Entscheidungsstichwort (Thema)
Quotenumwandlung in den neuen Ländern
Leitsatz (NV)
Eine Direktverkaufs-Referenzmenge kann an Erzeuger, deren Betrieb im Gebiet der ehemaligen DDR liegt, im Wege der Quotenumwandlung nur aus der in der Anmerkung zur Tabelle des Art. 3 Abs. 2 VO Satz 1 Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 festgesetzten Menge für Direktverkäufe auf dem Gebiet der neuen Bundesländer und nicht aus der in der Tabelle für Deutschland als Ganzes genannten Garantiemenge für Direktverkäufe zugeteilt werden.
Normenkette
EWGV 3950/92 Art. 3 Abs. 2 S. 1, Art. 4 Abs. 2, 4; MGV §§ 16b, 16i; FGO §100 Abs. 1 S. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist im Besitz einer Direktverkaufs-Referenzmenge in Höhe von ... kg. Sie begehrte mit Schreiben vom 4. März 1996 die Festsetzung einer Direktverkaufs-Referenzmenge in Höhe von ... kg bei gleichzeitiger entsprechender Verringerung ihrer Anlieferungs-Referenzmenge Milch auf ... kg für das Milchwirtschaftsjahr 1996/97. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt -- HZA --) hat ihren Antrag abgelehnt, weil die den neuen Bundesländern zur Verfügung stehende Gesamtgarantiemenge für Direktverkäufe zur Zeit erschöpft sei. Hiergegen richtet sich die Klage, die das Finanzgericht (FG) abgewiesen hat.
In dem Urteil des FG heißt es, nach der ausdrücklichen Bestimmung in der Verordnung (EWG) Nr. 1560/93 (VO Nr. 1560/93) des Rates vom 14. Juni 1993 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -- ABlEG -- Nr. L 154/30) seien für die neuen Bundesländer Referenzmengen für Lieferungen an die Abnehmer im Gebiet der neuen Bundesländer und für Direktverkäufe in den neuen Bundesländern festgesetzt. Die dazu in einer Fußnote enthaltenen Angaben seien entgegen der Ansicht der Klägerin nicht nachrichtlich. Die Verordnung sei vielmehr in allen Teilen verbindlich. Der Wortlaut sei eindeutig. Gegen die Annahme eines bloß rechtsunverbindlichen Hinweises spreche, daß alle anderen Quoten zweifelsfrei verbindlicher Natur seien, ferner der Sinn und Zweck der Regelung. Für die neuen Bundesländer gälten nämlich auch im übrigen Sonderbestimmungen, so daß Sonderbestimmungen für Direktverkäufe in den neuen Bundesländern durchaus Sinn machten.
Die Ermächtigung der Kommission für diese Festlegungen -- diese hat die Garantiemengen für die auf den Geltungszeitraum der VO Nr. 1560/93 folgenden Milchwirtschaftsjahre im Verordnungswege angepaßt -- ergebe sich aus der Präambel der VO Nr. 1560/93, denn dort werde ausdrücklich zwischen Direktverkäufen und Lieferungen zugunsten von Verkäufern unterschieden. Die Möglichkeit von Sondervorschriften für die neuen Länder, und zwar auch hinsichtlich von Anlieferungs- Referenzmengen und Direktvermarktungsquoten, sei darüber hinaus bereits in der Präambel der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 (VO Nr. 3950/92) des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABlEG Nr. L 405/1) vorgesehen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom FG zugelassene Revision der Klägerin, die folgendermaßen begründet wird:
Die fragliche Fußnote der VO Nr. 3950/92 stehe im Zusammenhang mit den Sonderregelungen, die Deutschland für die neuen Bundesländer zugestanden worden seien. In ihr seien die Mengen festgelegt, auf die sich die Sonderregelungen beziehen. Diese Sonderregelungen bestünden aber ausschließlich in den Vorgaben des Art. 4 Abs. 4 VO Nr. 3950/92, wonach den Betrieben auf dem Gebiet der ehemaligen DDR Referenzmengen für den Zeitraum April 1993 bis März 1994 vorläufig zugeteilt werden könnten. Neben der Abgrenzung des Anwendungsbereichs dieser Möglichkeit habe die Fußnote nicht auch noch die Funktion, die deutsche Verwaltung dahingehend zu binden, daß die nationale deutsche Quote für Lieferungen und für Direktverkäufe für Betriebe im Gebiet der ehemaligen DDR nur insoweit verwendet werden dürfe, als die in der Fußnote genannten Quotenanteile noch ungenutzt sind. Für eine solche Festlegung habe es keinerlei wirtschaftlichen oder rechtlichen Rechtfertigungsgrund gegeben. Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch das FG könne nicht richtig sein, weil es reiner Zufall sei, ob die insgesamt zugestandene Milchquote für die Zwecke der Direktvermarktung oder der Anlieferung eingesetzt werde. So würde die von der Klägerin produzierte Milch unter die Anlieferungsquote fallen, wenn die Klägerin eine fremde Firma mit dem Abfüllen ihrer Milch beauftragen würde. Da die Klägerin jedoch auf eine entsprechende Förderung durch das Agrarministerium des Landes für die Selbstverarbeitung ihrer Produkte angewiesen sei, sei ihr dieser Ausweg verschlossen. Es gebe keine Rechtfertigung dafür, daß ein Mitgliedsstaat nicht die ihm zugeteilte Anlieferungs-Referenzmenge für Zwecke der Direktvermarktung einsetzen dürfe. Eine normative Vorgabe dazu wäre grob willkürlich und unverhältnismäßig.
