Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Höhe einer verdeckten Gewinnausschüttung
Leitsatz (NV)
Eine verdeckte Gewinnausschüttung einer Kapitalgesellschaft ist gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlaß im Gesellschaftsverhältnis hat.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die verstorbene Klägerin, Frau X, war Gesellschafterin der Z-GmbH. Das Stammkapital in Höhe von 120 000 DM hielten bis zum 17. Juni 1971 je zur Hälfte Frau Y und Frau X. Der Wert eines Anteils (100 DM) betrug zum 31. Dezember 1968 514 DM. Geschäftsführer der Z-GmbH waren Frau X und der Ehemann der Frau Y, Herr Y.
Frau X und Herr Y waren außerdem bis zum 17. Juni 1971 Gesellschafter der W-GmbH. Vom Stammkapital (270 000 DM) hielt Frau X einen Anteil von 110 000 DM und Herr Y einen Anteil von 160 000 DM. Der gemeine Wert eines Anteils (100 DM) betrug zum 31. Dezember 1968 534 DM. Geschäftsführer der W-GmbH war Herr Y.
Am 21. September 1970 beschlossen die Gesellschafter der W-GmbH, das Stammkapital um 430 000 DM auf 700 000 DM heraufzusetzen. Von dem Erhöhungsbetrag übernahm Herr Y 260 000 DM, die Z-GmbH 120 000 DM und Frau X 50 000 DM.
Die Z-GmbH wies die Beteiligung zum 31. Dezember 1970 mit 120 000 DM als Anlagevermögen aus und passivierte die Einlageverpflichtung in Höhe von 120 000 DM.
Durch Verträge vom 17. Juni 1971 änderten sich die Beteiligungsverhältnisse an der Z-GmbH und der W-GmbH wie folgt:
1. Frau Y teilte ihren Anteil an der Z-GmbH zum Nominalwert von 60 000 DM in Anteile zu 54 000 DM und 6000 DM auf. Frau X erwarb den Anteil von 54 000 DM und bezahlte dafür 160 200 DM. Ihr Sohn (der Revisionsbeklagte) übernahm den Anteil von 6 000 DM zum Kaufpreis von 17 800 DM.
2. Frau X trat ihre Geschäftsanteile an der W-GmbH an die Familie Y ab. Die Anteile hatten nach der Kapitalheraufsetzung einen Nominalwert von 160 000 DM. Frau Y erwarb einen Anteil von 110 000 DM und bezahlte dafür 328 000 DM. Den verbleibenden Anteil von 50 000 DM übernahm Herr Y zum Nominalwert. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) rechnete Frau X insoweit einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 100000 DM zu.
3. Die Z-GmbH veräußerte ihren Geschäftsanteil an der W-GmbH im Nominalwert von 120 000 DM an Herrn Y. Als Gegenleistung übernahm dieser die bisher nicht erfüllte Einzahlungsverpflichtung.
In dem unter Nr. 3 dargelegten Vorgang sah das FA im Hinblick auf die unter Nr. 1 beschriebene Veräußerung eine verdeckte Gewinnausschüttung der Z-GmbH an Frau X. Den Wert des Anteils der Z-GmbH an der W-GmbH im Zeitpunkt des Verkaufs setzte das FA auf 360 000 DM fest. Um den Differenzbetrag zwischen diesem Wert und der Gegenleistung des Herrn Y für den Erwerb des Anteils an der W-GmbH in Höhe von 240 000 DM erhöhte das FA die von Frau X erklärten Einkünfte aus Kapitalvermögen im Streitjahr 1971. Unter Berücksichtigung der Erhöhung setzte das FA die Einkommensteuer 1971 auf . . . DM fest.
