Leitsatz (amtlich)
Hat ein Steuerpflichtiger, der selnen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, für elnen Kontokorrentkredit Zinsen zu leisten, so können die Zinsaufwendungen Insoweit als Betrlebsausgaben abgezogen werden, als sie auf betrieblich veranlaßte Überweisungen (oder Abhebungen) entfallen. Der betrieblich veranlaßte Teil der Zinsaufwendungen ist nach dem Verhältnis der betrieblich und der privat veranlaßten Kontokorrentschulden zu ermitteln.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 3-4
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Chefarzt an einem Krankenhaus. Außerdem ist er als Facharzt selbständig tätig. Die Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit ermittelt er durch Überschußrechnung gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Jahr 1972 errichtete er ein Einfamilienhaus, das im Jahr 1973 bezugsfertig wurde. Die Baukosten bezahlte er z. T. durch Überweisung von einem Kontokorrentkonto, das er seit 1966 bei einer Sparkasse unterhält; über dieses Konto wurden auch sämtliche betrieblichen Einnahmen und Ausgaben abgewickelt.
In den Jahren 1973--1975 (Streitjahre) fielen Schuldzinsen in Höhe folgender Beträge für Kontokorrentverbindlichkeiten an:
1973 1974 1975
3 032 DM 18 637 DM 16 819 DM
Der Kläger machte diese Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben geltend.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) die Meinung, die für die Kontokorrentkredite gezahlten Schuldzinsen stünden in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Errichtung des Einfamilienhauses. Da dieses nur zu 14 v. H. betrieblich genutzt werde, sei nur ein Anteil von 14 v. H. der Schuldzinsen als Betriebsausgaben abziehbar. In den berichtigten Einkommensteuerbescheiden 1973 und 1974 und bei der Veranlagung 1975 berücksichtigte das FA die Schuldzinsen nur in Höhe dieses Anteils. Der Einspruch blieb hinsichtlich des Schuldzinsenabzugs ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte u. a. aus, wenn über ein Konto nahezu ausschließlich betrieblich veranlaßte Ausgaben getätigt würden, könne zwar eine Vermutung dafür bestehen, die Kontoüberziehungen seien betrieblich veranlaßt. Im Streitfall spreche jedoch die Vermutung eher für eine private Veranlassung der Kreditaufnahme. Denn über das Kontokorrentkonto des Klägers seien nicht nur Betriebsausgaben, sondern zum weitaus überwiegenden Teil private Ausgaben getätigt worden. Auch nach der Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Sparkasse könne nicht davon ausgegangen werden, der Kredit habe ausschließlich oder überwiegend betrieblichen Zwecken dienen sollen. Die Kreditaufnahme sei vielmehr, wie der Kläger und seine Ehefrau dem Betriebsprüfer erklärt hätten, nur durch den Hausbau erforderlich geworden und somit lediglich zu 14 v. H. betrieblich veranlaßt gewesen. Auch bei den Kreditvereinbarungen mit der Sparkasse habe Einvernehmen darüber bestanden, daß der Kredit vornehmlich wegen der Baukosten erforderlich geworden sei.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die geltend gemachten Zinsen seien Betriebsausgaben, weil der Überziehungskredit zu seinem Betriebsvermögen gehört habe. Das Kontokorrentkonto sei ein betriebliches Konto. Denn über dieses würden sämtliche laufenden betrieblichen Einnahmen und Ausgaben abgewickelt. Der betriebliche Charakter eines laufenden Kontos gehe nicht dadurch verloren, daß der Unternehmer davon auch private Schulden begleiche (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 23. September 1960 III 162/59 U, BFHE 71, 666, BStBl III 1960, 497). Schwierigkeiten bei der Zuordnung von Überziehungskrediten dürften nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Kontokorrentkreditzinsen stellen nicht in vollem Umfang, sondern nur insoweit, als sie durch betrieblich veranlaßte Zahlungen entstanden sind, Betriebsausgaben bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit dar. Soweit sie mit privat veranlaßten Zahlungen bzw. der dadurch verursachten Kreditgewährung zusammenhängen, ist ein betrieblicher Charakter der Zinsen nicht anzuerkennen.