Es sei unwidersprochen vorgetragen worden, daß die Direktverkaufs-Referenzmenge für die alten Bundesländer seit langem nicht ausgeschöpft sei. Das Urteil des FG beruhe auf einer unterlassenen Aufklärung dieses Sachverhalts. Verfahrensfehlerhaft habe das FG ferner unterstellt, die Direktverkaufs-Referenzmenge für die neuen Bundesländer sei ausgeschöpft, und keine diesbezügliche Beweiserhebung durch Vernehmung des zuständigen Sachbearbeiters vorgenommen. Es sei substantiiert vorgetragen worden, daß anderen Milcherzeugern, die möglicherweise ihren Antrag auf Umwandlung später als die Klägerin gestellt hätten, für das gleiche Milchwirtschaftsjahr eine Umwandlung gestattet worden sei. Das FG habe dem HZA deshalb aufgeben müssen, die Liste der bewilligten Umwandlungen unter Angabe der Antragszeitpunkte und mit dem Nachweis vorzulegen, daß die Direktvermarktungs-Referenzmenge für die neuen Bundesländer erschöpft war.
Das FG habe zu Unrecht keine Feststellungen dazu getroffen, an wen die Direktvermarktung durch die Klägerin erfolge. Tatsächlich erfolge die Direktvermarktung nur zu einem kleinen Teil an Abnehmer im Gebiet der früheren DDR. Auf dieses Gebiet könne es für die Frage der Anwendung des Art. 4 Abs. 4 VO Nr. 3950/92 nur ankommen. West-Berlin gehöre nicht zu diesem Gebiet. Dort würden jedoch etwa 70% der Milchdirektvermarktung der Klägerin vorgenommen. Das aufzuklären, habe das FG verfahrensfehlerhaft unterlassen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG sowie den Bescheid des HZA vom 30. April 1996 und die Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 1996 aufzuheben und 200 000 kg der Anlieferungs-Referenzmenge der Klägerin für das Wirtschaftsjahr 1996/97 in eine Direktverkaufs-Referenzmenge umzuwandeln. Sie stellt hierzu ferner eine Reihe von Hilfsanträgen, nämlich
1. das HZA zu verpflichten, Anträge der Klägerin auf Umwandlung ihrer Anlieferungs- Referenzmenge nicht wegen Ausschöpfung der Direktverkaufs-Referenzmenge zurückzuweisen, wenn die Deutschland zugeordnete Direktverkaufs-Referenzmenge nicht ausgeschöpft ist;
2. höchsthilfsweise, diese Verpflichtung mit der Maßgabe auszusprechen, daß die Klägerin die zusätzliche Direktverkaufs-Referenzmenge nur durch Vermarktung in den alten Bundesländern und im ehemaligen West-Berlin nutzen darf;
3. höchsthilfsweise festzustellen, daß die Ablehnung des Umwandlungsantrages vom 4. März 1996 rechtswidrig war;
4. höchsthilfsweise festzustellen, daß die Hauptsache erledigt ist. ...
Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen (§126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Der Antrag der Klägerin, ihre Milchreferenzmengen für das Wirtschaftsjahr 1996/97 durch Umwandlung eines Teils der Anlieferungs-Referenzmenge in eine Direktverkaufs-Referenzmenge neu festzusetzen, über welchen das FG entschieden hat, ist inzwischen erledigt und damit unzulässig geworden. Denn die von der Klägerin in ihrem beim HZA gestellten Antrag begehrte Umwandlung ihrer Anlieferungs-Referenzmenge bezog sich ausdrücklich (nur) auf das Milchwirtschaftsjahr 1996/97 und würde nicht über das Wirtschaftsjahr hinauswirken (vgl. schon FG Bremen, Urteil vom 7. September 1993 2 92 017 K 2, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1994, 113; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Februar 1990 3 K 2796/89 Z, EFG 1990, 536 sowie die insoweit eindeutige Vorgängerregelung in Art. 6a der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 -- VO Nr. 857/84 -- des Rates vom 31. März 1984 über die Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse, ABlEG Nr. L 90/13, in der bei Inkrafttreten der VO Nr. 3950/92 geltenden Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 590/85 des Rates vom 26. Februar 1985 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 ... , ABlEG Nr. L 68/1, und die dazu ergangenen Schlußanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-22/90, EuGHE 1991, I- 5285, 5296, 5298); das Wirtschaftsjahr 1996/97 ist jedoch inzwischen abgelaufen. Eine Erhöhung der Direktverkaufs-Referenzmenge könnte von der Klägerin also nicht mehr durch eine entsprechende Vermarktung von Milch ausgenutzt werden. Ob bei einem Erzeuger im Gebiet der neuen Länder trotz der einstweilen nur vorläufigen Zuteilung der Referenzmengen an solche Betriebe nach Art. 4 Abs. 4 VO Nr. 3950/92 mit Aussicht auf Erfolg eine endgültige, über das einzelne Wirtschaftsjahr hinaus gültige Umwandlung von Referenzmengen gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 VO Nr. 3950/92 hätte beantragt werden können, kann dahinstehen, da die Klägerin einen solchen Antrag jedenfalls nicht gestellt hat, was auch daran deutlich wird, daß sie für das folgende Milchwirtschaftsjahr einen erneuten Umwandlungsantrag gestellt hat. Eine Entscheidung über den Umwandlungsantrag für 1996/97 käme der Klägerin auch nicht deshalb noch zugute, weil die Umwandlung sie davon befreien würde, für etwaige, bereits ausgeführte Überlieferungen in dem betreffenden Milchwirtschaftsjahr die Zusatzabgabe entrichten zu müssen; denn nach der unwidersprochenen Darstellung des HZA sind u.a. für das Milchwirtschaftsjahr 1996/97 auch bei Überlieferung in den neuen Ländern keine Abgaben erhoben, sondern Überlieferungen im Wege der Saldierung mit nicht ausgenutzten Referenzmengen ausgeglichen worden (vgl. auch Art. 6 Abs. 1 VO Nr. 3950/92, §16 Satz 2 der Milch-Garantiemengen-Verordnung -- MGV --). Für ein Festhalten an dem Umwandlungsbegehren fehlt es daher jedenfalls an einem Rechtsschutzbedürfnis, welches sich auch nicht, wie die Antragstellerin in dem Verfahren VII B 20/98 geltend gemacht hat, daraus herleiten läßt, daß sich die Klägerin wegen der Überschreitung ihrer Direktverkaufs- Referenzmenge (Überlieferung) vom "Makel der Rechtswidrigkeit" befreien müßte; denn Überlieferungen sind nicht "rechtswidrig" oder sonst makelbehaftet, wenn sie auch unter Umständen abgabepflichtig machen.