Nach erfolglosem Einspruch erhob Frau X Klage. Sie trug u. a. vor, man müsse berücksichtigen, daß eine evtl. verdeckte Gewinnausschüttung durch eine Einlage wieder ausgeglichen worden sei. Die Vermögenseinlage bestehe darin, daß Frau X das ursprünglich für sie bestimmte Anwartschaftsrecht auf eine Beteiligung an der W-GmbH der Z-GmbH überlassen habe, ohne von ihr eine Gegenleistung erhalten zu haben.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Es weist darauf hin, daß der . . . Senat des FG im Verfahren der Z-GmbH gegen das beklagte FA zwar eine verdeckte Gewinnausschüttung zugunsten der Frau X angenommen habe, daß aber durch eine Vermögenseinlage der Frau X der Vorteil ausgeglichen worden sei. Das FG schloß sich dieser Entscheidung an und ist der Meinung, im Streitfall werde die verdeckte Gewinnausschüttung ebenfalls durch eine Einlage der Frau X ausgeglichen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Der Revisionsbeklagte trägt vor, bereits bei dem Beschluß über die Kapitalerhöhung bei der W-GmbH am 21. September 1970 habe dem Grunde nach eine Trennung der Beteiligungsverhältnisse festgestanden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur teilweisen Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zu Unrecht einen Vorteilsausgleich bejaht. Andererseits haben das FA und das FG den Wert der verdeckten Gewinnausschüttung zu hoch angesetzt.
Zu den sonstigen Bezügen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1971 gehören auch die verdeckten Gewinnausschüttungen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. November 1980 VIII R 8/78, BFHE 132, 257, BStBl II 1981, 261). Eine verdeckte Gewinnausschüttung einer Kapitalgesellschaft ist gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlaß im Gesellschaftsverhältnis hat (vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 1989 VIII R 74/84, BFHE 156, 126, BStBl II 1989, 419). Im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist die verdeckte Gewinnausschüttung beim Gesellschafter zu erfassen, wenn der Vermögensvorteil ihm zufließt (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juli 1990 VIII R 304/84, BFH/NV 1991, 90).
Frau X hat im Streitjahr 1971 einen Vermögensvorteil erlangt, weil sie und ihr Sohn (der Revisionsbeklagte) Anteile an der Z-GmbH von Frau Y zu einem Preis erworben haben, der unter dem gemeinen Wert der Anteile lag.
Zu Recht gehen die Beteiligten davon aus, daß der Vorteil, den unmittelbar der Sohn der Frau X erlangt hat, mittelbar der Frau X zugewendet worden ist. Wirtschaftlich gesehen hat Frau X den Vermögensvorteil an ihren Sohn weitergeleitet. Der Sohn als neu eintretender Gesellschafter der Z-GmbH hat nach den Feststellungen des FG keinerlei Beziehungen zu Frau Y gehabt, die ein Grund für eine Vorteilszuwendung ihrerseits an ihn sein könnten.
Zumindest ein Teil (vgl. dazu unten) dieses durch den Anteilserwerb erlangten Vermögensvorteils ist Frau X letztlich von der Z-GmbH und nicht von Frau Y zugewendet worden. Frau Y hat ihre Anteile an der Z-GmbH auch deshalb unter Preis verkauft, weil die Z-GmbH ihrem Ehemann Anteile an der W-GmbH ebenfalls billiger, d. h. zum Nennwert, überlassen hat. Beide Geschäfte hängen nicht nur zeitlich, sondern auch wirtschaftlich zusammen. Frau X wurde dadurch wirtschaftlich so gestellt, wie sie gestanden hätte, wenn die Z-GmbH ihre W-GmbH-Anteile Herrn Y zum angemessenen Preis überlassen hätte. Das heißt auch, daß der Gewinn der Z-GmbH, den die Z-GmbH aus diesem Verkauf hätte erzielen können, durch die gewählte Gestaltung bei der Z-GmbH steuerlich nicht erfaßt und anteilig an die Gesellschafterin, Frau X, weitergeleitet, mit anderen Worten verdeckt ausgeschüttet wurde.
