanz der Kapitalgesellschaft. Voraussetzung ist einmal, daß das Geschäftsjahr der Kapitalgesellschaft vor dem des Gesellschafters endet (vgl. Schulze- Osterloh, a.a.O., FN.31) und daß der Gesellschafter an der Gesellschaft mit Mehrheit beteiligt ist (BGH, BGHZ 65, 230, 234).
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Anders als in den entschiedenen Fällen hält die BGB-Gesellschaft hier jedoch keine Anteile an der GmbH, sondern ist deren stille Gesellschafterin. Infolgedessen geht es hier nicht um einen Anspruch auf Gewinnausschüttung (§ 29 GmbHG), sondern um einen Gewinnanspruch. Dieser entsteht kraft Gesetzes (§§ 231, 232 HGB) nach den näheren Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags; eines Gewinnverwendungsbeschlusses bedarf es nicht. Die Grundsätze der zitierten Rechtsprechung sind hier gleichwohl zu beachten, denn BGH und BFH haben mit Rücksicht auf die Beherrschung der Kapitalgesellschaft nicht nur auf den Gewinnverwendungsbeschluß sondern auch ―soweit es um die Entstehung des Anspruchs zum Bilanzstichtag geht― auf die Feststellung der Bilanz bei der Kapitalgesellschaft verzichtet. Hier geht es nur noch um letzteres.
Die BGB-Gesellschaft ist allerdings hier nicht selbst beherrschende Gesellschafterin der GmbH, vielmehr besitzen ihre Gesellschafter alle Anteile der GmbH. Darüber hinaus ist der Mehrheitsgesellschafter der BGB-Gesellschaft zugleich Mehrheitsgesellschafter der GmbH und zugleich deren Geschäftsführer. Das steht einer Beherrschung der GmbH gleich, denn die Gesellschafter der GbR können als Gesellschafter der GmbH bei dieser ihren Willen gemeinschaftlich (das genügt, vgl. BFH-Urteil in BFHE 131, 196, BStBl II 1980, 702) durchsetzen. Wie im Falle der BGH-Entscheidung (BGHZ 65, 230, 235), so bilden auch hier die BGB-Gesellschaft und die GmbH eine wirtschaftliche Einheit. Im Interesse der Aussagefähigkeit der Bilanz ist daher der gleichzeitige Ausweis der Verpflichtung bei der GmbH und des Anspruchs bei der BGB-Gesellschaft geboten (vgl. BGH, BGHZ 65, 230, 235; BFH-Urteil in BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714).
Die Rechtsprechung hat zwar die Feststellung der Bilanz der Kapitalgesellschaft nicht als Voraussetzung für die Entstehung (Realisierung) des Gewinnanspruchs betrachtet. Gleichwohl hat sie die Feststellung des Jahresabschlusses bei der Kapitalgesellschaft zur Voraussetzung der Aktivierung gemacht, weil erst damit die genaue Höhe der Gewinnausschüttung bekannt werde. Dies seien nachträgliche Erkenntnisse, aus denen Rückschlüsse für den Wert des Anspruchs am Bilanzstichtag gezogen werden könnten (BGH, BGHZ 65, 230, 236, zu 5). Im Streitfall standen aber im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung bei der GbR die Höhe der Gewinnansprüche noch nicht fest, weil die Bilanzen der GmbH für die Streitjahre noch nicht erstellt waren. Das hindert die Aktivierung der Gewinnansprüche jedoch nicht, denn die Beteiligten müssen sich hier so behandeln lassen, als ob die Ungewißheit nicht bestanden hätte. Die Bestimmbarkeit der Höhe des Gewinnanspruchs steht im Streitfall ausnahmsweise seiner Feststellung gleich. Das gilt hier deshalb, weil die zwei Gesellschafter der GbR, die zugleich Gesellschafter der GmbH waren, und diese beherrschten, es in der Hand hatten, den Gewinn der GmbH vor Erstellung der Bilanz der GbR zu ermitteln. Das wird im Streitfall besonders deutlich, in dem über Jahre hin der Jahresabschluß der GmbH jeweils nur einige Tage nach dem der GbR erstellt wurde.
Ob anders zu entscheiden wäre, wenn es Gründe gäbe, die die GmbH daran hinderten, ihren Gewinn vor oder mit dem der GbR zu ermitteln, kann unentschieden bleiben, weil derartige Gründe vom FG nicht festgestellt worden sind.
Fundstellen
Haufe-Index 63861 |
BFH/NV 1991, 50 |
BStBl II 1991, 569 |
BFHE 164, 34 |
BFHE 1992, 34 |
BB 1991, 1301 |
BB 1991, 1301-1302 (LT) |
DB 1991, 1497-1498 (LT) |
DStR 1991, 839 (KT) |
HFR 1991, 525 (LT) |
StE 1991, 222 (K) |