Für die Aufteilung der Zinsen in einen als Betriebsausgaben abziehbaren und einen nicht abziehbaren privaten Anteil ist grundsätzlich das Verhältnis der über das Konto getätigten betrieblich veranlaßten zu den privat veranlaßten Zahlungen maßgebend.
a) Begleicht der Kläger eine Verbindlichkeit durch Überweisung von seinem Kontokorrentkonto. das entweder bereits einen Sollsaldo oder einen für die Begleichung der Verbindlichkeit nicht ausreichenden Guthabensaldo ausweist, so führt die Überweisung unmittelbar zu einer Erhöhung der bereits bestehenden oder zur Entstehung einer Kontokorrentschuld. Liegt der Zweck der Schuldaufnahme in einer unmittelbaren Verwendung der Darlehensmittel im betrieblichen Bereich, dann haben die entstandene Kontokorrentschuld und die hierauf entfallenden Zinsen insoweit betrieblichen Charakter. Gleiches gilt für Barabhebungen und dadurch bedingte Kreditgewährungen für betriebliche Zahlungen. Denn auch in diesem Fall wird die Darlehensvaluta betrieblichen Zwecken zugeführt. Soweit dagegen der Kredit durch privat veranlaßte Überweisungen oder Barabhebungen verursacht ist, stellen die entsprechenden Zinsaufwendungen Privatausgaben dar.
b) Der Kläger beruft sich demgegenüber zu Unrecht auf das Urteil in BFHE 71, 666, BStBl III 1960, 497. In dieser Entscheidung ging es um die Frage, ob bei einem Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn nach § 5 EStG ermittelt, Bankschulden zum Betriebsvermögen gehören. Die Grundsätze dieser Entscheidung sind auf den Streitfall nicht übertragbar. Der Kläger ermittelt seine Einkünfte aus selbständiger Arbeit durch Überschußrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG. Bei dieser Gewinnermittlungsart scheidet eine Berücksichtigung der Bestände aus. Das fragliche Konto kann deshalb nicht ein "betriebliches" Bestandskonto darstellen (BFH-Urteil vom 22. Februar 1973 IV R 69/69, BFHE 109, 30, BStBl II 1973, 480), bei dessen Überziehung im Falle eines bilanzierenden Unternehmers eine Vermutung für eine betriebliche Aufnahme des Kontokorrentkredits sprechen kann (vgl. BFH-Urteil vom 24. August 1956 III 218/54 S, BFHE 63, 334, BStBl III 1956, 325, unter II. 1.).
Bei der Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG wird der Gewinn vielmehr in der Weise ermittelt, daß die Betriebseinnahmen den Betriebsausgaben gegenübergestellt werden. Für die Frage, in welcher Höhe die für einen Kontokorrentkredit angefallenen Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben anzusetzen sind, kommt es entscheidend darauf an, in welchem Verhältnis die insgesamt angefallenen Zinsen auf betrieblich und privat veranlaßte Überweisungen (Abhebungen) entfallen.
c) Die hiernach gebotene Aufteilung der Zinsaufwendungen steht nicht im Widerspruch zu dem vom BFH in ständiger Rechtsprechung vertretenen sog. Aufteilungs- und Abzugsverbot von Aufwendungen, die sowohl der Lebensführung dienen als auch den Betrieb fördern. Denn dieses Verbot ist dann nicht anzuwenden, wenn und soweit sich der den Betrieb fördernde Teil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben mit Sicherheit, zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen läßt und der berufliche Nutzungsanteil nicht von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213, mit weiteren Nachweisen). Diese Voraussetzungen können gegeben sein, wenn sich der Kontokorrentsaldo nach objektiven Kriterien entsprechend dem Entstehungsgrund der einzelnen Schuldposten und nachprüfbar anhand der Buchungen in einen betrieblichen und einen privaten Anteil gliedern läßt (vgl. zur Teilbarkeit von Schulden das BFH-Urteil vom 29. November 1968 VI R 183/66, BFHE 94, 452, BStBl II 1969, 233).
d) Der Senat verkennt nicht, daß die von ihm vertretene Rechtsauffassung eingehende Nachprüfungen bei der Feststellung der Höhe des in Anspruch genommenen betrieblichen Kontokorrentkredits und des darauf entfallenden Zinsbetrags erforderlich machen kann. Im Hinblick auf die Mitwirkungspflicht der Beteiligten gemäß § 76 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dürfte es jedoch regelmäßig ohne unvertretbaren Aufwand möglich sein, den als Betriebsausgaben anzusetzenden Zinsbetrag zu ermitteln.