2. Mit dem ersten Hilfsantrag begehrt die Klägerin sinngemäß vorbeugenden Rechtsschutz, indem dem HZA unter bestimmten Voraussetzungen verboten werden soll, künftige Umwandlungsanträge der Klägerin zurückzuweisen und damit Grundlagenbescheide für zukünftige Milchwirtschaftsjahre zu erlassen (vgl. Beschluß des Senats vom 29. September 1987 VII B 98/87, BFH/NV 1988, 66). Auch dieser Antrag ist unzulässig. Damit erledigt sich auch der zweite Hilfsantrag, der lediglich eine Variante des ersten mit zusätzlichen Einschränkungen des materiellen Begehrens darstellt. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin im Revisionsverfahren zu diesen Anträgen übergehen durfte oder ob dem nicht -- sofern eine bloße Klageerweiterung (§264 Nr. 2 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --) vorliegt und deshalb §123 FGO nicht betroffen ist -- das Verbot (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 12. September 1995 IX R 78/94, BFHE 178, 549, BStBl II 1996, 16, und vom 28. November 1991 XI R 13/90, BFH/NV 1992, 609) entgegensteht, im Revisionsverfahren den Klageantrag zu erweitern und damit die Entscheidung des Revisionsgerichts über ein Begehren zu verlangen, das nicht Gegenstand der Entscheidung des Vorderrichters war. Denn jedenfalls ist eine Unterlassungsklage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Eine Unterlassungsklage ist nur zulässig, wenn die im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten -- insbesondere die der Anfechtungs- und Fortsetzungsfeststellungsklage (§100 Abs. 1 Satz 4 FGO) sowie der Aussetzung der Vollziehung (AdV) -- zum wirkungsvollen Schutz der Rechte des betreffenden Beteiligten nicht ausreichen, insbesondere ein Abwarten einer diese Rechtsschutzmöglichkeiten eröffnenden tatsächlichen Rechtsverletzung unzumutbar ist, weil die Rechtsverletzung dann nicht oder nur schwer wiedergutzumachen ist (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1993 I R 25/92, BFHE 172, 488, BStBl II 1994, 210). Die Klägerin kann jedoch in von der FGO vorgesehener, in die hier zu berücksichtigende Eigenständigkeit der vollziehenden Gewalt weniger stark eingreifender Weise hinlänglich Rechtsschutz erlangen, insbesondere weil der von ihr selbst gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag dies gewährleistet.
3. Mit dem dritten Hilfsantrag, zu dem die Klägerin übergehen konnte, ohne daß dem §123 Satz 1 FGO entgegenstünde (vgl. u.a. Urteile des Senats vom 28. November 1989 VII R 48/89, BFHE 159, 386, BStBl II 1990, 399, und vom 7. März 1995 VII R 84/94, BFHE 177, 189, BStBl II 1995, 557), ist die Klage zulässig.
Nach §100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist auf Antrag auszusprechen, daß ein vor Ergehen der Sachentscheidung des Gerichts erledigter Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Für ein berechtigtes Interesse im Sinne der vorgenannten Vorschrift, die bei einer -- hier vorliegenden -- Verpflichtungsklage entsprechend anzuwenden ist (Senatsurteil in BFHE 177, 189, BStBl II 1995, 557), genügt jedes konkrete schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, sofern die begehrte Feststellung geeignet ist, in einem der genannten Bereiche zu einer Verbesserung der Position des Klägers zu führen (Urteil des Senats vom 2. Juni 1992 VII R 35/90, BFH/NV 1993, 46).
An einem solchen Interesse fehlt es hier nicht. Dabei bedarf die Auffassung der Klägerin keiner Widerlegung, sie könne ihr Feststellungsinteresse daraus herleiten, daß ihr wegen des entgangenen Gewinns ein Amtshaftungsanspruch zustehe. Denn das Feststellungsinteresse ergibt sich jedenfalls daraus, daß die Klägerin damit rechnen muß, bei einer bevorstehenden Verlängerung der für die neuen Länder getroffenen Sonderregelungen mit Umwandlungsanträgen erneut an dem vom HZA in diesem Rechtsstreit verteidigten Rechtsstandpunkt zu scheitern.
4. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid, der als negativer (eine Änderung der festgesetzten Referenzmengen versagender) Referenzmengen-Feststellungsbescheid Grundlagenbescheid für ggf. bei der Klägerin zu erhebende Abgaben ist (Senatbeschlüsse vom 17. Dezember 1985 VII B 116/85, BFHE 145, 289, und vom 29. September 1987 VII B 98/97, BFH/NV 1988, 66), ist rechtmäßig.
