Entscheidungsstichwort (Thema)
Doppelte Haushaltsführung nach Aufhebung der Begrenzung auf zwei Jahre
Leitsatz (NV)
Nach rückwirkender Aufhebung der zeitlichen Begrenzung sind die Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung und ggf. die Höhe der Aufwendungen zu prüfen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5, § 52 Abs. 23b; StÄndG 2003
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Flugbegleiterin, machte für das Streitjahr 1996 u.a. Mehraufwendungen für Verpflegung wegen doppelter Haushaltsführung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) folgte dem nicht, weil die doppelte Haushaltsführung am 1. Januar 1996 bereits zwei Jahre bestanden hatte.
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage als unbegründet zurück. Der Abzug von Aufwendungen im Zusammenhang mit einer doppelten Haushaltsführung sei auf im Streitfall bereits abgelaufene zwei Jahre begrenzt.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, ab Januar 1996 seien Verpflegungsmehraufwendungen auch für schon früher begonnene doppelte Haushaltsführungen noch für drei Monate zu gewähren. Denn es fehle ―anders als bei der zweijährigen Frist für die doppelte Haushaltsführung― hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung bei Verpflegungsmehraufwendungen an einer gesetzlich bestimmten Rückbeziehung.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG vom 23. September 1999 aufzuheben und Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 4 186 DM als zusätzliche Werbungskosten zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Mit Wirkung ab 1996 war der Abzug von Mehraufwendungen wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung bei einer Beschäftigung am selben Ort auf insgesamt zwei Jahre begrenzt worden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes ―EStG― i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11. Oktober 1995, BGBl I 1995, 1250). Diese Regelung war mit dem Grundgesetz unvereinbar, soweit sie fortlaufend verlängerte Abordnungen ("Kettenabordnungen") oder beiderseits berufstätige Ehegatten betraf (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BStBl II 2003, 534).
Als Reaktion darauf hat der Gesetzgeber die zeitliche Begrenzung für alle Fälle der doppelten Haushaltsführung aufgehoben (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes ―StÄndG― 2003 vom 15. Dezember 2003, BGBl I 2003, 2645). Die Neuregelung ist u.a. in den Fällen anzuwenden, in denen die Einkommensteuer noch nicht formell bestandskräftig festgesetzt ist (§ 52 Abs. 23 b EStG i.d.F. des StÄndG 2003).
Die Einkommensteuer-Festsetzung ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens; sie ist daher noch nicht formell bestandskräftig. Deshalb ist die neue Fassung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG anzuwenden, so dass es auf die zeitliche Begrenzung der doppelten Haushaltsführung nicht (mehr) ankommt.
Da das angefochtene Urteil auf der zwischenzeitlich geänderten Gesetzeslage beruht, war es aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat keine Feststellungen zum Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung und zur Höhe der geltend gemachten Aufwendungen getroffen. Es wird die erforderlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
Fundstellen