Regelmäßig ist jeder Buchungsvorgang einem bestimmten betrieblichen oder privaten Anlaß zurechenbar. Auf die Aufteilung der Zinsen nach dem Verhältnis der betrieblich veranlaßten zu den privat veranlaßten Zahlungen ist im allgemeinen ohne Auswirkung, daß das Konto -- wie auch im Streitfall anzunehmen ist -- gelegentlich ein Guthaben ausweist. Denn die Verrechnung im Rahmen des Kontokorrents führt -- es sei denn, daß sich Gläubiger und Schuldner auf eine abweichende Tilgung einigten -- jeweils zu einer verhältnismäßigen Tilgung der einzelnen Posten (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 2. November 1967 II ZR 46/65, BGHZ 49, 24, am Ende; Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, 5. Aufl., § 355 Anm. 54, 55). Eine Regel, daß betriebliche Geldeingänge zunächst Betriebsschulden bzw. den betrieblichen Saldoanteil tilgen oder daß vorrangig mit Privatschulden bzw. mit dem privaten Saldoanteil verrechnet wird, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
2. Das angefochtene Urteil entspricht diesen Grundsätzen, wenn man die Besonderheiten des Streitfalles berücksichtigt. Das FG hat ausgeführt, der weitaus überwiegende Teil der über das Kontokorrentkonto des Klägers getätigten Zahlungen habe private Ausgaben betroffen. Es hat ferner festgestellt, die Kreditaufnahme sei nach den übereinstimmenden Äußerungen des Klägers und seiner Ehefrau nur durch den Hausbau veranlaßt gewesen. Hierüber seien sich der Kläger und die Sparkasse auch bei den Kreditvereinbarungen einig gewesen. Wenn die Vorinstanz im Anschluß an das FA hieraus gefolgert hat, die geltend gemachten Zinsen seien nur in Höhe von 14 v. H. entsprechend dem betrieblichen Nutzungsanteil des Einfamilienhauses betrieblich veranlaßt, so ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Feststellung, die Kontoüberziehungen des Klägers seien in Höhe von 14 v. H. im Zusammenhang mit seiner selbständigen Arbeit zu sehen, ist möglich und läßt weder einen Rechtsirrtum noch einen Verstoß gegen die Denkgesetze oder Erfahrungssätze erkennen. Der Sachverhalt Berechtigt nicht zu der Annahme, daß gerade die rein betrieblichen Zahlungen den jeweiligen Kontokorrentkredit über das vom FG angenommene Verhältnis hinaus erhöht haben. Ohne eine zuverlässige Aufstellung über die einzelnen Kontobewegungen und die Belastung des Klägers mit Zinsen läßt sich der betrieblich veranlaßte Zinsanteil nicht genauer errechnen. Der Senat ist, da der Kläger insoweit keine Revisionsgründe vorgebracht hat, an die Würdigung der festgestellten Tatsachen durch das FG gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Es genügt, daß das vom FG gefundene Ergebnis möglich ist. Der Senat kann nicht prüfen, ob es tatsächlich zutreffend ist bzw. ob eine anhand der einzelnen Buchungen durchgeführte Berechnung zu einem anderen Ergebnis führen würde (vgl. BFH-Urteil vom 1. Dezember 1967 III 19/65, BFHE 91, 254, BStBl II 1968, 332). Von der Möglichkeit, eine solche Berechnung im Verfahren vor dem FG vorzulegen, hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht.
3. Die nicht als Betriebsausgaben berücksichtigungsfähigen Zinsen können auch nicht insgesamt als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden. Die mit der Selbstnutzung einer Wohnung im eigenen Einfamilienhaus in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schuldzinsen sind nur bis zur Höhe des Grundbetrags gemäß § 2 der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom 26. Januar 1937 bzw. gemäß § 21 a EStG 1975 abziehbar. Zinsen in dieser Höhe wurden im Streitfall schon vom FA bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt.
4. Die Entscheidung steht im Einklang mit dem Urteil des VIII. Senats des BFH vom 18. November 1980 VIII R 194/78 (BFHE 132, 522, BStBl II 1981, 510). Der Senat versteht dieses Urteil dahin, daß die Aufteilung eines Kontokorrentkredits mit der Folge, daß nur die Kosten für die privat veranlaßte Kreditierung vom Abzug ausgeschlossen sind, bei den Gewinneinkünften nicht zu beanstanden ist, sofern die privat veranlaßte Kreditierung zuverlässig abgegrenzt werden kann (vgl. unter 2. d), 4. Absatz, am Ende). Diese Voraussetzung ist, wie dargelegt, im Streitfall erfüllt.
Fundstellen
Haufe-Index 74744 |
BStBl II 1983, 721 |
BFHE 1981, 383 |