Grundlage für die von der Klägerin mit dem verfahrensgegenständlichen Antrag vom 4. März 1996 begehrte Neufestsetzung ihrer Referenzmengen für das Wirtschaftsjahr 1996/97 kann nur Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 3950/92 sein. Nach dieser Vorschrift wird eine einzelbetriebliche Referenzmenge auf begründeten Antrag des Erzeugers erhöht, um Änderungen bei seinen Lieferungen bzw. Direktverkäufen Rechnung zu tragen. Nach Satz 2 der Vorschrift ist jedoch Voraussetzung für die Erhöhung einer Referenzmenge die entsprechende Senkung der jeweiligen anderen Referenzmenge des Erzeugers. Ferner dürfen Anpassungen nach dieser Bestimmung, wie in ihrem Satz 3 festgelegt ist, für den betreffenden Mitgliedstaat keine Erhöhung der in Art. 3 der VO genannten Gesamtmengen für Lieferungen und Direktverkäufe bewirken.
Dabei kommt es entgegen der Rechtsansicht der Klägerin bei Erzeugern, deren Betrieb im Gebiet der ehemaligen DDR liegt, auf die Menge von 8 801 t für Direktverkäufe auf dem Gebiet der neuen Bundesländer an, die in Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 3950/92 in der Anmerkung zur dort nach Satz 1 angefügten Tabelle genannt ist, und nicht auf die in der Tabelle für Deutschland als Ganzes genannte Menge von 100 038 t für den Direktverkauf, wie das FG rechtsfehlerfrei erkannt hat.
Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Erzeugern von Kuhmilch, deren Betrieb sich auf dem Gebiet der ehemaligen DDR (im folgenden auch: neue Länder) befindet, kann die Referenzmenge nach Art. 4 Abs. 4 VO Nr. 3950/92 bis zum Ende des Zeitraums 1997/98 -- anders als es grundsätzlich bei allen anderen Erzeugern der Fall ist -- vorläufig zugeteilt werden. Wie sich aus den Begründungserwägungen ergibt, will das Gemeinschaftsrecht damit der besonderen Situation der Milchwirtschaft in diesem Gebiet Rechnung tragen. Der nationale Verordnungsgeber hat dieser Bestimmung entsprechend die Erzeuger in den neuen Ländern bestimmten Sonderregelungen unterworfen, um sicherzustellen, daß die Umstrukturierung der Landwirtschaft in den neuen Ländern durch das Regime der Zusatzabgabe im Milchsektor nicht behindert wird. Hierzu gehört insbesondere die erstmals in der 19. Verordnung zur Änderung der Milch-Garantiemengen-Verordnung vom 25. März 1991 (BGBl I, 799) geregelte Besonderheit, daß abweichend von §4 MGV Milcherzeugern, deren Betrieb ganz oder teilweise in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (also in den neuen Ländern) liegt, für den in diesem Gebiet liegenden Betrieb oder die dort liegenden Teile des Betriebes die Anlieferungs-Referenzmenge vorläufig zugeteilt wird (§16b MGV). Ob die MGV dabei von einer der Deutschland von der Gemeinschaft erteilten einzelstaatlichen Ermächtigung Gebrauch gemacht hat oder durch das Gemeinschaftsrecht dahin gebunden war, eine solche Regelung zu treffen, bedarf keiner Erörterung.
Auch die den Milcherzeugern, deren Betrieb sich auf dem Gebiet der neuen Länder befindet, nach §16i MGV zustehende Direktverkaufs-Referenzmenge, die der dem jeweiligen Erzeuger mit Ablauf des 31. März 1993 zustehenden Referenzmenge entspricht, ist eine solche vorläufige Referenzmenge. Anders als für die Anlieferungs-Referenzmenge in §16b MGV ist dies zwar in der MGV nicht ausdrücklich geregelt; es ergibt sich indes aus dem -- gerade in Umwandlungsfällen deutlichen -- systematischen Zusammenhang des §16i MGV mit jener Vorschrift und wird durch Art. 4 Abs. 4 VO 3950/92 bestätigt, der zweifellos auch die Referenzmenge für Direktverkäufe betrifft. Die von der Klägerin begehrte Zuteilung einer weiteren Direktverkaufs-Referenzmenge im Wege der Quotenanpassung nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 2 VO Nr. 3950/92 müßte ebenfalls §16b MGV Rechnung tragen; auch im Wege einer Quotenumwandlung könnte deshalb nur eine i.S. des §16b MGV vorläufige Referenzmenge zugeteilt werden. Da jedoch die im Wege der Anpassung der einzelbetrieblichen Referenzmengen nach Art. 4 Abs. 2 VO Nr. 3950/92 bei entsprechender Senkung der Anlieferungs-Referenzmenge zugeteilten Direktverkaufs- Referenzmengen nicht bewirken dürfen, daß die in Art. 3 VO Nr. 3950/92 genannten Gesamtmengen für Lieferungen und Direktverkäufe überschritten werden, könnte die vorläufig zugeteilte Direktverkaufs-Referenzmenge der Klägerin nur für das streitige Milchwirtschaftsjahr erhöht werden, wenn die in der Anmerkung zur Tabelle des Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 3950/92 festgesetzte Gesamtmenge für Direktverkäufe auf dem Gebiet der neuen Länder nicht erschöpft ist. Denn bei den dort genannten Referenzmengen handelt es sich um diejenigen, die Art. 4 Abs. 4 VO Nr. 3950/92 vorläufig zuzuteilen gestattet.
