Leitsatz (amtlich)
1. Besteht eine verdeckte Gewinnausschüttung darin, daß die Kapitalgesellschaft für ihre Gesellschafter gewinnlos arbeitet, so genügt zur Ermittlung der Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung nicht eine "Globalschätzung" der angemessenen Rendite des eingezahlten Kapitals der Kapitalgesellschaft. Vielmehr ist zu prüfen, welches Entgelt ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter von einem Dritten gefordert und erhalten hätte.
2. Liegt der Vorteil einer verdeckten Gewinnausschüttung beim Gesellschafter in der Ersparung von Aufwendungen, so bedarf es einer Hinzurechnung zum sonstigen Einkommen des Gesellschafters nur dann, wenn die ersparten Aufwendungen nicht abzugsfähig sind.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2, § 12 Nr. 1; EStG § 20 Abs. 2 Nr. 1, §§ 4-5
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein eingetragener Verein, ist der alleinige Gesellschafter einer GmbH, die den gemeinsamen Einkauf für ... Artikelhändler betreibt, die Mitglieder des Klägers sind. Nach seiner Satzung erstrebt der Kläger den Zusammenschluß von ... Geschäften zwecks Austausch von fachlichen Erfahrungen, Förderung beruflicher Interessen und Schulung geeigneter Nachwuchskräfte sowie die Pflege, die Hebung und den Aufbau des mittelständischen ... Handels. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist nach ausdrücklicher Bestimmung in der Satzung nicht bezweckt. Die GmbH betrieb in den Streitjahren 1961 bis 1965 den Einkauf von Waren für die Mitglieder des Klägers ohne angemessenes Entgelt. Sie begehrt in dem beim Senat anhängigen Verfahren I R 136/73 die Anerkennung als echte Einkaufsgesellschaft.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) erkannte die Gewinnlosigkeit der GmbH steuerrechtlich nicht an, weil die GmbH keine echte Einkaufsgesellschaft sei, und rechnete bei der Ermittlung des Einkommens des Klägers empfangene verdeckte Gewinnausschüttungen in der geschätzten Höhe von 10 v. H. des bei der GmbH eingezahlten Kapitals hinzu. Das FA behandelte auch die Mitgliederbeiträge als steuerpflichtiges Einkommen des Klägers.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Auf die Klage hat das FG die Körperschaftsteuerbescheide dahin geändert, daß es die Mitgliederbeiträge bei der Ermittlung des Einkommens nicht angesetzt hat. Den Ansatz der verdeckten Gewinnausschüttungen hat das FG dagegen bestätigt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei kein Berufsverband i. S. des § 4 Abs. 1 Nr. 8 KStG, weil er, wie er in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt habe, nur ein Zusammenschluß einzelner Händler des betreffenden Geschäftszweigs sei und der Koordinierung des Einkaufs dieser Händler diene. Die Mitgliederbeiträge seien nach § 8 Abs. 1 KStG steuerfrei. Denn der Kläger verfolge auch Zwecke, die außerhalb der wirtschaftlichen Förderung seiner Mitglieder lägen. Zutreffend habe das FA aber die verdeckten Gewinnausschüttungen durch Gewinnlosigkeit der GmbH angesetzt. In dem Verzicht der GmbH auf eine Gewinnerzielung liege auch eine Vorteilsgewährung gegenüber dem Kläger, weil die Mitglieder des Klägers, die den Vorteil der gewinnlosen Betätigung der GmbH in Anspruch genommen hätten, dem Kläger in ihrer Eigenschaft als dessen Mitglieder nahegestanden hätten und weil die Vermutung dafür srpreche, daß dieser Vorteil mittelbar dem Kläger zugewandt worden sei. Die Schätzung der Höhe der verdeckten Gewinnausschüttungen durch das FA liege im Bereich des Möglichen und Wahrscheinlichen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, mit der Verletzung der allgemeinen Erfahrungssätze zur Besteuerung der Einkaufsgesellschaften und zur verdeckten Gewinnausschüttung sowie ein Verstoß gegen die Denkgesetze gerügt werden. Der Kläger meint, die GmbH sei als echte Einkaufsgesellschaft anzuerkennen, in ihrer Gewinnlosigkeit liege daher keine verdeckte Gewinnausschüttung.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben, soweit er beschwert sei. Da die Entscheidung davon abhängig sei, ob die GmbH als echte Einkaufsgesellschaft zu beurteilen sei, beantragt der Kläger weiter, das Verfahren auszusetzen bis zur Entscheidung des Rechtsstreits I R 136/73.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen, schließt sich aber auch dem Antrag des Klägers an, das Verfahren bis zur Entscheidung des Rechtsstreits I R 136/73 auszusetzen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Der Kläger unterliegt als rechtsfähiger Verein der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht (§ 21 BGB, § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG). Wie das FG zutreffend entschieden hat und wie der Kläger nunmehr auch selbst einräumt, gehört der Kläger nicht zu den von der Körperschaftsteuer befreiten Berufsverbänden (§ 4 Abs. 1 Nr. 8 KStG), weil er nicht die allgemeinen wirtschaftlichen Belange aller Angehörigen eines Berufs, sondern die besonderen wirtschaftlichen Belange einzelner Angehöriger eines bestimmten Geschäftszweigs wahrnimmt (Urteil des BFH vom 29. November 1967 I 67/65, BFHE 91, 45, BStBl II 1968, 236).
