Leitsatz (amtlich)
Sinkt bei Ermittlung der Vermögensteuerzahlungen zum 10. August und 10. November 1948 das steuerpflichtige Gesamtvermögen infolge der Umrechnung nach § 2 FDVO in eine niedrigere Steuerstufe gemäß § 8 Verm-StG in der Fassung des Artikels III KontrRG Nr. 13, so ist der entsprechende niedrigere Steuersatz anzuwenden. Der entgegenstehende Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 29. Juli 1948 ist insoweit für die Steuergerichte nicht verbindlich.
Normenkette
FDVO über die Vermögensteuerzahlungen im zweiten Kalenderhalbjahr 1948 (WiGBl. 1948 S. 78 = StuZBl. 1948 S. 159)
Tatbestand
Wegen des Sachverhalts wird auf den Bescheid vom 3. Februar 1951 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 1951 hat dem Senat keine Veranlassung gegeben, von seiner im Bescheid vertretenen Auffassung abzuweichen. Zu den Ausführungen des Vertreters des Finanzamts in der mündlichen Verhandlung ist zu bemerken:
Der Umstand, daß nach dem Erlaß der Gemeinsamen Steuer- und Zollabteilung der Finanzminister der Länder der britischen Zone und des Finanzsenators der Hansestadt Hamburg vom 29. Juli 1948 -- Gem. S. 3534 -- 12/St 3 (Steuer- und Zollblatt -- StuZBl. -- S. 159) als bisheriger Steuersatz im Sinne des § 1 der Verordnung des Direktors der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebiets (FDVO) vom 17. Juli 1948 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebiets -- WiGBl. -- 1948 S. 78 = StuZBl. 1948 S. 159) der bei der letzten Vermögensteuerveranlagung angewandte Steuersatz anzusehen ist, kann für die hier zu treffende Entscheidung nicht auschlaggebend sein. Die Anwendung der Steuersätze aus § 8 des Vermögensteuergesetzes (VermStG) in der Fassung des Kontrollratgesetzes (KontrRG) Nr. 13 Artikel III bedeutet noch keine Veranlagung der Vermögensteuer für das zweite Kalenderhalbjahr 1948. Im übrigen stellt die Umrechnung der Vermögen gemäß § 2 FDVO erheblich größere Anforderungen an die Steuerpflichtigen als die Auswahl des zutreffenden Steuersatzes. Daß die Beibehaltung des zuletzt angewandten Steuersatzes eine vom Verordnungsgeber gewollte Einschränkung der Milderungsbestimmungen im § 2 FDVO sei, ist der Verordnung des Direktors der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebiets nicht zu entnehmen. Ebensowenig läßt sich feststellen, daß die in den süddeutschen Ländern vertretene andere Auffassung über den anzuwendenden Steuersatz lediglich auf Billigkeitserwägungen beruhe (vgl. Entschließung des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen vom 17. August 1948 S 3400 -- 50419 -- V unter IV, 3 -- Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen S. 238). Im § 17 des Gesetzes des Wirtschaftsrats vom 3. Juni 1949 (WiGBl. 1949 S. 83 = StuZBl. 1949 S. 143) werden zwar außer der Verordnung vom 17. Juli 1948 auch die hierzu ergangenen Verwaltungsanordnungen sanktioniert. Hieraus folgt jedoch nicht, daß der Gesetzgeber die beiden einander völlig entgegengesetzten Rechtsansichten über den Begriff des bisherigen Steuersatzes in § 1 FDVO vom. 17. Juli 1948 billigen, und die hierauf beruhenden, einander widersprechenden Verwaltungsanordnungen zu bindenden Rechtsnormen erklären wollte und konnte. Die Befragung des Bundesministers der Finanzen über Inhalt und Tragweite des § 1 FDVO vom 17. Juli 1948 bzw. § 17 des Gesetzes vom 3. Juni 1949 hält der Senat hiernach nicht für geboten.
Unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der ihm zugrunde liegenden Entscheidungen war daher die Vermögensteuer für das zweite Kalenderhalbjahr 1948, wie geschehen, zu ermäßigen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 307 der Reichsabgabenordnung, die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes aus § 320 a. a. O.
Der Beschwerdeführer (Bf.) wendet sich gegen die Festsetzung der Vermögensteuerzahlungen vom 10. August und 10. November 1948 auf Grund der Verordnung des Direktors der Verwaltung für Finanzen (FDVO) über die Vermögensteuerzahlungen im zweiten Kalenderhalbjahr 1948 vom 17. Juli 1948 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes -- WiGBl. -- 1948 S. 78 = Steuer- und Zollblatt -- StuZBl. -- 1948 S. 159). Er hält die FDVO für rechtsungültig. In jedem Fall sei der angewandte Steuersatz von 2,5 % bei einem umgerechneten Vermögen unter 500 000 DM unzutreffend. Einspruch und Berufung blieben erfolglos.
Das Finanzgericht hat die Rechtsgültigkeit der FDVO bejaht und darauf hingewiesen, daß die Verordnung, selbst wenn ihre Rechtsgültigkeit nicht gegeben wäre durch § 17 des Gesetzes des Wirtschaftsrats über die Vermögensteuer-Veranlagung für die Zeit ab 1. Januar 1949 und die Vermögensteuer für das zweite Kalenderhalbjahr 1948 vom 3. Juni 1949 (WiGBl. 1949 S. 83 = StuZBl. 1949 S. 143) sanktioniert sei. Hinsichtlich des anzuwendenden Steuersatzes verweist das Finanzgericht auf den Erlaß vom 29. Juli 1948 (StuZBl. 1948 S. 159), demzufolge der bei der Vermögensteuer-Veranlagung 1946 angewandte Steuersatz auch auf das in DM umgerechnete Vermögen anzuwenden sei. Der Bf. sei für 1946 nach einem Vermögen von 906 000 RM unter Anwendung des Steuersatzes von 2,5 % zur Vermögensteuer veranlagt worden. Dieser Steuersatz sei daher auch für die Vermögensteuerzahlungen im zweiten Kalenderhalbjahr 1948 maßgebend. In der Rechtsbeschwerde (Rb.) gegen dieses Urteil verbleibt der Bf. dabei, daß die FDVO rechtsungültig sei. Gleiches gelte von dem Gesetz des Wirtschaftsrats vom 3. Juni 1949. Die Anwendung des Steuersatzes von 2,5 % bei einem Vermögen von unter 500 000 DM stehe im Widerspruch zu § 8 des Vermögensteuergesetzes (VermStG) i. d. F. des Artikels III des Kontrollratgesetzes Nr. 13 und verstoße gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.
Der Bf. hat mündliche Verhandlung beantragt. Es erschien jedoch zweckmäßig, vorerst ohne eine solche zu entscheiden (§ 294 Absatz 2 der Reichsabgabenordnung -- AO --).
Die Rb. ist zum Teil begründet.
Der Oberste Finanzgerichtshof hat in dem Urteil vom 19. Dezember 1949 III 39/49 S (Steuer und Wirtschaft -- StW -- 1950 Nr. 42) entschieden, daß die Vermögensteuerzahlungen vom 10. August und 10. November 1948 und die Anforderung dieser Zahlungen durch die Finanzämter, selbst wenn die FDVO vom 17. Juli 1948 zunächst der Rechtsgültigkeit ermangelt hätte, jedenfalls nach Inkrafttreten des § 17 des Gesetzes des Wirtschaftsrats vom 3. Juni 1949 als rechtswirksam erfolgt anzusehen seien. Der erkennende Senat des Bundesfinanzhofs hat sich dieser Entscheidung bereits in seinem Urteil vom 16. Dezember 1950 III 80/50 S angeschlossen. Hieran wird festgehalten.