Der Klägerin kann aus der Gesamtgarantiemenge für Deutschland eine weitere Direktverkaufs-Referenzmenge auch nicht endgültig zugeteilt werden. Denn abgesehen davon, daß sie selbst beim HZA nur beantragt hat, ihre (vorläufige) Anlieferungs- Referenzmenge in eine (folglich gleichfalls vorläufige) Referenzmenge für Direktverkäufe umzuwandeln, dürfen nach §16b MGV Betrieben in den neuen Ländern nur vorläufige Referenzmengen zugeteilt werden, was auch bei einer Zuteilung im Wege der Quotenumwandlung gelten muß. Diese Regelung entspricht dem Gemeinschaftsrecht. Denn Art. 4 Abs. 2 Satz 3 VO Nr. 3950/92 verbietet zwar lediglich die Überschreitung der für den jeweiligen Mitgliedstaat in Art. 3 dieser Verordnung festgelegten Gesamtmengen infolge einer Quotenumwandlung, ohne auf die dort im Falle Deutschlands für einen Teil eines Mitgliedstaates erwähnten besonderen Gesamtmengen ausdrücklich Bezug zu nehmen. Im Gebiet der neuen Länder ist diese Bestimmung jedoch mit der sich aus der (spezielleren) Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 VO Nr. 3950/92 ergebenden Maßgabe anzuwenden, daß dort ansässigen Betrieben die Referenzmenge (bis einschließlich des Milchwirtschaftsjahres 1997/98) vorläufig zugeteilt werden kann. Nach dem systematischen Zusammenhang der vorgenannten Vorschriften besteht für die sinngemäß von der Klägerin geäußerte Annahme, bei einer Quotenumwandlung nach Art. 4 Abs. 2 VO Nr. 3950/92 gelte dies nicht, offenkundig kein Anhalt.
Schließlich kann auch weder aus der in der Tabelle des Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 3950/92 für Deutschland festgesetzten Direktverkaufs-Gesamtmenge als solcher einem Erzeuger in den neuen Ländern eine einzelbetriebliche Direktverkaufs-Referenzmenge vorläufig zugeteilt werden, noch dürfte eine vorläufige Direktverkaufs-Referenzmenge aus der für die neuen Länder vorgesehenen Anlieferungs-Garantiemenge zugewiesen werden, sofern diese in dem streitigen Milchwirtschaftsjahr nicht erschöpft gewesen sein sollte. Das Gemeinschaftsrecht unterscheidet vielmehr strikt zwischen dem Direktverkauf von Milch an den Verbraucher und der Anlieferung von Milch bei einem be- oder verarbeitenden Unternehmen als Käufer (Art. 12 Buchst. h VO Nr. 857/84) und hat von Anfang an diese beiden Vermarktungsformen unterschiedlichen Regelungen unterworfen (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften -- EuGH -- vom 16. November 1995 Rs. C-196/94, EuGHE 1995, I-3991; vgl. schon Art. 1 Abs. 1 und 2 VO Nr. 804/68 in der ursprünglichen Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 856/84 des Rates vom 31. März 1984 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse, ABlEG Nr. L 90/10, Art. 6 Abs. 1 und 2 VO Nr. 857/84 und den dazu erlassenen Anhang dieser Verordnung, in dem die Direktverkaufs-Garantiemengen erstmals festgelegt worden sind). Dies trägt insbesondere den unterschiedlichen Erfordernissen bei der Festsetzung der Referenzmengen für diese beiden Vermarktungsformen und bei der Kontrolle ihrer Einhaltung Rechnung. Es dient dem für die Erhebung der Zusatzabgabe kennzeichnenden Ziel, eine Beschränkung der Milcherzeugung herbeizuführen und ein Ausweichen der Erzeuger auf bisher nicht genutzte Vermarktungsformen einzuschränken, und ist dafür auch nicht, wie die Klägerin sinngemäß geltend macht, offenkundig nicht erforderlich oder ungeeignet. Aus dem Gesamtzusammenhang der insoweit einschlägigen Regelungen ergibt sich auch, daß ein Erzeuger die Art der Vermarktung seiner Milch nur ändern kann, soweit die diesbezüglichen Regeln des Gemeinschaftsrechts es ausdrücklich zulassen (vgl. EuGH-Urteil vom 7. November 1991 Rs. C-22/90, EuGHE 1991, I-5285, 5309 Tz. 16). Diese Regeln sehen aber, wie dargelegt, die Zuteilung einer einzelbetrieblichen Direktverkaufsmenge aus der gesamtstaatlichen Anlieferungs-Garantiemenge offenkundig nicht vor, welche auch die Unterscheidung zwischen Direktverkauf und Verkauf an eine Molkerei bei der Festlegung der nationalen Quoten unterlaufen würde.