Der Senat hat keine Bedenken, mit dem FG und dem FA davon auszugehen, daß dies absprachegemäß erfolgte. Das wird auch von dem Revisionsbeklagten nicht bestritten.
Der im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung erlangte Vermögensvorteil der Frau X ist aber nur halb so hoch wie vom FA und FG angenommen. Keine der Feststellungen des FG rechtfertigt seine Annahme, daß Herr Y (über den Anteilsverkauf durch seine Frau) den empfangenen Vorteil insgesamt Frau X zukommen ließ. Er hätte in diesem Fall nicht nur einen Vermögensnachteil der Frau X, sondern auch einen Vermögensnachteil seiner Frau der Frau X gegenüber ausgeglichen.
Frau X hatte 1970 auf die Ausübung ihres Bezugsrechts (§ 55 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -; dazu Fischer / Luther / Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 12. Aufl., § 55 Rdnr. 7) zugunsten der Z-GmbH verzichtet. Da nicht nur sie, sondern auch Frau Y Gesellschafter der Z-GmbH waren, kam der Verzicht und der dadurch ermöglichte Erwerb der W-GmbH-Anteile durch die Z-GmbH wirtschaftlich nicht nur der Frau X, sondern in gleichem Umfang auch der Frau Y zugute. Da beide zu gleichen Teilen an der Z-GmbH beteiligt waren, erhöhte sich der Wert beider Beteiligungen in gleichem Umfang. Es sind keine Feststellungen getroffen, aus denen sich ergibt, daß der Erwerb der W-GmbH-Anteile sich wirtschaftlich nur bei Frau X auswirken sollte.
Damit berührte auch der spätere Verkauf der W-GmbH-Anteile an Herrn Y seitens der Z-GmbH die wirtschaftlichen Interessen beider Gesellschafterinnen in gleichem Umfang. Der Verzicht der Z-GmbH auf ein angemessenes Entgelt wirkte sich wirtschaftlich nur zur Hälfte bei Frau X aus. Sieht man in dem verbilligten Verkauf der Z-GmbH-Anteile von Frau Y an Frau X einen Ausgleich für diesen Vermögensnachteil, dann kann er als verdeckte Gewinnausschüttung der Z-GmbH nur insoweit zugerechnet werden, als Frau X einen Nachteil getragen hat, d. h. in Höhe von 50 v. H. des Entgeltverzichts. Der Senat hat nicht zu entscheiden, ob in dem Verzicht der Z-GmbH auf ein angemessenes Entgelt für die W-GmbH-Anteile auch eine verdeckte Gewinnausschüttung an Frau Y zu sehen ist.
Es ist möglich, daß Frau Y mit der verbilligten Veräußerung ihrer Anteile an der Z-GmbH darüber hinaus den Vermögensvorteil an Frau X zurückgewähren wollte, den sie seinerzeit (1970) durch den Verzicht auf das Bezugsrecht und den Erwerb der W-GmbH-Anteile seitens der Z-GmbH von ihr erlangt hatte. Insoweit wäre aber die verbilligte Veräußerung nicht für Rechnung der Z-GmbH erfolgt und nicht Teil des verdeckten Gewinnausschüttungsvorgangs. Sie gehörte vielmehr in den Rahmen der Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern und stellt eine unmittelbare und eigene Leistung der Frau Y an Frau X dar.
Nachdem der von der Z-GmbH Herrn Y unmittelbar zugewendete Vermögensvorteil sowohl vom FA als auch vom FG insgesamt mit 240 000 DM angesetzt und dieser Wert zugleich dem Wert der verdeckten Gewinnausschüttung gleichgesetzt wurde, verbleibt unter Berücksichtigung des oben Gesagten für die verdeckte Gewinnausschüttung nunmehr ein Wert von 120 000 DM.
Ob die verdeckte Gewinnausschüttung als Anschaffungskosten der von Frau Y erworbenen Z-GmbH-Anteile zu werten ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden.