2. Was das Einkommen des Klägers ist und wie es zu ermitteln ist, bestimmt sich nach den Vorschriften des EStG (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KStG). Verdeckte Gewinnausschüttungen der GmbH können beim Kläger in seiner Eigenschaft als Gesellschafter zu Einkünften aus Kapitalvermögen oder, wenn seine Tätigkeit als Gewerbebetrieb zu beurteilen wäre, zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führen (§ 20 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, §§ 4, 5 EStG). Der Senat braucht die Frage, welche der beiden Einkunftsarten im Streitfall vorliegt, nicht abschließend zu prüfen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 8. Juni 1966 I 151/63, BFHE 86, 639, BStBl III 1966, 632). Denn in jedem Fall haben die verdeckten Gewinnausschüttungen der GmbH das Einkommen des Klägers erhöht.
Die GmbH hat durch die Tätigkeit, die sie ohne angemessenes Entgelt für die Mitglieder des Klägers entfaltet hat, verdeckte Gewinnausschüttungen an den Kläger vorgenommen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG). Die Vorteile, die die Mitglieder des Klägers durch die Tätigkeit der GmbH hatten, kamen mittelbar auch dem Kläger zugute. Denn die GmbH trug auf diese Weise zur Erfüllung des satzungsmäßigen Zwecks des Klägers, seine Mitglieder zu fördern, bei. Die Zuwendung des Vorteils hatte ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis zwischen der GmbH und dem Kläger. Denn die GmbH hätte bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters für ihre Tätigkeit von Personen, die weder Gesellschafter noch mit dem Gesellschafter verbunden waren, ein angemessenes Entgelt gefordert. Es handelt sich um einen Fall der verdeckten Gewinnausschüttung durch mittelbare Zuwendung eines Vorteils an den Gesellschafter (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1967 I 98/65, BFHE 91, 239, BStBl II 1968, 322).
Die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die GmbH die Eigenschaft einer echten Einkaufsgesellschaft für sich in Anspruch nimmt. Wie der Senat inzwischen entschieden hat, kann die Gewinnlosigkeit einer sogenannten echten Ein- und Verkaufsgesellschaft (Kapitalgesellschaft) steuerrechtlich nicht anerkannt werden (BFH-Urteil vom 18. September 1974 I R 118/73, BFHE 114, 43, BStBl II 1975, 124).
Der Vorteil des Klägers, den ihm die GmbH im Wege der verdeckten Gewinnausschüttung zugewandt hat, liegt darin, daß der Kläger auf diese Weise von einer Aufgabe entlastet wurde, deren Erfüllung im Rahmen seines satzungsmäßigen Zwecks lag. Durch die Ersparung eigener Aufwendungen erlangte der Kläger geldwerte Vorteile i. S. des § 8 EStG oder, wenn seine Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb einzuordnen sind, eine Vermehrung des Betriebsvermögens nach §§ 4, 5 EStG. Der Kläger wollte seine Mitglieder durch die unentgeltliche Tätigkeit der GmbH wirtschaftlich fördern. Hätte die GmbH von den Mitgliedern des Klägers angemessene Entgelte gefordert, so hätte der Kläger die Aufgabe, die er sich gestellt hatte, in der Weise erfüllen müssen, daß er seine Mitglieder mit Hilfe der Gewinnausschüttungen der GmbH, die dann möglich gewesen wären, unterstützt hätte.