Dieses Verständnis der vorstehend angeführten Vorschriften, zu dem bereits deren Wortlaut zwingt, entspricht auch im Hinblick auf die besondere Handhabung des Milchregimes in den neuen Ländern den Zielen des gemeinschaftlichen und des nationalen Verordnungsgebers. Wie sich aus den Begründungserwägungen der VO Nr. 3950/92 ergibt, hat der Rat der Umstrukturierung der landwirtschaftlichen Betriebe in den neuen Ländern durch eine Lockerung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zur Stabilisierung der Milcherzeugung Rechnung tragen wollen, welche auf der Grundlage der für die Mitgliedstaaten festgelegten, in Gesamtgarantiemengen für Lieferung und Direktverkäufe aufgeteilten Gesamtmengen für die Milchproduktion grundsätzlich die feste Zuteilung von einzelbetrieblichen Referenzmengen vorsehen und um des schutzwürdigen Vertrauens der betroffenen Milcherzeuger willen vorsehen mußten; der Rat hat dabei jedoch in den Begründungserwägungen hervorgehoben, es müsse sichergestellt werden, daß diese Lokerungen nur für das Gebiet der neuen Länder gelten. Ob diese Zielsetzungen es ausschließen würden, über die in der Anmerkung zu der Tabelle des Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 3950/92 für Betriebe in den neuen Ländern festgesetzten Gesamtmengen hinaus solchen Betrieben -- im Rahmen der für Deutschland als Ganzes festgesetzten Gesamtmengen -- (neben vorläufigen einzelbetrieblichen Referenzmengen) endgültige einzelbetriebliche Referenzmengen zuzuweisen, oder ob es die Ziele des Rates gebieten, für eine Übergangszeit die für das Beitrittsgebiet in der Verordnung angeführten Gesamtmengen als rechtsverbindliche Gesamtgarantiemengen für ein Teilgebiet des Mitgliedsstaates Deutschland anzusehen, kann dahinstehen. Jedenfalls entspräche es nicht dem Sinn der von dem Verordnungsgeber der MGV im Vierten Abschnitt getroffenen besonderen Bestimmungen für Milcherzeuger in den neuen Ländern, diesen bei Erschöpfung der für Milcherzeuger im Gebiet der neuen Länder gemeinschaftsrechtlich festgelegten Gesamtgarantiemengen, die vorläufig zugewiesen werden dürfen, daneben bereits vor Ablauf des in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 3950/92 genannten Milchwirtschaftsjahres und des (seinerzeit) für diesen Zeitpunkt von dem Rat erwarteten Abschlusses des Umstrukturierungsprozesses in der Milchwirtschaft der neuen Länder endgültige einzelbetriebliche Referenzmengen aus der gesamtstaatlich für Deutschland festgelegten Garantiemenge zuzuweisen. Denn wenn einzelnen Erzeugern bereits vor Abschluß der Umstrukturierungsmaßnahmen in den neuen Ländern endgültig einzelbetriebliche Referenzmengen aus der Gesamtgarantiemenge Deutschlands zugewiesen würden, wäre dies geeignet, die betrieblichen Produktionsstrukturen auf dem Milchsektor zu verfestigen, was der nationale Verordnungsgeber in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht in den neuen Ländern gerade einstweilen verhindern will.