Dagegen ist die Rb. in der Frage des Steuersatzes begründet. Der Oberste Finanzgerichtshof hat sich in seinem Urteil vom 20. Januar 1950 III 8/49 S (StW 1950 Nr. 46 = Finanz-Rundschau -- FR -- 1950 Nr. 5 S. 73) mit der Frage des bei Ermittlung der Vermögensteuerzahlungen für das zweite Kalenderhalbjahr 1948 anzuwendenden Steuersatzes befaßt. Er ist hierbei zu folgendem Ergebnis gelangt: Sinkt bei Ermittlung der Vermögensteuerzahlungen zum 10. August und 10. August und 10. November 1948 nach der FDVO das steuerpflichtige Gesamtvermögen infolge der Umrechnung nach § 2 FDVO in eine niedrigere Steuerstufe gemäß § 8 VermStG i. d. F. des Artikels III des Kontrollratgesetzes Nr. 13, so ist der entsprechende niedrigere Steuersatz anzuwenden. Der erkennende Senat des Bundesfinanzhofs trägt keine Bedenken, diesem Urteil beizutreten. Allerdings ist im Streitfall eine Verwaltungsanordnung zur FDVO, der Erlaß vom 29. Juli 1948, ergangen, der bestimmt, daß der bisher auf das RM-Vermögen angewandte Steuersatz für das in DM umgerechnete Vermögen weiterhin zu gelten habe. Die angefochtene Entscheidung stützt sich darauf, daß § 17 des Gesetzes vom 3. Juni 1949 nicht nur die FDVO, sondern auch die dazu erlassenen Verwaltungsanordnungen sanktioniert und dadurch zu Rechtsnormen erhoben habe. § 17 a. a. O. hat allerdings seine Wirkung über die FDVO hinaus auf die zu ihr erlassenen Verwaltungsanordnungen ausgedehnt. Hieraus kann aber nicht gefolgert werden, daß den Verwaltungsanordnungen eine von der FDVO losgelöste, selbständige Rechtswirkung beigelegt worden sei. Das Primäre ist die FDVO, die Verwaltungsanordnungen nehmen an der gesetzlichen Sanktionierung nur in dem Umfang teil, in dem sie sich in den Grenzen des materiellen Inhalts der FDVO bewegen. Eine allgemeine Sanktionierung aller, zum Teil einander widersprechender Verwaltungsanordnungen ist im § 17 a. a. O. nicht enthalten. Die gegenteilige Auffassung beruht auf einer nicht zu billigenden formalistischen Auslegung des § 17 a. a. O. Sie würde außerdem zu dem vom Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der steuerlichen Gerechtigkeit untragbaren Ergebnis führen, daß zwei auf den gleichen Betrag umgerechnete Vermögen verschiedenen Steuersätzen unterliegen würden, je nachdem, ob das Gesamtvermögen ursprünglich die Stufengrenze überschritten hat oder nicht. Ebenso würde damit die verschiedene Behandlung der Frage in den einzelnen Ländern bestätigt. Der Vorbehörde kann hiernach nicht darin beigetreten werden, daß die Anwendung des Steuersatzes von 2 1/2 % durch den Erlaß vom 29. Juli 1948 i. V. mit § 17 a. a. O. geboten sei.
Demgemäß war das angefochtene Urteil nebst den ihm zugrunde liegenden Entscheidungen aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Vermögensteuer für das zweite Kalenderhalbjahr 1948 beträgt bei einem steuerpflichtigen Vermögen von 283 000 DM und einem Steuersatz von 1 1/2 % gemäß § 8 VermStG i. d. F. des Artikels III des Kontrollratgesetzes Nr. 13 2122 DM. Die Vermögensteuerzahlungen am 10. August und 10. November 1948 belaufen sich somit auf je 1061 DM. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 307 der Reichsabgabenordnung, die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes aus § 320 a. a. O.
Fundstellen
Haufe-Index 407251 |
BStBl III 1951, 147 |
BFHE 1952, 372 |