Besteht der Vorteil verdeckter Gewinnausschüttungen beim Gesellschafter in der Ersparung von Aufwendungen, so ist allerdings bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens zu beachten, daß das Einkommen bereits durch das Fehlen der Aufwendungen erhöht ist. Einer besonderen Hinzurechnung empfangener verdeckter Gewinnausschüttungen zum sonstigen Einkommen des Gesellschafters bedarf es daher nicht. Anders liegt es, wenn die ersparten Aufwendungen steuerrechtlich nicht abzugsfähig sind. Dann ist der Betrag der nichtabzugsfähigen Aufwendungen zum sonstigen Einkommen des Gesellschafters hinzuzurechnen. Denn dessen Höhe ist dadurch unverändert geblieben, daß die ursprüngliche Belastung des Gesellschafters mit Aufwendungen und die Entlastung von diesen Aufwendungen durch Leistung der Kapitalgesellschaft das Einkommen des Gesellschafters nach folgender Formel beeinflußt haben: Einkommen ist gleich Sonstiges Einkommen minus Aufwendungen plus Entlastung von diesen Aufwendungen. Das bedeutet, daß sich nicht nur die Entlastung (die verdeckte Gewinnausschüttung), sondern auch die Belastung (der Abzug der Aufwendungen) auf das Einkommen ausgewirkt haben. Dabei kann es nur verbleiben, wenn und soweit die Aufwendungen steuerrechtlich abzugsfähig sind. Sind sie nicht abzugsfähig, muß ihr Betrag zum sonstigen Einkommen des Gesellschafters hinzugerechnet werden.
So liegt der Fall hier. Die GmbH hat den Kläger von Aufwendungen entlastet, die der Erfüllung des satzungsmäßigen Zwecks des Klägers dienten und die daher nicht abzugsfähig sind (§ 12 Nr. 1 KStG). Im Ergebnis zutreffend hat daher das FA zum sonstigen Einkommen des Klägers Beträge hinzugerechnet, gegen deren Höhe allerdings, wie unter Nr. 3 näher begründet wird, rechtliche Bedenken bestehen.
3. Die Gewinnlosigkeit einer GmbH ist ein Anzeichen für das Vorliegen verdeckter Gewinnausschüttungen, weil die Tätigkeit einer GmbH, die am Wirtschaftsleben teilnimmt, üblicherweise darauf gerichtet ist, Gewinn zu erzielen, der eine angemessene Verzinsung des investierten Kapitals erbringt (BFH-Urteil vom 3. Juli 1968 I 83/65, BFHE 93, 514, BStBl II 1969, 14). Das bedeutet aber nicht, daß die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttungen durch eine "Globalschätzung" der angemessenen Rendite des eingezahlten Kapitals ermittelt werden dürfte. Vielmehr ist zu prüfen, welches Entgelt ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter für die Tätigkeit des Klägers von Personen, die weder Gesellschafter noch mit dem Gesellschafter verbunden waren, gefordert und erhalten hätte. Dabei ist neben dem Streben nach einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals auch zu berücksichtigen, welche Preise sich am Markt durchsetzen lassen.
In Höhe der auf diese Weise ermittelten Beträge hat der Kläger nichtabzugsfähige Aufwendungen erspart. Diese Beträge sind daher nach den Ausführungen unter Nr. 2 zum sonstigen Einkommen des Klägers hinzuzurechnen. Zu ihrer Ermittlung bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen. Daher geht die Sache an das FG zurück.
4. Da der Senat diesen Fall gleichzeitig mit dem Rechtsstreit I R 136/73 entscheidet, besteht für eine Aussetzung des gegenwärtigen Verfahrens kein Anlaß.
Fundstellen
Haufe-Index 71489 |
BStBl II 1975, 722 |
BFHE 1976, 12 |