Der Vermögensvorteil, den die Z-GmbH ihrer Gesellschafterin Frau X mittelbar gewährt hat, ist weder durch eine direkte Gegenleistung noch durch sonstige Leistungen, die im Zusammenhang mit der Erlangung des Vorteils stehen, ausgeglichen worden. Insbesondere steht der Verzicht auf die Ausübung des Bezugsrechts (§ 55 Abs. 2 GmbHG) im Rahmen der Kapitalerhöhung bei der W-GmbH am 21. September 1970 nicht im Zusammenhang mit der verdeckten Gewinnausschüttung.
Dabei kann dahinstehen, ob und in welcher Höhe darin eine Vorteilsgewährung (Einlage) der Frau X an die Z-GmbH zu sehen ist. Jedenfalls sind der Verzicht auf die Ausübung des Bezugsrechts einerseits und die Erwerbsvorgänge am 17. Juni 1971 andererseits wirtschaftlich gesehen kein einheitliches Geschäft (zu den Voraussetzungen des Vorteilsausgleichs vgl. BFH-Urteile vom 22. November 1983 VIII R 37/79, BFHE 140, 63; vom 8. Juni 1977 I R 95/75, BFHE 122, 491, BStBl II 1977, 704; weitere Nachweise bei Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften, 2. Aufl., S. 117 f.).
Das FG hat dies allerdings bejaht. Das ist aber keine tatsächliche Feststellung, an die der Senat als Revisionsgericht gebunden wäre (§ 118 Abs. 2 FGO), sondern eine Rechtsauffassung. Sie ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht. Insoweit hat das FG festgestellt, daß der Kapitalerhöhungsbeschluß vom 21. September 1970 zu weitreichenden Spannungen zwischen den Gesellschaftern führte. Dem seien die Gesellschafter durch Trennung der Beteiligungsverhältnisse begegnet. Daraus ergibt sich für den Senat, daß die Trennung zwar eine Folge der Kapitalerhöhung, aber im Zeitpunkt der Kapitalerhöhung noch unvorhergesehen war. Es ist auch nicht ersichtlich, warum die Kapitalerhöhung hätte durchgeführt werden sollen, wenn die Spannungen und die daraus folgende Trennung der Beteiligungsverhältnisse absehbar war.
Der Revisionsbeklagte trägt zwar vor, daß bereits am 21. September 1970 dem Grunde nach festgestanden habe, daß die Beteiligungsverhältnisse getrennt werden sollten. Der Senat braucht darauf nicht einzugehen, denn der Vortrag ist neu. Das FG hat derartige Feststellungen nicht getroffen. Dagegen sind auch keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht worden (§ 118 Abs. 2 FGO).
Um die Kapitalerhöhung im Jahre 1970 und die Erwerbs- und Veräußerungsvorgänge im Jahre 1971 als einheitliches Geschäft anzusehen und damit einen Vorteilsausgleich zu bejahen, genügt es nicht, wenn später lediglich der einmal gewährte Vorteil wieder rückgängig gemacht wird. Der Vorteil muß bereits im Hinblick auf die ausgleichende Leistung gewährt worden sein.
Die Tatsachenfeststellungen des FG erlauben diese rechtlichen Schlußfolgerungen, so daß es einer Zurückverweisung an das FG nicht bedarf. Offen bleiben kann, ob ein Vorteilsausgleich auch deshalb zu verneinen war, weil es hier - bei einer nicht beherrschenden Gesellschafterin - an einer ausdrücklichen vorherigen Vereinbarung über die Verbindung zwischen dem Verzicht auf die Bezugsrechtsausübung und den Erwerbs- und Verkaufshandlungen im Jahre 1971 fehlte (vgl. BFH in BFHE 122, 491, BStBl II 1977, 704).
Fundstellen
Haufe-Index 417707 |
BFH/NV 1992, 19 |