Das FG hat auf der Grundlage der Auskunft des HZA Hamburg-Jonas festgestellt, daß die für Direktverkäufe auf dem Gebiet der neuen Länder festgesetzte Quote erschöpft ist. Die gegen diese Feststellung des FG von der Revision vorgebrachte Verfahrensrüge ist nicht ordnungsgemäß erhoben, so daß der erkennende Senat an die vom FG getroffene Feststellung nach §118 Abs. 2 FGO gebunden ist. Denn es sind von der Revision nicht gemäß §120 Abs. 2 Satz 2 FGO Tatsachen bezeichnet worden, die den angeblichen Verfahrensmangel einer unzureichenden Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (§76 FGO) ergeben. Die Revision hat nicht vorgetragen, daß die Klägerin die angeblich zu Unrecht unterbliebene Beweiserhebung durch Beiziehung der "Liste" der bewilligten Umwandlungen beantragt hat oder warum ihr dies, obwohl sie eine solche Form der Beweiserhebung für notwendig hielt, nicht möglich war. Die Verfahrensrüge greift überdies jedenfalls in der Sache nicht durch. Denn dem FG, das hinsichtlich der Erschöpfung der maßgeblichen Gesamtgarantiemenge bereits über eine bei den Sachakten des beklagten HZA befindliche eindeutige Auskunft des sachkundigen HZA Hamburg-Jonas verfügte, mußte sich die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung anhand der -- von der Revision vermißten -- Unterlagen des beklagten HZA oder was allenfalls sachgemäß gewesen wäre -- des HZA Hamburg-Jonas, auf denen dessen Auskunft beruhte, nicht aufdrängen, nachdem die Klägerin selbst eine solche Aufklärung nicht verlangt hatte. Dem von der Klägerin in diesem Zusammenhang allein gestellten Beweisantrag -- der im übrigen von der Revision nicht in der erforderlichen Weise substantiiert bezeichnet worden ist -- mußte das FG jedenfalls deshalb nicht nachgehen, weil selbst bei Richtigkeit der unter Beweis gestellten Behauptung die Schlußfolgerung offenkundig ausgeschlossen gewesen wäre, entgegen der Auskunft des HZA Hamburg-Jonas sei die maßgebliche Garantiemenge nicht erschöpft.
Soweit die Revision als Verfahrensmangel rügt, das FG habe nicht aufgeklärt, ob die deutsche Gesamtquote für Direktverkäufe erschöpft ist, kann ihr dies schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil es auf diese Tatsache nach der -- im übrigen zutreffenden -- Rechtsauffassung des FG nicht ankam.
Da sich der Betrieb der Klägerin in den neuen Ländern befindet und die für Betriebe in den neuen Ländern Deutschlands zur vorläufigen Zuweisung an Erzeugerbetriebe zustehende Gesamtgarantiemenge für Direktverkäufe erschöpft ist, konnte der Klägerin mithin eine zusätzliche einzelbetriebliche Direktverkaufs-Referenzmenge für das streitige Milchwirtschaftsjahr im Wege der Anpassung ihrer Referenzmengen nicht zugeteilt werden. Daß die Klägerin die von ihr begehrte zusätzliche Direktverkaufs-Referenzmenge nicht für Direktverkäufe an Endverbraucher aus dem Gebiet der früheren DDR, sondern für Direktverkäufe im früheren Westteil Berlins benutzen wollte, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Wie sich sowohl aus der VO Nr. 3950/92 als auch aus den Bestimmungen der MGV klar ergibt, werden die einzelbetrieblichen Referenzmengen für Betriebe in den neuen Ländern unabhängig davon vorläufig festgesetzt, wohin diese Betriebe die von ihnen erzeugte Milch liefern oder direkt verkaufen. Das schließt es aus, die Anmerkung zu der Tabelle in Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 3950/92, die von Direktverkäufen "auf dem Gebiet der neuen Bundesländer" spricht, dahin zu verstehen, damit solle nicht auf den Ort, an dem sich der Betrieb des Verkäufers befindet, sondern auf den Käufer abgestellt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 422402 |
BFH/NV 1999, 86 |